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BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2002 - 2 StR 294/02


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 2.10.2002 - 2 StR 294/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 294/02
vom
2. Oktober 2002
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 2. Oktober 2002 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Fulda vom 19. April 2002 mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte in den Fällen II, 2 und 3 verurteilt
wurde,
b) im gesamten danach verbleibenden Rechtsfolgenausspruch.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels,
an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten "wegen unerlaubten gewerbsmäßigen
Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei
Fällen sowie wegen des unerlaubten gewerbsmäßigen Handeltreibens" zu der
Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt sowie den "Verfall" von fünf
Mobiltelefonen und 28.590 DM angeordnet. Der Angeklagte rügt mit seiner Re-
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vision die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat in
dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im übrigen ist es offensichtlich
unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge in den Fällen II, 2 und 3 hat keinen Bestand.
Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen läßt sich nicht abschließend
beurteilen, ob der Fall II, 3 angeklagt ist oder ob dieses Betäubungsmittelgeschäft
möglicherweise mit dem Fall II, 2 tateinheitlich zusammentrifft.
Da hierzu ergänzende doppelrelevante Feststellungen zum Tatgeschehen
erforderlich sind, können sie nicht vom Senat im Freibeweisverfahren,
sondern nur durch einen neuen Tatrichter im Strengbeweisverfahren getroffen
werden (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 244 Rdn. 8; Herdegen
in KK 4. Aufl. § 244 Rdn. 8; jew. m.w.N.).
Die als Fall II, 3 festgestellte Tat ist - für sich genommen - nicht Gegenstand
der Anklage, eine Nachtragsanklage wurde bisher nicht erhoben. In
Ziffer 3 der Anklage wird dem Angeklagten zur Last gelegt:
"An einem nicht näher feststellbaren Tag Ende November oder Anfang
Dezember 1999 erhielt der Angeschuldigte von dem gesondert verfolgten
D. 50 Ecstasy-Tabletten, rund 5 g Kokain anlässlich eines
Treffens gegen 20.00 Uhr in der Nähe des Bahnhofes in F. beim D.
Laden des Angeschuldigten. Den Kaufpreis für das gelieferte
Betäubungsmittel, das als Probe für ein in Aussicht genommenes größeres
Rauschgiftgeschäft diente, zahlte der Angeschuldigte entweder sofort
oder später in nicht bekannter Höhe."
In dem angefochtenen Urteil wird als Fall II, 3 festgestellt:
"An einem weiteren nicht näher festzustellenden Tag Ende Dezember
1999 bzw. im Januar 2000 führte der Zeuge D. von Venlo aus 2,5 kg
Haschisch sehr guter Qualität, 2000 Ecstasy-Tabletten sowie 205 g Ko-
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kain nach Deutschland ein. Die Übergabe der 2,5 kg Haschisch, der
2000 Ecstasy-Tabletten sowie der 200 g Kokain zu einem Grammpreis
von mindestens 70.000,-- (richtig wohl: 70) DM, sowie weitere 5 g Kokain
als Geschenk für den Angeklagten zum Eigenverbrauch, erfolgte
wiederum an der Tankstelle. Der Angeklagte erschien zu diesem
Treffen ohne den "S. ". Der nicht näher bekannte Gesamtkaufpreis in
der Größenordnung von 20.000,-- bis 30.000,-- DM wurde bis auf eine
Summe von 10.000,-- DM bar bezahlt. Die Restsumme von 10.000,-- DM
blieb der Angeklagte dem Zeugen D. in der Folgezeit schuldig."
Hierbei handelt es sich nach Tatzeit, Tatort sowie Menge und Art der
Betäubungsmittel nicht um die angeklagte Tat. Dies wird, wie der Generalbundesanwalt
in seiner Antragsschrift im einzelnen zutreffend darlegt, ergänzend
durch den Inhalt der Akten bestätigt. Die Tat ist auch nicht Teil des als Fall II, 4
festgestellten gewerbsmäßigen Handeltreibens mit 32 g Haschisch am 16. November
2000. Konkreter Anhaltspunkt dafür, daß es sich bei dem am 16. November
2000 bei dem Angeklagten aufgefundenen 32 g Haschisch um einen
Restbestand aus dem Einkauf vom Januar 2000 handeln könnte, sind entgegen
der Ansicht der Verteidigung nicht erkennbar. Hiergegen spricht auch die
mit einer längeren Lagerung verbundene Qualitätsminderung.
Es ist jedoch nach den bisherigen Feststellungen nicht ausgeschlossen,
daß die Fälle II, 2 und 3 tateinheitlich verwirklicht wurden. Im Fall II, 2 kaufte
der Angeklagte von dem aus den Niederlanden angereisten D. 2,5 kg
Haschisch für 15.000 DM. Hiervon wurden 12.000 DM sofort bar bezahlt. "Die
Restzahlung erfolgte an einem nicht näher feststellbaren Tag." Da der Verkäufer
D. für die Betäubungsmittelgeschäfte jeweils aus den Niederlanden
angereist ist, kann die Restzahlung bei der Abwicklung des als Fall II, 3
festgestellten Folgegeschäfts zusammen mit der Teilzahlung für die neue Lieferung
geleistet worden sein, denn es liegt nicht nahe, daß der Verkäufer bereits
zuvor lediglich zur Entgegennahme der verbliebenen Restzahlung von
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3.000 DM gesondert aus den Niederlanden angereist ist. Da auch die erforderlichen
Zahlungsvorgänge Bestandteil des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
sind (vgl. u.a. BGHSt 43, 158, 161 m.w.N.), besteht die Möglichkeit, daß
beide Rauschgiftgeschäfte durch die Zahlung des (Rest-)Kaufpreises in einem
Handlungsteil zusammentreffen und deshalb im Sinne von § 52 StGB tateinheitlich
verwirklicht wurden (vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 3 Konkurrenzen
5; BtMG § 29 Strafzumessung 29). Die gegen diese rechtliche Beurteilung vorgebrachten
Bedenken (vgl. BGH NStZ 1999, 411) teilt der Senat nicht.
Der neue Tatrichter wird daher zu prüfen haben, ob die Fälle II, 2 und 3
durch eine teilweise gemeinsame Kaufpreiszahlung tateinheitlich verbunden
sind. Andernfalls fehlt es für die Verurteilung des Angeklagten wegen der Tat
II, 3 an der Verfahrensvoraussetzung einer Anklage. Die Staatsanwaltschaft ist
jedoch nicht gehindert, insoweit fürsorglich eine Nachtragsanklage zu erheben.
2. Der weitergehende Rechtsfolgenausspruch kann ebenfalls nicht bestehen
bleiben.
a) Bei der Strafzumessung im Fall II, 4 hat das Landgericht zu Unrecht
"die erhöhte Gefährlichkeit der Droge Kokain" zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt
(UA S. 22, 23). Festgestellt ist in diesem Fall jedoch der Besitz von
32 g Haschisch zum Zwecke des Handeltreibens, das nach der zutreffenden
Bemerkung der Strafkammer "auf der Schwereskala der Gefährlichkeit der Betäubungsmittel
eher einen geringeren Platz einnimmt" (UA S. 21). Die Einzelfreiheitsstrafe
von neun Monaten hat deshalb keinen Bestand.
b) Im Fall II, 1 - wie auch in den Fällen II, 2 und 3 - hat das Landgericht
den Angeklagten nach der Urteilsformel wegen gewerbsmäßigen Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt. In der rechtli-
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chen Würdigung in den Urteilsgründen nimmt das Landgericht an, § 29 Abs. 3
BtMG und § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG seien tateinheitlich verwirklicht. Die Annahme
von Tateinheit ist rechtsfehlerhaft, weil § 29 Abs. 3 BtMG lediglich eine
Strafzumessungsregel enthält und das Vergehen nach § 29 BtMG in dem
Verbrechen nach § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG aufgeht. Für Tateinheit ist daher
kein Raum. Die Strafzumessungsregel kann allerdings auch beim Vorliegen
des Verbrechenstatbestands nach § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG Bedeutung haben
(vgl. hierzu BGH NStZ 1994, 39; Beschl. vom 9. Oktober 2002 - 1 StR 137/02).
Der Senat kann hier aber gleichwohl nicht ausschließen, daß sich die fehlerhafte
Annahme von Tateinheit zum Nachteil des Angeklagten auf die Bemessung
der Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten ausgewirkt
hat. Zudem soll dem neuen Tatrichter durch Aufhebung auch dieser Einzelstrafe
eine ausgewogene Bemessung des gesamten Rechtsfolgenausspruchs
ermöglicht werden.
c) Der Wegfall der Einzelstrafen hat die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe
zur Folge.
d) Der Verfall der sichergestellten Funktelefone hat keinen Bestand. Die
"Annahme ... der Angeklagte habe diese Handys benutzt, um hiermit rechtswidrige
Taten zu begehen" (UA S. 24) erfüllt die tatbestandlichen Voraussetzungen
des § 73 d Abs. 1 Satz 1 StGB nicht, weil die Mobiltelefone nach den Feststellungen
des Landgerichts nicht "für" oder "aus" rechtswidrigen Taten erlangt
wurden (vgl. Eser in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 73 Rdn. 8 f.; § 73 d
Rdn. 14). Der neue Tatrichter wird zu prüfen haben, ob und inwieweit die Voraussetzungen
von Einziehung oder Verfall nach anderen Vorschriften gegeben
sind.
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e) Der auf § 33 BtMG i. V. m. § 73 d StGB gestützte erweiterte Verfall
der sichergestellten 28.590 DM Bargeld ist ebenfalls aufzuheben. Zum einen
belegt die pauschale Begründung nicht die von der verfassungskonform einengenden
Auslegung dieser Vorschrift geforderte uneingeschränkte Überzeugung
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des Landgerichts von der deliktischen Herkunft des sichergestellten Geldes
(vgl. BGHSt 40, 371). Zum anderen kommt dann, wenn die direkte Herkunft des
Geldes aus den vom Schuldspruch erfaßten Betäubungsmittelgeschäften nicht
festgestellt werden kann, nicht nur der unmittelbare Verfall nach § 73 StGB in
Betracht, sondern auch der Verfall von Wertersatz nach § 73 a StGB, der nach
dem geltenden Bruttoprinzip bis zur Höhe des gesamten Verkaufserlöses angeordnet
werden kann. Da nicht anzunehmen ist, daß der Angeklagte die in
den Fällen II, 1 und 2 für mindestens 30.000 DM erworbenen Betäubungsmittelmengen
mit Verlust verkauft hat, kann der Verfall des sichergestellten Geldes
neben einem Schuldspruch wegen dieser Taten schon nach den Vorschriften
der §§ 73, 73 a, 73 c StGB gerechtfertigt sein. Sind die Voraussetzungen
für die Anordnung des Verfalls oder des Verfalls von Wertersatz gegeben,
ist für die Anordnung eines erweiterten Verfalls nach § 73 d StGB kein
Raum. Vor der Anwendung des § 73 d muß unter Ausschöpfung aller prozessual
zulässigen Mittel ausgeschlossen werden, daß die Voraussetzungen der
§§ 73, 73 a StGB erfüllt sind (vgl. Eser a.a.O. § 73 d Rdn. 4; Lackner/Kühl,
StGB 24. Aufl. § 73 d Rdn. 11 f.; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 73 d Rdn. 6
a; jew. m.w.N.).
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