BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2003 - 2 BGs 315/03
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Ermittlungsrichter
2 BGs 315/2003
2 BJs 11/03-5
B E S C H L U S S
vom 15.12.2003
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
I. G.
wegen
Verdachts der versuchten Gründung einer terroristischen Vereinigung u.a.
Nachschlagewerk:ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
StPO §§ 119 Abs. 3, 148
Einem Verteidiger, der die für die Mandantengespräche erforderlichen Unterlagen
auf einem Notebook eingespeichert hat, kann regelmäßig die Mitnahme eines
solchen Geräts (ohne Netzwerkkarte und Zusatzgeräte) zu Unterredungen mit
seinem Mandanten in der Justizvollzugsanstalt nicht verwehrt werden.
BGH, Ermittlungsrichter, Beschluß vom 15.12.2003 - 2 BGs 315/2003 -
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Nach Anhörung des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof wird dem
Verteidiger des Beschuldigten, Herrn Rechtsanwalt R.,
g e s t a t t e t ,
bei Besprechungen mit dem Beschuldigten in der Justizvollzugsanstalt sein
Notebook (ohne Netzwerkkarte und sonstige Zusatzgeräte) mitzuführen
und zu benutzen.
G r ü n d e :
Der Beschuldigte befindet sich aufgrund Haftbefehls des Ermittlungsrichters des
Bundesgerichtshofes in der Justizvollzugsanstalt K. in Untersuchungshaft. Der
Verteidiger des Beschuldigten hat beantragt, zu Besprechungen mit seinem
Mandanten in der Justizvollzugsanstalt sein Notebook mitbringen zu dürfen. Auf
dem Notebook seien die Ermittlungsakten eingescannt. Über Kopien der Akten
verfüge er nicht.
Der Generalbundesanwalt tritt dem Antrag unter Hinweis auf entgegenstehende
Gepflogenheiten und grundsätzliche Sicherheitsbedenken der Justizvollzugsanstalt
entgegen.
Dem Antrag des Verteidigers ist zu entsprechen.
Die in § 119 Abs. 3 StPO bestehende Möglichkeit, dem Untersuchungsgefangenen
Beschränkungen aufzuerlegen, die auch - wie hier - Dritte betreffen können,
gilt grundsätzlich nicht für den Verkehr des Beschuldigten mit seinem Verteidiger.
Vielmehr gestattet § 148 StPO dem Untersuchungsgefangenen - unbeschränkten
- schriftlichen und mündlichen Verkehr mit seinem Verteidiger. Dies
beinhaltet auch die Befugnis des Verteidigers, alle Unterlagen, die er für eine
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Unterredung mit dem Untersuchungsgefangenen benötigt oder die er mit ihm im
Rahmen der Verteidigung zu erörtern hat, in die Haftanstalt mitnehmen zu können,
ohne diese Unterlagen einer inhaltlichen Kontrolle unterwerfen zu müssen.
Hingegen kollidiert eine Untersuchung u.a. der mitgeführten Verteidigerunterlagen
vor dem Besuch auf nicht der Verteidigung dienende Gegenstände - etwa
Waffen und Ausbruchswerkzeuge - nicht mit § 148 StPO; sie schränkt die Verteidigung
nicht unzulässig ein (vgl. BGH NJW 1973, 1656; Laufhütte in KK-StPO
5. Aufl. § 148 Rdnr. 3).
Diese Grundsätze sind auch im vorliegenden Fall anzuwenden. Einem Verteidiger,
der die für die Mandantengespräche erforderlichen Unterlagen auf einem
Notebook eingespeichert hat, kann regelmäßig die Mitnahme eines solchen Geräts
zu Unterredungen mit seinem Mandanten in der Justizvollzugsanstalt nicht
verwehrt werden. Die Benutzung moderner elektronischer Hilfsmittel durch einen
Verteidiger im Rahmen von Mandantengesprächen, die sich insbesondere bei
umfangreichem Aktenmaterial anbietet, beinhaltet grundsätzlich keine größere
Mißbrauchsgefahr als dies bei Mitnahme der erforderlichen Aktenstücke der Fall
ist. Einer inhaltlichen Kontrolle sind die Verteidigerunterlagen stets entzogen,
gleichgültig, ob sie in Schrift- oder in elektronisch gespeicherter Form mitgeführt
werden. Eine Überprüfung auf Fremdkörper durch die Justizvollzugsanstalt ist in
beiden Fällen möglich.
Anhaltspunkte für die Gefahr einer mißbräuchlichen Benutzung des Geräts sind
vorliegend nicht gegeben. Allerdings ist - wie im Falle mitgeführter Aktenkopien
- eine in geeigneter Form durchgeführte Untersuchung des Notebooks vor dem
Besuch des Beschuldigten auf nicht der Verteidigung dienende Gegenstände
zulässig. Hierdurch ist die Verteidigung nicht beeinträchtigt, da sie ohne Einblick
in die für die Verteidigung in Betracht kommenden Daten vorgenommen werden
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kann. Insoweit muß sich der Verteidiger wie jeder andere Besucher behandeln
lassen und sich den für diesen geltenden Ordnungsmaßnahmen unterwerfen.
Sost-Scheible