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BGH, Beschluss vom 18. Juli 2001 - 3 StR 79/01


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 18.7.2001 - 3 StR 79/01
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 79/01
vom
18. Juli 2001
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: räuberischer Erpressung u.a.
zu 2.: schwerer räuberischer Erpressung u.a.;
hier: Revision des Angeklagten D.
- 2 -
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwaltes - zu 2. auf dessen Antrag - am
18. Juli 2001 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 357 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten D. wird das Urteil des
Landgerichts Hamburg vom 13. Juli 2000
a) im Fall II. C. 2. der Urteilsgründe (= Fall 7 der Anklage),
auch soweit es den Mitangeklagten B. betrifft, im
Schuldspruch dahingehend abgeändert, daß die Verurteilung
beider Angeklagter wegen tateinheitlicher versuchter
Nötigung entfällt;
b) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
aa) im Schuld- und Strafausspruch im Fall II. E. der Urteilsgründe
(= Fall 77 der Anklage), auch soweit es den Mitangeklagten
B. betrifft;
sowie
bb) hinsichtlich der gegen den Mitangeklagten B. verhängten
- zweiten - Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren
und neun Monaten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels,
an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
- 3 -
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Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten D. unter Freispruch im übrigen
wegen räuberischer Erpressung (Fall II. C. 1. der Urteilsgründe = Fall 6 der
Anklage) und wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit versuchter
Nötigung und Zuwiderhandlung gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot
(Fall II. C. 2. = Fall 7 der Anklage) unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe
aus einem früheren Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier
Jahren und drei Monaten und darüber hinaus wegen versuchter schwerer räuberischer
Erpressung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und gefährlicher
Körperverletzung (Fall II. E. der Urteilsgründe = Fall 77 der Anklage) zu einer
weiteren Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der
Angeklagte D. die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das
Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlußformel ersichtlichen
Teilerfolg, gemäß § 357 StPO auch zugunsten des nicht revidierenden Mitangeklagten
B. .
1. Soweit der Angeklagte D. im Fall II. C. 2. der Urteilsgründe
(= Fall 7 der Anklage) auch wegen tateinheitlicher versuchter Nötigung verurteilt
wurde, hält dies rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Nach den diesbezüglichen Feststellungen drohten die beiden Angeklagten
im Verlauf des Jahres 1997 dem Geschädigten A. mit Mißhandlungen
oder Tötung, wenn er nicht eine "Spende" von 15.000 DM für die PKK
zahle. Da A. nicht über die erforderlichen Geldmittel verfügte, erhielt er
von den Angeklagten ein mit 2.000 DM verzinsliches "Darlehen" über
10.000 DM, um sich damit ein Geschäft aufzubauen und aus den mit diesem
erwirtschafteten Erlösen seine "Schulden" bei den Angeklagten abzahlen zu
können. In der Folge übergab A. den Angeklagten u. a. am 30. Oktober
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1997 6.000 DM in bar und einen Scheck über 2.000 DM. Das Landgericht
konnte nicht klären, ob diese Zahlung von A. zur teilweisen Rückführung
des "Darlehens" oder auf die geforderte "Spende" für die PKK geleistet wurde
und wofür sie von den Angeklagten bestimmt war. Es geht zugunsten der Angeklagten
davon aus, daß A. auf das "Darlehen" leistete; denn in diesem
Fall verringere sich die abgepreßte Geldsumme und komme hinsichtlich der
gezahlten 8.000 DM nur eine Verurteilung wegen Nötigung (§ 240 StGB) in
Betracht. Jedoch scheide ein Schuldspruch wegen vollendeter Nötigung aus,
da insoweit wiederum zugunsten der Angeklagten davon auszugehen sei, daß
die Zahlung für die PKK bestimmt war. Deshalb könne nur versuchte Nötigung
angenommen werden.
Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die Ansicht des Landgerichts
zutrifft, den Angeklagten habe ein Darlehensrückzahlungsanspruch zugestanden
und (räuberische) Erpressung (§§ 253, 255 StGB) und Nötigung
(§ 240 StGB) träfen tateinheitlich zusammen, wenn der Täter das Opfer durch
ein einheitliches Nötigungsmittel sowohl zur Erfüllung einer berechtigten
Geldforderung als auch zur Bezahlung nicht geschuldeter Geldbeträge zwingt
(vgl. RG GA 48 <1901>, 451 f. für den Fall, daß dem Opfer unberechtigt eine
Geldzahlung und die geschuldete Rückgabe eines Schuldscheines abgenötigt
werden soll); denn hier beruht die Verurteilung wegen tateinheitlicher versuchter
Nötigung auf einer rechtsfehlerhaften Anwendung des Zweifelssatzes. Da
das Landgericht nicht festzustellen vermochte, daß die Angeklagten Nötigungsmittel
auch zur Erzwingung der Darlehensrückzahlung einsetzten, scheidet
eine - allein auf der Anwendung des Zweifelssatzes beruhende - Verurteilung
wegen (versuchter) Nötigung aus, da sie sich in Wahrheit zu Lasten des
Angeklagten auswirkt. Allein der Umstand, daß A. die 8.000 DM möglicherweise
unter dem Eindruck vorangegangener, auf die Erzwingung der
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"PKK-Spende" gerichteter Nötigungshandlungen zur "Darlehenstilgung" zahlte
und sie von den Angeklagten mit dieser Zweckbestimmung entgegengenommen
wurden, stellt nicht nachträglich die für eine Verurteilung nach § 240 StGB
erforderliche finale Verknüpfung zwischen Nötigungshandlung und (angestrebtem)
Nötigungserfolg her.
Die Verurteilung des Angeklagten D. wegen versuchter Nötigung
hat daher zu entfallen. Die gegen ihn im Fall 7 der Anklage verhängte Einzelstrafe
sowie die unter Einbeziehung dieser Einzelstrafe gebildete Gesamtstrafe
von vier Jahren und drei Monaten werden hiervon nicht berührt. Zwar hat das
Landgericht die tateinheitliche Verurteilung wegen versuchter Nötigung bei der
Strafzumessung berücksichtigt. Angesichts der Tatsache, daß das Landgericht
zu dieser Verurteilung nur unter zweifacher Anwendung des Grundsatzes "Im
Zweifel für den Angeklagten" gelangte, und unter Berücksichtigung der sonstigen
Strafzumessungserwägungen des Landgerichts kann der Senat jedoch
ausschließen, daß dieses im Fall 7 der Anklage auf eine niedrigere Einzelstrafe
erkannt hätte, wenn es nicht zu der tateinheitlichen Verurteilung wegen
versuchter Nötigung gelangt wäre; denn damit hat es die Mindeststrafe von drei
Jahren aus dem gemäß § 2 Abs. 3 StGB rechtsfehlerfrei angewendeten
Strafrahmen des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB n.F. nur knapp überschritten.
Aus diesem Grund wird auch die Gesamtstrafe von vier Jahren und drei
Monaten durch den fehlerhaften Schuldspruch wegen versuchter Nötigung
nicht berührt.
Die Schuldspruchänderung ist gemäß § 357 StPO auf den Mitangeklagten
B. zu erstrecken (Kuckein in KK 4. Aufl. § 357 Rdn. 2 m.w.Nachw.).
Auch bei ihm wirkt sich dies auf die für den Fall 7 der Anklage verhängte Ein-
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zelstrafe nicht aus. Die unter Einbeziehung dieser Einzelstrafe gebildete Gesamtstrafe
hat ohnehin aus den unter 2. dargelegten Gründen zu entfallen.
2. Die Verurteilung des Angeklagten D. im Fall II. E. der Urteilsgründe
(= Fall 77 der Anklage) hat keinen Bestand. Der Schuldspruch wegen
versuchter schwerer räuberischer Erpressung wird von den Feststellungen
nicht getragen.
Mit dem Ziel, durch den Verkauf von Betäubungsmitteln in dem türkischen
Kulturverein des Geschädigten C. Gewinne zu erzielen, wurde der Angeklagte
D. im Zusammenwirken mit dem Mitangeklagten B. und
weiteren Tatbeteiligten - teilweise unter Einsatz eines Taschenmessers - gegen
C. tätlich und drohte ihm mit weiterer Gewaltanwendung, um diesen hierdurch
zu zwingen, in den Räumen des Kulturvereins den Verkauf von Rauschgift
zu dulden.
Danach hat sich der Angeklagte D. nicht der versuchten schweren
räuberischen Erpressung schuldig gemacht. Es kann dabei dahinstehen, ob
- wie das Landgericht meint - mit der Duldung des Betäubungsmittelverkaufs in
den Räumen des Kulturvereins tatsächlich bereits ein Vermögensnachteil des
C. im Sinne des § 253 Abs. 1 StGB vorgelegen hätte, weil hierdurch sein Besitzrecht
an den Vereinsräumen durch Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit
und drohende behördliche Maßnahmen in vermögensmindernder Weise beeinträchtigt
worden wäre. Jedenfalls fehlt es an der erforderlichen Stoffgleichheit
(vgl. Eser in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 253 Rdn. 20 m.w.Nachw.)
zwischen einem solchen etwaigen Vermögensnachteil und der von dem Angeklagten
erstrebten Bereicherung; denn letztere hätte sich nicht spiegelbildlich
als Schaden im Vermögen des C. niedergeschlagen. Die vom Angeklagten
erstrebte Bereicherung sollte durch die Erlöse aus den von C. zu duldenden
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Rauschgiftverkäufen erzielt werden, nicht aus der diesem abgepreßten Erlaubnis,
derartige Geschäfte in den Räumen des Kulturvereins zu tätigen. Diese
hatte als solche für den Angeklagten keinen Vermögenswert.
Die Verurteilung im Fall 77 der Anklage ist daher insgesamt aufzuheben
(Kuckein aaO § 353 Rdn. 12 m.w.Nachw.). Die Aufhebung ist wiederum gemäß
§ 357 StPO auf den Mitangeklagten B. zu erstrecken und führt bei diesem
auch zum Wegfall der Gesamtstrafe von fünf Jahren und neun Monaten, in die
die gegen ihn im Fall 77 der Anklage ausgesprochene Einzelstrafe von drei
Jahren einbezogen wurde.
Für die neue Verhandlung weist der Senat darauf hin, daß gegebenenfalls
zu prüfen sein wird, ob durch die Vorgänge vom 4. Dezember 1998, als
C. nach den bisherigen Feststellungen von D. und anderen Beteiligten
zur Durchsetzung ihrer Forderung, seine Zustimmung zum Verkauf von Betäubungsmitteln
in dem Kulturverein zu erteilen, bedroht, zwangsweise aus den
Räumen des Kulturvereins zu dem Parkplatz des Einkaufszentrums "Mümmelmannsberg"
verbracht und dort schließlich geschlagen wurde, der Tatbestand
der Geiselnahme (§ 239 b StGB) verwirklicht sein könnte (zum erforderlichen
zeitlichen Zusammenhang zwischen Bemächtigungslage und zu erpressender
Handlung und der möglichen selbständigen Bedeutung einer solchen
Zustimmung vgl. Lackner/Kühl, StGB 23. Aufl. § 239 a Rdn. 4a m.w.Nachw.).
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3. Im übrigen hat die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund
der Verfahrensrügen und der Sachrüge keinen weiteren Rechtsfehler zum
Nachteil des Angeklagten D. ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Rissing-van Saan Miebach Pfister
von Lienen Becker



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