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BGH, Beschluss vom 13. Juli 2005 - 2 StR 504/04


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 13.7.2005 - 2 StR 504/04
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 504/04
vom
13.7.2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen gewerbsmäßiger Bandenhehlerei u. a.
- 2 -
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 13.07.2005 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten K. , S.
und W. und - soweit es den Angeklagten K.
betrifft - auf die Revision der Staatsanwaltschaft, wird das Urteil
des Landgerichts Kassel vom 14. Juni 2004 im Fall II 1 der Urteilsgründe
- hinsichtlich des Angeklagten W. nur, soweit
er wegen Diebstahls verurteilt worden ist - und in den Gesamtstrafenaussprüchen
mit den jeweils zugehörigen Feststellungen
aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel,
an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten K. ,
S. und W. und der Staatsanwaltschaft sowie die
Revision des Angeklagten Wa. werden verworfen.
Gründe:
Das Landgericht Kassel hat den Angeklagten K. wegen Betruges
in zehn Fällen und wegen Diebstahls und Unterschlagung in zwei Fällen
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Den Angeklagten
S. hat es wegen Betruges in drei Fällen, Diebstahls und Unterschla-
3 -
gung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten und
den Angeklagten W. wegen Diebstahls und Beihilfe zum Vortäuschen
einer Straftat zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten
verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Angeklagte
Wa. wurde wegen gewerbsmäßiger Bandenhehlerei in zwei Fällen
und Beihilfe zur gewerbsmäßigen Bandenhehlerei in drei Fällen unter Einbeziehung
von fünf Einzelstrafen aus rechtskräftigen Vorverurteilungen durch
das Amtsgericht Hamburg-Harburg zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren
verurteilt. Den Mitangeklagten R. hat das Landgericht von den Vorwürfen
der Unterschlagung in zwei Fällen, des Betruges und des versuchten Betruges
freigesprochen (Fälle II 1 und 4).
Gegen dieses Urteil richten sich die auf die Sachrüge, hinsichtlich des
Angeklagten W. zusätzlich auf Verfahrensrügen gestützten Revisionen
der Angeklagten K. , S. , Wa. und W. sowie - zu
Gunsten der Angeklagten K. und Wa. - die auf Verfahrensrügen
und die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Die Revisionen
haben in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg, im übrigen sind
sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts kamen die Angeklagten
S. und K. überein, im Zusammenwirken mit dem früheren
Mitangeklagten Sa. hochwertige Fahrzeuge, in deren Besitz sie gelangt
waren, insbesondere Leasingfahrzeuge oder Mietwagen über Polen nach
Weißrußland zu verschieben. Der Mitangeklagte Sa. hatte sich seinerseits
mit einem polnischen Autohändler "C. ", der über Kontakte nach
Weißrußland verfügte, und dem Angeklagten Wa. zusammengeschlos-
4 -
sen, um eine noch ungewisse Zahl solcher Fahrzeuge aus Deutschland abzunehmen.
Dabei sollte der Angeklagte Wa. als Fahrer fungieren. Um
Schwierigkeiten beim Grenzübertritt zu vermeiden, verfügten die jeweiligen
Fahrer über den Originalfahrzeugschein und den Originalfahrzeugschlüssel,
die später nach Deutschland zurückgebracht wurden, um sie bei einer Diebstahlsanzeige
vorweisen zu können.
Als erstes Fahrzeug (Fall II 1 der Urteilsgründe) wurde ein grüner Audi A
8 (Wert ca. 90.000 DM) verschoben. Eigentümerin des Fahrzeugs war das "Autohaus
R. " aus E. . Das zuvor stillgelegte Fahrzeug war zu diesem
Zweck erneut zugelassen worden. Am 24. August 2001 wurde es dem Angeklagten
K. durch den im Autohaus R. als Verkäufer tätigen Angeklagten
W. für eine "Probefahrt" mit dem Originalfahrzeugschein und
dem Originalfahrzeugschlüssel übergeben. Dem Angeklagten W. war
dabei bewußt, daß das Fahrzeug tatsächlich über Polen nach Weißrußland
verschoben werden sollte. Durch den Angeklagten Wa. wurde das
Fahrzeug zunächst nach Polen und von dort nach Weißrußland gefahren, wo
er es an die Abnehmer übergab. Diese zahlten zumindest 18.500 DM, von denen
der Angeklagte Wa. 2.500 DM, der Angeklagte K. 3.500
DM und der Angeklagte S. 10.000 DM erhielten. Daß der Angeklagte
W. einen Vorteil aus der Tat erlangte, vermochte das Landgericht nicht
festzustellen. Der Originalfahrzeugschein und der Originalschlüssel gelangten
über den Angeklagten S. an den Angeklagten W. zurück. Am
3. September 2001 fingierten der Angeklagte W. und der Mitangeklagte
M. eine weitere Probefahrt mit diesem Fahrzeug, um dessen Verbringen
nach Polen zu verschleiern. Der Mitangeklagte M. meldete den
Audi am 5. September 2001 als gestohlen. Die von dem Autohaus in Anspruch
- 5 -
genommene Versicherung zahlte nach Abzug eines Selbstbehalts von
20.000 DM 77.000 DM.
Dem Angeklagten R. , der nach den Feststellungen "Eigentümer und
Geschäftsführer" des - wie sich dem Urteilszusammenhang entnehmen läßt - in
der Rechtsform der GmbH geführten Autohauses war, hatte die Anklage in diesen
Fällen zur Last gelegt, von der Verschiebung der Fahrzeuge Kenntnis gehabt
zu haben und damit einverstanden gewesen zu sein. Nach dem Ergebnis
der Beweisaufnahme hat die Strafkammer den Angeklagten R. mit ausführlicher
Begründung aus "Mangel an Beweisen" freigesprochen. Die Angeklagten
K. , S. und W. hat das Landgericht im Fall II 1 der Urteilsgründe
aufgrund der Feststellung, der Mitangeklagte R. sei nicht mit der
Verschiebung des Fahrzeugs einverstanden gewesen, wegen gemeinschaftlichen
Diebstahls verurteilt. Der Angeklagte W. habe als Angestellter des
Autohauses den übergeordneten Gewahrsam des Angeklagten R. gebrochen.
Den Angeklagten W. hat es tatmehrheitlich dazu wegen Beihilfe zum
Vortäuschen einer Straftat verurteilt. Die Anmietung des Audi TT im Fall II 4 hat
die Strafkammer für die Angeklagten S. und K. als gemeinschaftlichen
Betrug und die Anwerbung der Mitangeklagten Ci. als Fahrerin
durch den Angeklagten Wa. als Beihilfe zur gewerbsmäßigen Hehlerei
gewertet.
II.
1. Revisionen der Angeklagten K. , S. , W. und
Wa. :
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(1) Die Revisionen der Angeklagten K. , S. und W.
, letzterer soweit er wegen Beteiligung am Diebstahl des Audi A 8 verurteilt
ist, haben im Fall II 1 der Urteilsgründe schon mit der Sachrüge Erfolg.
a) Einer Entscheidung über die von dem Angeklagten W. erhobene
Aufklärungsrüge, mit der er beanstandet, daß ein abgehörtes Telefonat,
dessen Verwertung ein Beweisverwertungsverbot nach § 100 b Abs. 5 StPO zu
seinen und zu Lasten des Angeklagten R. entgegenstand, nicht zu seinen
Gunsten in die Hauptverhandlung eingeführt und verwertet worden sei, bedarf
es daher nicht. Allerdings erscheint es dem Senat zweifelhaft, daß das Gericht
sich zu einer solchen Beweiserhebung hätte gedrängt sehen müssen. Selbst
wenn man die Einführung und Verwertung dieses Beweismittels zugunsten des
Angeklagten grundsätzlich für möglich hält (vgl. Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl.
Einl. Rdn. 55 m.w.N.), hat der Beschwerdeführer weder vorgetragen noch ist
sonst ersichtlich, daß er selbst durch einen entsprechenden Antrag in der
Hauptverhandlung auf die Einführung des Telefongesprächs hingewirkt und
sein Interesse an dessen Verwertung erkennbar gemacht oder jedenfalls auf
das für ihn grundsätzlich disponible Beweisverwertungsverbot (vgl. BGHR
StPO § 100 a Verwertungsverbot 11) verzichtet hat. Soweit der Angeklagte
W. weitere Verfahrensrügen erhoben hat, haben diese aus den Erwägungen
in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 14.02.2005
keinen Erfolg.
b) Die Verurteilung der Angeklagten K. , S. und W.
im Fall II 1 der Urteilsgründe wegen eines in Mittäterschaft begangenen
Diebstahls begegnet durchgreifenden Bedenken, weil die Strafkammer die
Reichweite des Grundsatzes "in dubio pro reo" verkannt hat. Nach den Urteilsausführungen
hat sich die Strafkammer von einer Beteiligung des Mitange-
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klagten R. an der Verschiebung des Audi zwar nicht mit einer für eine Verurteilung
ausreichenden Sicherheit überzeugen können, sie andererseits aber
auch nicht mit Sicherheit ausschließen können. Obwohl die Kammer eine Tatbeteiligung
des Angeklagten R. danach lediglich nach dem Zweifelssatz verneint
hat, hat sie es jedoch unterlassen, eine solche zugunsten der Mitangeklagten
zu prüfen. Die Anwendung des Zweifelssatzes kann dazu führen, daß
in ein und demselben Urteil von mehreren Fallgestaltungen auszugehen ist, die
einander sogar ausschließen können, weil bei jedem Angeklagten jeweils von
der ihm günstigsten Möglichkeit auszugehen ist. Ist - wie hier - die Tatbeteiligung
eines Angeklagten nicht sicher feststellbar und wird dieser deshalb freigesprochen,
können gleichwohl hinsichtlich der anderen Angeklagten nach
dem Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten" für diese günstige Feststellungen
geboten sein, die auf der Annahme der Tatbeteiligung des freigesprochenen
Angeklagten beruhen (BGHR StPO § 261 in dubio pro reo 8 m.w.N.;
BGH StV 1996, 81; Meyer-Goßner StPO 48. Aufl. § 261 Rdn. 32).
Dementsprechend hätte die Kammer zu Gunsten der Angeklagten K.
, S. und W. den Sachverhalt auch unter der Voraussetzung
prüfen müssen, daß der Pkw im Einverständnis des Mitangeklagten R.
nach Polen verschoben wurde. Damit hätten die Angeklagten nicht wegen
Diebstahls verurteilt werden können, weil das Einverständnis des Gewahrsamsinhabers
eine Wegnahme ausschließt. Auf dieser Grundlage hätte das
Landgericht andererseits erörtern müssen, ob sich die Angeklagten
K. , S. und W. gegebenenfalls wegen Beihilfe zur Untreue
des Mitangeklagten R. strafbar gemacht haben können.
Die Verurteilung der Angeklagten K. , S. und W.
im Fall II 1 wegen Diebstahls kann danach keinen Bestand haben. Keinen Be-
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denken begegnet hingegen die Verurteilung des Angeklagten W. wegen
Beihilfe zum Vortäuschen einer Straftat im Fall II 1, weil dieser Tatbestand
auch dann erfüllt wäre, wenn der Mitangeklagte R. an der Verschiebung des
Fahrzeugs beteiligt gewesen war. Auch der Schuldspruch gegen den Angeklagten
Wa. wird von dem Rechtsfehler nicht berührt, weil auch Untreue
(bzw. Beihilfe zur Untreue) eine rechtswidrige Vortat der Hehlerei sein kann
(BGH wistra 2004, 105, 108; Stree in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 259
Rdn. 7).
(2) Die weitergehenden auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revisionen
der Angeklagten K. , S. , W. und Wa. haben
aus den zureffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts
keinen Erfolg. Insbesondere stände ein nach dem Zweifelsgrundsatz zu
Gunsten der Angeklagten K. und S. anzunehmendes Einverständnis
des Mitangeklagten R. mit der Verschiebung des ebenfalls im Eigentum
des Autohauses R. stehenden Audi TT im Fall II 4 der Verurteilung wegen
gemeinschaftlichen Betruges nicht entgegen. Über die Rückgabebereitschaft
getäuscht wurde in diesem Fall eine Mitarbeiterin des Autohauses, die
mit der Übergabe des Fahrzeugs an die Mitangeklagte Ci. eine Vermögensverfügung
zu Lasten der Eigentümerin, der GmbH, vornahm, bei der auch
der Vermögensschaden eintrat.
(3) Die Aufhebung der Verurteilung im Fall II 1 zieht die Aufhebung der
Gesamtstrafenaussprüche nach sich.
2. Revision der Staatsanwaltschaft
Die zugunsten der Angeklagten K. und Wa. eingelegte
Revision der Staatsanwaltschaft hat, soweit sie den Angeklagten K.
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betrifft, im Fall II 1 der Urteilsgründe aus den zu den Angeklagtenrevisionen
aufgeführten Gründen Erfolg. Die weitergehende Revision ist aus den zutreffenden
Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom
14.02.2005 unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Bedenken gegen eine Verwerfung der Revision der Staatsanwaltschaft
im Beschlußweg gemäß § 349 Abs. 2 StPO bestehen nicht (vgl. BGH bei Dallinger
MDR 1975, 726; BGHR StPO § 349 Abs. 2 Verwerfung 1; zur Beschlußverwerfung
allgemein: BVerfG NJW 2005, 1999, 2000).
Der Wortlaut des § 349 Abs. 2 StPO trifft keine Unterscheidung in bezug
auf den Beschwerdeführer. Der Vorschrift liegt der Gedanke zugrunde, daß es
eine das Revisionsgericht entlastende Möglichkeit der Beschlußverwerfung
geben soll, in denen das Gericht (einstimmig) und die Staatsanwaltschaft bei
dem Revisionsgericht unabhängig voneinander zu dem Ergebnis kommen, daß
eine Revision offensichtlich unbegründet ist (vgl. BTDrucks. IV/178 S. 44;
Kuckein in KK 5. Aufl. § 349 Rdn. 15). Dieser Gedanke greift auch bei offensichtlich
unbegründeten Revisionen der Staatsanwaltschaft ein. Aus § 349
Abs. 3 StPO, der sich auf § 349 Abs. 2 StPO bezieht, ergibt sich nichts Gegenteiliges.
Die Vorschrift ist zwar erkennbar für den Fall geschaffen, in dem
Staatsanwaltschaft und Beschwerdeführer nicht identisch sind. Es läßt sich aus
ihr aber nicht herleiten, daß § 349 Abs. 2 StPO nur in dieser Fallgestaltung
anwendbar ist. Durch die in § 349 Abs. 3 StPO geregelte Mitteilungspflicht wird
lediglich der Grundsatz des rechtlichen Gehörs gegenüber dem Beschwerdeführer
gewahrt (vgl. BTDrucks. IV/178 S. 44).
Rissing-van Saan Bode Otten
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