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BGH, Beschluss vom 16. September 2003 - 4 StR 362/03


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 16.9.2003 - 4 StR 362/03
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 362/03
vom
16.09.2003
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 16.09.2003 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Bielefeld vom 25. April 2003 mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen versuchter schwerer
räuberischer Erpressung verurteilt worden ist
(Fall II.1 der Urteilsgründe),
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter schwerer räuberischer
Erpressung und wegen versuchter Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe
von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt sowie eine Gaspistole
nebst Magazin und ein Klappmesser eingezogen. Die Revision des Angeklagten,
mit welcher er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat in dem aus der
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Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im übrigen ist sie unbegründet
im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Ablehnung eines strafbefreienden Rücktritts vom Versuch der
schweren räuberischen Erpressung im Fall II. 1 der Urteilsgründe begegnet
durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Nach den Feststellungen wollte der Angeklagte die Angestellte einer
Lotto-Annahmestelle, die Zeugin V. , mit einer (ungeladenen) Gaspistole bedrohen
und zur Herausgabe von Geld zwingen. Beim Überfall führte er neben
der Gaspistole in seiner Jackentasche ein Klappmesser mit sich. Verletzen
wollte der Angeklagte niemanden. Als die Verkäuferin trotz des Vorhalts der
Gaspistole der zweimaligen Aufforderung des Angeklagten, Geld herauszugeben,
nicht nachkam, steckte der Angeklagte, der erkannt hatte, daß das Tatopfer
ihm "allein aufgrund der vorgehaltenen Pistole kein Geld aushändigen
würde" (UA 10), die Gaspistole wieder ein und verließ das Ladenlokal.
Das Landgericht hat einen Rücktritt vom Versuch der schweren räuberischen
Erpressung verneint, da der Versuch fehlgeschlagen sei. Das Vorhaben,
sich mittels eines Überfalls Geld zu beschaffen, sei am Widerstand der Verkäuferin
gescheitert. Die Tat habe nach der Vorstellung des Angeklagten, der
der Zeugin nichts habe antun wollen, daher "nicht mehr wie geplant" ausgeführt
werden können (UA 15).
Diese Erwägungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Ein fehlgeschlagener
Versuch liegt dann nicht vor, wenn der Täter die Tat, wie er weiß,
mit den bereits eingesetzten oder anderen zur Hand liegenden einsatzbereiten
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Mitteln noch vollenden kann (st. Rspr.; BGHSt 35, 90, 94; BGH StraFo 2001,
68; BGH NStZ-RR 2003, 40). Letzteres ist nach den getroffenen Feststellungen
nicht auszuschließen. Das Klappmesser, welches der Angeklagte bereits beim
Überfall in seiner Jackentasche mit sich führte, setzte er bei seiner späteren
Verfolgung durch den Polizeibeamten K. als weiteres Drohmittel neben der
Gaspistole ein. Es liegt deshalb nicht fern, daß er auch der Bedrohung der
Zeugin V. durch den zusätzlichen Einsatz des Messers größeren Nachdruck
hätte verleihen und sie auf diese Weise noch zur Herausgabe des Geldes
hätte veranlassen können. Wenn der Angeklagte im Bewußtsein dieser Möglichkeit,
wofür sein späteres Verhalten gegenüber dem Polizeibeamten K.
spricht, von der weiteren Tatausführung Abstand nahm, hätte ein freiwilliger
und damit strafbefreiender Rücktritt vom unbeendeten Versuch der schweren
räuberischen Erpressung vorgelegen. Hiermit hat sich die Strafkammer nicht
auseinandergesetzt.
Die Feststellungen ergeben auch nicht, daß sich der Angeklagte aus
anderen Gründen an der Vollendung der Tatausführung gehindert sah. Zwar
erscheint es nicht ausgeschlossen, daß er nach den Hilferufen der Zeugin V.
(irrig) davon ausging, der Ladeninhaber halte sich in einem nicht einsehbaren
Teil des Geschäfts auf. Hätte er wegen der Befürchtung, eine weitere Person
werde hinzukommen, keine Möglichkeit mehr gesehen, sein Vorhaben mit Erfolg
zu verwirklichen, läge ein freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch
nicht vor (vgl. BGH GA 1980, 25 f.). Die Strafkammer hat insoweit jedoch keine
abschließenden Feststellungen getroffen. Sie hat vielmehr in Anbetracht der
von ihr vertretenen Rechtsauffassung diese Frage für nicht entscheidungserheblich
erachtet und sie daher offen gelassen (UA 15).
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2. Da die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall II. 1 auch die Aufhebung
des Gesamtstrafenausspruchs nach sich zieht, kommt es auf den vom Generalbundesanwalt
zutreffend aufgezeigten Widerspruch bei der Höhe der Gesamtfreiheitsstrafe
im Tenor des Urteils einerseits und den Urteilsgründen andererseits
nicht an.
3. Von der teilweisen Aufhebung des Schuldspruchs wird die Anordnung
der Einziehung der Gaspistole nebst Magazin und des Klappmessers nicht berührt,
da diese Gegenstände auch Tatmittel der von der Aufhebung nicht erfaßten
versuchten Nötigung (Fall II. 2 der Urteilsgründe) waren.
Tepperwien Maatz Kuckein
Athing Sost-Scheible



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