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BGH, Beschluss vom 19. November 2004 - 2 StR 431/04


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 19.11.2004 - 2 StR 431/04
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 431/04  
 vom
19. November 2004
in der Strafsache
gegen


wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
 Menge u. a.
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Der  2.  Strafsenat des Bundesger ichtshofs  hat  auf Antrag  des Generalbundes-
anwalts  und  nach  Anhörung  des  Beschwerdeführers  am  19. November  2004
gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:

1.  Die  Revision  des  Angeklagten  gegen  das  Urteil  des  Landge-
richts Gießen vom 7. Juni 2004 wird, soweit sie sich gegen den
Schuld- und Strafausspruch richtet, mit der Maßgabe als unbe-
gr ündet verworfen, daß der Angeklagte des Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln  in  nicht  geringer  Menge  in  drei  Fällen  und
des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 672 Fällen schul-
dig ist.

2.  Die  Entscheidung  über  die  Revision  des  Angeklagten,  soweit
sie  sich  gegen die in dem genannten Ur teil  angeordnete Maß-
regel richtet, sowie  über die Kosten des Rechtsmittels, wird ei-
ner abschließenden Entscheidung vorbehalten.

 

 Gründe:

1. Die  auf die nicht ausgeführte  und daher  unzulässige Verfahrensrüge
und  die  allgemeine  Sachrüge gestützte  Revision  ist im Ergebnis unbegründet,
soweit sie sich gegen den Schuld- und Strafausspruch richtet.

a)  Daß  das  Landgericht  der  Einlassung  des  Angeklagten,  er  habe  die
Gesamtmenge des von ihm überwiegend in Kleinstmengen verkauften Rausch-
gifts  in  vier  Teilmengen  bezogen,  nicht gefolgt ist, sondern  angenommen hat,
er  habe  sich  die  ver kauften  Mengen  in  jedem  Einzelfall  - teilweise  mehrmals
täglich - "nach Bedarf  besorgt"  (UA  S. 7),  ist hier als Ergebnis der Beweiswür-
digung  noch  hinzunehmen.  Allerdings  lag  diese  Annahme  ersichtlich  nicht
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gung noch hinzunehmen. Allerdings  lag diese Annahme ersichtlich  nicht nahe;
sie wird auch nicht von der Erwägung getragen, 1.000 Euro für  den Erwerb ei-
ner   Vorratsmenge  seien  "ein  fast  uner reichbarer  Betrag  für  Menschen  ohne
feststellbares Einkommen" (UA S. 7). Das ist mit den Feststellungen, der Ange-
klagte habe 500 bis 600 Euro im Monat als Pizzabäcker verdient, vor und nach
dieser Tätigkeit von  den Einnahmen aus seinen Drogengeschäften gelebt (UA
S. 4)  und  insgesamt  12.577,50  Euro  umgesetzt  (UA  S. 8), nicht  vereinbar;  es
läßt  überdies  die  Möglichkeit  eines  Erwerbs auf Kommissionsbasis außer  Be-
tracht. Die  Würdigung des Landgerichts  kann jedoch  hier letztlich noch hinge-
nommen werden, da der Angeklagte selbst offenbar keine näheren Angaben zu
den Umständen  seiner Einkäufe gemacht hat und eine ausr eichende Konkreti-
sierung daher zweifelhaft blieb.

b)  Der  Schuldspruch  war  aber   insoweit  klarzustellen,  als  das  Landge-
richt den Angeklagten wegen Handel mit Betäubungsmitteln in (nur ) 668 Fällen
verurteilt hat. Dem liegt, wie sich aus den Feststellungen des Urteils ergibt (UA
S. 4 bis 6), ein offensichtlicher Zählfehler des Tatr ichters zugrunde; festgestellt
sind nämlich insgesamt 675 Fälle. Darüber hinaus hat der Tatrichter ver säumt,
die  festgestellten  drei Fälle der Qualifikation  gemäß § 29 a Abs. 1 Nr.  2 BtMG
im Urteilstenor zu bezeichnen. Der  Tenor war entsprechend klarzustellen.

c)  Die  Jugendstrafe  von  drei  Jahren  und  zwei  Monaten  begegnet  aus
den  vom  Generalbundesanwalt  zutreffend  ausgeführten Gründen  im  Er gebnis
keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

2. Die Entscheidung über  die Revision  gegen  die  Anordnung der Maß-
regel gemäß § 69 a StGB war zur ückzustellen und einer späteren abschließen-
den  Entscheidung  vorzubehalten.  Insoweit  hat  der  Generalbundesanwalt  in
seiner Zuschrift an den Senat ausgeführt:
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"Über Teile einer Revision kann ausnahmsweise vorab entschieden wer-
den,  wenn  dies  im  Hinblick  auf  den  Beschleunigungsgrundsatz  geboten  ist
(BGH,  Urt.  vom  6. Juli  2004  - 4 StR 85/03, zur Veröffentlichung in BGHSt  be-
stimmt;  Senat,  Beschlüsse  vom  20.  August  2004  -  2  StR  434/03  und  2  StR
211/04).  Dies  gilt  gleichermaßen  für  das  Urteilsverfahren  wie  für  das  Be-
schlussverfahren gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO.

Die Frage, ob in Fällen wie dem vorliegenden die Anordnung einer Maß-
regel  gemäß  §§ 69,  69a  StGB  zulässig  ist,  wenn  die  Feststellung  charakterli-
cher  Mängel  auf die  Begehung von Straftaten der allgemeinen Kriminalität un-
ter mißbräuchlicher Verwendung eines Kraftfahr zeugs gestützt wird, ohne dass
ein  Regelfall  im  Sinne  des  § 69  Abs.  2  StGB  vorliegt  und  ohne  dass  ein  die
Sicherheit  des  Straßenverkehrs  konkret  gefährdendes  Verhalten  des  Ange-
klagten  festgestellt wur de,  ist zwischen den Strafsenaten des Bundesgerichts-
hofs streitig.  

Der erkennende Senat hat sich im Urteil vom 26. September 2003 (2 StR
161/03 = NStZ  2004, 144 ff.) dem vom 4. Strafsenat in mehreren Entscheidun-
gen  angesprochenen  und  im  Anfr agebeschluss  vom  16. September  2003
(4 StR 85/03, 4 StR  155/03, 4 StR  175/03 = NStZ  2004, 86) näher ausgeführ-
ten  Vor schlag  einer  einschränkenden  Auslegung  angeschlossen  (vgl.  hierzu
BGH, Beschl. v. 21. Januar 2004 - 2 ARs 347/03), ebenso der 3. Strafse-
nat (Beschluss vom 13. Januar 2004 - 3 ARs 30/03) und der 5. Strafsenat (Be-
schluss  vom 28. Oktober  2003 - 5 ARs 67/03 = NStZ  2004, 148); der  1. Straf-
senat ist dem entgegengetreten (Beschluss vom 14. Mai 2003 - 1 StR 113/03 =
NStZ  2003,  658;  Beschluss vom 13. Mai  2004  - 1  ARs  31/03;  vgl. dazu auch
Tr öndle/Fischer  StGB 52. Aufl., § 69 Rdn. 42 ff. m.w.N).
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Der 4. Strafsenat hat mit Beschluss vom 26. August 2004 - 4 StR 85/03 -
die  vorgenannte  Rechtsfrage  gemäß  § 132  Abs.  2  und  4  GVG  dem  Großen
Senat für Strafsachen zur Entscheidung vor gelegt.

Auf  die  streitige  Rechtsfrage  kommt  es  im  vor liegenden  Fall  auch  an.
Verkehrsspezifische Straftaten oder  konkrete Gefährdungen der Sicherheit des
Straßenverkehrs sind nicht festgestellt; jedoch verwendete der Angeklagte sein
Kraftfahrzeug  zum  Verkauf  des  Rauschgifts  und  gebrauchte  dieses  als  "fah-
renden  Kaufladen"  (UA  S. 13).  Auch  benutzte  er  seinen  Roller  und  den  Pkw
des  Zeugen  N.      zur  Aufbewahrung  von  zum  Verkauf  bestimmten
Betäubungsmitteln  (UA  S. 13).  Er  missbrauchte  daher   Kraftfahrzeuge  zur
Begehung sehr zahlreicher und  teilweise auch schwerwiegender Straftaten, so
dass  auf  der  Grundlage  der  bisherigen  Rechtssprechung  die  verhängte
Maßregel  als  rechtsfehler frei  anzusehen  wäre  (BGH  StGB  § 69  Abs. 1
Entziehung 3; BGH NStZ 1992,  586;  Senat NStZ 2000,  26f.; BGH  NStZ 2003,
658  ff.).  Würden  hingegen  konkrete,  sich  aus  dem  Tatgeschehen  ergebende
Anhaltspunkte für die  Bereitschaft zur Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit
vorausgesetzt  (Senat  NStZ  2004,  144ff.),  so  begegnete  die
Maßregelanordnung hier rechtlichen Bedenken.

Die  vom  4.  Strafsenat (Urteil  vom  6.  Juli  2004 -  4 StR  85/03)  und dem
erkennenden  Senat  (Beschlüsse  vom  20. August  2004  -  2  StR  434/03  und
211/04) genannten Voraussetzungen für eine Vorabentscheidung über die ent-
scheidungsreifen Teile der  Revision sind gegeben. Mit einer Entscheidung des
Großen  Senats  für  Strafsachen  ist  voraussichtlich  nicht  vor  Mitte  des  Jahres
2005 zu rechnen  (Senat,  Beschluss  vom 20. August 2004 - 2 StR 434/03). Zu-
dem befindet sich der Angeklagte seit Anfang September 2003 in Haft, so dass
 
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der  Beschleunigungsgrundsatz es gebietet, das Revisionsverfahren durch eine
Teilentscheidung über  den Schuld- und Strafausspruch zu fördern."

Dem tritt der Senat bei.

Rissing-van Saan                                 Otten                                       Rothfuß

                                     Fischer                                      Roggenbuck



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