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BGH, Beschluss vom 22. März 2001 - GSSt 1/00


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 22.3.2001 - GSSt 1/00
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
________________
StGB § 244 Abs. 1 Nr. 2 F: 26. Januar 1998
1. Der Begriff der Bande setzt den Zusammenschluß von mindestens drei Personen
voraus, die sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine
gewisse Dauer mehrere selbständige, im einzelnen noch ungewisse Straftaten
des im Gesetz genannten Deliktstyps zu begehen. Ein "gefestigter
Bandenwille" oder ein "Tätigwerden in einem übergeordneten Bandeninteresse"
ist nicht erforderlich.
2. Der Tatbestand des Bandendiebstahls setzt nicht voraus, daß wenigstens zwei Bandenmitglieder örtlich und zeitlich den Diebstahl zusammen begehen. Es reicht aus, wenn ein Bandenmitglied als Täter und ein anderes Bandenmitglied beim Diebstahl in irgendeiner Weise zusammenwirken. Die Wegnahmehandlung selbst kann auch durch einen bandenfremden Täter ausgeführt werden.
BGH, Beschl. vom 22. März 2001 - GSSt 1/00 - LG Münster

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
GSSt 1/00
vom
22. März 2001
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schweren Bandendiebstahls
- 2 -
Der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofes hat durch den Präsidenten
des Bundesgerichtshofes Prof. Dr. Hirsch, den Vizepräsidenten des
Bundesgerichtshofes Dr. Jähnke, die Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Meyer-Goßner, Kutzer und Dr. Schäfer sowie die Richter am
Bundesgerichtshof Detter, Dr. Rissing-van Saan, Häger, Basdorf, Dr. Wahl und
Prof. Dr. Tolksdorf am 22. März 2001 beschlossen:
1. Der Begriff der Bande setzt den Zusammenschluß von mindestens
drei Personen voraus, die sich mit dem Willen verbunden
haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbständige,
im einzelnen noch ungewisse Straftaten des im Gesetz genannten
Deliktstyps zu begehen. Ein "gefestigter Bandenwille"
oder ein "Tätigwerden in einem übergeordneten Bandeninteresse"
ist nicht erforderlich.
2. Der Tatbestand des Bandendiebstahls setzt nicht voraus, daß
wenigstens zwei Bandenmitglieder örtlich und zeitlich den
Diebstahl zusammen begehen. Es reicht aus, wenn ein Bandenmitglied
als Täter und ein anderes Bandenmitglied beim
Diebstahl in irgendeiner Weise zusammenwirken. Die Wegnahmehandlung
selbst kann auch durch einen bandenfremden
Täter ausgeführt werden.
- 3 -
Gründe:
A.
I. Das Landgericht hat die beiden Angeklagten wegen Bandendiebstahls
und schweren Bandendiebstahls jeweils in mehreren, teils nur zum Versuch
gediehenen Fällen zu Gesamtstrafen verurteilt.
Nach den Feststellungen kamen die Angeklagten im Mai 1998 überein,
gemeinsam gebrauchte Fahrzeuge zu entwenden. In Ausführung ihres Vorhabens
suchten sie von Anfang Juni bis zu ihrer Festnahme Ende Juli 1998 mehrere
Autohäuser auf. Sie nahmen im Freien abgestellte Fahrzeuge in Augenschein
und täuschten Kaufinteresse vor. Entsprechend ihrem Tatplan lenkte
einer der Angeklagten die Aufmerksamkeit des Verkaufspersonals ab, während
der andere die Situation nutzte, um unbemerkt einen der Originalschlüssel des
besichtigten Fahrzeugs gegen einen mitgeführten, ähnlich aussehenden
Schlüssel desselben Fahrzeugtyps auszutauschen. Am jeweils folgenden Wochenende
wurden die teilweise mit einer elektronischen Wegfahrsperre ausgestatteten
Fahrzeuge unter Verwendung der Originalschlüssel entwendet. Die
Strafkammer konnte nicht feststellen, ob weitere Personen beteiligt waren.
II. Gegen die Verurteilung wenden sich beide Angeklagten mit ihren Revisionen.
Der für die Entscheidung über die Rechtsmittel zuständige
4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hält die Sachrügen zum Schuldspruch für
begründet:
Seiner Auffassung nach steht der Verurteilung wegen Bandendiebstahls
das in § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB enthaltene Mitwirkungserfordernis nicht entgegen.
Zwar könne seit dem Urteil des 3. Strafsenats vom 9. August 2000 - 3 StR
339/99 (BGHSt 46, 120), durch das die anders lautende frühere Rechtspre
4 -
chung - zu Recht - aufgegeben worden sei, auch dasjenige Bandenmitglied
Täter des Bandendiebstahls sein, das nicht selbst am Wegnahmeort agiere.
Diese neue Rechtsprechung sei aber zu eng und führe zu Wertungswidersprüchen,
soweit sie für eine Verurteilung wegen Bandendiebstahls voraussetze,
daß jedenfalls zwei Bandenmitglieder bei der Wegnahme zeitlich und örtlich
zusammengewirkt hätten, wenn auch nicht notwendig das angeklagte Bandenmitglied.
Für den Tatbestand des Bandendiebstahls reiche vielmehr jedes irgendwie
geartete Zusammenwirken von (wenigstens) zwei Bandenmitgliedern
aus.
Der Schuldspruch wegen Bandendiebstahls könne aber deswegen keinen
Bestand haben, weil entgegen der bisherigen ständigen Rechtsprechung
das Tatbestandsmerkmal "Bande" dahin ausgelegt werden müsse, daß eine
Verbindung von mindestens drei Personen Voraussetzung sei, der vom Landgericht
festgestellte Zusammenschluß von nur zwei Personen für die Annahme
einer Bande daher nicht ausreiche.
III. Auf Anfrage des 4. Strafsenats, der sich an der beabsichtigten Entscheidung
durch die Rechtsprechung der anderen Strafsenate gehindert sieht,
haben der 1. Strafsenat (Beschluß vom 27. Juni 2000 - 1 ARs 6/00) und der
2. Strafsenat (Beschluß vom 21. Juni 2000 - 2 ARs 76/00) mitgeteilt, daß sie an
ihrer Rechtsprechung sowohl zu der für eine Bande notwendigen Mindestzahl
der Bandenmitglieder wie auch zu den Mitwirkungsvoraussetzungen bei der
Ausführung des Diebstahls festhielten. Der 3. Strafsenat (Beschluß vom
16. August 2000 - 3 ARs 3/00) hat angeregt, den Großen Senat für Strafsachen
wegen grundsätzlicher Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfragen anzurufen.
Der 5. Strafsenat (Beschluß vom 4. April 2000 - 5 ARs 20/00) hat mitgeteilt,
daß er der beabsichtigten Entscheidung nicht entgegentrete.
- 5 -
Daraufhin hat der 4. Strafsenat - wegen beabsichtigter Abweichung und
wegen grundsätzlicher Bedeutung - dem Großen Senat für Strafsachen gemäß
§ 132 Abs. 2 und 4 GVG mit Beschluß vom 26. Oktober 2000 (NStZ 2001, 35)
folgende Rechtsfragen zur Entscheidung vorgelegt:
1. Setzt der Begriff der Bande eine Verbindung von mehr
als zwei Personen voraus?
2. Erfordert der Tatbestand des Bandendiebstahls das zeitliche
und örtliche Zusammenwirken von (mindestens)
zwei Bandenmitgliedern?
Der Generalbundesanwalt ist zur ersten Vorlegungsfrage der Auffassung,
es seien keine Gründe von Gewicht erkennbar, die Anlaß geben könnten,
die gefestigte Rechtsprechung aufzugeben, daß die Verbindung von zwei
Personen genügt, um die Anforderungen eines Bandendelikts zu erfüllen. Hinsichtlich
der zweiten Vorlegungsfrage vertritt er die Auffassung, daß der Tatbestand
des Bandendiebstahls kein örtliches und zeitliches Zusammenwirken von
wenigstens zwei Bandenmitgliedern erfordert. Dies werde weder vom Gesetzeswortlaut
vorgegeben, noch sei dies aus anderen zwingenden Gründen geboten.
Dem Erfordernis der Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds sei Genüge
getan, wenn ein Bandenmitglied am Wegnahmeort tätig werde und ein
irgendwie geartetes Zusammenwirken beim Diebstahl mit einem anderen Bandenmitglied
hinzukomme.
Der Generalbundesanwalt hat deshalb beantragt zu beschließen:
1. Der Begriff der Bande setzt eine Verbindung von mehr als
zwei Personen nicht voraus.
- 6 -
2. Der Tatbestand des Bandendiebstahls erfordert nicht, daß
mindestens zwei Bandenmitglieder die Tat in örtlichem
und zeitlichem Zusammenwirken begehen.
B.
Die Anrufung des Großen Senats ist jedenfalls wegen grundsätzlicher
Bedeutung der vorgelegten Rechtsfragen gemäß § 132 Abs. 4 GVG zulässig.
I. Den vorgelegten Fragen kommt grundsätzliche Bedeutung zu, weil von
ihrer Beantwortung in einer Vielzahl zukünftiger Strafverfahren - nicht nur wegen
Diebstahls - abhängen wird, ob eine Verurteilung wegen bandenmäßiger
Begehung zu erfolgen hat. Im Anfrageverfahren sind die divergierenden Auffassungen
der Strafsenate zu diesen Rechtsfragen zutage getreten, so daß
eine Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen sowohl zur Fortbildung
des Rechts als auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten
ist.
II. Beide Rechtsfragen sind - wie es auch eine Vorlegung wegen grundsätzlicher
Bedeutung voraussetzt (BGHSt - GS - 33, 356, 359; 39, 221, 226;
42, 139, 144) - für die Entscheidung des vorlegenden Senats über die Revisionen
der Angeklagten erheblich.
Der Erheblichkeit beider Fragen im Ausgangsverfahren steht nicht entgegen,
daß es, je nach dem Ergebnis der Beantwortung der einen Frage, auf
die andere für die Entscheidung über die Revisionen der Angeklagten möglicherweise
nicht mehr ankommt. Erst bei einer Zusammenschau beider Fragen
und ihrer aufeinander abgestimmten Beantwortung kann der Anwendungsbe-
7 -
reich des § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB in sachgerechter Weise neu bestimmt werden.
C.
Der Große Senat für Strafsachen beantwortet die vorgelegten Rechtsfragen
wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich.
I. Zum Bandenbegriff
Der Begriff der Bande setzt den Zusammenschluß von mindestens drei
Personen voraus, die sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine
gewisse Dauer mehrere selbständige, im einzelnen noch ungewisse Straftaten
des im Gesetz genannten Deliktstyps zu begehen. Ein "gefestigter Bandenwille"
oder ein "Tätigwerden in einem übergeordneten Bandeninteresse" ist nicht
erforderlich.
1. Der Tatbestand des Bandendiebstahls (§ 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB)
schreibt, wie die anderen Vorschriften des Strafgesetzbuchs und des Nebenstrafrechts,
die an das Merkmal der bandenmäßigen Begehung anknüpfen,
keine Mindestzahl vor, ab der ein Zusammenschluß von Personen zu kriminellem
Tun als eine Bande anzusehen ist. Nach der ständigen Rechtsprechung
genügte für den Begriff der Bande eine auf einer ausdrücklichen oder stillschweigenden
Vereinbarung beruhende Verbindung von mindestens zwei Personen,
die sich mit dem ernsthaften Willen zusammengeschlossen haben, für
eine gewisse Dauer in Zukunft mehrere selbständige, im einzelnen noch unbestimmte
Taten eines bestimmten Deliktstyps zu begehen (BGHSt 23, 239; 38,
26, 31; BGH bei Dallinger MDR 1973, 555; BGH StV 1984, 245; NStZ 1986,
408; BGHR StGB § 250 Abs. 1 Nr. 4 Bande 1); für eine Bande war weder eine
gegenseitige Verpflichtung der Mitglieder zur Begehung solcher Delikte noch
- 8 -
die Bildung einer festen Organisation vorausgesetzt (BGHSt 31, 203, 205; 42,
255, 258; BGH GA 1974, 308; BGH bei Holtz MDR 1977, 282).
2. Der so umschriebene Bandenbegriff wird in weiten Teilen des
Schrifttums seit vielen Jahren abgelehnt (vgl. etwa Dreher NJW 1970, 1802;
Tröndle GA 1973, 325, 328; Geilen Jura 1979, 445, 446; Schünemann JA
1980, 393, 395; Schild NStZ 1983, 69, 70). Die Einwände verstärkten sich nach
dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels
und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität (OrgKG)
vom 15. Juli 1992 (BGBl I S. 1302), mit dem, ohne die Bande gesetzlich zu definieren,
neue Bandendelikte geschaffen (§ 260 Abs. 1 Nr. 2, § 260 a Abs. 1
StGB) und die Strafdrohung bereits vorhandener Bandendelikte unter bestimmten
weiteren Voraussetzungen verschärft wurden (§ 244 a Abs. 1 StGB,
§ 30 a Abs. 1 BtMG). Der Annahme, der Zusammenschluß von zwei Personen
genüge für eine Bande, wird von der überwiegenden Meinung in der Literatur
hauptsächlich entgegengehalten, daß eine Willensbildung als gruppendynamischer
Prozeß erst innerhalb einer größeren Gruppe entstehe und die Gefährlichkeit
einer Bande erst bei mehr als zwei Mitgliedern unabhängig vom Ausoder
Hinzutreten einzelner Mitglieder gegeben sei (so in jüngster Zeit Erb NStZ
1999, 187; Endriß StV 1999, 445; Otto StV 2000, 313; Engländer JZ 2000, 630;
Hohmann NStZ 2000, 258; Schmitz NStZ 2000, 477).
Trotz der erheblichen Kritik am herkömmlichen Bandenbegriff hat die
Rechtsprechung bisher keinen Anlaß gesehen, ihre Definition der Bande zu
ändern; sie hat es auch nicht für gerechtfertigt gehalten, den vom Bundesverfassungsgericht
(NJW 1997, 1910, 1911) gebilligten Begriff der Bande durch
das Erfordernis organisatorischer Strukturen restriktiv auszulegen (BGH StV
1997, 592, 593; BGHR BtMG § 30 a Bande 3). Da auch nach Auffassung der
- 9 -
Rechtsprechung die bandenmäßige Tatbegehung eine gegenüber der Mittäterschaft
gesteigerte, über die aktuelle Tat tendenziell hinausreichende deliktische
Zusammenarbeit darstellt, hat sie - insbesondere bei Verbindung von
zwei Personen - aber zusätzlich verlangt, daß die Täter eines Bandendelikts
ein gemeinsames übergeordnetes Bandeninteresse verfolgt haben (BGHSt 42,
255, 259; BGH NStZ 1997, 90, 91; 1998, 255 m. Anm. Körner; BGHR BtMG
§ 30 a Bande 8). Sie hat zur Abgrenzung der Bande von der mittäterschaftlichen
Arbeitsteilung darauf abgestellt, ob ein über die jeweiligen Individualinteressen
der Beteiligten hinausgehender gefestigter Bandenwille vorgelegen hat
(BGH NJW 1996, 2316, 2317). Dazu hat sie Kriterien zu entwickeln versucht,
mit deren Hilfe der Begriff der Bande inhaltlich näher umschrieben und konkreter
gefaßt werden sollte. Als Voraussetzung für die Annahme einer Bande
bei Zwei-Personen-Verbindungen verlangten zuletzt alle Strafsenate des Bundesgerichtshofs
ein Handeln mit gefestigtem Bandenwillen, wobei ein solcher,
auf gewisse Dauer angelegter und verbindlicher Gesamtwille dann angenommen
wurde, wenn die Täter ein gemeinsames übergeordnetes Bandeninteresse
verfolgt hatten (BGH NStZ 1996, 443; 2001, 32, 33; NJW 1998, 2913; StV
1998, 599).
3. Diese in jüngerer Zeit entfalteten Bemühungen der Rechtsprechung
um die Entwicklung sinnvoller und praktikabler Kriterien, die vor allem bei
Zwei-Personen-Verbindungen eine dem Einzelfall gerecht werdende Abgrenzung
von bandenmäßigen und anderen Zusammenschlüssen erlauben sollen,
haben zu neuen Schwierigkeiten bei der Auslegung geführt. Sie rücken die
Bandentat in die Nähe des Organisationsdelikts der kriminellen Vereinigung
des § 129 StGB, obwohl die Bandendelikte, auch nach den Entscheidungen,
die von der Notwendigkeit eines verbindlichen Gesamtwillens und der Verfolgung
eines übergeordneten Bandeninteresses ausgehen, keine Organisations-
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delikte sind (vgl. BGHSt 42, 255, 258; BGH NStZ 1996, 339, 340; BGHR BtMG
§ 30 a Bande 9).
Hinzu kommt, daß es bisher nicht gelungen ist, die materiellrechtlichen
Voraussetzungen eines "auf gewisse Dauer angelegten gefestigten Bandenwillens"
oder des "übergeordneten Bandeninteresses" konkret zu umschreiben
und rechtliche Maßstäbe festzulegen, die es den Tatgerichten ohne weiteres
ermöglichen, im Einzelfall unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen
Rechtsprechung zu prüfen und zu entscheiden, ob ein Zusammenschluß von
zwei Personen eine Bande darstellt (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 244
Rdn. 19 a; Franke/Wienroeder, BtMG 2. Aufl. § 30 Rdn. 8).
4. Die wenig befriedigenden Lösungsversuche der Rechtsprechung
verlangen ein Überdenken der materiellrechtlichen Voraussetzungen einer
Bande.
Dies gilt verstärkt deshalb, weil das ursprünglich homogene Bild weniger
Bandendelikte - Bandendiebstahl, Bandenraub und bandenmäßiger Schmuggel
-, die aufgrund ihrer geringen Anzahl in ihrem gemeinsamen Regelungsbereich,
nämlich dem bandenmäßigen Zusammenschluß und der bandenmäßigen
Tatbegehung, überschaubar und in bezug auf die rechtlichen Voraussetzungen
in sich stimmig festzulegen waren, nicht mehr besteht. Die genannten Bandendelikte
sind mittlerweile durch eine Vielzahl von verschiedenen Straftatbeständen
ergänzt worden, in denen die bandenmäßige Begehung entweder als tatbestandliches
Qualifikationsmerkmal oder als Regelbeispiel eines besonders
schweren Falles aufgeführt wird. Hierdurch sind die ehemals aus der Menge
der Straftatbestände hervorgehobenen Bandendelikte zu Delikten der modernen
Massenkriminalität abgewandelt worden (vgl. Hassemer StV 1993, 664).
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a) Angesichts der fehlgeschlagenen Bemühungen der Rechtsprechung,
unter Beibehaltung der Verbindung von zwei Personen als Mindestvoraussetzung
für eine Bande den Bandenbegriff durch zusätzliche Kriterien inhaltlich
näher zu bestimmen, ist es sinnvoll und geboten, für eine Bande den Zusammenschluß
von mindestens drei Personen zu kriminellem Tun vorauszusetzen.
Der Wortlaut des § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB und der Wortlaut der übrigen Tatbestände
der Bandendelikte lassen sowohl die Annahme einer aus zwei Personen
bestehenden Bande als auch die Anhebung der Mindestzahl der Bandenmitglieder
auf drei Personen zu. Diese Erhöhung der Mindestmitgliederzahl ist
ein einfaches und erfolgversprechendes Mittel, um die Abgrenzung der wiederholten
gemeinschaftlichen Tatbegehung durch Personen, die nur Mittäter sind,
von derjenigen der bandenmäßigen Begehung zu vereinfachen. Sie erleichtert
die Abgrenzung vor allem auch in der praktischen Rechtsanwendung durch die
Tatgerichte, da Zwei-Personen-Zusammenschlüsse von vornherein nicht mehr
dem Bandenbegriff unterfallen. Die Anhebung der Mindestmitgliederzahl einer
Bande von zwei auf drei dient damit der Rechtssicherheit und der einheitlichen
Rechtsanwendung.
b) Zu einer weiteren Einschränkung des Bandenbegriffs besteht kein
Anlaß. Insbesondere bieten die Entstehungsgeschichte und die Gesetzesmaterialien
des OrgKG und der nachfolgenden Reformgesetze keinen Anhalt dafür,
daß der Gesetzgeber die Bande als eine kriminelle Erscheinungsform mit einem
Mindestmaß konkreter Organisation oder festgelegter Strukturen verstanden
hat und verstanden wissen wollte (vgl. BT-Drucks. 12/989 S. 20 f., 25). Er
hat die Bande lediglich als mögliche Keimzelle der Organisierten Kriminalität
gesehen und als Anknüpfungsmerkmal für erhöhte Strafdrohungen gewählt,
indem er die schon im Strafgesetzbuch vorhandenen Merkmale der "gewerbsmäßigen"
und "bandenmäßigen" Tatbegehung als besonders "organisations-
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verdächtig" aufgegriffen hat (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf des Bundesrats
vom 26. April 1991 - BR-Drucks. 219/91 S. 78). In diesem Zusammenhang
sollte der Begriff der Bande nicht (neu) definiert werden. Es ist mit der früheren
Rechtsprechung davon auszugehen, daß ein bandenmäßiger Zusammenschluß
mehrerer Personen lediglich voraussetzt, daß diese sich mit dem Willen
verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbständige im einzelnen
noch ungewisse Straftaten der im Gesetz beschriebenen Art zu begehen.
Die Bande unterscheidet sich danach von der Mittäterschaft durch das
Element der auf eine gewisse Dauer angelegten Verbindung mehrerer Personen
zu zukünftiger gemeinsamer Deliktsbegehung. Von der kriminellen Vereinigung
unterscheidet sich die Bande dadurch, daß sie keine Organisationsstruktur
aufweisen muß und für sie kein verbindlicher Gesamtwille ihrer Mitglieder
erforderlich ist, diese vielmehr in einer Bande ihre eigenen Interessen an
einer risikolosen und effektiven Tatausführung und Beute- oder Gewinnerzielung
verfolgen können.
5. Der Änderung der Rechtsprechung zur Mindestzahl der Bandenmitglieder
steht nicht der Umstand entgegen, daß der Gesetzgeber bei den Änderungen
des materiellen Strafrechts den in der Rechtsprechung entwickelten
Bandenbegriff zugrundegelegt hat.
Zwar läßt sich aus den Gesetzesnovellierungen der letzten Jahrzehnte
eine gesetzgeberische Bestätigung des von der Rechtsprechung definierten
Bandenbegriffs ableiten (vgl. BGHSt 38, 26, 28; Wessels/Hillenkamp BT/2,
23. Aufl. § 4 III 1 Rdn. 271; Sya NJW 2001, 343, 344). Hingegen ist eine gesetzliche
Festlegung oder Umschreibung des Bandenbegriffs, etwa in § 11
StGB, unterblieben, obwohl dem Gesetzgeber die seit mehr als 30 Jahren kontrovers
geführte Diskussion zum Bandenbegriff nicht entgangen sein kann.
- 13 -
Damit hat er es ersichtlich weiter der Rechtsprechung überlassen, den Begriff
der Bande inhaltlich zu bestimmen; er hat ihr damit auch die Möglichkeit eingeräumt,
Entwicklungen in der Rechtspraxis Rechnung zu tragen, wenn es zur
Gewährleistung der Rechtssicherheit oder der einheitlichen Rechtsanwendung
erforderlich ist.
6. Die Änderung der Rechtsprechung hat auch keine unvertretbaren
Folgewirkungen.
a) Unzuträglichkeiten im Sinne einer unangemessenen milden Ahndung
sind nicht zu befürchten. Für reisende Täter, die möglicherweise einer größeren
Bande angehören, aber nur zu zweit die Taten ausführen und nur in diesem
Umfang überführt werden können, bietet der in der Regel anwendbare
Strafrahmen des § 243 Abs. 1 StGB genügend Spielraum, um eine für die jeweilige
Tat angemessene Strafe zu finden. Für die vom Gesetzgeber mit dem
OrgKG auch beabsichtigte Vorverlagerung der Strafbarkeit über § 30 StGB
stehen jedenfalls im Betäubungsmittelstrafrecht mit § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG
und § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG "Auffangvorschriften" zur Verfügung, die ebenfalls
Verbrechenstatbestände enthalten und sowohl eine angemessene Bestrafung
der bloßen Mittäterschaft als auch eine Erfassung der Verabredung über § 30
StGB ermöglichen. Die Einschränkung einer Vorverlagerung der Strafbarkeit
über § 30 StGB (i.V.m. § 244 a StGB oder § 260 a StGB) im Bereich von Bandendiebstahl
und -hehlerei dürfte von geringer praktischer Relevanz sein und
fällt gegenüber der durch das Erfordernis von mindestens drei Bandenmitgliedern
gewonnenen Rechtssicherheit und -klarheit nicht entscheidend ins Gewicht.
Durch die Anhebung der Mindestmitgliederzahl auf drei Personen werden
im übrigen die Wertungswidersprüche bei den sogenannten gemischten
Banden aus Dieben und Hehlern (vgl. dazu Miehe StV 1997, 247, 248 f.; Erb
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NStZ 1998, 537, 538 f.) gemindert und, wenn die "Bande" lediglich aus einem
Dieb und einem Hehler besteht, sogar gegenstandslos.
b) Die Einschränkung des Anwendungsbereichs der Bandendelikte auf
Verbindungen von wenigstens drei Bandenmitgliedern grenzt die Anwendbarkeit
der prozessualen Vorschriften nicht unverhältnismäßig ein, die die Zulässigkeit
strafprozessualer Untersuchungshandlungen (auch) an die bandenmäßige
Begehung einzelner Delikte anknüpfen (§§ 98 a, 100 a, 100 c, 110 a
StPO). Für den erforderlichen, durch bestimmte Tatsachen zu konkretisierenden
"Verdacht" wird es eher auf die sonstigen Umstände der Tatbegehung ankommen,
wie etwa konspirative Vorbereitung oder tatbegleitende Maßnahmen,
die auf ein organisiertes Verhalten von mehr als zwei Personen hindeuten. Im
übrigen knüpfen sämtliche dieser prozessualen Vorschriften nicht allein an den
Verdacht von Bandendelikten, sondern überwiegend an den Verdacht anderer
Straftaten an.
c) Durch die Änderung des Bandenbegriffs wird auch nicht das Vertrauen
in die Kontinuität der Rechtsprechung beeinträchtigt. Die Kontinuität der
Rechtsprechung war infolge der in Einzelfällen unterschiedlich verwendeten
und ausgelegten Merkmale des "gefestigten Bandenwillens" und des "Tätigwerdens
in einem übergeordneten Bandeninteresse" inhaltlich weitgehend
verlorengegangen. Darüber hinaus erscheint es im Interesse der Rechtssicherheit
sogar sinnvoll, der Praxis mit der Mindestanzahl von drei Bandenmitgliedern
und dem Verzicht auf einen wie auch immer gearteten "Bandenwillen"
klare Vorgaben an die Hand zu geben und damit eine feste Grundlage für die
künftige Rechtsanwendung zu schaffen.
II. Zum Erfordernis der Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds im
Tatbestand des Bandendiebstahls
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Der Tatbestand des § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB, wonach derjenige einen
Bandendiebstahl begeht, der als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten
Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines
anderen Bandenmitglieds stiehlt, setzt nicht voraus, daß wenigstens zwei Bandenmitglieder
örtlich und zeitlich die Wegnahmehandlung zusammen begehen.
Es reicht aus, wenn ein Bandenmitglied als Täter und ein anderes Bandenmitglied
beim Diebstahl in irgendeiner Weise zusammenwirken. Die Wegnahmehandlung
selbst kann auch durch eine bandenfremde Person ausgeführt werden.
1. Nach der früheren Rechtsprechung konnte Täter eines Bandendiebstahls
nur ein Bandenmitglied sein, das beim Bandendiebstahl am Ort der
Wegnahme, wenn auch nicht notwendig körperlich, selbst mitwirkt (BGHSt 8,
205; 25, 18; 33, 50). Dem lag die Auffassung zugrunde, daß die Mitwirkung
beim Diebstahl am Ort der Wegnahme täterschaftsbegründendes und Eigenhändigkeit
voraussetzendes Merkmal sei, weil die vom Gesetz verlangte Mitwirkung
sich auf den Täter beziehe. Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof
mit Urteil vom 9. August 2000 - 3 StR 339/99 (BGHSt 46, 120) aufgegeben
und dahin abgeändert, daß ein Mitglied einer Diebesbande auch dann
Täter eines Bandendiebstahls sein kann, wenn es zwar nicht an der Ausübung
des Diebstahls unmittelbar beteiligt war, aber auf eine andere als täterschaftlichen
Tatbeitrag zu wertende Weise daran mitgewirkt hat. Diese Auslegung des
Mitwirkungsmerkmals hat der Bundesgerichtshof durch Urteil vom 20. September
2000 - 2 StR 186/00 (BGHSt 46, 138) für den Tatbestand des Bandenraubes
gemäß § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB übernommen.
Daß die Täterschaft beim Bandendiebstahl nicht notwendig die unmittelbare
Mitwirkung am Ort der Wegnahme voraussetzt, hat die Rechtsprechung
- 16 -
bisher nur für die Fälle entschieden und anerkannt, in denen wenigstens zwei
weitere Bandenmitglieder den Diebstahl im zeitlichen und örtlichen Zusammenwirken
begangen hatten. Hieran anknüpfend ist nunmehr die Frage zu entscheiden,
ob das Tatbestandsmerkmal "wer ... unter Mitwirkung eines anderen
Bandenmitglieds stiehlt" grundsätzlich ein Zusammenwirken von wenigstens
zwei Bandenmitgliedern am Ort der Wegnahme voraussetzt, auch wenn weitere
Bandenmitglieder im Hintergrund oder bei der Vorbereitung der Tat mitgewirkt
haben. Durch die Entscheidung, daß der Begriff der Bande den Zusammenschluß
von wenigstens drei Personen zu kriminellem Tun voraussetzt, haben
die Bandendelikte generell eine restriktive Auslegung erfahren. Dies ermöglicht
es, die Auslegung des Mitwirkungserfordernisses im Tatbestand des
Bandendiebstahls von der herkömmlichen Betrachtungsweise der Rechtsprechung
zu lösen und die von ihr vorgenommene enge Anbindung an die unmittelbare
Tatausführung aufzugeben.
2. Die Erweiterung des Anwendungsbereichs des Tatbestandes des
Bandendiebstahls in dem Sinne, daß jede Form des Mitwirkens am Diebstahl
und nicht nur die persönliche Beteiligung am Ort der Wegnahme ausreicht, ist
mit dem Wortlaut und der ratio des § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB vereinbar. Dem
stehen weder systematische Gründe entgegen, noch lassen sich durchgreifende
Einwendungen aus der Entstehungsgeschichte der Norm ableiten.
a) Der Gesetzeswortlaut des § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB sagt über die Art
und Weise der Mitwirkung nichts aus. Er legt insbesondere nicht fest, daß es
sich um eine "örtliche und zeitliche Mitwirkung" handeln muß und eine lediglich
fördernde Beteiligung, etwa als Kopf der Bande im Hintergrund des Tatgeschehens,
nicht in Betracht kommt (Eser in Schönke/Schröder StGB, 26. Aufl.,
§ 244 Rdn. 27; Kindhäuser NK-StGB § 244 Rdn. 35; Arzt/Weber BT/2 § 14
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Rdn. 61 f.; Rengier BT/1, 2. Aufl. § 4 VI 2 Rdn. 47; Wessels/Hillenkamp BT/2,
23. Aufl. § 4 III 2 Rdn. 272; Arzt JuS 1972, 576, 579; Schünemann JA 1980,
393, 395; Schild GA 1982, 55, 83; Joerden StV 1985, 329, 330; Meyer JuS
1986, 189, 190; Küper GA 1997, 327, 334; Hohmann NStZ 2000, 258 f.; Sya
NJW 2001, 343, 344; aA Hoyer SK-StGB § 244 Rdn. 36; Taschke StV 1985,
367; Schmitz NStZ 2000, 477, 478).
aa) Der Begriff der Mitwirkung beim Stehlen erfaßt für sich genommen
jede Form der Beteiligung am Diebstahl, die auch sonst nach den allgemeinen
Regeln als Beitrag zur Förderung einer bestimmten Tat gewertet werden kann
(vgl. Joerden StV 1985, 329, 330; Jakobs JR 1985, 342, 343, jeweils Anmerkungen
zu BGHSt 33, 50). Sinn und Zweck des Tatbestands des Bandendiebstahls
verlangen nicht, besondere Anforderungen an die Mitwirkung der Bandenmitglieder
zu stellen. Die besondere Gefährlichkeit des Bandendiebstahls
und damit der Grund für seine höhere Strafwürdigkeit liegt zum einen in der
abstrakten Gefährlichkeit der auf eine gewisse Dauer angelegten allgemeinen
Verbrechensverabredung, der Bandenabrede, zum anderen aber auch in der
konkreten Gefährlichkeit der bandenmäßigen Tatbegehung für das geschützte
Rechtsgut. Zwar wird mit der früheren Rechtsprechung auch von Vertretern der
Literatur die Auffassung vertreten, das Erfordernis des Stehlens unter Mitwirkung
eines anderen Bandenmitglieds kennzeichne die Tatausführung selbst
und solle dem Umstand Rechnung tragen, daß die besondere Gefährlichkeit
der Tat nur bei der räumlichen Anwesenheit von mindestens zwei Bandenmitgliedern
am eigentlichen Tatort vorliege (Eser in Schönke/Schröder, StGB
26. Aufl. § 244 Rdn. 27; Kindhäuser NK-StGB § 244 Rdn. 36; Rengier BT/1 § 4
VI 2 Rdn. 47; Küper BT, 3. Aufl. S. 43 f.; Meyer JuS 1986, 189, 192; Otto StV
2000, 313, 314). Diese Auslegung des Mitwirkungserfordernisses beschränkt
die straferhöhende Wirkung des zweiten Gefährlichkeitselements des Banden-
18 -
diebstahls auf die an den Wegnahmeort gebundene Aktionsgefahr durch wenigstens
zwei Bandenmitglieder. Dem Einschüchterungseffekt sowie der gesteigerten
Durchsetzungsmacht mehrerer Täter gegenüber dem Opfer kommt
beim Bandendiebstahl aber nur sekundäre Bedeutung zu. Eine potentielle Täter-
Opfer-Konfrontation ist dem Tatbestand des Diebstahls nicht von vorneherein
immanent.
bb) Der Tatbestand des § 242 StGB schützt die Rechtsgüter des Eigentums
und des Gewahrsams an einer Sache. Die Vorschrift des § 244 Abs. 1
Nr. 2 StGB setzt voraus, daß durch die bandenmäßige Tatbegehung des Diebstahls
diese Rechtsgüter einer erhöhten Gefährdung ausgesetzt werden. Eine
so verstandene Aktions- und Ausführungsgefahr beim Bandendiebstahl kann
jedoch nicht nur durch gemeinschaftliches Handeln am Ort der Wegnahme,
sondern ebenso durch jedes arbeitsteilige Zusammenwirken wenigstens zweier
Bandenmitglieder bei der Planung und Vorbereitung der Tat oder bei tatbegleitenden
Maßnahmen gesteigert werden. Dies kann der Fall sein, wenn ein
Bandenmitglied die Tat aufgrund seiner Ortskenntnisse oder besonderer Organisationsmöglichkeiten
plant, ein anderes die erforderlichen Vorbereitungen
trifft, indem es die notwendigen Werkzeuge oder Transportmittel besorgt, während
wieder ein anderes Bandenmitglied - möglicherweise wegen seiner besonderen
Kenntnisse und Fähigkeiten - die Sache wegnehmen soll und ein
weiteres Bandenmitglied für den Abtransport und die Sicherung der Beute Sorge
trägt. Eine derartige Arbeitsteilung, die vor allem für organisierte und spezialisierte
Diebesbanden typisch ist, ist zumindest genauso gefährlich wie die
Arbeitsteilung am Ort der Wegnahme selbst (so schon Arzt JuS 1972, 576,
579; Jakobs JR 1985, 340, 343; aA Zopfs GA 1995, 320, 327 f.; Engländer GA
2000, 578, 582).
- 19 -
b) Ein Festhalten am Erfordernis eines zeitlichen und örtlichen Zusammenwirkens
von wenigstens zwei Bandenmitgliedern am Wegnahmeort ist
nicht aus gesetzessystematischen Gründen geboten. Zwar trifft es zu, daß die
Bandendelikte im Gesetz unterschiedlich tatbestandlich ausgestaltet sind; außer
§ 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB fordert nur eine relativ geringe Zahl die Mitwirkung
eines anderen Mitglieds (§ 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB, § 373 Abs. 2 Nr. 3 AO 1977,
§ 19 Abs. 2 Nr. 1, § 22 a Abs. 2 KWKG, § 52 a Abs. 2 WaffG), während eine
Vielzahl anderer Tatbestände, namentlich § 260 Abs. 1 Nr. 2, § 260 a Abs. 1
StGB, § 30 Abs. 1 Nr. 1, § 30 a Abs. 1 BtMG, auf dieses Merkmal verzichtet.
Daraus lassen sich jedoch für die Tatbestände, die das Mitwirkungserfordernis
enthalten, insbesondere aber für § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB, keine Anforderungen
an die inhaltliche Auslegung dieses Merkmals ableiten. Aus der vom Gesetzgeber
erkennbar vorgenommenen Differenzierung folgt lediglich, daß das
Mitwirkungserfordernis nicht in einer Weise ausgelegt werden darf, daß ihm
keine eigenständige, tatbestandsumschreibende Bedeutung mehr zukommt.
Das ist aber beim Bandendiebstahl nicht der Fall, solange - entsprechend dem
Wortlaut des § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB - ein irgendwie geartetes Zusammenwirken
des Täters mit einem anderen Bandenmitglied gefordert wird. Auch dann
kommt dem Mitwirkungserfordernis eine den Anwendungsbereich der Vorschrift
beschränkende Funktion zu. Einen Bandendiebstahl begeht weder das Mitglied
einer Bande, das einen Diebstahl allein ohne Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds
verübt, noch dasjenige, das bei der Tat ausschließlich mit bandenfremden
Personen zusammenwirkt. Die Ausklammerung solcher Fälle aus
dem Tatbestand des Bandendiebstahls macht auch Sinn, weil in ihnen die besondere
Gefährlichkeit der Bandenabrede und die der bandenmäßigen Tatbegehung
nicht gleichzeitig zum Tragen kommen.
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Gegen die schon vom vorlegenden Senat im Anfrage- und Vorlegungsverfahren
vertretene weite Auslegung des Mitwirkungserfordernisses in § 244
Abs. 1 Nr. 2 StGB läßt sich nicht mit Erfolg einwenden, diese Auslegung erfasse,
indem sie irgendeine Beteiligungshandlung eines anderen Bandenmitglieds
genügen lasse, allein den Strafschärfungsgrund der erhöhten Organisationsgefahr,
die sich aus dem Bandenzusammenschluß ergebe und als solche
schon Inhalt des Tatbestandsmerkmals der Mitgliedschaft in der Bande sei
(Engländer GA 2000, 578, 581 f.; ders. JR 2001, 78, 79). Auch die weite Auslegung
des Mitwirkungsmerkmals trägt dem Gesichtspunkt der gesteigerten
Ausführungsgefahr Rechnung, weil die Tatbeiträge der einzelnen Bandenmitglieder
in die Tatausführung einfließen und sich in ihrer Wirkung gegenseitig
verstärken. Diese die Effizienz der Tathandlung erhöhende bandenmäßige
Ausführungsgefahr ist nicht gleichzusetzen mit der schon vom bandenmäßigen
Zusammenschluß ausgehenden Organisationsgefahr. Denn die abstrakte Gefährlichkeit
der Bandenabrede liegt in der engen Bindung, die die Mitglieder für
die Zukunft und für eine gewisse Dauer eingehen und die einen ständigen Anreiz
zur Fortsetzung bildet (vgl. BGHSt 23, 239, 240). Die Steigerung der Effektivität
der Tatausführung ist ein hiervon unabhängiges Gefährlichkeitselement,
das die Bandendelikte, die die Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds
bei der Tatbegehung vorsehen, nach wie vor von denjenigen Bandendelikten
unterscheidet, die kein ausdrücklich im Tatbestand genanntes Mitwirkungsmerkmal
enthalten. Bei diesen genügt die Realisierung der im bandenmäßigen
Zusammenschluß liegenden Organisationsgefahr, indem ein Bandenmitglied
die Tat für die Bande begeht.
Der Verzicht auf das Erfordernis eines örtlichen und zeitlichen Zusammenwirkens
von (mindestens) zwei Bandenmitgliedern am Tatort fügt sich
zwanglos an die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 244
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Abs. 1 Nr. 2 StGB an. Nach übereinstimmender Auffassung aller Strafsenate
des Bundesgerichtshofs muß sich der Täter des Bandendiebstahls nicht mehr -
wie nach früherer Rechtsprechung - selbst am Tatort an der Ausführung des
Diebstahls unmittelbar beteiligen. Vielmehr reicht es aus, wenn er auf eine andere
- als täterschaftliche Beteiligung zu wertende - Weise daran mitgewirkt hat
(BGHSt 46, 120 und 138). Setzt aber die Verurteilung wegen täterschaftlichen
Bandendiebstahls nicht mehr voraus, daß der Angeklagte selbst am Tatort anwesend
war, so liegt es nahe, die Tatbestandsmäßigkeit seines Verhaltens als
Bandendiebstahl im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB auch nicht mehr davon
abhängig zu machen, daß zwei andere Bandenmitglieder sich an der Wegnahmehandlung
am Tatort in räumlichem und zeitlichem Zusammenwirken beteiligt
haben.
c) Auch aus der Entstehungsgeschichte des § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB
lassen sich durchgreifende Einwendungen gegen die weite Auslegung des
Mitwirkungserfordernisses nicht ableiten. Zwar hat der Gesetzgeber des 1.
Strafrechtsreformgesetzes, mit dem § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB aF - die Vorläufervorschrift
des § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB - in das Strafgesetzbuch eingefügt
wurde, die höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 243 Nr. 6 StGB aF gekannt
und gebilligt, wonach nur diejenigen Bandenmitglieder als Täter des Bandendiebstahls
in Betracht kamen, die örtlich und zeitlich an dem Diebstahl mitgewirkt
hatten; auch hat er den Vorschlag, das Merkmal der Mitwirkung in § 244
Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F. und § 244 a StGB zu streichen, verworfen (vgl. Niederschriften
über die Sitzungen des Unterausschusses des Rechtsausschusses
des Bundesrats, Sitzung vom 2. April 1990, S. 41). Indes kann dieser Wille des
Gesetzgebers nicht als maßgebliches Argument gegen eine das Mitwirkungserfordernis
inhaltlich erweiternde Auslegung geltend gemacht werden. Bei der
Schaffung neuer Bandendelikte ist weitgehend unklar geblieben, warum der
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Gesetzgeber - etwa im Betäubungsmittelstrafrecht - auf das Mitwirkungserfordernis
verzichtet oder es - besonders zweifelhaft - im Waffenrecht weiterhin
verlangt hat (vgl. Nadler NStZ 1985, 162; Katholnigg/Brüner ZRP 1984, 173 f.;
Engländer JR 2001, 78, 79). Angesichts dieser wenig stringenten Unterscheidung
innerhalb der Bandendelikte ist ein Wille des historischen Gesetzgebers,
der einer erweiternden Auslegung des Mitwirkungsmerkmals durch die Rechtsprechung
ernstlich entgegenstünde, nicht festzustellen.
3. Das Merkmal der Mitwirkung beim Bandendiebstahl setzt ferner nicht
voraus, daß jedes der zusammenwirkenden Bandenmitglieder Täter ist. Es genügt
für den Tatbestand auch, wenn ein Bandenmitglied mit einem anderen
Bandenmitglied in irgendeiner Weise, etwa als Gehilfe, zusammenwirkt. Auch
dann findet das Gefährlichkeitspotential der Bande in der von mehreren Bandenmitgliedern
ausgeführten Tat seinen Niederschlag (vgl. Ruß in LK 11. Aufl.
§ 244 Rdn. 13; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 244 Rdn. 22; Wessels/
Hillenkamp BT/2, 23. Aufl. § 4 III 2 Rdn. 272, jew. m. Nachw.).
Die Voraussetzungen eines Bandendiebstahls können selbst dann erfüllt
sein, wenn die Wegnahmehandlung von einem Nichtbandenmitglied für die
Bande ausgeführt wird. Bedienen sich die Mitglieder einer Bande eines Nichtmitgliedes
als Hilfsperson, weil dieses z.B. über spezielle Kenntnisse oder Fähigkeiten
verfügt, die die unmittelbare Wegnahmehandlung erst ermöglichen
oder zumindest erleichtern, so hindert das die Annahme eines Bandendiebstahls
nicht, wenn im übrigen zwei Mitglieder der aus zumindest drei Personen
bestehenden Bande am Diebstahl mitwirken und wenigstens einem von ihnen
die unmittelbare Tatausführung des Nichtmitgliedes als Täter zuzurechnen ist.
Denn auch beim Bandendiebstahl gelten die allgemeinen Teilnahme- und Zurechnungsregeln,
nach denen Täterschaft nicht zwingend eine Mitwirkung am
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Kerngeschehen voraussetzt. So kann für die Annahme von Mittäterschaft ausreichen,
wenn mehrere die Begehung eines Diebstahls derart vereinbaren, daß
nur einer von ihnen die Wegnahme (körperlich) durchführen soll, weil dieser
besser als die anderen dazu geeignet ist (vgl. BGHSt 16, 12, 14 f.). Der Umstand,
daß ein unmittelbar die Wegnahme ausführender Dritter nicht Mitglied
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der Bande ist, steht nur dessen Verurteilung als Täter eines Bandendiebstahls
entgegen, nicht aber der Annahme eines Bandendiebstahls.
Hirsch Jähnke Meyer-Goßner
Kutzer Schäfer Detter
Rissing-van Saan Häger Basdorf
Wahl Tolksdorf



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