BGH,
Beschl. v. 13.7.2006 - 2 StR 228/06
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 228/06
vom
13.7.2006
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u. a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 13.07.2006 gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Köln vom 6. Januar 2006 wird als unbegründet
verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die
der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen
notwendigen Auslagen zu tragen.
2. Der Antrag der Nebenklägerin vom 22.05.2006 ist
gegenstandslos.
Gründe:
1. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in
Tateinheit mit schwerer Körperverletzung zu einer
Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und das Tatmesser
eingezogen. Seine Revision, mit der er die Verletzung materiellen
Rechtes rügt, bleibt im Ergebnis erfolglos (§ 349
Abs. 2 StPO).
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Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch.
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Der Strafausspruch begegnet jedoch rechtlichen Bedenken.
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a) Die Urteilsausführungen auf UA S. 36 lassen besorgen, dass
das Landgericht den Zweifelssatz auch auf die Rechtsfrage, ob die nach
seiner Auffassung vorliegende Beeinträchtigung des Angeklagten
im Sinne von § 21 StGB "erheblich" ist, angewendet hat. Eine
Rechtsfrage kann aber nicht auf der Grundlage des Zweifelssatzes
beantwortet werden (vgl. u. a. BGH, Urt. vom 15.09.2005 - 4 StR 216/05
m.w.N.).
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Der Angeklagte ist durch die Bejahung der Voraussetzungen des
§ 21 StGB aber nicht beschwert.
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b) Der Tatrichter hat strafschärfend gewertet, dass der
Angeklagte mit großer Intensität und
Brutalität auf sein Opfer eingewirkt hat. Die
Urteilsgründe verdeutlichen nicht, dass dem Landgericht
bewusst war, dass die Art der Tatausführung ihre Ursache in
der erheblichen Herabsetzung des Hemmungsvermögens des
Angeklagten gehabt haben kann und deshalb diesem Umstand kein zu
großes Gewicht beigemessen werden darf (vgl. u. a. BGHR StGB
§ 46 Abs. 1 Schuldausgleich 1, 4 m.w.N.).
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c) Das Landgericht hat zu Gunsten des Angeklagten
berücksichtigt, dass er sich im Rahmen des
Täter-Opfer-Ausgleichs verpflichtet hat, 10.000 € zu
zahlen, von denen er bereits 8.000 € beglichen hat. Der
Tatrichter hat aber nicht klargestellt, ob er die Voraussetzungen des
§ 46 a StGB angenommen hat, welcher einen vertypten
Milderungsgrund darstellt.
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d) Das Landgericht hat einen minder schweren Fall des Totschlags
(§ 213 StGB) angenommen und hierzu die vertypten
Milderungsgründe des § 21 StGB und des § 23
StGB verwendet und den Täter-Opfer-Ausgleich in die
Überlegungen einbezogen. Es hat aber nicht - worauf der
Generalbundesanwalt zutreffend hinweist - erörtert, ob der
gegebenenfalls mehrfach gemilderte Strafrahmen des § 212 StGB
für den Angeklagten günstiger gewesen wäre.
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e) Auch die Erwägung des Landgerichts, dass eine Strafe
"über der rechnerischen Mitte des zur Verfügung
stehenden Strafrahmens zu verhängen war" (UA S. 41) ist
rechtlich zu beanstanden. Derartige Mathematisierungen sind dem Wesen
der Strafzumessung grundsätzlich fremd (vgl. u.a. BGH, Beschl.
vom 3. Dezember 2002 - 3 StR 406/02 m.w.N.).
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f) Der Senat kann nicht ausschließen, dass auf diesen
Rechtsfehlern der Strafausspruch beruht. Gleichwohl kann die
verhängte Strafe bestehen bleiben, weil sie der Senat -
insbesondere im Hinblick auf die schweren Verletzungen des Opfers mit
bleibenden Entstellungen - für angemessen im Sinne des
§ 354 Abs. 1 a StPO erachtet.
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2. Der Antrag der Nebenklägerin, für das
Revisionsverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von
Rechtsanwältin H. zu gewähren, ist als Antrag auf
Bestellung eines Beistands gemäß § 397 a
Abs. 1 StPO auszulegen. Einer Entscheidung darüber bedarf es
jedoch nicht, da Rechtsanwältin H. bereits durch Beschluss des
Landgerichts Köln vom 3. November 2005
gemäß § 397 a Abs. 1 StPO als
Nebenklagevertreterin beigeordnet worden ist. Die Beistandsbestellung
nach § 397 a Abs. 1 StPO wirkt
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über die jeweilige Instanz hinaus bis zum
rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens fort und erstreckt
sich somit auch auf die Revisionsinstanz einschließlich der
Revisionshauptverhandlung (BGH NStZ 2000, 552).
VRiinBGH Dr. Rissing-van Saan Otten Rothfuß
befindet sich in Urlaub und ist
deshalb verhindert, zu unter-
schreiben.
Otten
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