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BGH, Beschluss vom 20. Februar 2009 - 5 StR 555/08


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 20.2.2009 - 5 StR 555/08
5 StR 555/08
(alt: 5 StR 513/07)
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 20. Februar 2009
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter Nötigung
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Februar 2009 beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bremen vom 7. Juli 2008 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
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Das Landgericht hatte den Angeklagten am 15. Juni 2007 wegen versuchter Nötigung in 13 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Nachdem der Senat dieses Urteil durch Beschluss vom 20. Dezember 2007 mit den Feststellungen aufgehoben hatte, hat das Landgericht den Angeklagten nunmehr wegen versuchter Nötigung in 13 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und abermals seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision. Das Rechtsmittel dringt mit der Sachrüge durch.
1. Nach den Feststellungen schrieb der Angeklagte im Zeitraum vom 15. Juli 2005 bis zum 4. August 2005 zunächst fünf Briefe an Gerichte in Bremen, die mit von ihm betriebenen Zivilrechtsstreitigkeiten befasst waren, sowie an seine Wohnungsvermieterin und das Bundesverfassungsgericht. In diesen Briefen forderte er ihm vermeintlich zustehende Rechte ein und drohte mit der Ermordung von Adressaten und weiteren Personen in ihrem Umfeld, falls man seinen Forderungen nicht nachkommen sollte. Im Zeitraum vom 12. Juni 2006 bis zum 4. Oktober 2006 schrieb der Angeklagte weitere
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acht Briefe solchen Inhalts an das Hanseatische Oberlandesgericht Bremen, an das Amtsgericht Bremen, an die Bremer Generalstaatsanwältin sowie die Generalbundesanwältin. In einigen dieser Briefe setzte er Fristen, in denen seine Forderungen erfüllt werden sollten, anderenfalls er seine Drohungen - die Ermordung einer Vielzahl von namentlich benannten Personen, insbesondere Justizbediensteten und anderen Beteiligten ihn betreffender Gerichtsverfahren - wahr machen wollte. Die Drohungen richteten sich vor allem gegen einen Amtsrichter, der für das den Angeklagten betreffende Unterbringungsverfahren zuständig war, und die Generalstaatsanwältin des Landes Bremen, die seine Drohungen ernst nahmen. Den letzten dieser Briefe verfasste der Angeklagte während seiner vorläufigen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus.
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2. Die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten begegnet durchgreifenden sachlichrechtlichen Bedenken.
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Das sachverständig beratene Landgericht hat bei dem Angeklagten eine anhaltende wahnhafte Störung im Sinne eines Querulantenwahns sowie eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit querulatorisch-fanatischen, narzisstischen und paranoiden Zügen angenommen. Die wahnhafte Störung stelle eine krankhafte seelische Störung im Sinne des § 20 StGB dar. Im Rahmen des Krankheitsbildes zeigten sich Wahnphänomene, die er mit „absoluter subjektiver Gewissheit“ erlebe, „unbeeinflussbar durch Erfahrung und durch zwingende Schlüsse“ (UA S. 28). Aufgrund seiner Erkrankung sei es ihm nicht möglich, „bestimmten Handlungsimpulsen zu widerstehen“; eine Auseinandersetzung mit seinen Handlungsantrieben sei ihm nicht möglich (UA S. 31, 43). Mit dem Sachverständigen hat die Strafkammer eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit bei Tatbegehung angenommen, eine Aufhebung der Steuerungsfähigkeit jedoch im Hinblick auf die „kalkuliert und quasi dosiert wirkenden Ausführungen“ des Angeklagten ausgeschlossen.
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Angesichts der zitierten Wendungen zu den Auswirkungen der wahnhaften Störung ist ein Ausschluss der Schuldunfähigkeit bei Begehung der Taten jedoch nicht tragfähig belegt. Dies gilt zumal, da die Taten auf die wahnhaften Vorstellungen zurückgehen. Dass der Angeklagte in nicht von der wahnhaften Störung betroffenen Lebensbereichen sein Verhalten zu steuern vermag, entkräftet die Möglichkeit gänzlich fehlender Widerstandsfähigkeit gegen wahnbedingte Handlungsanreize nicht. Dass das Landgericht insoweit zwischen der Geltendmachung vermeintlicher Forderungen, deren mangelnde Berechtigung der Angeklagte störungsbedingt nicht zu erkennen vermag, und ihrer Verknüpfung mit Drohungen unterscheiden will, wovon der Angeklagte, wenngleich störungsbedingt erheblich vermindert, noch Abstand nehmen kann, liegt zwar nahe, wird indes durch die zitierten Wendungen nachhaltig in Zweifel gezogen.
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3. Die Anordnung der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus könnte auch für sich genommen keinen Bestand haben.
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a) Letztlich ist zu erwarten, dass im Sinne der nach § 63 StGB erforderlichen Wahrscheinlichkeit höheren Grades (Fischer, StGB 56. Aufl. § 63 Rdn. 13, 15) lediglich die auf der Hand liegende Gefahr besteht, dass der Angeklagte weitere Taten wie die hier abgeurteilten begehen wird. Solches mag für die Anordnung der Maßregel ausreichen, wenn er dadurch eine objektiv begründete Furcht bei den mit dem Tode bedrohten Personen vor einer Realisierung seiner Drohungen hervorruft (vgl. BGH NStZ-RR 2006, 338; StraFo 2008, 300). Dies setzt indes eine gewisse berechtigte Befürchtung voraus, dass eine Realisierung der Drohungen tatsächlich erfolgen könnte. Jene braucht zwar nicht das Ausmaß der von § 63 StGB unmittelbar geforderten Gefahr erreichen. Um Fälle nicht ausreichend begründeter, letztlich rein gefühlsgeleiteter Furcht der Bedrohten - die nicht ausreichen kann - auszuschließen, bedarf es aber insoweit mindestens konkreter Anhaltspunkte.
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Die Ausführungen des Landgerichts zu der von dem Angeklagten ausgehenden Gefahr lassen zwar erkennen, dass es sich auch von der Befürchtung hat leiten lassen, der Angeklagte könnte seine Drohungen in der Zukunft - anders als bisher - doch umsetzen. Es hat diese Wertung allerdings nicht mit konkreten und nachvollziehbaren Kriterien belegt. So hat es sachverständig beraten ausgeführt, dass ein Übergehen zu Tätlichkeiten aufgrund des Krankheitsbildes zwar möglich sei. Dies hat es allein auf vergleichbare Fälle bezogen und zudem betont, dass es sich dabei um „seltenere Fälle“ (UA S. 42) handele. Diese eher statistisch, insoweit zudem überaus allgemein, nicht mit persönlichen Dispositionen des Angeklagten belegte und damit kaum aussagekräftige Prognose hat das Landgericht ersichtlich durch eine aufgrund des Auftretens des Angeklagten in der Hauptverhandlung „gesteigerte Befürchtung“ (UA S. 42, 44) des Sachverständigen aufgewertet gesehen. Eine irgendwie näher konkretisierte Darlegung, auf welches Verhalten sich diese Wertung stützt und welche Prognoserückschlüsse hieraus gezogen werden können, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass hierzu noch nähere Feststellungen getroffen werden können.
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b) Selbst dann stünde die Anordnung einer Maßregel nach § 63 StGB indes bereits in einem deutlichen Spannungsverhältnis zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der insbesondere in § 62 StGB Niederschlag gefunden hat und sowohl Anordnung als auch Fortdauer der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus beherrscht. Das Landgericht hat es versäumt, das Ausmaß der möglichen Gefährdung der Allgemeinheit zu dem durch die bisherige Dauer der vorläufigen Unterbringung zunehmend gewichtiger werdenden Freiheitsgrundrecht des Angeklagten in Beziehung zu setzen (vgl. BVerfGE 70, 297, 312). Dies hätte sich aber angesichts der Bedeutung der Anlasstaten aufgedrängt, da sich eine Fortdauer des bereits eingetretenen Freiheitsentzugs in Form einstweiliger Unterbringung, der die gegen den Angeklagten verhängte Gesamtstrafe deutlich übersteigt, jetzt nur noch verbunden mit einem therapeutisch konkret angestrebten Konzept mit dem Ziel der
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in absehbarer Zeit realisierbaren Aussetzung der weiteren Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung wird rechtfertigen lassen. Ist ein solches Ziel therapeutisch nicht realisierbar, wird das Gewicht der abgeurteilten Taten und das Ausmaß der absehbar zu belegenden Gefahr im Sinne des § 63 StGB eine weitere Unterbringung nurmehr für überaus begrenzte Zeit gestatten, nach deren Ablauf der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zur Nichtanordnung oder Erledigung der Maßregel zwingt.
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