BGH,
Beschl. v. 21.12.2000 - 4 StR 499/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 499/00
vom
21. Dezember 2000
in der Strafsache gegen
wegen Totschlags
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 21. Dezember
2000 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO
beschlossen:
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Saarbrücken vom 7. Juli 2000
1. im Schuldspruch dahin geändert, daß der
Angeklagte des Totschlags schuldig ist,
2. im Strafausspruch aufgehoben.
II. Die Sache wird zur Neufestsetzung der Strafe und zur Entscheidung
über die Kosten des Rechtsmittels an eine andere als
Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
III. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger
Freiheitsstrafe verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit
seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die
Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel
führt zur Änderung des Schuldspruchs und Aufhebung
des Strafausspruchs; im übrigen ist es unbegründet im
Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Verfahrensbeschwerden, mit denen sich die Revision insbesondere
gegen die Verneinung einer die Tat rechtfertigenden Notwehrlage und die
Annahme uneingeschränkter Schuldfähigkeit durch das
Landgericht wendet, greifen nicht durch. Insoweit verweist der Senat
auf die Ausführungen in der Antragsschrift des
Generalbundesanwalts vom 27. November 2000, die durch das Vorbringen im
Schriftsatz der Verteidigung vom 18. Dezember 2000 nicht
entkräftet werden.
2. Dagegen hat die Revision zum Schuldspruch mit der Sachrüge
Erfolg. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes hält
rechtlicher Nachprüfung nicht stand; die Annahme des
Landgerichts, der Angeklagte habe aus niedrigen Beweggründen
im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB gehandelt, begegnet - wie die
Revision zu Recht geltend macht - schon in objektiver Hinsicht
durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Beweggründe zu einem Tötungsverbrechen sind
"niedrig", wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster
Stufe stehen und in deutlich weiterreichendem Maße als bei
einem Totschlag als verwerflich und deshalb als besonders
verachtenswert erscheinen; die Beurteilung dieser Frage hat auf Grund
einer Gesamtwürdigung aller äußeren und
inneren für die Handlungsantriebe des Täters
maßgeblichen Faktoren zu erfolgen (st. Rspr.; vgl. BGHSt 35,
116, 127; BGH StV 1996, 211, 212). Das Landgericht begründet
die Annahme, der Angeklagte habe Patrick E. aus "niedrigen
Beweggründen" getötet, wie folgt:
"Er hat ihn ... getötet, weil er sich an E. dafür
rächen wollte, daß dieser ihm die
langjährige Freundin ausgespannt hatte. Er fühlte
sich durch E. hintergangen, weil dieser mit ihm befreundet gewesen ist
und er ihm finanziell geholfen hatte. Der Angeklagte wußte,
daß eine Wiederaufnahme seiner Beziehung zu .... Katja P.
nicht mehr möglich war. Bei der Tötung des Patrick E.
ging es ihm in erster Linie um seine eigenen
egoistischen Belange; er wollte den Patrick E. bestrafen. Nachdem er
bereits einen im Ergebnis tödlichen Schuß auf
Patrick E. abgegeben hatte, verfolgte er diesen und gab auf den
verzweifelt um sein Leben kämpfenden Patrick E. einen zweiten
tödlichen Schuß von hinten in den Rücken
ab. Wer unter solchen Umständen einem Menschen das Lebensrecht
abspricht, handelt zutiefst verwerflich."
Diese Erwägungen rechtfertigen die Wertung der
Beweggründe für die Tötung als "niedrig" im
Sinne des § 211 Abs. 2 StGB nicht. Gefühlsregungen
wie Rache, aber auch Wut, Haß und Eifersucht, kommen nach der
Rechtsprechung nur dann als niedrige Beweggründe in Betracht,
wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen
(Lackner/Kühl StGB 23. Aufl. § 211 Rdn. 5 a m.
Nachw.). Das ist am ehesten der Fall, wenn diese
Gefühlsregungen jeglichen nachvollziehbaren Grundes entbehren
(BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 8, 16,
22; BGH, Urt. vom 3. Februar 1993 - 2 StR 389/92). So verhält
es sich hier jedoch nicht:
Nicht jede Tötung, die geschieht, weil sich der Intimpartner
vom Täter abwenden will oder abgewandt hat, beruht deshalb
zwangsläufig schon auf niedrigen Beweggründen.
Vielmehr können in einem solchen Fall tatauslösend
und tatbestimmend auch Gefühle der Enttäuschung und
"ungerechter" Behandlung sein, die einer Wertung als "niedrig"
entgegenstehen (BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige
Beweggründe 18, 32 m.w.N.). Davon geht die Rechtsprechung auch
dann aus, wenn der Täter den Grund für die Trennung
selbst herbeigeführt hat (BGH StV 2000, 20 f). Um so mehr gilt
dies, wenn - wie hier - die Trennung von dem Partner ausgegangen ist,
die der Täter - wie das Landgericht in bezug auf den
Angeklagten ausdrücklich feststellt - nicht "verkraftet" (UA
4). Zwar kommt auch in solch einem Fall die Bewertung der
Beweggründe als "niedrig" in Betracht, wenn der Täter
den Partner oder den "Nebenbuhler" aus krasser, übersteigerter
Eifersucht tötet, weil er sie einander nicht gönnt
(vgl. BGHSt 22, 12, 13; Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl.
§ 211 Rdn. 5 a m.w.N.). Davon kann hier aber schon deshalb
keine Rede sein, weil der Angeklagte nach der Trennung von Katja P.
eine neue Beziehung eingegangen war. Bei der Bewertung des den
Angeklagten beherrschenden Motivbündels (vgl. BGH NJW 1981,
1382; BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 20)
kam deshalb dem Umstand entscheidende Bedeutung zu, daß der
Angeklagte sich von dem Tatopfer "verraten" (UA 4) fühlte.
Dieses Gefühl der Kränkung erhielt sein besonderes
Gewicht zudem dadurch, daß es sein Freund gewesen war, der
ihn in dieser Weise "hintergangen" hatte (UA 10). Wenn der Angeklagte
hiernach "sauer" auf Patrick E. war, weil dieser seine Beziehung zu
Katja P. "auseinandergebracht hatte" (UA 9), so fehlt es ungeachtet der
Verwerflichkeit, die jeder vorsätzlichen und rechtswidrigen
Tötung eines anderen innewohnt, nicht an jeglichem
menschlichen Verständnis für die den Angeklagten zur
Tat bestimmenden Motive, wie dies deren Qualifikation als "niedrig" im
Sinne des Mordtatbestandes voraussetzen würde. Hinzukommt,
daß das Landgericht im Zusammenhang mit den für die
Beurteilung bedeutsamen persönlichen Beziehungen zwischen
Täter und Opfer (vgl. Eser NStZ 1983, 433, 435 m.N.) hier auch
die im Vorfeld der Tat gegenseitig ausgesprochenen Morddrohungen im
Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung nicht
unberücksichtigt lassen durfte.
Daß der Angeklagte dem Tatopfer "das Lebensrecht
abgesprochen" hat, ist Gegenstand jeden vorsätzlichen
Tötungsdelikts und rechtfertigt deshalb die Einstufung der
Beweggründe als "niedrig" für sich nicht. Nichts
anderes ergibt sich hier daraus, daß der Angeklagte nach dem
ersten Schuß Patrick E. noch verfolgte und ihm einen weiteren
tödlichen Schuß versetzte; denn dies belegt hier
lediglich seinen - wie das Landgericht zutreffend annimmt -
"unbedingten Tötungswillen" (UA 10).
3. Der Senat schließt aus, daß sich auf Grund neuer
Hauptverhandlung noch weitere Feststellungen treffen lassen, die ein
Handeln aus "niedrigen Beweggründen" ergeben könnten.
Anhaltspunkte für weitere mordqualifizierende Merkmale
bestehen nicht; solche werden auch in der zugelassenen Anklage nicht
angenommen. Der Senat ändert deshalb den Schuldspruch von sich
aus dahin, daß der Angeklagte des Totschlags (§ 212
Abs. 1 StGB) schuldig ist.
Die Schuldspruchänderung macht die Aufhebung des
Strafausspruchs erforderlich. Dagegen sind die der Festsetzung der
lebenslangen Freiheitsstrafe zugrundeliegenden Feststellungen -
namentlich diejenigen zur vollen Schuldfähigkeit des
Angeklagten, die das Landgericht rechtsfehlerfrei bejaht hat - von dem
aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen; sie können deshalb
bestehen bleiben. Dies schließt ergänzende
Feststellungen durch den neuen Tatrichter, die dazu nicht in
Widerspruch stehen, nicht aus.
Meyer-Goßner Maatz Athing
Solin-Stojanovic Ernemann |