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BGH, Beschluss vom 12. Juli 2000 - 3 StR 246/00


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 12.7.2000 - 3 StR 246/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 246/00
vom
12. Juli 2000
in der Strafsache gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwaltes, zu Ziffer 2. auf dessen Antrag, am 12. Juli 2000 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Itzehoe vom 4. Februar 2000 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung über die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit der nicht näher ausgeführten Rüge der Verletzung materiellen Rechts.
Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, soweit es sich gegen den Schuldspruch und den Strafausspruch richtet. Der Erörterung bedarf insoweit nur, ob das Landgericht, das hinsichtlich beider Taten eine alkoholbedingte erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten feststellt, jeweils rechtsfehlerfrei von einer Strafrahmenmilderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB abgesehen hat. Dies ist im Ergebnis zu bejahen.
Maßgebend für die Strafrahmenwahl des Landgerichts war die Überlegung, dem Angeklagten sei hinlänglich bekannt gewesen, daß bei ihm stets die Gefahr der Begehung von Straftaten nach dem Genuß alkoholischer Getränke bestand, und daß sich diese Gefahr in der Vergangenheit bereits realisiert habe (UA S. 28 f.). Zwar wird dies durch die Darstellung der seit dem Jahre 1979 abgeurteilten Straftaten des Angeklagten (UA S. 5 - 7) nicht näher belegt, da insoweit Ausführungen zum Hergang der Taten und der Alkoholbeeinflussung des Angeklagten zu den Tatzeiten fehlen. Jedoch hatte die zuständige Strafvollstreckungskammer die Vollstreckung des Restes der gegen den Angeklagten im August 1995 verhängten Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten zum 13. April 1999 zur Bewährung ausgesetzt mit der Weisung, daß der Angeklagte unmittelbar nach der Haftentlassung eine stationäre Alkoholtherapie zu beginnen hat und diese nicht eigenmächtig abbrechen darf (UA S. 3). Diesem Umstand vermag der Senat unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der weiteren Urteilsgründe noch mit ausreichender Sicherheit zu entnehmen, daß der Angeklagte auch bei früheren Straftaten unter Alkoholeinfluß stand. Die Strafkammer durfte daher die alkoholbedingte Schuldminderung durch den schulderhöhenden Aspekt als aufgewogen ansehen, daß dem Angeklagten seine Neigung, unter Alkoholeinfluß straffällig zu werden, durch frühere Verurteilungen vor Augen gehalten worden war und er dennoch nach Haftentlassung und trotz der ihm erteilten Weisung sein Trinkverhalten nicht änderte.
Als rechtsfehlerhaft erweist sich das angefochtene Urteil indessen, soweit das Landgericht die Prüfung unterlassen hat, ob gemäß § 64 StGB die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen ist. Dies ist vom Senat auf die Sachrüge hin zu berücksichtigen, obwohl allein der Angeklagte Revision eingelegt hat (BGHSt 37, 5; BGHR StGB § 64 Ablehnung 3 und 5); denn dieser hat das Unterbleiben der Unterbringungsanordnung nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGHSt 38, 362).
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen liegt es nahe, daß die Voraussetzungen für die Unterbringung des Angeklagten gemäß § 64 StGB vorliegen. Eine Prüfung dieser Frage - unter Zuziehung eines ärztlichen Sachverständigen (§ 246 a StPO) - mußte sich dem Tatrichter daher aufdrängen (vgl. BGHSt 37, 5, 9; BGHR StGB § 64 Ablehnung 5).
Der Angeklagte begann seit der Scheidung seiner Ehe im Jahr 1985 vermehrt zu trinken (UA S. 3). In der Vergangenheit hatte sich bereits die Gefahr realisiert, daß der Angeklagte nach dem Genuß alkoholischer Getränke Straftaten begeht (UA S. 28 f.). Die vorzeitige Haftentlassung wurde ihm mit der Weisung bewilligt, unmittelbar eine stationäre Alkoholtherapie zu beginnen (UA S. 3). Die Weisung befolgte der Angeklagte nicht. Vielmehr trank er nach der Haftentlassung oft und regelmäßig Alkohol. Soweit es infolge des Alkoholgenusses zu Belästigungen von Nachbarn kam, die sich deswegen beschwerten, reagierte der Angeklagte aggressiv und drohte den Nachbarn (UA S. 4). Bei dem Angeklagten besteht eine unbehandelte Alkoholsucht mit der Gefahr, daß er erneut einschlägige Straftaten begeht (UA S. 30).
Damit hatte das Landgericht, wenn auch ohne die erforderliche Zuziehung eines Sachverständigen und nicht unter dem Aspekt des § 64 StGB, bereits die wesentlichen Voraussetzungen für die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt festgestellt. Daß es an der hinreichend konkreten Aussicht eines Behandlungserfolges fehlen könnte (vgl. BVerfGE 91, 1), ist nicht erkennbar. Ersichtlich hat sich der Angeklagte bisher noch keiner Alkoholtherapie unterzogen. Die Prüfung, ob der Angeklagte gemäß § 64 StGB unterzubringen ist, muß daher nachgeholt werden.
Dies zwingt hier nicht zur Aufhebung des Strafausspruches. Der Senat kann im Hinblick auf die angesichts der früheren Straftaten maßvollen Einzelstrafen und die moderate Gesamtstrafe ausschließen, daß das Landgericht auf eine noch mildere Strafe erkannt hätte, wenn es eine Anordnung nach § 64 StGB getroffen hätte (vgl. BGHSt 38, 362, 364 f.).
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