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BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2008 - 4 StR 141/08



Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 10.10.2008 - 4 StR 141/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 141/08
vom
10. Oktober 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung im schweren Fall u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 10. Oktober 2008 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 26. November 2007
1. im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte im Fall II 2 der Urteilsgründe der sexuellen Nötigung schuldig ist,
2. aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte im Fall II 1 der Urteilsgründe wegen Vergewaltigung im schweren Fall verurteilt worden ist,
b) in den Aussprüchen über die Hauptstrafe und über die Gesamtstrafe,
c) mit den Feststellungen im Maßregelausspruch.
II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
III. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
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Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung im schweren Fall und wegen versuchter Vergewaltigung unter Auflösung der Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Schwerin vom 21. September 2005 und Einbeziehung der dort verwirkten Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und acht Monaten verurteilt. Ferner hat es die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet.
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Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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1. Der Schuldspruch im Fall II. 2. der Urteilsgründe wegen versuchter Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 1 StGB a.F. hat keinen Bestand, weil das Landgericht rechtsfehlerhaft einen strafbefreienden Rücktritt des Angeklagten von dem Vergewaltigungsversuch gemäß § 24 Abs. 1 StGB abgelehnt hat.
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Nach Auffassung des Landgerichts handelte der Angeklagte, als er davon Abstand nahm, den Geschlechtsverkehr mit dem Tatopfer zu erzwingen, nicht freiwillig. Er habe die Durchführung seines ursprünglich gefassten Tatplans allein deshalb aufgegeben, weil das von ihm verfolgte Ziel, sexuelle Befriedigung durch die Ausführung des Geschlechtsverkehrs zu erreichen, "für ihn nach seinem vorzeitigen Samenerguss nicht mehr notwendig war". Auf den Tatplan kommt es aber entgegen der früheren Rechtsprechung nicht an. Maßgeblich für die Abgrenzung des unbeendeten vom beendeten Versuch und damit für die Voraussetzungen des strafbefreienden Rücktritts ist vielmehr, ob der
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Täter nach der letzten von ihm konkret vorgenommenen Ausführungshandlung den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs für möglich hält (sog. Rücktrittshorizont, vgl. BGHSt - GS - 39, 221, 227 f.). Ein strafbefreiender Rücktritt vom unbeendeten Versuch ist demgemäß auch in den Fällen möglich, in denen der Täter von weiteren Handlungen absieht, weil er sein außertatbestandsmäßiges Handlungsziel - hier: seine sexuelle Befriedigung - erreicht hat (vgl. BGHSt aaO S. 230 f.; BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Freiwilligkeit 24). Der freiwillige Verzicht auf eine ohne weitere Zäsur als noch möglich erkannte Tatbestandsverwirklichung reicht zum strafbefreienden Rücktritt vom unbeendeten - dann nicht etwa fehlgeschlagenen - Versuch aus (vgl. BGH NStZ-RR 1997, 259; 2002, 168, jew. m.w.N.).
Dass der dem Tatopfer körperlich überlegene Angeklagte sich aus objektiven oder subjektiven Gründen außer Stande gesehen hat, das Tatopfer ohne weitere Zäsur zu dem angestrebten außerehelichen Beischlaf mit ihm zu nötigen, lässt sich den bisherigen Feststellungen nicht entnehmen. Der Senat schließt aus, dass Solches noch festzustellen ist, so dass dem Angeklagten ein strafbefreiender Rücktritt vom unbeendeten Versuch der Vergewaltigung zuzubilligen ist.
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Da der Angeklagte das Tatopfer im Verlauf des Tatgeschehens mit Gewalt genötigt hat, außereheliche sexuelle Handlungen des Angeklagten an sich zu dulden, hat er sich jedoch gemäß § 178 Abs. 1 StGB a.F. einer vollendeten sexuellen Nötigung schuldig gemacht. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil auszuschließen ist, dass sich der Angeklagte gegen den geänderten Schuldvorwurf anders als geschehen verteidigt hätte.
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Die Schuldspruchänderung lässt die wegen dieser Tat verhängte Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten unberührt. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht, hätte es die Strafe nicht dem unter Verbrauch des Milderungsgrundes gemäß §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB angewendeten Strafrahmens des § 177 Abs. 2 StGB a.F., sondern dem Strafrahmen des § 178 Abs. 1 StGB a.F. entnommen, eine niedrigere Freiheitsstrafe verhängt hätte.
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2. Die Verurteilung im Fall II 1 der Urteilsgründe, die Hauptstrafe und die Gesamtstrafe können dagegen nicht bestehen bleiben.
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Das Landgericht hat den Angeklagten im Fall II 1 der Urteilsgründe wegen einer an einem nicht näher bestimmbaren Tag in dem Zeitraum März 1989 bis Ende des Jahres 1989 begangenen Tat gemäß § 121 Abs. 2 StGB-DDR der Vergewaltigung im schweren Fall schuldig gesprochen und hat wegen dieser Tat auf eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und fünf Monaten erkannt. Im Zuge der gemäß §§ 53, 54 und 55 StGB vorzunehmenden Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe unter Einbeziehung der fünf Einzelfreiheitsstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Schwerin vom 21. September 2005 hat das Landgericht zunächst aus der durch das Landgericht Schwerin wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes gemäß § 148 Abs. 1 StGB-DDR verhängten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten und der im Fall II 1 der Urteilsgründe verhängten Freiheitsstrafe von drei Jahren und fünf Monaten eine Hauptstrafe (§§ 63, 64 StGB-DDR) von fünf Jahren "gebildet". Aus dieser Hauptstrafe, der im Fall II 2 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe von einem Jahr und elf Monaten sowie den drei Einzelfreiheitsstrafen von je zwei Jahren Freiheitsstrafe und der Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten aus dem Urteil des Landgerichts Schwerin vom 21. September 2005 hat das Landgericht sodann
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eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten gebildet. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Zwar hat das Landgericht nicht verkannt, dass auf die vom Angeklagten vor dem Beitritt der ehemaligen DDR im Beitrittsgebiet begangene Vergewaltigung gemäß Art. 315 Abs. 1 EGStGB, § 2 Abs. 3 StGB das Gesetz anzuwenden ist, das sich unter Zugrundelegung einer konkreten Betrachtungsweise der besonderen Umstände des Einzelfalles als das mildeste Gesetz erweist (vgl. BGHSt 37, 320, 322; BGH NStZ-RR 2002, 201). Bei der Ermittlung des mildesten Gesetzes durfte sich das Landgericht aber nicht allein auf den Vergleich der unter den hier gegebenen Umständen in Betracht kommenden Strafrahmen des § 121 Abs. 2 StGB-DDR und des § 177 Abs. 1 StGB i.d.F. des 4. StrRG beschränken. Im Hinblick darauf, dass die (nachträgliche) Gesamtstrafe gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 StGB durch Erhöhung der höchsten verwirkten Strafe zu bilden ist, hätte vielmehr der Prüfung bedurft, ob nicht die nach dem Recht der DDR zu verhängende Hauptstrafe (vgl. BGHSt 41, 247, 277) zu einer Schlech-terstellung des Angeklagten führt; denn dadurch erhöht sich Einsatzstrafe von drei Jahren fünf Monaten auf fünf Jahre Freiheitsstrafe.
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Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung auch des Schuldspruchs im Fall II 1 der Urteilsgründe wegen Vergewaltigung im schweren Fall (§ 121 Abs. 2 StGB-DDR), weil sich der Schuldspruch ebenso wie die Strafe nach dem anzuwendenden mildesten Gesetz richtet und nicht auszuschließen ist, dass der neue Tatrichter bei konkreter Betrachtungsweise zur Anwendung des § 177 Abs. 1 StGB gelangt. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren und inneren Tatgeschehen können jedoch aufrecht erhalten bleiben.
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3. Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall II 1 der Urteilsgründe und der vorgenannten Strafaussprüche zieht die Aufhebung der auf § 66 Abs. 2 StGB gestützten Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung nach sich. Der neue Tatrichter wird auch die Frage der Anordnung von Sicherungsverwahrung erneut zu prüfen haben. Insofern geben die Gründe des angefochtenen Urteils Anlass zu folgenden Hinweisen:
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Ein zulässiges Verteidigungsverhalten darf bei der Prognoseentscheidung gemäß § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht zum Nachteil des Angeklagten gewertet werden (vgl. BGH NStZ 1993, 37; Fischer StGB 55. Aufl. § 66 Rdn. 38 m.w.N.). Dies hat das Landgericht zwar nicht verkannt. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist aber auch die zu seinen Lasten gewertete Einlassung des Angeklagten am siebten Verhandlungstag (UA S. 38), soweit sie die hier abzuurteilenden Taten betrifft, auf das Verteidigungsverhalten des diese Taten bestreitenden Angeklagten zurückzuführen.
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Nach den Feststellungen hatten die beiden Sachverständigen dieses Verfahrens den Angeklagten bereits anlässlich des vor dem Landgericht Schwerin durchgeführten Verfahrens im März 2002 begutachtet und waren zu dem Ergebnis gelangt, dass der Angeklagte in die Gruppe der regressiven Sexualstraftäter mit einer eher geringen Rückfallgefahr einzuordnen sei. Nach erneuter Begutachtung hat der psychiatrische Sachverständige zwar wiederum eine pädophile Persönlichkeitsstörung verneint und den Angeklagten als regredierenden Täter eingestuft. Nach Auffassung beider Sachverständiger ist aber von einer "hohen Rückfallgefahr" auszugehen. Insbesondere im Hinblick darauf, dass der Angeklagte nach der letzten Tat am 1. Januar 2000 nicht erneut straffällig geworden ist, hätte das Landgericht sich eingehender damit auseinandersetzen müssen, warum dieselben Sachverständigen nunmehr zur Bejahung
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einer negativen Gefährlichkeitsprognose gelangen. Die Gefährlichkeit des Täters für die Allgemeinheit im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB ist nur gegeben, wenn die bestimmte Wahrscheinlichkeit (vgl. BGHSt 25, 59, 61) besteht, dass er auch in Zukunft Straftaten begehen wird, die eine erhebliche Störung des Rechtsfriedens darstellen (vgl. BGH NStZ-RR 2006, 105).
Sollte der neue Tatrichter nicht hinreichend sicher die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB feststellen können, wird er, da jedenfalls auch die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 3 StGB vorliegen, Gelegenheit haben zu prüfen, ob gemäß § 66 a Abs. 1 StGB i.V.m. § 2 Abs. 6 StGB die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vorzubehalten ist (vgl. BGHSt 50, 188).
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Tepperwien Maatz Athing
Solin-Stojanović Ernemann




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