BGH,
Beschl. v. 18.11.2008 - 1 StR 541/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 541/08
vom
18. November 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
hier: Ablehnungsanträge des Angeklagten gegen
den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Nack,
den Richter am Bundesgerichtshof Dr. Wahl,
den Richter am Bundesgerichtshof Dr. Kolz und
die Richterin am Bundesgerichtshof Elf
wegen Besorgnis der Befangenheit
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. November 2008
beschlossen:
Die Befangenheitsanträge des Angeklagten vom 29. September
2008 gegen
- den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Nack,
- den Richter am Bundesgerichtshof Dr. Wahl,
- den Richter am Bundesgerichtshof Dr. Kolz und
- die Richterin am Bundesgerichtshof Elf
werden als unbegründet verworfen.
Gründe:
Der Senat hat über eine Revision des Angeklagten zu
entscheiden. Die-ser meint, die Abgelehnten seien zu seinem Nachteil
voreingenommen. Dies folge aus den Gründen einer ersten
Revisionsentscheidung in dieser Sache, an der die abgelehnte Richterin
und die abgelehnten Richter beteiligt waren.
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I.
Das Landgericht Heilbronn sprach den Angeklagten mit Urteil vom 21.
April 2006 vom Vorwurf des Mordes und des zweifachen Mordversuchs frei.
Das landgerichtliche Urteil hob der 1. Strafsenat des
Bundesgerichtshofs auf
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die Revision der Staatsanwaltschaft mit Urteil vom 22. Mai 2007 mit den
Feststellungen auf.
Die Revision der Staatsanwaltschaft hatte mit der Sachrüge
wegen rechtsfehlerhafter Beweiswürdigung Erfolg. Der
Strafsenat führte dazu in seinem Urteil vom 22. Mai 2007 (Rdn.
17 bis 33) aus:
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„Die Beweiswürdigung hält rechtlicher
Prüfung nicht stand.
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1. Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an
seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist
dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Es kommt
nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse
anders gewürdigt oder Zweifel überwunden
hätte. Daran ändert sich nicht einmal dann etwas,
wenn eine vom Tatrichter getroffene Feststellung 'lebensfremd'
erscheinen mag. Es gibt im Strafprozess keinen Beweis des ersten
Anscheins, der nicht auf der Gewissheit des Richters, sondern auf der
Wahrscheinlichkeit eines Geschehensablaufs beruht.
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Demgegenüber ist eine Beweiswürdigung etwa dann
rechtsfehlerhaft, wenn sie schon von einem rechtlich unzutreffenden
Ansatz ausgeht, z.B. hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des
Zweifelssatzes, wenn sie lückenhaft ist, namentlich
wesentliche Feststellungen nicht erörtert, wenn sie
widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder
gesicherte Verfahrenssätze verstößt oder
wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit
überspannte Anforderungen gestellt sind (st. Rspr., vgl. etwa
BGH NJW 2005, 1727; BGH NStZ-RR 2003, 371; BGHR StPO § 261
Überzeugungsbildung 33, jew. m.w.N.).
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2. Das Landgericht hat umfänglich und detailliert eine
Vielzahl den Angeklagten belastender Indizien sowie die ihn
entlastenden Umstände aufgelistet und gewürdigt. Die
Abwägungen werden gleichwohl den vorstehenden
Grundsätzen in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht. Die
Strafkammer hat bei der Gesamtwürdigung wichtige belastende
Indizien nicht hinreichend einbezogen, denen sie für sich
gesehen keinen 'zwingenden' Beweiswert beigemessen hat (Buchst. a). Sie
sieht erhebliche konkrete Verdachtsmomente aufgrund nicht
tragfähiger Hypothesen und bloß denktheoretischer
Möglichkeiten als entwertet an (Buchst. b). Einzelne
belastende Beweisanzeichen hat sie überhaupt nicht
erörtert (Buchst. c).
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Schließlich liegen Erörterungsmängel
hinsichtlich entlastender Beweismittel vor (Buchst. d).
a) Die Strafkammer hatte zu prüfen, ob die beiden die Tat
überlebenden Opfer, H. C. und T. M. den Angeklagten
überzeugungskräftig als Täter identifiziert
haben. Sie kam - sachverständig beraten - jeweils zu dem
Ergebnis, dass sie wegen verbleibender Zweifel nicht feststellen
könne, die Zeugen hätten den Angeklagten 'sicher' als
Täter erkannt. Sie hat damit zwei wesentliche Beweisanzeichen
für die Täteridentifikation einzeln unter
Zugrundelegung des Zweifelssatzes als letztlich nicht
überzeugend erachtet. Der Zweifelssatz, der eine
Entscheidungs- und keine Beweisregel ist, darf jedoch nicht auf
einzelne Indiztatsachen angewendet werden, sondern kann erst bei der
Gesamtbetrachtung zum Tragen kommen (vgl. BGH NStZ 2001, 609 m.w.N.).
Es ist deshalb zu besorgen, dass die Kammer nicht hinreichend bedacht
hat, dass diese wichtigen Indizien, auch wenn sie sie - einzeln
für sich betrachtet - nicht zum Nachweis der
Täterschaft für ausreichend zu erachten vermochte,
doch mit ihrem verbleibenden erheblichen Beweiswert in der Gesamtheit
aller belastenden Indizien dem Gericht die entsprechende
Überzeugung vermitteln könnten (st. Rspr., vgl. BGHR
StPO § 261 Beweiswürdigung 2, 20 m.w.N.). Gerade
angesichts der Häufung und gegenseitigen Durchdringung der den
Angeklagten belastenden Umstände erscheint es
möglich, dass die Kammer bei einer sachgerechten Gesamtschau
die Überzeugung von der Täterschaft gewonnen
hätte. Der formelhafte Hinweis, nach einer 'Auseinandersetzung
mit allen für den Tathergang wesentlichen Umständen
und Indizien' verblieben vernünftige Zweifel an der
Täterschaft des Angeklagten, vermag die gebotene
Gesamtwürdigung unter Gewichtung der einzelnen Beweise nicht
zu ersetzen (vgl. BGH NStZ 1998, 475).
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b) Das Landgericht lässt der molekulargenetisch untersuchten
Blutspur aus dem Fahrzeug des Angeklagten insbesondere deshalb
'allenfalls Indizwirkung' zukommen, weil weder an den
Kleidungsstücken des Angeklagten noch in seinem Fahrzeug
weitere entsprechende Blutspuren festgestellt wurden. Die Kammer stellt
ihre Erwägung unter den Vorbehalt, dass die betroffenen
Kleidungsstücke des Angeklagten gewaschen oder beseitigt
worden sein könnten. Entgegen ihrer Ankündigung (UA
S. 97) ist sie auf diesen Vorbehalt aber nicht mehr eingegangen. Der
Senat kann daher aufgrund dieser Lücke der
Urteilsfeststellungen nicht prüfen, ob diese von der
Strafkammer selbst als wesentlich angesehene Möglichkeit mit
rechtsfehlerfreier Begründung ausgeschlossen wurde. Im
Übrigen ändert die Tatsache, dass keine weiteren
Blutspuren festgestellt
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wurden, grundsätzlich nichts an dem Beweiswert der
tatsächlich gefundenen Spur mit ihrem molekulargenetisch
festgestellten Aussagewert.
Weiterhin hat das Landgericht den Beweiswert des nach der Tat in einem
Steinbruch abgebrannten Feuers in Frage gestellt, weil aus zeitlichen
Gründen erhebliche Zweifel daran bestünden, dass es
dem Angeklagten möglich gewesen sein könnte, das
Feuer zu entzünden. Die Kammer hat sich jedoch bei dieser eher
nachrangigen Frage den Blick dafür verstellt, dass in dem
Brandschutt tatsächlich sowohl Reste von Gegenständen
des Angeklagten als auch Reste eines Jagdgummistiefels der Marke Le
Chameau gefunden wurden. Nimmt man hinzu, dass der Angeklagte zweimal
ein Paar dieser wenig verbreiteten Stiefel erworben hatte, am Tattage
Stiefel trug und dass die am Tatort gefundenen Abdruckfragmente von
einem Stiefel der Marke Le Chameau stammen, wird auch hier deutlich,
dass gerade in der Kombination dieser einzelnen Fakten ein besonderer
Beweiswert liegt. Dem hat die Kammer nicht hinreichend Rechnung
getragen, indem sie isoliert auf die Einzelindizien abgestellt hat.
Wenn die Kammer im Übrigen angesichts des Umstandes, dass die
Stiefelreste erst 13 Monate nach der Tat an der Brandstelle gefunden
wurden, die Gefahr einer Manipulation durch Dritte in Rechnung stellt,
wird nicht erkennbar, warum es sich dabei um mehr als eine nur
theoretische Erwägung handeln könnte, die keinen
realen Anknüpfungspunkt hat. Die Kammer stellt selbst fest (UA
S. 166), dass der Stiefel verbrannt worden war, bevor die
Öffentlichkeit über die Bedeutung von Stiefeln der
Marke Le Chameau für das vorliegende Verfahren erfahren hatte.
10
c) Die Beweiswürdigung weist zudem Lücken auf.
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Allerdings können und müssen die Gründe auch
eines freisprechenden Urteils nicht jeden irgendwie beweiserheblichen
Umstand ausdrücklich würdigen. Das Maß der
gebotenen Darlegung hängt von der jeweiligen Beweislage und
insoweit von den Umständen des Einzelfalles ab. Dieser kann so
beschaffen sein, dass sich die Erörterung bestimmter einzelner
Beweisumstände erübrigt. Um einen solchen Fall
handelt es sich hier aber nicht. Das Tatgericht hat vielmehr auf
Freispruch erkannt, obwohl eine Fülle erheblicher
Belastungsindizien vorlag. Bei solcher Sachlage muss es in seine
Beweiswürdigung und deren Darlegung alle wesentlichen
für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände
und Erwägungen einbeziehen und in einer
Gesamtwürdigung betrachten (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 338
m.w.N.). Dem wird das angefochtene Urteil trotz der umfangreichen
Beweiserwägungen nicht gerecht:
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Die Würdigung der Belastungsindizien erstreckt sich zum einen
nicht auf den Umstand, dass der Angeklagte nach mehreren mit Nachdruck
ausgesprochenen Mahnungen des Filialleiters der Volksbank selbst davon
ausging, bis spätestens zu dem von ihm als 'Endtermin'
angesehenen 7. Oktober 2004 dem Tattag - eine
größere Summe einzahlen zu müssen.
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Darüber hinaus ist nicht erkennbar in die
Beweiswürdigung einbezogen, dass die Tatbeute 15 Scheine im
Wert von je 500 € enthielt und der Angeklagte bei der
Volksbank 14 Scheine in diesem Wert eingezahlt hat. Der Angeklagte will
das eingezahlte Geld in nebenher durchgeführten
Schwarzgeldgeschäften - Verkauf von Wild und
Ausschlachtungsar-beiten auf einer staatlichen Liegenschaft - verdient
haben. Es erscheint nicht ohne weiteres plausibel, dass er aus diesen
Geschäften weit überwiegend allein 500-Euro-Scheine
erlangt hat.
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Nicht erörtert ist auch - gerade vor dem Hintergrund der von
der Strafkammer erörterten These, ein Fremder hätte
die Bank überfallen können -, dass es dem nicht
maskierten Täter darum ging, die in der Bank anwesenden
Personen zu töten, und er zu diesem Zweck sogar die Eheleute
C. vom Eingangsbereich zurück in den Kundenraum
drängte, um sie dort geradezu hinrichtungsartig zu
töten. Dies legt den erörterungsbedürftigen
Schluss sehr nahe, dass die Opfer den Täter gekannt haben und
dieser von seiner Identifizierung ausgehen musste, wenn sie am Leben
blieben.
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d) Von der Zuverlässigkeit der Aussage des Alibizeugen B. -
dem zentralen Entlastungsbeweismittel - hat sich das Landgericht in
einer für den Senat nicht nachprüfbaren Weise
vorschnell überzeugt. Daher hat es auch dessen Zeitangabe bei
der Abwägung mit den übrigen Beweisanzeichen
rechtsfehlerhaft als bereits feststehend behandelt.
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aa) Das Landgericht hält die Angabe des Zeugen B. für
glaubhaft, er habe den Angeklagten mit seinem Fahrzeug um exakt 13.54
Uhr gesehen, als dieser - aus der L.gasse kommend - nach rechts
stadtauswärts abgebogen sei. Die Zeitangabe habe der Zeuge
deshalb so präzise machen können, weil er dabei von
seinem Hofeingangsbereich aus auf die katholische Kirchturmuhr gesehen
habe, die er immer kontrolliere. Wäre diese Zeitangabe des
Zeugen auf die Minute genau zuverlässig, dann wäre es
- wie das Landgericht ausgehend von dieser Prämisse zu Recht
folgert - dem Angeklagten in der Tat zeitlich nicht möglich
gewe
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sen, vor dem Eintreffen der Eheleute C. um 13.55 Uhr die Bank zu
betreten und es wäre auch ausgeschlossen, dass der Angeklagte
zu dem davor liegenden Zeitpunkt, als der Bankangestellte M. die Bank
betrat, schon an der Bank gewesen sein konnte.
bb) Von dem Blick auf die Kirchturmuhr hat der Zeuge in der
Hauptverhandlung berichtet, jedoch ergibt sich aus dem Urteil nicht,
wie er sich dazu bei seinen polizeilichen Vernehmungen
geäußert hatte. Das Landgericht bewertet die
Aussageentstehung jedenfalls dahin, dass 'keine gravierenden
Widersprüche hinsichtlich seiner Angaben in der
Hauptverhandlung und bei seinen polizeilichen Vernehmungen' vorhanden
seien.
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Ob diese Bewertung zutrifft, kann der Senat anhand der
Urteilsausführungen (vgl. UA S. 144 ff.) nicht
überprüfen: Bei seiner ersten Befragung am 8. Oktober
2004 (dem Tag nach der Tat) hatte der Zeuge offenbar nur bekundet, er
sei 'kurz vor zwei' losgefahren; dass er den Angeklagten zuvor gesehen
habe, scheint er nicht erwähnt zu haben ('Ansonsten sei ihm im
Bereich der Sparkasse nichts aufgefallen.'). Bei der zweiten
Vernehmung, am Vormittag des 9. Oktober 2004, berichtete er davon, den
Angeklagten 'fünf bis sechs Minuten vor 14.00 Uhr' gesehen zu
haben. Bei seiner dritten Vernehmung, am Nachmittag dieses Tages,
präzisierte er den Zeitpunkt auf 13.54 Uhr. Unklar bleibt
danach, ob, wann und wie der Zeuge bei diesen polizeilichen
Vernehmungen seine Erinnerung mit dem Blick auf die Kirchturmuhr
begründet oder den Zeitpunkt, zu dem er den Angeklagten sah,
gar anderweitig rekonstruiert hat (etwa allein durch den mitgeteilten
Blick auf die Küchenuhr um 13.45 Uhr).
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cc) Bei der zentralen Bedeutung der Aussage des Entlastungszeugen B.
hätte die Aussageentstehung offenbar von einer
zunächst vagen zu einer schließlich ganz
präzisen Zeitangabe näherer Wiedergabe und
Erörterung bedurft. Es erscheint nämlich eher fern
liegend, dass der zeitnah zur Tat vernommene Zeuge eine derart markante
Besonderheit - wie den Kontrollblick auf die Kirchturmuhr -
zunächst nicht erwähnt, obwohl es schon bei der
ersten Befragung auf minutengenaue Zeitangaben angekommen war. Danach
kommt ernsthaft in Betracht, dass der Zeuge, der sich darauf festgelegt
hat, dass der Angeklagte nicht der Täter sein könne
(UA S. 147), sich nicht konkret an die Uhrzeit erinnert, sondern diesen
Zeitpunkt lediglich rekonstruiert hat.
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Wegen dieses Erörterungsmangels besorgt der Senat, dass das
Landgericht die - möglicherweise nur scheinbar
präzise - Zeitangabe des Zeugen B. allein aufgrund dessen
eigener Aussage, also vorschnell und damit rechtsfehlerhaft, als
feststehenden zeitlichen Fixpunkt im Beweisgebäude angesehen
hat. Die Frage, ob die Zeitangabe des Zeugen B. zur
Überzeugung des Landgerichts zuverlässig war, durfte
vielmehr erst im Rahmen der abschließenden Gesamtschau mit
den übrigen Beweisanzeichen beantwortet werden. Wäre
dies geschehen, dann ist nicht auszuschließen, dass die
Alibibekundung des Zeugen B. als nicht hinreichend zuverlässig
eingestuft worden wäre. In diesem Fall wäre es dem
Angeklagten zeitlich doch möglich gewesen, die Tat zu
begehen.“
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Der Senat verwies die Sache an eine Schwurgerichtskammer des
Landgerichts Stuttgart zurück. Dieses hat den Angeklagten nach
erneuter Hauptverhandlung am 10. April 2008 wegen Mordes in Tateinheit
mit räuberischer Erpressung, mit zweifachem Mordversuch und
mit zweifacher gefährlicher Körperverletzung zu
lebenslanger Freiheitsstrafe unter der Feststellung besonderer
Schuldschwere verurteilt. Hiergegen revidiert nunmehr der Angeklagte.
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Darüber haben nach dem GVG, dem
Geschäftsverteilungsplan des Bundesgerichtshofs und dem
internen Geschäftsverteilungsplan des 1. Strafsenats im
Grundsatz dieselben Richter zu befinden, die bereits die erste
Revisionsentscheidung getroffen haben, soweit nicht
Hinderungsgründe, wie etwa Eintritt in den Ruhestand, Urlaub
oder Krankheit, zum Entscheidungszeitpunkt entgegenstehen. Nach dem
Eintritt von Richter am Bundesgerichtshof Dr. Boetticher, der ebenfalls
am Senatsurteil vom 22. Mai 2007 mitwirkte, in den Ruhestand sind dies
aus gegenwärtiger Sicht die verbleibenden vier mit der Sache
vorbefassten Senatsmitglieder, gegen die sich die
Befangenheitsanträge richten. Hinzu tritt dann ein weiteres
Senatsmitglied.
23
II.
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Zur Besorgnis der Befangenheit wird vorgetragen:
24
Als der Beschuldigte über die voraussichtliche Mitwirkung der
vier vorbefassten Senatsmitglieder bei der Entscheidung über
seine Revision erfahren habe, habe er dies mit der resignierenden
Bemerkung quittiert, dass man deren Meinung dazu, ob er der
Täter sei, doch bereits kenne. Dies wird von der Verteidigung
dann mit der Bewertung der Beweiswürdigung des Landgerichts im
Hinblick auf die Aussage des Zeugen B. im Urteil des Senats vom 22. Mai
2007 begründet:
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Die Verteidigung habe zwar versucht, dem Angeklagten zu
erklären, weshalb er - unter revisionsrechtlichen
Gesichtspunkten - zu Unrecht über den Senat verärgert
sei. Damit sei sie gescheitert. "Selbst wenn man es für
zulässig hält, die Inhalte der" - im Rahmen von
Verfahrensrügen dem Senat zur Kenntnis gebrachten -
"polizeilichen Vernehmungen zu verwerten, ist es der Verteidigung nicht
möglich, dem Angeklagten zu erklären, weshalb der
Senat zum Befund kommen konnte, dass es bereits bei der ersten
Befragung auf die minutengenaue Zeitangabe (und den Blick auf die
Kirchturmuhr) angekommen war (oben unter cc). Eine solche Bewertung
stand dem Senat - als Revisionsgericht - nicht zu. Sie ist
überdies falsch". Nach weiteren Ausführungen hierzu
kommt die Verteidigung zu dem Schluss: "Daher ist es dem Angeklagten
nicht abzusprechen, dass er der Ansicht ist, die von ihm abgelehnten
Richter seien ihm nicht mehr neutral entgegengetreten, sondern
hätten sich bereits im ersten Revisionsverfahren festgelegt,
dass der Zeuge B. nicht zu seiner Entlastung heranzuziehen sei".
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Ergänzend führt die Verteidigung mit Schriftsatz vom
30. Oktober 2008 im Hinblick auf die Stellungnahmen des
Generalbundesanwalts vom 23. Oktober 2008 u.a. noch aus:
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"Hätten sich die abgelehnten Richter im Rahmen der ersten
Revisionsentscheidung darauf beschränkt eine eigene
Beweiswürdigung vorzunehmen, so wäre das sicherlich
'lediglich' ein Rechtsfehler. Hätten die abgelehnten Richter
die Beweise zudem noch fehlerhaft gewürdigt, so
könnte man auch insoweit noch daran denken, dass es 'nur' ein
(tatsächlicher) Fehler ist.
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Diese Fehler bilden aber nur den Auftakt. Die Komposition erreicht
ihren Höhepunkt, wenn die abgelehnten Richter dem
Instanzgericht eine Beweiswürdigung ans Herz legen, der ein
Denkfehler innewohnt. Ein Denkfehler, der nicht nur ein Fehler ist,
sondern zeigt, welch Geistes Kind derjenige ist, der ihn formuliert:
Der Zeuge B. musste bei seiner ersten Aussage den Angeklagten nur dann
mit dem Bankraub in Verbindung bringen, wenn er gewusst hätte
oder davon ausgegangen wäre, dass der Angeklagte der
Täter ist oder sein soll. Das konnte der Zeuge B. zu diesem
Zeitpunkt aber nicht wissen. Ihm zuzuschreiben, dass er es aber
hätte wissen oder vermuten müssen, kann nur, wer
selbst davon ausgeht, dass der Angeklagte der Täter ist".
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III.
Die Befangenheitsanträge sind unbegründet. Es liegen
keine Gründe vor, die geeignet sind, Misstrauen in die
Unparteilichkeit des Vorsitzenden Richters am Bundesgerichtshof Nack,
der Richter am Bundesgerichtshof Dr. Wahl und
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Dr. Kolz sowie der Richterin am Bundesgerichtshof Elf zu rechtfertigen
(§ 24 Abs. 2 StPO).
a) Eine den Verfahrensgegenstand berührende
Vortätigkeit eines Richters ist, soweit kein gesetzlicher
Ausschließungsgrund vorliegt (vgl. § 22 Nr. 4, 5,
§ 23, § 148a Abs. 2 Satz 1 StPO), für sich
allein nie ein Ablehnungsgrund (vgl. BGH, Beschl. vom 9. März
2000 - 4 StR 513/99; BVerfG [1. Kammer des 2. Senats], Beschl. vom 29.
März 2007 - 2 BvR 412/07; EGMR [Fünfte Sektion,
Kammer], Urt. vom 10. August 2006 - 75737/01 - Schwarzenberger ./.
Deutschland). Auch "ein Richter, der bei einer vom Revisionsgericht
aufgehobenen Entscheidung mitgewirkt hat, ist nach
Zurückweisung der Sache weder kraft Gesetzes von der
Mitwirkung bei der neuen Entscheidung ausgeschlossen, noch rechtfertigt
seine Mitwirkung bei der früheren Entscheidung für
sich allein die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit" (BGH, Urt.
vom 9. September 1966 - 4 StR 261/66 [= BGHSt 21, 142]; vgl. auch EGMR,
Urteile [Kammer] vom 16. Juli 1971 - Ringeisen ./. Österreich
- Ser. A, Bd. 13, S. 40 Nr. 97 und vom 26. September 1995 -
25/1994/472/553 - Diennet ./. Frankreich - Ser. A, Bd. 325-A, S. 16,
Nr. 38). Denn ein verständiger Angeklagter wird von der
(zutreffenden) Erwägung ausgehen, dass ein Richter sich auf
Grund der ihm nach seiner Stellung, Erziehung und Ausbildung eigenen
Haltung von Befangenheit frei hält und sich nicht durch
dienstliche Vorentscheidungen bei künftigen Entscheidungen,
namentlich dem Urteil, beeinflussen lässt (Siolek in
Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl. § 24 Rdn. 40 m.w.N.).
Ein Befangenheitsantrag, der lediglich damit begründet wird,
der Richter sei an einer Vorentscheidung zu Lasten des Angeklagten
beteiligt gewesen, ist deshalb schon unzulässig
gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO (BGH, Beschl.
vom 10. August 2005 - 5 StR 180/05 [= BGHSt 50, 216, 221]).
31
- 12 -
Hat sich ein Richter im früheren Verfahren sachlich verhalten,
so rechtfertigen auch Prozessverstöße oder Fehler
bei der Anwendung des materiellen Rechts grundsätzlich nicht
die Annahme seiner Voreingenommenheit gegenüber dem
Angeklagten (vgl. BGH, Beschl. vom 18. Mai 1994 - 3 StR 628/93).
32
Eine andere Beurteilung ist dann geboten, wenn darüber hinaus
die Unparteilichkeit eines abgelehnten, mit der Sache vorbefassten
Richters aufgrund von - das Gebot der Sachlichkeit verletzenden -
Äußerungen, Maßnahmen oder Verhalten in
Zweifel zu ziehen ist. Ebenso können in der Sache nicht
gebotene abträgliche Werturteile über den Angeklagten
oder sein Verhalten in den Urteilsgründen die Ablehnung in
einem späteren Verfahren rechtfertigen (BGH, Beschl. vom 27.
April 1972 - 4 StR 149/72 [= BGHSt 24, 336, 338]). Auch grobe,
insbesondere objektiv willkürliche oder auf Missachtung
grundlegender Verfahrensrechte von Prozessbeteiligten beruhende
Verstöße gegen das Verfahrensrecht können
aus der Sicht eines Angeklagten die Befangenheit eines Richters
begründen (BGH, Beschl. vom 4. Oktober 1984 - 4 StR 429/84).
33
Dabei ist die subjektive Sicht des Angeklagten nicht ausschlaggebend.
Auf einen objektiven Maßstab kann nicht verzichtet werden,
wie schon aus dem Begriff (das Misstrauen) "rechtfertigen" in
§ 24 Abs. 2 StPO folgt. Abzustellen ist auf die
verständige, die vernünftige Würdigung aller
Umstände (vgl. BGH, Urt. vom 9. Februar 1951 - 3 StR 48/58 [=
BGHSt 1, 34, 39]; BGH, Urt. vom 10. November 1967 - 4 StR 512/66 [=
BGHSt 21, 334, 341]). Es kommt darauf an, dass die Befürchtung
[der Befangenheit] objektiv gerechtfertigt ist (EGMR [Fünfte
Sektion, Kammer] Urt. vom 10. August 2006 - 75737/01 - Schwarzenberger
./. Deutschland).
34
- 13 -
b) Von diesen Grundsätzen geht wohl auch die Verteidigung aus.
Damit ist aber selbst aus deren Sicht die Ablehnung der
Senatsmitglieder, die an der ersten Revisionsentscheidung mitwirkten,
wegen Besorgnis der Befangenheit nicht gerechtfertigt, wenn sie -
zutreffend - anmerkt, unter revisionsrechtlichen Gesichtspunkten sei
der Angeklagte zu Unrecht über den Senat verärgert.
Darauf, dass dies dem Mandanten nicht zu vermitteln war, kommt es nicht
an.
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c) Darüber hinaus kann den inhaltlichen Ausführungen
zu den Gründen des Urteils des Senats vom 22. Mai 2007 und
deren Bewertungen seitens der Verteidigung nicht gefolgt werden.
36
Der Senat befand ausweislich dieser Urteilsgründe weder direkt
noch indirekt, auch nicht andeutungsweise, über die Schuld
oder Unschuld des Angeklagten. Ebenso wenig gab der Senat dem
Tatgericht Hinweise, auch keine versteckten, dazu, ob oder in welchem
Umfang die Angaben des Zeugen B. vom Tatrichter letztlich als
zuverlässig angesehen werden können. Der Senat nahm
weder eine eigene Beweiswürdigung vor, noch legte er dem neuen
Tatgericht eine bestimmte Beweiswürdigung "ans Herz". Der
Senat sah lediglich revisionsrechtliche Mängel in der
Beweiswürdigung der Strafkammer. Diese sei schon deshalb
lückenhaft, da sie wesentliche Indizien zum Nachteil des
Angeklagten außer Betracht gelassen habe. Unter Verkennung
des Grundsatzes "in dubio pro reo" habe das Landgericht diesen schon
auf einzelne belastende Indizien angewendet, statt dies erst am Schluss
einer Gesamtbetrachtung in Erwägung zu ziehen. In der
Konsequenz fehle es an einer Gesamtwürdigung aller
für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte. Die
Strafkammer habe deshalb vorschnell allein auf die - den Angeklagten
entlastende - Angabe des Zeugen B. zum genauen Zeitpunkt seiner
Beobachtung des vorbeifahrenden Angeklagten abgestellt, die eine
Täterschaft des Angeklagten aus-
37
- 14 -
schließt. Dabei fehle es - eine weitere Lücke in der
Beweiswürdigung - hinsichtlich dieser Angaben an einer -
revisionsrechtlicher Überprüfung
zugänglichen - Darstellung der Aussageentwicklung
während des Verfahrens - "offenbar von einer zunächst
vagen zu einer schließlich ganz präzisen Zeitangabe"
-, die ebenfalls in die Gesamtwürdigung hätte
einbezogen werden müssen. Diese Erwägungen des Senats
sind weder fehlerhaft, beinhalten insbesondere keinen "Denkfehler",
noch ist dem Senat ein Irrtum unterlaufen und schon gar nicht hat der
Senat eine "Komposition" gefertigt.
Vielmehr irrt der Antragsteller, wenn er meint, den Gründen
des Senatsurteils entnehmen zu können, der Senat habe
festgeschrieben, die Zeitangabe des Zeugen B. in der Hauptverhandlung
vor dem Landgericht Heilbronn sei unzuverlässig. Zwar
führte der Senat aus, es erscheine fern liegend, dass der kurz
nach der Tat vernommene Zeuge eine derart markante Besonderheit - wie
den Kontrollblick auf die Kirchturmuhr - zunächst nicht
erwähnt, obwohl es schon bei der ersten Befragung auf
minutengenaue Zeitangaben angekommen sei, und es komme deshalb
ernsthaft in Betracht, dass der Zeuge, da er sich nach den
Feststellungen im Urteil des Landgerichts Heilbronn darauf festgelegt
habe, dass der Angeklagte nicht der Täter sein könne,
sich nicht konkret an die Uhrzeit erinnert, sondern diesen Zeitpunkt
lediglich rekonstruiert habe. Damit hat der Senat aber nicht
"festgelegt, dass der Zeuge B. nicht zu seiner [des Angeklagten]
Entlastung heranzuziehen sei". Der Senat hatte lediglich zu
prüfen, ob das Urteil des Landgerichts Heilbronn - ausgehend
von den darin getroffenen Feststellungen - auf der fehlerhaften
Beweiswürdigung beruht (§ 337 Abs. 1 StPO), d.h. ob
das Landgericht Heilbronn bei Vermeidung der Rechtsfehler
möglicherweise eine andere Entscheidung getroffen
hätte. Und das komme - so der Senat - "ernsthaft in Betracht".
Mehr beinhaltet diese Passage
38
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nicht. Sie steht insbesondere einer unbefangenen Prüfung bei
der neuerlichen Urteilsfindung nicht entgegen.
d) Die Befangenheitsanträge sind nach allem
unbegründet.
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Hebenstreit Graf Jäger
Schäfer Sander |