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BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2007 - 5 StR 513/07


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 20.12.2007 - 5 StR 513/07
5 StR 513/07
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
20.12.2007
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter Nötigung
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20.12.2007 beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bremen vom 15. Juni 2007 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
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Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Nötigung in 13 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision. Der Wiedereinsetzungsantrag ist gegenstandslos, da der Antragsteller die Revisionsbegründungsfrist nicht versäumt hat.
1. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.
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a) Nach den Feststellungen schrieb der Angeklagte im Zeitraum vom 15. Juli 2005 bis zum 4. August 2005 zunächst fünf Briefe an Bremer Gerichte, die mit von ihm betriebenen Zivilrechtsstreitigkeiten befasst waren, sowie an seine Wohnungsvermieterin und das Bundesverfassungsgericht. In diesen Briefen forderte er ihm vermeintlich zustehende Rechte ein und drohte mit der Ermordung von Adressaten und weiteren Personen in ihrem Umfeld, falls man seinen Forderungen nicht nachkommen sollte. Im Zeitraum vom 12. Juni 2006 bis zum 4. Oktober 2006 schrieb der Angeklagte weitere acht Brie-
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fe solchen Inhalts an das Hanseatische Oberlandesgericht Bremen, an das Amtsgericht Bremen, an die Bremer Generalstaatsanwältin sowie die Generalbundesanwältin. In einigen dieser Briefe setzte er Fristen, in denen seine Forderungen erfüllt werden sollten, anderenfalls er seine Drohungen - die Ermordung einer Vielzahl von namentlich benannten Personen, insbesondere Justizbediensteten und anderen Beteiligten ihn betreffender Gerichtsverfahren - wahrmachen wollte. Den letzten dieser Briefe verfasste der Angeklagte während seiner vorläufigen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus.
Die sachverständig beratene Strafkammer ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte an einer schweren Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen und paranoid-querulatorischen Zügen im Sinne einer schweren seelischen Abartigkeit leide. Diese lasse zwar die Unrechtseinsicht „im Wesentlichen“ unbeeinträchtigt, führe aber zu einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit. Bei ihm habe sich im Laufe der Zeit ein wahnhaft ausuferndes Gedankengebilde aufgebaut (UA S. 26), welches dazu geführt habe, dass er völlig unansprechbar und uneinsichtig geworden sei. Außerdem habe er Größenideen, weshalb er sich zu den in den Briefen erhobenen Forderungen und der Umsetzung der ausgesprochenen Drohungen berechtigt fühle. Zudem empfinde er „krankhafte Genugtuung an der möglichen Wirkung seiner Drohungen“ (UA S. 26). Während die Sachverständige eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit nur nicht ausschließen konnte, da der Angeklagte auf Fragen in der Hauptverhandlung „noch deutliche Empfindungen und Reaktionen auf Befindlichkeiten seines Gegenübers“ gezeigt habe und es deswegen nicht sicher sei, ob sein Verhalten nicht doch noch von der „Intentionalität seiner Absichten“ bestimmt sei, hat sich die Strafkammer davon überzeugt, dass der Angeklagte mit „Sicherheit von der Rigidität und Geschlossenheit seines Denkens präokkupiert“ sei und deswegen die Steuerungsfähigkeit sicher erheblich vermindert sei (UA S. 25, 26).
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b) Die Beurteilung der Schuldfähigkeit und damit auch die Begründung der Maßregel halten revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
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aa) Das Vorliegen einer (bloßen) schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB ist nicht tragfähig festgestellt. Das dargelegte Störungsbild, vor allem die Betonung des wahnhaften Erlebens, aber auch die festgestellten krankhaften Anteile des Zustands hätten Anlass zur Erörterung geboten, ob die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung durch die Sachverständige den geistig-seelischen Zustand des Angeklagten zutreffend beschreibt. Eine - auch aufgrund einer noch Anfang 2006 gestellten Verdachtsdiagnose einer paranoiden Psychose bzw. einer wahnhaften Störung (UA S. 22) sich aufdrängende - Auseinandersetzung mit differentialdiagnostisch beachtenswerten anderen Störungsbildern, z. B. der wahnhaften Störung (ICD-10, Internationale Klassifikation psychischer Störungen, 4. Aufl. F22.0) oder der paranoiden Schizophrenie (ICD-10, aaO F20.0) im Sinne einer krankhaften seelischen Störung lässt sich den Urteilsgründen aber nicht entnehmen. Dies lässt besorgen, dass die Art der Störung und damit auch der Schweregrad und ihr Einfluss auf die Schuldfähigkeit unzutreffend beurteilt worden sind.
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bb) Zudem ist angesichts der beschriebenen Auswirkungen des Störungsbildes die Möglichkeit eines Ausschlusses der Schuldfähigkeit nicht ausreichend erörtert. Zur Einsichtsfähigkeit führt die Strafkammer lediglich aus, dass nach der festen Überzeugung der Sachverständigen diese nicht wesentlich gestört sei. Worauf sich diese Überzeugung stützt, wird nicht dargelegt und steht zudem in einem Spannungsverhältnis zu den mehrfach wiederholten Ausführungen in den Urteilsgründen, dass sich die diagnostizierte Störung des Angeklagten in wahnhaftem Erleben äußere, das zur Uneinsichtigkeit auch in Bezug auf die Taten führe. Zudem hat das Landgericht im Anschluss an die Ausführungen, dass der Angeklagte ganz von dem als wahnhaft beschriebenen Denken eingenommen sei, nicht, wie geboten, dargelegt,
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inwieweit aufgrund dieses Befundes die Schuldfähigkeit überhaupt noch erhalten gewesen ist.
2. Das neue Tatgericht hat Gelegenheit, unter Hinzuziehung eines anderen Sachverständigen erneut über das Vorliegen der §§ 20, 21 StGB zu entscheiden. Dabei wird darauf zu achten sein, dass es für die Beurteilung der Schuldfähigkeit auf die Tatzeiten und nicht auf die Hauptverhandlung ankommt. Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass eine erheblich verminderte Einsichtsfähigkeit erst dann von Bedeutung ist, wenn sie dazu führt, dass der Täter das Unerlaubte seines Tuns nicht erkannt hat. Kann ihm das Fehlen dieser Einsicht nicht vorgeworfen werden, liegt ein Fall des § 20 StGB vor (vgl. nur BGHR StGB § 20 Einsichtsfähigkeit 2 m.w.N.); § 21 StGB käme nur in Betracht, wenn ihm das Fehlen der Einsicht vorzuwerfen wäre (vgl. nur BGHR StGB § 21 Einsichtsfähigkeit 6 m.w.N.).
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Bei der erneuten Prüfung der Voraussetzungen des § 63 StGB wird auch die Entwicklung des Angeklagten in der seit fast 16 Monaten andauernden vorläufigen Unterbringung zu erörtern sein. Zudem ist wegen der besonders schwerwiegenden Folgen einer solchen Maßregel eine sorgfältige Auseinandersetzung mit dem Grad der Wahrscheinlichkeit künftiger schwerer Störungen des Rechtsfriedens erforderlich, wobei vor allem der Umstand zu erörtern sein wird, dass der Angeklagte bisher ausschließlich schriftlich gedroht hat.
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