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BGH, Beschluss vom 12. Juni 2001 - 4 StR 402/00


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 12.6.2001 - 4 StR 402/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 402/00
vom
12. Juni 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 12. Juni 2001 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Dortmund vom 4. Februar 2000 mit den
Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges unter Einbeziehung
rechtskräftiger Strafen aus einer Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe
von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner hiergegen
eingelegten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts
und beanstandet das Verfahren. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg;
eines Eingehens auf die erhobenen Verfahrensbeschwerden bedarf es daher
nicht.
I.
Nach den Feststellungen schloß die M.
(im folgenden: ME), eine Gesellschaft
mit beschränkter Haftung ungarischen Rechts mit Sitz in Ungarn,
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deren Geschäftsführer der Angeklagte war, am 29. März 1991 mit der in Düsseldorf
ansässigen F. K. GmbH & Co KG (im folgenden: K.
KG) einen Vertrag über die Lieferung und schlüsselfertige Errichtung einer
Methylester-Raffinerie auf dem Grundstück eines ungarischen Gesellschafters
der ME. Die Finanzierung dieses Projekts sollte über die B. Bank, eine
Aktiengesellschaft ungarischen Rechts mit Sitz in Budapest, abgewickelt werden.
Am 17. Februar 1992 unterzeichneten der Angeklagte als Geschäftsführer
der ME und Vertreter der B. Bank nach langwierigen Verhandlungen
einen Darlehensvertrag über 23.642.750 DM sowie einen Bankgarantievertrag;
hierin übernahm die B. Bank die Garantie für die Zahlung eines weiteren
Betrages von 2.781.500 DM, der 10 % des Gesamtkaufpreises entsprach
und dessen Schlußrate bildete. Um der B. Bank ausreichende Sicherheiten
zu gewähren und den ungarischen Bestimmungen über die Bankenaufsicht
zu genügen, verpflichtete sich die ME in dem Vertragswerk, die erforderlichen
Erklärungen für die Bestellung einer Sicherungshypothek an dem Betriebsgrundstück
zu Gunsten der B. Bank abzugeben und das auf 1,5
Mill. DM erhöhte Stammkapital des Unternehmens auf ein Konto der B.
Bank einzuzahlen. Die ungarischen Gesellschafter der ME hatten einen Betrag
von insgesamt 1,82 Mill. DM aufzubringen, der auf einem Konto der ME in Ungarn
zu deponieren war. Die deutschen Gesellschafter der ME, neben der vom
Angeklagten als Geschäftsführer geleiteten P. KG J. I. (ab 3. April
1992 P. GmbH & Co J. I. KG) die A. und Bo. GmbH,
sollten zusammen rund 9,9 Mill. DM zur Verfügung stellen, die als Festgeldkonto
bei einem deutschen Kreditinstitut angelegt werden sollten. Der Angeklagte
hatte die Forderung der B. Bank, auch diesen Betrag auf ein bei
ihr einzurichtendes Konto einzuzahlen, abgelehnt, weil die deutschen Gesellschafter
die von ihnen aufzubringende Summe ihrerseits fremdfinanzieren und
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die Gelder als Sicherheit zu Gunsten der kreditgebenden Bank verpfänden
wollten. Ein Transfer ins Ausland war damit ausgeschlossen. Als Gegenleistung
für den Verzicht der B. Bank auf die unmittelbare Zugriffsmöglichkeit,
sagte der Angeklagte als verantwortlicher Verhandlungspartner der ME
zu, seitens “der ausländischen Gesellschafter” bei der B. Bank in Ungarn
Festgelder in einer Gesamthöhe von 2.136.850 DM anzulegen und ihr zur
Sicherheit zu übereignen. Der Angeklagte hatte mit der A. und Bo.
GmbH vereinbart, daß es sich hierbei ausschließlich um eine Sonderverpflichtung
der P. KG handeln sollte. Auch der B. Bank war bekannt,
daß die P. KG die Sicherheit erbringen sollte; letztlich war es den Verantwortlichen
des Kreditinstituts allerdings gleichgültig, welcher deutsche Gesellschafter
den Betrag zur Verfügung stellte. Der Angeklagte hatte jedoch zu
keinem Zeitpunkt die Absicht, Festgelder in Ungarn anzulegen, zumal die von
ihm geführte P. KG hierzu finanziell auch nicht in der Lage war.
Die B. Bank zahlte das Darlehen in Höhe von 23.642.750 DM entsprechend
dem Baufortschritt in 21 Raten im Zeitraum von 30. Juni 1992 bis
19. November 1993 an die K. KG aus. Nachdem der Angeklagte die
Verpflichtung, die Festgeldsicherheit in mehreren Raten vom 15. November
1992 bis 15. Juli 1993 sukzessive zu leisten, nicht erfüllt hatte, mahnten verschiedene
Mitarbeiter der B. Bank die Zahlung erfolglos an. In der Folgezeit
zahlte die ME das ihr von der B. Bank gewährte Darlehen nicht
zurück. Die Methylester-Raffinerie war zwar im Frühjahr 1994 nahezu fertiggestellt,
konnte jedoch nicht in Betrieb genommen werden, weil die ungarischen
Behörden die erforderliche wasserrechtliche Erlaubnis verweigerten. Die
K. KG war nicht bereit, eine von den Behörden geforderte Kläranlage
ohne Erstattung des hierfür erforderlichen Kostenaufwandes von etwa
400.000 DM zu errichten. Eine zur Fortsetzung der Baumaßnahmen erforderli-
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che Aufstockung des Darlehens lehnte die B. Bank ab. Das Kreditinstitut,
das auch aus der Zahlungsgarantie in Anspruch genommen worden war,
konnte seine Forderungen gegenüber der ME bislang nicht - auch nicht teilweise
- realisieren.
II.
Die Verurteilung des Angeklagten wegen vollendeten Betruges hält
rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Die Annahme des Landgerichts, das Vermögen der B. Bank
sei schon durch den irrtumsbedingten Abschluß des Darlehens- und des Bankgarantievertrages
zumindest konkret gefährdet worden, begegnet durchgreifenden
rechtlichen Bedenken. Die B. Bank war nach den vertraglichen
Bestimmungen berechtigt, die Auszahlung des Darlehens einzustellen oder das
Darlehen mit sofortiger Wirkung zu kündigen, wenn die ME ihren Pflichten, die
sie in dem Vertrag übernommen hatte, nicht oder verspätet nachkam; ein Verstoß
gegen die Zusage, sukzessiv entsprechend der zu sichernden Darlehenssumme
Festgelder in Höhe von 2.136.850 DM in Ungarn zu deponieren, wurde
ausdrücklich als schwerer Vertragsbruch bezeichnet.
2. Der Abschluß eines Vertrages erfüllt die Voraussetzungen eines Eingehungsbetruges
noch nicht, wenn der durch Täuschung zustande gekommene
Vertrag nur zur Zug-um-Zug-Leistung verpflichtet. In solchen Fällen liegt in
dem Vertragsschluß regelmäßig noch keine schadensgleiche Vermögensgefährdung
(vgl. BGHR § 263 StGB Vermögensschaden 46; BGH StV 1999, 24).
Das Leistungsverweigerungsrecht sichert den in seiner Bonität beeinträchtigten
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Gegenanspruch (vgl. Cramer in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 263
Rdn. 132). Dies gilt hier jedenfalls für die Darlehenssumme, die nach der Fälligkeit
der von der ME zu erbringenden Festgeldsicherheit zur Auszahlung gelangte.
Von einem Vermögensschaden in dieser Höhe geht das Landgericht
aber auch nicht aus. Vielmehr sieht es den Betrugsschaden lediglich in Höhe
des zugesagten Anlagebetrages. Jedoch belegen die Feststellungen auch insoweit
einen kausal auf einen Irrtum zurückzuführenden Vermögensschaden
und einen entsprechenden Betrugsvorsatz nicht.
a) Ob die Hingabe eines Darlehens einen Vermögensschaden im Sinne
des § 263 StGB bewirkt, hängt davon ab, ob nach und infolge der Darlehensgewährung
das Gesamtvermögen des Darlehensgebers einen geringeren Wert
hat als vorher. Entscheidend hierfür ist ein - für den Zeitpunkt der Darlehenshingabe
anzustellender - Wertvergleich zwischen dem Gegenstand des Darlehens
und dem Rückzahlungsanspruch des Darlehensgläubigers. Es kommt
darauf an, ob der Rückzahlungsanspruch dem überlassenen Darlehensbetrag
gleichwertig ist. Minderwertig ist er unter Umständen dann, wenn es an einer
Sicherheit fehlt, aus der sich der Gläubiger bei ausbleibender Rückzahlung
ohne Schwierigkeiten, namentlich ohne Mitwirkung des Schuldners, befriedigen
kann. In der Täuschung über das Bestehen, den Wert oder die Verwertbarkeit
einer vertraglich ausbedungenen Sicherheit kann eine vermögensschädigende
Betrugshandlung liegen. Trotz Vorspiegelung einer solchen Sicherheit entsteht
aber kein Betrugsschaden, wenn der Rückzahlungsanspruch auch ohne die
Sicherheit aufgrund der Vermögenslage des Darlehensnehmers oder sonstiger
Umstände, die den Gläubiger vor einem Verlust seines Geldes schützen, wirtschaftlich
sicher ist (vgl. BGH StV 1985, 186 f., 1986, 203).
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aa) Daß bei der Kreditgewährung ausreichende Sicherheiten vorlagen,
ist nach den Urteilsgründen zumindest möglich. Das Urteil enthält die erforderlichen
Feststellungen zum objektiven Vermögensstatus der ME zum Zeitpunkt
der Darlehensgewährung nicht; insbesondere verhält sich das Urteil weder
zum Wert des Betriebsgrundstückes nach der Bebauung noch zum Wert der
Methylester-Raffinerie. Darauf kam es aber schon mit Blick auf die für die B.
Bank bestellte Sicherungshypothek an. Auch die Höhe der aus dem Betrieb
der Anlage erwarteten Erlöse wird nicht dargestellt.
bb) Es fehlt auch deshalb am Nachweis eines Vermögensschadens oder
einer schadensgleichen Vermögensgefährdung, wenn der B. Bank ein
Anspruch auf die Zahlung des Betrages von 2.136.850 DM nicht nur gegen die
vom Angeklagten geführte P. KG, sondern auch gegen die A.
und Bo. GmbH, einem wirtschaftlich gesunden Unternehmen, zustand. Diese
Möglichkeit ergibt sich aus dem Wortlaut sowohl des Darlehens- als auch des
Bankgarantievertrages, die von der Gesellschafterversammlung der ME gebilligt
worden waren. “Die ausländischen Gesellschafter” sollten das Festgeld bei
der B. Bank deponieren, wobei die Beantwortung der von der Revision
über eine Verfahrensrüge aufgeworfenen Frage dahinstehen kann, ob die
ausländischen Gesellschafter sich insoweit “bereit erklärten” oder “verpflichteten”.
Daß der Angeklagte mit der A. und Bo. GmbH vereinbart hatte,
diese Verpflichtung sollte von der von ihm geführten P. KG übernommen
werden, und dies auch der B. Bank bekannt war, berührt lediglich
das Innenverhältnis der deutschen Gesellschafter. Deshalb hätte es näherer
Erörterung bedurft, ob die B. Bank ihren Anspruch gegen die möglicherweise
mitverpflichtete A. und Bo. GmbH hätte realisieren können
und überhaupt einen Versuch in diese Richtung unternommen hat.
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b) Die Urteilsgründe tragen aber auch die Annahme des Schädigungsvorsatzes
nicht. Dieser entfällt beim Darlehensbetrug allerdings nicht schon
deshalb , weil der Täter beabsichtigt, hofft oder glaubt, den endgültigen Schaden
abwenden zu können. Davon unberührt bleibt jedoch das Erfordernis, daß
der Täter im Zeitpunkt der Kreditgewährung die Minderwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs
im Vergleich zu dem erhaltenen Geldbetrag gekannt hat.
Dazu genügt freilich bereits seine Kenntnis der die Vermögensgefährdung begründenden
Umstände (BGH wistra 1988, 188, 190; 1991, 307 f.) und das
Wissen, daß die Forderung nach allgemeinen Bewertungsmaßstäben nicht als
gleichwertig angesehen wird, mag er selbst sie auch anders bewerten (BGH
bei Dallinger MDR 1972, 197 f.). Es erscheint zumindest möglich, daß der Angeklagte
von einer hinreichenden Sicherung der Darlehensgeberin ausging. Mit
dieser Frage setzt sich die Strafkammer nicht auseinander, obwohl dies geboten
gewesen wäre. Die Strafkammer geht vielmehr ohne nähere Begründung
davon aus, der Angeklagte habe vorsätzlich gehandelt und habe die Umstände
gekannt, aus denen sich die konkrete Gefährdung des Vermögens der Budapest
Bank ergab. Zwar stellte die Hypothek an dem Betriebsgrundstück, das
ursprünglich einen Wert von ca. 120.000 DM gehabt hatte, erst dann möglicherweise
eine werthaltige Sicherung dar, wenn die Anlage betriebsbereit war.
Es ist jedoch auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht zu entnehmen,
daß der Angeklagte zum Zeitpunkt der Kreditgewährung damit rechnete,
die Methylester-Raffinerie könne nicht fertiggestellt werden. Dies wäre im
Hinblick auf den Geschehensablauf und das Verhalten des Angeklagten auch
eher unwahrscheinlich. Der Bau der Anlage war vielmehr im Frühjahr 1994 nahezu
abgeschlossen. Sie hätte mit einem im Vergleich zum Gesamtvolumen
geringen Kostenaufwand von ca. 400.000 DM für die Erstellung einer Kläranlage
auch in Betrieb genommen werden können.
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3. Der Senat weist für die neue Hauptverhandlung vorsorglich darauf
hin, daß die Annahme einer Inlandstat nach § 3 StGB rechtlichen Bedenken
begegnet. Soweit das Landgericht auf die Weitergabe von Informationen und
die Erstellung von Unterlagen durch den Angeklagten abstellt, handelt es sich
insoweit um reine Vorbereitungshandlungen, die eine Einordnung als Inlandstat
nach § 3 StGB nicht rechtfertigen. Der neue Tatrichter wird deshalb mit
Blick auf § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB zu prüfen haben, ob die vom Angeklagten als
Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ungarischen
Rechts begangene Tat nach ungarischem Recht mit Strafe bedroht ist. Ferner
wird - sollte der Betrug in dem irrtumsbedingten Abschluß des Darlehens- und
des Bankgarantievertrages gesehen werden - auch die Frage der Verjährung
zu prüfen sein.
Meyer-Goßner Maatz Kuckein
Athing Solin-Stojanovic


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