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BGH, Beschluss vom 17. April 2007 - 5 StR 446/06


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 17.4.2007 - 5 StR 446/06
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
17.4.2007
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u. a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17.4.2007
beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 4. Juli 2006 gemäß § 349 Abs. 4 StPO
a) dahin abgeändert, dass die Angeklagte lediglich wegen Betrugs verurteilt ist,
b) im gesamten Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Betrugs in Tateinheit mit „vorsätzlichem Betreiben von Bankgeschäften ohne Erlaubnis“ zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Die mit der Sachrüge geführte Revision der Angeklagten hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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I.
Nach den Urteilsfeststellungen schloss die Angeklagte am 21. Mai 2003 mit der geschädigten Volksbank Chemnitz e.G. eine Lastschriftvereinbarung, obwohl sie tatsächlich nicht fällige Forderungen einziehen, sondern sich kurzfristigen Kredit von Lastschriftgebern für eine Anschubfinanzierung im Immobilienbereich beschaffen wollte. Nach der Zulassung zum Lastschriftverfahren zog die Angeklagte im Online-Banking innerhalb eines Monats 535.000 Euro von acht Geldgebern ein. Wie mit diesen Gewährsleuten abgesprochen, widersprachen diese den Belastungen innerhalb von sechs Wochen, nachdem die Angeklagte nach dem (zu erwartenden) Scheitern des Immobiliengeschäfts die Beträge nicht zurückzahlen konnte. Die Volksbank, die die Lastschriften von den Banken der Geldgeber zurücknehmen musste, fiel mit über 300.000 Euro aus. Das Konto der Angeklagten wies kein Guthaben mehr aus, weil sie die gutgeschriebenen Beträge sofort in bar abgehoben bzw. an andere Vermittler überwiesen hatte.
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II.
Die Revision der Angeklagten führt zur Änderung des Schuldspruchs.
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1. Ohne Rechtsverstoß hat das Landgericht allerdings in dem Verhalten der Angeklagten einen Betrug gemäß § 263 StGB gesehen. Die Angeklagte hat eine Betrugstat zu Lasten der Volksbank begangen, indem sie Lastschriften einreichte, obwohl sie wusste, dass das Lastschriftverfahren für solche Kreditgewährungen nicht vorgesehen war (vgl. nur BGH wistra 2006, 20). Die Lastschriftvereinbarung und die einzelnen Online-Buchungen sind als eine Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zu werten (vgl. dazu BGHSt 50, 147, 159 f.).
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2. Dagegen hält der Schuldspruch wegen eines tateinheitlich begangenen Vergehens nach dem Kreditwesengesetz (§ 54 Abs. 1 Nr. 2, § 32
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Abs. 1 Satz 1 KWG) rechtlicher Überprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sind derartige Lastschriftgeschäfte keine Einlagengeschäfte im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KWG.
Um Einlagen handelt es sich, wenn jemand von einer Vielzahl von Geldgebern, die keine Kreditinstitute im Sinne des § 1 Abs. 1 KWG sind, fremde Gelder aufgrund typisierter Verträge zur unregelmäßigen Verwahrung, als Darlehen oder in ähnlicher Weise ohne Bestellung banküblicher Sicherheiten laufend annimmt und die Gelder nach Fälligkeit von den Gläubigern jederzeit zurückgefordert werden können (BGHR KWG § 1 Einlage 1 m.w.N.). Ein solches Einlagengeschäft ist regelmäßig dadurch geprägt, dass eingelegte fremde Gelder der Gewinnerzielung im damit finanzierten Aktivgeschäft dienen (Schröder in Achenbach/Ransiek, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht 2004 S. 768).
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Es ist hier schon zweifelhaft, ob im vorliegenden Fall eine Annahme von Geldern aufgrund typisierter Verträge erfolgt ist. Vielmehr bestand zwischen der Angeklagten und dem Empfänger der Lastschriften eine betrügerische Abrede. Jedenfalls fehlt bei der hier gegebenen Sachverhaltsgestaltung der bankgeschäftliche Bezug. Einlage und Einlagengeschäft in diesem Zusammenhang sind in erster Linie nicht rechtliche, sondern wirtschaftliche Begriffe, deren Verständnis sich nach der Verkehrsauffassung unter Berücksichtigung der Praxis des Bankgeschäfts richtet. Deshalb ist die Frage, ob ein Unternehmen fremde Gelder als Einlagen annimmt, aufgrund einer Wertung aller Umstände des einzelnen Falls nach der bankwirtschaftlichen Verkehrsauffassung zu entscheiden (BGHZ 125, 366, 380 f.; 129, 90, 96; BGH MDR 2001, 948, 949). Danach lässt sich bei der hier gegebenen Fallkonstellation kein Bankgeschäft feststellen. Vielmehr stellt sich nach dem äußeren Schein das Geschehen nicht als Bankgeschäft dar und wird bei einer Betrachtung von außen als solches auch nicht wahrgenommen. Es fehlt der banktypische Charakter, der darin besteht, dass nach außen zumindest der Eindruck erzeugt wird, dass Gelder als Anlage hereingenommen werden.
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Im vorliegenden Fall haben die Beteiligten am Lastschriftverfahren aufgrund ihres betrügerischen Zusammenwirkens die Bank des aus der Lastschrift Begünstigten geschädigt. Diesem Verhalten fehlt nach außen jedweder Schein eines Bankgeschäfts. Damit kommt auch eine bankaufsichtsrechtliche Genehmigungspflicht nach § 32 KWG für derartiges Verhalten nicht in Betracht. Solche betrügerischen Geschäfte zu Lasten einer Bank sind schon aufgrund ihrer äußeren Merkmale keine Einlagengeschäfte und unterliegen damit auch nicht der bankaufsichtsrechtlichen Genehmigungspflicht.
Dieses Ergebnis wird auch durch eine am Zweck des Kreditwesengesetzes orientierte Auslegung bestätigt. Dieses Gesetz sichert die Funktionsfähigkeit des Finanzmarkts (Schröder aaO S. 767). Es schützt das Publikum vor nicht ausreichend seriösen Unternehmen und will gewährleisten, dass im Kreditgewerbe Verhältnisse herrschen, die das Vertrauen der Bevölkerung verdienen (BT-Drucks. III/1114). Dieser Schutzbereich ist hier nicht berührt, weil die Bank selbst durch das Verhalten Privater geschädigt wurde. Hiervor schützt jedoch nicht das Kreditwesengesetz, sondern allein der Betrugstatbestand.
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III.
Die Änderung des Schuldspruchs zieht auch die Aufhebung des Strafausspruchs nach sich, denn das Landgericht hat die tateinheitliche Verletzung zweier Straftatbestände ausdrücklich strafschärfend gewertet. Der Aufhebung von Urteilsfeststellungen bedarf es bei den erkannten Rechtsfehlern
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nicht. Der neue Tatrichter darf der Strafzumessung weitere Feststellungen zugrunde legen, die den bisherigen nicht widersprechen.
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