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BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2000 - 4 StR 372/00


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 10.10.2000 - 4 StR 372/00
4 StR 372/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
10. Oktober 2000
in der Strafsache gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 10. Oktober 2000 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankenthal vom 13. Juni 2000 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachbeschwerde Erfolg; einer Erörterung der Verfahrensbeschwerden bedarf es daher nicht.
Nach den Feststellungen zog der Angeklagte nach einem Streit mit Marek S. "die Pistole ´Zastawa´ aus dem Hosenbund oder einer Hosentasche, lud durch, indem er den Schlitten zurückzog und richtete die Pistole mit dem ausgestreckten rechten Arm auf den Oberkörper seines vor ihm stehenden Kontrahenten." Dieser "zog mit dem rechten Arm die rechte Seite seiner Jacke in Kopfhöhe und drehte sich nach links". Der Angeklagte gab mit bedingtem Tötungsvorsatz "auf die ihm zugewandte rechte Oberkörperseite seines
Gegners einen Schuss ab, der S. aus einer Entfernung von höchstens einem halben Meter - gerechnet ab der Mündung der Pistole - unterhalb der rechten Achsel etwa in Höhe der rechten Brustwarze traf." Anschließend ging der Angeklagte unter Mitnahme der Pistole eilig weg. S. überlebte die erlittene Verletzung dank sofortiger ärztlicher Hilfe, allerdings mußte der durch den Schuß weitgehend zerstörte rechte untere Lungenlappen teilweise entfernt werden.
Die Beweiserwägungen, auf Grund derer das Landgericht bedingten Tötungsvorsatz angenommen hat, begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Bei einer so gefährlichen Gewalthandlung, wie es das Schießen aus kurzer Entfernung auf den Oberkörper eines anderen darstellt, konnte der Angeklagte bei Abgabe des Schusses nicht auf einen glücklichen Ausgang vertrauen.
Dagegen hält die Verneinung eines strafbefreienden Rücktritts - wie der Beschwerdeführer im Ergebnis zu Recht geltend macht - rechtlicher Prüfung nicht stand. Das Landgericht hat einen beendeten Totschlagsversuch angenommen und dazu ausgeführt:
"Es ist möglich, dass die Pistole mit mehr als nur einer Patrone geladen war, so dass der Angeklagte vielleicht noch weiter auf S. hätte schießen können, wenn er dies gewollt hätte. Die Tat war aber aus Sicht des Angeklagten mit der Abgabe des einen Schusses beendet, wie daraus folgt, dass er sich danach sogleich umwandte und fortging ... . Er hatte aus sehr kurzer Entfernung einen gezielten Schuss gegen den Oberkörper des anderen abgegeben. Er rechnete deshalb als sehr naheliegend damit, dass er S. getroffen und lebensbedrohlich verletzt hatte, auch wenn dieser nicht sogleich zusammenbrach, und auch wenn er dessen taumelnden Gang nach Erhalt der Schusswunde vielleicht nicht mehr wahrnahm."
Damit ist die Annahme eines beendeten Versuchs aber nicht ausreichend mit Tatsachen belegt. Ein Tötungsversuch ist erst dann im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB beendet, wenn der Täter nach der letzten Ausführungshandlung den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges (zumindest) für möglich hält (sog. Rücktrittshorizont; vgl. BGHSt 31, 170, 175; 33, 295, 299; 39, 221, 227 f.). Dies ist den bisherigen Feststellungen nicht zu entnehmen, denn danach hat der Angeklagte weder gesehen, wo der Schuß das Opfer getroffen hat, noch war die äußere Situation unmittelbar nach der Schußabgabe so, daß der Angeklagte daraus die lebensgefährliche Verletzung seines Opfers erkennen konnte, zumal es sich im Augenblick der Schußabgabe wegdrehte. Bei dieser Sachlage geben die bisherigen Feststellungen auch dafür, daß sich der Angeklagte nach der letzten Ausführungshandlung keine Vorstellungen über die Folgen seines Tuns gemacht hat mit der Konsequenz, daß ein beendeter Versuch anzunehmen wäre (BGHSt 40, 304 f.), keinen hinreichenden Anhalt.
Der aufgezeigte Mangel zwingt auch zur Aufhebung der für sich gesehen rechtlich nicht zu beanstandenden Verurteilung wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung (vgl. BGHR StPO § 353 Aufhebung 1; vgl. auch Kuckein in KK 4. Aufl. § 353 Rdn. 12).
Maatz Kuckein Athing
Solin-Stojanovic Ernemann


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