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BGH, Beschluss vom 14. Juli 2005 - 3 StR 216/05


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 14.7.2005 - 3 StR 216/05
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
StGB § 63
Zur erneuten Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus,
wenn sich der Angeklagte oder Beschuldigte zum Zeitpunkt der Entscheidung
bereits aufgrund eines früheren Urteils im Vollzug dieser Maßregel
befindet.
BGH, Beschl. vom 14.07.2005 - 3 StR 216/05 - Landgericht Wuppertal
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 216/05
vom
14.07.2005
in dem Sicherungsverfahren
gegen
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 14.07.2005 gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:
Die Revision des Beschuldigten gegen das Urteil des Landgerichts
Wuppertal vom 16.02.2005 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschuldigten
in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die hiergegen
gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Beschuldigten ist unbegründet
im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Näherer Erörterung bedarf allein die
Beanstandung, das Landgericht habe die Unterbringung deswegen nicht anordnen
dürfen, weil sich der Beschuldigte im Zeitpunkt der Entscheidung bereits
aufgrund eines früheren Urteils im Vollzug der Maßregel nach § 63 StGB
befunden hat.
1. Der Rüge liegt folgendes zugrunde: Der Beschuldigte leidet seit Anfang
der 70er Jahre an einer fortschreitenden paranoid-halluzinatorischen Psychose
aus dem Formenkreis der Schizophrenie. Die Krankheit äußert sich in
chronischen Wahnvorstellungen des Beschuldigten, der sich von seiner Umgebung
belauscht, verfolgt und verleumdet fühlt, aber auch akustischen
Halluzinationen unterliegt. Während sie sich zu Beginn nach außen nur in
langdauernden Selbstgesprächen und "verschrobenen Verhaltensweisen" des
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ernden Selbstgesprächen und "verschrobenen Verhaltensweisen" des Beschuldigten
zeigte, führte sie später dazu, dass er in großem Umfang Strafanzeigen
gegen verschiedenste Personen erhob, die er in sein Wahnsystem einbezogen
hatte. Auch kündigte er in Briefen an, er werde andere töten, und
brüstete sich damit, er könne Dritten unsichtbar Schmerzen zufügen. Abgesehen
von einer Auseinandersetzung mit einem Krankenpfleger im Jahr 1997
blieben unmittelbare körperliche Aggressionen des Beschuldigten gegen von
ihm wahnhaft besetzte Personen zunächst aus. Am 25. Mai 2002 versetzte der
Beschuldigte jedoch einem Wohnungsnachbarn, dem er schon mehrfach Drohbriefe
geschrieben hatte, nach einer verbalen Auseinandersetzung einen
Faustschlag, wodurch der Nachbar eine zwei Tage schmerzende Schwellung
im Gesicht erlitt. Aufgrund dieses Vorfalls ordnete das Landgericht Wuppertal
mit Urteil vom 8. März 2004 die Unterbringung des Beschuldigten in einem
psychiatrischen Krankenhaus an, setzte die Vollstreckung der Maßregel jedoch
zur Bewährung aus. Als Bewährungsauflage wurde dem Beschuldigten aufgegeben,
sich einer sechsmonatigen stationären Therapie zu unterziehen. Die
Aufnahme des Beschuldigten in eine entsprechende Einrichtung war jedoch
erst zum 11. Mai 2004 möglich.
In der Nacht vom 10. auf den 11. Mai 2004 beging der Beschuldigte die
Tat, die Grundlage des hiesigen Verfahrens ist. Um seinen Bekannten
K. zu töten, setzte er Benzin in Brand, das er vor der Tür zu dessen Wohnung
in einem früheren Fabrikgebäude ausgeschüttet hatte. Das Feuer zerstörte
den Eingangsbereich der Wohnung, griff aber auch auf andere Gebäudeteile
über. Zwar wurde K. nicht gefährdet, da er sich zum Tatzeitpunkt
nicht in seiner Wohnung aufhielt. Jedoch befanden sich andere Bewohner in
dem Gebäude, die zum Teil fliehen konnten, zum Teil aber auch durch die
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Feuerwehr aus einem Obergeschoss gerettet werden mussten, da ihnen die
Flammen den Fluchtweg abgeschnitten hatten. Auch diese Tat war durch die
Wahnvorstellungen des Beschuldigten mitbestimmt. Er handelte im Zustand
der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB).
Aufgrund dieses Geschehens widerrief das Landgericht Wuppertal mit
nicht angefochtenem Beschluss vom 13. September 2004 die in seinem Urteil
vom 8. März 2004 bewilligte Bewährung. Nach Rechtskraft der Entscheidung
wurde der Beschuldigte in den Maßregelvollzug nach § 63 StGB aufgenommen.
2. Zu Recht hat sich das Landgericht bei dieser Sachlage nicht deshalb
an der erneuten Anordnung der Unterbringung des Beschuldigten in einem
psychiatrischen Krankenhaus gehindert gesehen, weil diese Maßregel gegen
ihn im Zeitpunkt der Entscheidung bereits aufgrund des Urteils vom 8. März
2004 in Verbindung mit dem Beschluss vom 13. September 2004 vollzogen
wurde.
a) Der Bundesgerichtshof hat die wiederholte Anordnung der Unterbringung
eines Angeklagten bzw. Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus
mehrfach für zulässig erachtet (BGH, Urt. vom 27. Juli 1951 - 4 StR
299/51 und vom 17. Januar 1956 - 1 StR 392/55; BGH bei Dallinger MDR
1956, 525; BGH NJW 1976, 1949). Dem ist das Schrifttum weitgehend gefolgt
(vgl. Lackner/Kühl, StGB 25. Aufl. § 63 Rdn. 11; Stree in Schönke/Schröder,
StGB 26. Aufl. § 63 Rdn. 20; Hanack in LK 11. Aufl. § 63 Rdn. 94; vgl. auch
Horstkotte in LK 10. Aufl. § 67 b Rdn. 95; zweifelnd van Gemmeren in Münch-
Komm § 63 Rdn. 50 Fn. 187). An dieser Ansicht ist im Grundsatz festzuhalten.
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Allerdings vermögen die Erwägungen, die den genannten Entscheidungen
zugrunde liegen (s. auch schon RGSt 70, 201, 203 f. zur Sicherungsverwahrung),
die mehrfache Anordnung der Maßregel nicht (mehr) zu rechtfertigen.
Soweit sie darauf abheben, dass das Urteil, in welchem die Unterbringung
zunächst angeordnet wurde, nachträglich durch Wiederaufnahme, Vollstreckungsverjährung
oder Gnadenerweis wegfallen kann, rekurrieren sie auf
hypothetische, fern liegende und damit rein spekulative Abläufe. Soweit rechtskräftige
Urteile für Entscheidungen in anderen Verfahren von Bedeutung sein
können, ist aber in aller Regel von deren Bestand auszugehen (BGH NJW
1995, 3263 zur wiederholten Anordnung der Sicherungsverwahrung). Der weiteren
Überlegung, auch das zweite Gericht, das die Voraussetzungen für die
Unterbringung nach § 63 StGB bejaht, müsse Einfluss auf die Vollstreckung
der Maßregel haben, ist durch die zwischenzeitliche Rechtsentwicklung der
Boden entzogen. Denn gemäß § 463 Abs. 1, § 462 a Abs. 1 Satz 1 StPO sind
beim Vollzug mehrerer freiheitsentziehender Maßregeln die nachträglich zu
treffenden Entscheidungen (insb. nach § 67 e StGB) bei der Strafvollstreckungskammer
konzentriert, in deren Bezirk die Anstalt liegt, in der der Betroffene
untergebracht ist.
b) Maßgebend für die wiederholte Anordnung der Unterbringung nach
§ 63 StGB ist vielmehr folgendes:
aa) Hat der bereits in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebrachte
Angeklagte die in dem neuen Verfahren angeklagte Tat im Zustand verminderter
Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) begangen, während Schuldunfähigkeit (§ 20
StGB) sicher ausgeschlossen werden kann, und muss daher gegen ihn eine
Freiheitsstrafe verhängt werden, so ist der erneute Maßregelausspruch nach
§ 63 StGB nicht nur zulässig, sondern geboten, um die Anrechenbarkeit der
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Zeit des Maßregelvollzuges auf die Strafe zu gewährleisten und hierdurch eine
Benachteiligung des Angeklagten auszuschließen. Wird - wie regelmäßig (§ 67
Abs. 1 StGB) - die Unterbringung nach § 63 StGB vor der Freiheitsstrafe vollzogen,
so ist gemäß § 67 Abs. 4 Satz 1 StGB die Zeit des Maßregelvollzuges
auf die Strafe anzurechnen, bis diese zu zwei Dritteln erledigt ist. Dies Anrechnung
setzt nach zutreffender Ansicht jedoch voraus, dass Strafe und Maßregel
in demselben Urteil festgesetzt wurden (Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. § 67
Rdn. 2 und 10 m. w. N. auch zur Gegenansicht; vgl. auch § 44 b Abs. 1 Satz 2
StrVollstrO). Würde wegen der bereits in einem früheren Verfahren angeordneten
Unterbringung nunmehr trotz der Bejahung der Voraussetzungen des § 63
StGB von dem Maßregelausspruch abgesehen, so käme daher eine Anrechnung
des auf dem früheren Erkenntnis beruhenden Maßregelvollzuges auf die
jetzt allein verhängte Freiheitsstrafe nicht in Betracht. Wird dagegen auch in
dem neuen Verfahren neben der Freiheitsstrafe auf die Unterbringung erkannt,
so ist durch die Unterbrechungsregelung des § 54 Abs. 3 StrVollstrO gewährleistet,
dass auch der zweite Maßregelausspruch zur Vollstreckung gelangt und
damit § 67 Abs. 4 Satz 1 StGB für die neu verhängte Freiheitsstrafe ebenfalls
Anwendung findet (vgl. Pohlmann/Jabel/Wolf, StrVollstrO 8. Aufl. § 54 Rdn. 7;
übersehen von BayObLG NStZ-RR 2004, 295, 297). Es ist kein rechtfertigender
Grund dafür erkennbar, dem Angeklagten diese Möglichkeit der Verkürzung
des von ihm insgesamt zu duldenden Freiheitsentzuges nur deswegen zu
nehmen, weil er bereits aufgrund eines früheren Urteils in einem psychiatrischen
Krankenhaus untergebracht ist.
bb) Aber auch dann, wenn sich - wie hier - die Frage der Anrechnung
des Maßregelvollzuges auf die Freiheitsstrafe nicht stellt, da der Beschuldigte
bei Tatbegehung schuldunfähig war und daher in dem neuen (Sicherungs-)
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Verfahren allein die isolierte Anordnung nach § 63 StGB in Betracht kommt, ist
diese jedenfalls in Fallgestaltungen wie der vorliegenden nicht deswegen ausgeschlossen,
weil der Beschuldigte bereits in einem früheren (Sicherungs-)
Verfahren in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war.
Dabei ist von nur nachrangiger Bedeutung, ob aus der Regelung des
§ 67 f StGB über die Folgen der wiederholten Anordnung der von vornherein
auf ein zeitliches Höchstmaß beschränkten (§ 67 d Abs. 1 Satz 1 StGB) Unterbringung
in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) der Schluss gezogen werden
kann, der Gesetzgeber habe auch einen mehrfachen Maßregelausspruch nach
§ 63 StGB grundsätzlich für möglich erachtet. Ebenso ist unerheblich, ob aus
der unterhalb der Gesetzesebene geltenden Verwaltungsanordnung des § 54
Abs. 3 StrVollstrO eine derartige Folgerung gezogen werden kann (vgl. dazu
BayObLG NStZ-RR 2004, 295, 296). Maßgeblich ist vielmehr, ob die erneute
Anordnung der Unterbringung mit dem bei freiheitsentziehenden Maßregeln
der Besserung und Sicherung in besonderer Weise zu beachtenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
in Einklang steht. Dabei geht es nicht um die für die
Anordnung nach § 63 StGB stets vorausgesetzte Verhältnismäßigkeit im engeren
Sinn, wie sie § 62 StGB dahin beschreibt, dass der Maßregelausspruch
nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der vom Beschuldigten begangenen und
zu erwartenden Taten sowie dem Grad seiner Gefährlichkeit stehen darf. Entscheidend
ist vielmehr, ob die erneute Unterbringungsanordnung zur Erreichung
des Maßregelziels der Besserung (Heilung) und Sicherung geeignet und
erforderlich ist, weil von ihr zur Erreichung dieses Ziels Wirkungen ausgehen,
die der erste Maßregelausspruch nach § 63 StGB nicht zeitigt.
Bei der Prüfung dieser Frage muss die Bedeutung eines Urteils, in dem
gegen den Beschuldigten ein Maßregelausspruch nach § 63 StGB wiederholt
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wird, in ihrem vollen Umfang in Betracht genommen werden. Diese erschöpft
sich im Allgemeinen nicht in der Bestätigung einer Unterbringung, die ohnehin
schon aufgrund des früheren Erkenntnisses so lange andauern wird, bis erwartet
werden kann, dass der Beschuldigte außerhalb des Maßregelvollzuges keine
rechtswidrige Taten mehr begehen wird (§ 67 d Abs. 2 Satz 1 StGB). Vielmehr
kann gerade das neue Urteil erhebliche Auswirkungen auf Dauer und
Ausgestaltung des Maßregelvollzuges haben. Der Generalbundesanwalt hat in
seiner Antragsschrift mit Recht darauf hingewiesen, dass der Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit auch für die Vollstreckung der Maßregel gilt und gerade
die Schwere der von dem Beschuldigten begangenen Taten und seine sich
hierin manifestierende Gefährlichkeit maßgebliche Bedeutung dafür haben, ob
die Maßregel auch unter Beachtung des grundsätzlichen Freiheitsanspruchs
des Beschuldigten (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) über längere Dauer weiter vollzogen
werden darf (BVerfGE 70, 297, 313 f.; BVerfG - Kammer - NJW 1995,
3048). Aber auch schon während des Vollzuges ist die sich in den Anlasstaten
widerspiegelnde Gefährlichkeit des Beschuldigten ausschlaggebend dafür,
welche Sicherungsmaßnahmen zum Schutz der Allgemeinheit, des Klinikpersonals
sowie der Mitinsassen getroffen werden müssen und ob es verantwortet
werden kann, Vollzugslockerungen zu gewähren. Der mit der erneuten Anordnung
nach § 63 StGB verbundenen gerichtlichen Feststellung, dass der Beschuldigte
außer der Anlasstat, die Grundlage des ersten Maßregelausspruchs
war, eine oder mehrere weitere rechtswidrige Taten im Zustand der Schuldunfähigkeit
begangen hat, die ebenfalls seine Unterbringung in einem psychiatrischen
Krankenhaus erforderlich machen, kommt daher im Regelfall ein Gewicht
für den Maßregelvollzug zu, das über die Wirkungen der ersten Unterbringungsanordnung
hinausgeht.
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Zwar hat auch die zuständige Strafvollstreckungskammer, wenn sie gemäß
§ 67 e StGB mit der Prüfung befasst ist, ob die erste Maßregelanordnung
weiter vollzogen werden muss oder zur Bewährung ausgesetzt werden kann,
etwaige ihr bekannt gewordene und zu ihrer Überzeugung feststehende weitere
Taten des Beschuldigten, die Rückschluss auf seine Gefährlichkeit zulassen,
bei ihrer Prognoseentscheidung zu berücksichtigen. Jedoch ist das Erkenntnisverfahren
in wesentlich besserer Weise dazu geeignet, durch das auf
der Grundlage der umfassenden Aufklärungspflicht und des Strengbeweises
gewonnene Urteil für alle am Vollstreckungsverfahren Beteiligten mit der erforderlichen
Verbindlichkeit festzustellen, dass der Beschuldigte weitere rechtswidrige
Taten im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen hat, die symptomatisch
auf seinen die Schuldunfähigkeit begründenden Zustand zurückzuführen
sind und seine Gefährlichkeit für die Allgemeinheit widerspiegeln (zum Vorrang
des Erkenntnisverfahrens für die Feststellung materiellrechtlicher vollstreckungsrelevanter
Umstände vgl. BVerfGE 86, 288, 319). Gleichzeitig begründet
ein solches Urteil auch die erforderliche Legitimation dafür, wegen der weiteren
vom Beschuldigten begangenen Taten den Vollzug der Maßregel gegebenenfalls
in seinem Sicherungsaspekt zu verschärfen sowie die Unterbringungsdauer
zu verlängern und damit den wegen dieser Taten entstandenen
staatlichen Anspruch auf zwangsweise Besserung (Heilung) und/oder
Sicherung des Beschuldigten durchzusetzen.
Die wiederholte Anordnung der Unterbringung ist daher immer dann eine
im Sinne des Verhältnismäßigkeitsprinzips geeignete und erforderliche Maßnahme,
wenn das erneute Erkenntnis Auswirkungen auf Ausgestaltung oder
Dauer des Maßregelvollzuges haben kann. Dabei kann sich das Urteil entgegen
der von der Verteidigung in ihrer Replik geäußerten Ansicht nicht auf die
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Feststellung der neuen Anlasstat(en) beschränken und gleichzeitig von dem
Maßregelausspruch absehen. Ein derartiges Feststellungsverfahren ist der
Strafprozessordnung fremd.
Steht dagegen nicht zu erwarten, dass der Maßregelvollzug durch die
erneute Anordnung der Unterbringung in maßgeblicher Weise beeinflusst würde,
so ist diese zur Besserung und Sicherung des Beschuldigten nicht geeignet
und erforderlich, so dass sie nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unterbleiben
muss. In Grenzfällen hat bereits die Staatsanwaltschaft Gelegenheit,
gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1 StPO von der Verfolgung abzusehen bzw. das ihr
durch § 413 StPO eingeräumte Ermessen dahin auszuüben, ein neues Sicherungsverfahren
nicht zu beantragen.
c) Nach diesen Maßstäben steht die Zulässigkeit und Notwendigkeit der
erneuten Maßregelanordnung nach § 63 StGB hier außer Zweifel. Der ersten
Unterbringung des Beschuldigten lag als Anlasstat eine vergleichsweise harmlose
einfache Körperverletzung zugrunde. Nach den Feststellungen des angefochtenen
Urteils hat der Beschuldigte nahezu zwei Jahre später dagegen in
objektiver Hinsicht einen versuchten Mord in Tateinheit mit schwerer Brandstiftung
begangen. Dies verdeutlicht den progredienten Verlauf der Erkrankung
des Beschuldigten und somit das zunehmende Maß seiner Gefährlichkeit für
die Allgemeinheit. Es liegt auf der Hand, dass die der neuen Unterbringungsanordnung
zugrunde liegenden Feststellungen maßgebliche Bedeutung für
Gestaltung und Dauer des Maßregelvollzuges gewinnen werden. Die Rüge des
Beschwerdeführers bleibt daher ohne Erfolg.
Tolksdorf Miebach Winkler
Pfister Becker
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