BGH,
Beschl. v. 14.5.2003 - 1 StR 113/03
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 113/03
vom
14. Mai 2003
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung
- 2 -
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Mai 2003
beschlossen:
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Stuttgart vom 19. November 2002 wird als unbegründet verworfen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen schwerer räuberischer
Erpressung
in zwei Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von fünf
Jahren verurteilt,
ihre Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet, ihr die
Fahrerlaubnis
entzogen und eine Sperrfrist für deren Neuerteilung von zwei
Jahren bestimmt.
Den Feststellungen zufolge überfiel die Angeklagte eine
Apotheke und
die Rezeption eines einsam gelegenen Hotels. Dabei erbeutete sie jeweils
mehrere hundert Euro. Als Drohmittel setzte sie ein Messer, im zweiten
Fall
auch eine Schreckschußpistole ein. Bei der zweiten Tat fuhr
sie den Tatort mit
ihrem Pkw an und flüchtete anschließend auch mit
diesem.
Die Revision der Angeklagten rügt die Verletzung sachlichen
Rechts; sie
ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Der
Erörterung bedarf nur die
Entziehung der Fahrerlaubnis.
1. Die Entziehung der Fahrerlaubnis der Angeklagten hält
rechtlicher
Nachprüfung stand, obgleich das Landgericht die mangelnde
Eignung der An-
3 -
geklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen lediglich damit
begründet hat, daß
sie ihr Fahrzeug im zweiten abgeurteilten Fall der schweren
räuberischen Erpressung
"zur Durchführung der Straftat" benutzte. Auf die
Blutalkoholkonzentration
von maximal 0,7 Promille zur Tatzeit (die
Mindestblutalkoholkonzentration
ist nicht festgestellt) und die langjährige schwere
Medikamentenabhängigkeit
von Benzodiazepin-Tranquilizern (ICD-10: F 13.2) der Angeklagten hat die
Strafkammer in diesem Zusammenhang nicht ausdrücklich
abgehoben, wiewohl
sie deren Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet hat.
2. Die gegebene Begründung genügt hier den
Anforderungen.
a) Der Senat hält an der Rechtsprechung fest, wonach
für die Entziehung
der Fahrerlaubnis nach § 69 Abs. 1 StGB wegen einer Straftat
aus dem
Bereich der sog. allgemeinen Kriminalität ein
verkehrsspezifischer Gefahrzusammenhang
nicht ausdrücklich festgestellt werden muß. Diese
Rechtsprechung
geht von folgenden Erwägungen aus:
Das Gesetz sieht die Maßregel der Entziehung der
Fahrerlaubnis nach
einer rechtswidrigen Tat vor, wenn diese "unter Verletzung der
Pflichten eines
Kraftfahrzeugführers" begangen wurde oder - gleichberechtigt
als weiterer Anknüpfungspunkt
daneben stehend - "bei oder im Zusammenhang mit dem Führen
eines Kraftfahrzeuges" verwirklicht wurde. Hinzu kommen muß
in beiden
Fällen, daß der Täter zum Führen
von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist und sich
dies aus der Tat ergibt (§ 69 Abs. 1 StGB). Schon das
systematische Nebeneinander
der Anknüpfungspunkte für die Maßregel -
die Verletzung der Pflichten
eines Kraftfahrzeugführers einerseits und die Tatbegehung bei
oder im Zusammenhang
mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges andererseits -
verdeutlicht,
daß die Vorschrift nicht nur Verkehrsstraftaten
erfaßt, für welche die gesetzliche
Regelvermutung der fehlenden Eignung in § 69 Abs. 2 StGB gilt;
sie
- 4 -
erstreckt sich auch auf Taten der sog. allgemeinen
Kriminalität, die Indizwirkung
für die fehlende Eignung entfalten können (vgl.
Tröndle/Fischer StGB
51. Aufl. Rdn. 9b). Aus der Systematik der Bestimmung ist zu
schließen, daß
es eine Fallgruppe mangelnder Eignung zum Führen von
Kraftfahrzeugen gibt,
bei der die Ungeeignetheit nicht aus der Verletzung der Pflichten eines
Kraftfahrzeugführers
folgt, sich vielmehr aus einer sonstigen rechtswidrigen Tat ergeben
kann. Erforderlich ist in diesen Fällen allerdings stets ein
funktionaler
Bezug zwischen Tat und fehlender Eignung. Die Tat muß in
ihrer konkreten
Ausgestaltung so geartet sein, daß sie einen Schluß
auf die Frage der Eignung
ermöglicht.
Der Begriff der Eignung ist auslegungsfähig: Er
umfaßt hier nicht nur die
persönliche Gewähr für die regelgerechte
Ausübung der Erlaubnis, das heißt
die Beachtung der Vorschriften des Straßenverkehrsrechts. Wer
eine Fahrerlaubnis
inne hat, der muß auch die Gewähr für eine
im umfassenden Sinne
verstandene Zuverlässigkeit dahin bieten, daß er die
Erlaubnis auch sonst
nicht zur Begehung rechtswidriger Taten ausnutzen werde. Die Regelung
des §
69 StGB bietet nach Wortlaut, Zweck und Systematik keinen Anhalt
dafür, daß
auch in den Fällen der sog. Nicht-Verkehrstaten durch das
Verhalten des Täters
eine erhöhte Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer
eingetreten sein oder
daß er die Tat unter Inkaufnahme der Verletzung der Regeln
des Straßenverkehrs
begangen haben müßte (so aber - nicht tragend - der
4. Strafsenat,
Beschluß vom 5. November 2002 - 4 StR 406/02;
Beschluß vom 17. Dezember
2002 - 4 StR 392/02 zu einem Fall des schweren Raubes). Dagegen spricht
auch ihre Stellung im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs neben
anderen
Maßregeln, die grundsätzlich dem Schutz der
Allgemeinheit vor rechtswidrigen
Taten gelten.
- 5 -
In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist dementsprechend zur
Entziehung der Fahrerlaubnis seit jeher anerkannt, daß die
sich aus der Tat
ergebende mangelnde Eignung auch in fehlender charakterlicher
Zuverlässigkeit
gründen kann (BGHSt 5, 179, 180 f.; 7, 165, 167; 10, 333, 334;
17, 218,
alle zur früheren Regelung des § 42m StGB aF; BGHR
StGB § 69 Abs. 1 Entziehung
3; BGH NStZ 1992, 586; 1995, 229; NStZ-RR 1997, 197; NStZ 2000,
26; vgl. auch Tröndle/Fischer aaO § 69 Rdn. 9a). Wem
die staatliche Erlaubnis
zum Führen von Kraftfahrzeugen erteilt ist, der wird auch
charakterlich für hinreichend
zuverlässig dahin erachtet, daß er nicht nur die
Regeln des Straßenverkehrs
beachtet, sondern sein Kraftfahrzeug und seine Fahrerlaubnis auch
nicht gezielt zu sonst rechtswidrigen Zwecken verwendet. Auch
derjenige, der
seine Fahrerlaubnis und sein Kraftfahrzeug zwar zu regelgerechter
Teilnahme
am Verkehr, aber bewußt zur Begehung gewichtiger
rechtswidriger Taten einsetzt,
kann mithin zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet sein. Er
mißbraucht die Fahrerlaubnis, wenn er sie nutzt, um die Tat
zu begehen, auch
wenn er dabei spezifische Verkehrssicherheitsbelange nicht konkret
beeinträchtigt
(vgl. BVerwG VM 1981, 50). Gerade auch auf solche Fälle ist
die Maßregel
zugeschnitten (siehe schon BGHSt 5, 179, 180 f.; 10, 333, 334). Der
Täter
gibt damit zu erkennen, daß er seine eigenen kriminellen
Ziele über die
Achtung der Rechte anderer stellt. Stehen gewichtige, wenn auch
zunächst
„verkehrsfremde“ rechtswidrige Taten in Rede, so
hat deren Begehung im Zusammenhang
mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges auch unter diesem
Gesichtspunkt
indizielle Bedeutung für das Fehlen der Eignung zur Teilnahme
am
Straßenverkehr mit einem Kraftfahrzeug.
Darüber hinaus hat der Eignungsmangel, der sich aus dem
Mißbrauch
der Fahrerlaubnis zur Begehung einer gewichtigen, wenn auch nicht
verkehrsspezifischen
rechtswidrigen Tat ergibt, durchaus in der Regel einen Bezug zur
- 6 -
Verkehrssicherheit in allgemeiner Hinsicht: Nach der Erfahrung des
Senats
kommt es in den einschlägigen Fällen oft vor,
daß durch den Mißbrauch der
Fahrerlaubnis eine potentielle Gefahr für die
Verkehrssicherheit erwächst. Augenfällig
ist dies etwa beim Einsatz des Kraftfahrzeuges als Fluchtfahrzeug
oder als Mittel zum Transport von Rauschgift in beachtlicher Menge.
Hier können
für den Täter unversehens Situationen eintreten, in
denen er der Versuchung
erliegt, sich um der Durchsetzung seines kriminellen Handelns willen
spontan und nachhaltig über Verkehrssicherheitsbelange
hinwegzusetzen. Er
schafft also mit dem Einsatz des Kraftfahrzeuges im Zusammenhang mit der
Begehung einer rechtswidrigen Tat einen regelmäßig
in besonderer Weise risikoträchtigen
Sachverhalt auch dann, wenn im Einzelfall eine konkrete
Beeinträchtigung
der Verkehrssicherheit nicht festgestellt werden kann. Dabei handelt
es sich gleichsam um eine eigengeartete Erhöhung der
"Betriebsgefahr"
(vgl. Himmelreich/Hentschel, Fahrverbot/Führerscheinentzug, 5.
Aufl., Rdn.
18).
Diese Auslegung des § 69 StGB steht im Einklang damit,
daß es sich
seiner systematischen Stellung nach um eine Maßregel der
Sicherung und
Besserung handelt. Die Entziehung der Fahrerlaubnis erhält
dadurch auf dem
Felde der sog. allgemeinen Kriminalität nicht etwa den
Charakter einer Nebenstrafe.
Mit ihr wird dem Täter die Begehung weiterer Taten im
Zusammenhang
mit dem Führen von Kraftfahrzeugen zwar nicht
unmöglich gemacht, aber doch
wesentlich erschwert. Wird ihm die Fahrerlaubnis entzogen, verliert er
rechtlich
die Möglichkeit, "bei oder im Zusammenhang mit dem
Führen eines Kraftfahrzeuges"
erneut eine rechtswidrige Tat zu begehen. Tatsächlich
würde sein Risiko
für die Begehung einer weiteren Tat im bezeichneten
Zusammenhang erheblich
steigen; daraus folgt ein gewisser Präventionseffekt. Die
Allgemeinheit
wird so vor der Begehung weiterer Taten geschützt, und zwar
nicht nur vor
- 7 -
Taten verkehrsrechtlicher Art, sondern auch vor solchen aus dem Bereich
der
sog. allgemeinen Kriminalität, die "bei oder im Zusammenhang
mit dem Führen
eines Kraftfahrzeuges" begangen werden können.
Schließlich wird die Verwaltungsbehörde
im etwaigen Neuerteilungsverfahren so in den Stand gesetzt,
die Eignungsfrage erneut individuell und umfassend zu prüfen.
Auch davon
geht ein - wenn auch mittelbarer - Sicherungseffekt aus, der durch den
Ausspruch
der Maßregel bedingt ist.
b) Dementsprechend hat der Senat früher hervorgehoben: Bei
schwerwiegenden
Taten, dazu kann auch die Durchführung von
Betäubungsmittelgeschäften
gehören, die unter Benutzung des Kraftfahrzeuges begangen
werden,
"muß die charakterliche Zuverlässigkeit zum
Führen von Kraftfahrzeugen in
aller Regel verneint werden; nur unter ganz besonderen
Umständen kann etwas
anderes gelten". Dieser Indizwirkung der Tat kommt für die
gebotene
Prog-nose um so größere Bedeutung zu, je gewichtiger
der Tatvorwurf ist und
je intensiver der Einsatz des Kraftfahrzeuges zur Durchführung
der Tat war (so
Senat in BGHR StGB § 69 Abs. 1 Entziehung 3; Senat NStZ 1992,
586; siehe
auch 2. Strafsenat NStZ 2000, 26; 3. Strafsenat in BGHR StGB §
69 Abs. 1
Entziehung 10; abschwächend, aber im Grundsatz
ähnlich BGH MDR bei Holtz
1981, 453; NStZ 1995, 229; NStZ-RR 1997, 197, 198; 1998, 271; NZV 1998,
418; Senat StV 1999, 18). Unbeschadet dessen ist bisher ebenso
anerkannt,
daß eine Indizwirkung für einen Eignungsmangel nicht
in Betracht kommt,
wenn die Tat nur bei Gelegenheit der Nutzung des Kraftfahrzeuges
begangen
ist oder nur ein äußerer - örtlicher oder
zeitlicher - Zusammenhang mit dieser
besteht (BGHSt 22, 328, 329).
c) Zur tatrichterlichen Begründungspflicht gilt, daß
der erforderliche
Würdigungsumfang von den Umständen des Einzelfalls
abhängt. Die Tat selbst
- 8 -
kann, je gewichtiger sie ist, andere Umstände in den
Hintergrund treten lassen.
In schwerwiegenden Fällen und auch bei wiederholten Taten ist
eine eingehende
Begründung in der Regel nicht zwingend geboten (vgl. dazu BGHR
StGB § 69 Abs. 1 Entziehung 6, 10). Das wird nach Ansicht des
Senats etwa
für Fälle gelten, in denen des Kraftfahrzeug als
Tatmittel eingesetzt wird: So
beispielsweise zur Fahrt mit dem Vergewaltigungsopfer an einen
entlegenen
Ort, um dort die Tat zu begehen (vgl. nur Senat NStZ 1999, 130, 131
a.E.),
beim Transport einer beachtlichen Menge von Betäubungsmitteln
mit dem
Kraftfahrzeug, um damit unerlaubt Handel zu treiben, aber auch bei der
Nutzung
des Kraftfahrzeuges zur Flucht mit der Beute durch den Räuber
oder den
räuberischen Erpresser (vgl. BGHSt 10, 333, 336).
Da für die Beurteilung der Eignung auf den Zeitpunkt der
Hauptverhandlung
abzustellen ist, kommt es allerdings darauf an, ob sich bis dahin
weitere Umstände ergeben haben, welche das Ergebnis auch in
gegenläufiger
Hinsicht beeinflussen, also die Indizwirkung der Tat zu
entkräften oder gar zu
widerlegen vermögen. Treten bis zur Hauptverhandlung indes
keine Umstände
hinzu, die für eine erhaltene oder wiederhergestellte Eignung
sprechen können,
so wird sich der Eignungsmangel oft aus der Tat selbst heraus ohne
weiteres
erhellen und auf der Hand liegen, so daß es einer
weitergehenden Begründung
im Sinne einer eingehenden Erörterung nicht bedarf; in diesen
Fällen
ist die Indizwirkung der Tat von hohem und ausschlaggebendem Gewicht.
Einer solchen indiziellen Wirkung steht nicht der Einwand entgegen, sie
werde auf diese Weise der gesetzlichen Regelvermutung bei
Verkehrsstraftaten
(§ 69 Abs. 2 StGB) angenähert. Jene Regelvermutung
gründet darin, daß
zur Begehung der dort angeführten Verkehrsstraftaten in aller
Regel ein Fahrzeug
benutzt wird, jedenfalls aber ein unmittelbarer Bezug zur Verkehrsicher-
9 -
heit besteht. Bei Taten der sog. allgemeinen Kriminalität
bestimmt der Bezug
zwischen Tat und fehlender Eignung, wenn er funktional im konkreten
Fall gegeben
ist, durch das Gewicht der Tat und die
Täterpersönlichkeit den Begründungsaufwand
des Tatrichters. Dieser ist - wie auch sonst allgemein -
abhängig
von der Lage des Falles. Je nach den Umständen kann deshalb
eine eingehende
Würdigung der Täterpersönlichkeit
erforderlich sein, wie sie in der Tat
zum Ausdruck gekommen ist (BGHR StGB § 69 Abs. 1 Entziehung 2,
5; BGH
NStZ-RR 1997, 197). So kann es sich namentlich dann verhalten, wenn etwa
nur eine Tat eines Ersttäters in Rede steht und weitere
Indizien für die Ungeeig-
netheit fehlen oder bis zur Hauptverhandlung Umstände
hinzugetreten
sind, die die Erwartung begründen können,
daß aus dem Belassen der Fahrerlaubnis
keine weitere Gefahr für die Allgemeinheit folgt, weil ein
erneuter
Einsatz des Kraftfahrzeuges zur Begehung einer rechtswidrigen Tat nicht
mehr
zu erwarten ist. Typisch für eine solche Fallgestaltung
erscheint beispielsweise
glaubhafte Reue und eine sich auch daraus ergebende günstige
Kriminalprognose
(vgl. BGH StV 1999, 18; siehe auch BGH StV 1994, 314, 315). Liegt es
so, kann die Anordnung der Maßregel ausscheiden, weil sich
die Ungeeignetheit
zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung nicht feststellen
läßt. Im Auge zu behalten
ist stets, daß die Ungeeignetheit des Täters sich
"aus der Tat" ergeben
muß (§ 69 Abs. 1 StGB). Die Tat ist also
maßgeblicher Anknüpfungspunkt für
die Beurteilung. Eine von ihr losgelöste Würdigung
der Persönlichkeit des Täters
kommt im Strafverfahren nicht in Betracht (vgl. Himmelreich/Hentschel
aaO
Rdn. 42).
d) Eine andere Auslegung des § 69 Abs. 1 StGB ist nicht
deshalb angezeigt,
weil in einem Kammerbeschluß des Bundesverfassungsgerichts
(vom
20. Juni 2002 - 1 BvR 2062/96 = NZV 2002, 422, 424) für den
Fall einer verwaltungsrechtlichen
Entziehung der Fahrerlaubnis - nach Antreffen mit fünf
- 10 -
Gramm Haschisch bei einer Personenkontrolle und Verweigerung eines sog.
Drogenscreenings - ausgeführt wurde, charakterlich-sittliche
Mängel, derentwegen
die Fahreignung ausgeschlossen sein könne, lägen vor,
wenn der Betroffene
bereit sei, das Interesse der Allgemeinheit an sicherer und
verkehrsgerechter
Fahrweise den jeweiligen eigenen Interessen unterzuordnen und hieraus
resultierende Gefährdungen oder Beeinträchtigungen
des Verkehrs in Kauf
zu nehmen (BVerfG-Kammer aaO; darauf Bezug nehmend der 4. Strafsenat im
Beschluß vom 5. November 2002 - 4 StR 406/02). Diese
Erwägung erweist sich
ersichtlich nicht als abschließende Definition des
charakterlich-sittlichen Eignungsmangels.
Sie ist auf jenen Ausgangssachverhalt bezogen und kann deshalb
nicht ohne weiteres auf den Regelungszusammenhang des § 69
Abs. 1
StGB übertragen werden. Dieser erfordert vielmehr eine
Auslegung, die den
Besonderheiten und dem Zweck der strafrechtlichen
Sicherungsmaßregel gerecht
wird.
3. Im vorliegenden Fall ergibt der Gesamtzusammenhang der
Urteilsgründe,
daß die Angeklagte die Tat nicht nur bei Gelegenheit der
Nutzung ihres
Kraftfahrzeuges begangen hat und daß auch nicht nur ein
äußerer - örtlicher
oder zeitlicher - Zusammenhang damit besteht. Vielmehr hat sie ihr
Fahrzeug
- nach Begehung einer einschlägigen Vortat - gezielt zur
Durchführung der
Straftat und damit unmittelbar tatbezogen eingesetzt (vgl. zu diesen
Gesichtspunkten
BGHSt 22, 328, 329). Sie ist mit dem Fahrzeug zum entlegenen Tatort
gefahren und von diesem geflüchtet; sie hat es damit zugleich
zur Beendigung
ihrer Tat eingesetzt, indem sie nach der Ansichnahme des
erpreßten Geldbetrages
die Beutesicherung mittels des Davonfahrens mit dem Pkw bewirkte. Im
Blick auf das Gewicht der Tat, die Bedeutung des Einsatzes des
Kraftfahrzeuges
bei Begehung der Tat und bei zugleich fehlenden Hinweisen auf eine den-
11 -
noch zum Hauptverhandlungszeitpunkt etwa wieder hergestellte Eignung der
Angeklagten war die indizielle Bedeutung der Tat hier
solchermaßen ausgeprägt,
daß allein darauf und ohne weitergehende Begründung
die Entziehung
der Fahrerlaubnis gestützt werden konnte (vgl. zum Raub unter
Einsatz eines
Kraftfahrzeuges auch BGHSt 10, 333, 336). Mit dem Ergebnis steht im
systematischen
Einklang, daß das benutzte Fahrzeug als Tatmittel
grundsätzlich der
Einziehung unterlegen wäre (§ 74 Abs. 1 StGB; vgl.
Tröndle/Fischer aaO § 74
Rdn. 8). Darüber hinaus belegen auch die weiteren
Feststellungen ohne weiteres
den noch zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung bestehenden Eignungsmangel;
auf deren Grundlage hat die Strafkammer wegen der schweren
Medikamentenabhängigkeit
der Angeklagten ihre Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
angeordnet.
4. Der Senat ist durch jüngere Entscheidungen des 4.
Strafsenats zur
Auslegung des § 69 StGB (vgl. 4. Strafsenat,
Beschlüsse vom 5. November
2002 - 4 StR 406/02 - und vom 17. Dezember 2002 - 4 StR 392/02) nicht
gehindert,
wie geschehen Recht zu sprechen. Der 4. Strafsenat hat in diesen
Beschlüssen
angedeutet, daß er eine engere, den Anwendungsbereich
beschneidende
Interpretation der Vorschrift möglicherweise für
vorzugswürdig halten
könnte, die stets einen (wohl konkreten) verkehrsspezifischen
Gefahrzusammenhang
verlangt. Die dort angestellten Erwägungen waren in jenen
Verfahren
jedoch nicht tragend. Dies wird dadurch bestätigt,
daß der 4. Strafsenat seinerseits
keinen Grund gesehen hat, in das Anfrageverfahren einzutreten (vgl.
§ 132 Abs. 2, 3 GVG; siehe auch Winkler, NStZ 2003, 247, 251).
Zwar lag der
Sachverhalt im Verfahren 4 StR 392/02 (Beschluß des 4.
Strafsenats vom
17. Dezember 2002) ähnlich wie der im vorliegenden Fall. Dort
hatte der Angeklagte
sein Fahrzeug dazu benutzt, um mit seinem Mittäter zur
Begehung eines
schweren Raubes in die Nähe des Tatortes zu fahren und diesen
anschließend
- 12 -
- 13 -
mit der Beute wieder zu verlassen. Gestützt hat der 4.
Strafsenat die Aufhebung
des Maßregelausspruchs dort aber tragend allein auf die
einzelfallbezogene
Erwägung, daß die charakterliche
Unzuverlässigkeit zum Führen von
Kraftfahrzeugen näherer Begründung bedurft
hätte.
Richter am BGH Dr. Boetticher
ist wegen Urlaubs an der
Unterschrift gehindert.
Nack Wahl Nack
Schluckebier Kolz |