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BGH, Beschluss vom 25. Februar 2003 - 4 StR 30/03


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 25.2.2003 - 4 StR 30/03
4 StR 30/03
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
25. Februar 2003
in der Strafsache gegen
wegen Vergewaltigung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 25. Februar 2003 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Siegen vom 12. September 2002 im Maßregelausspruch mit den Feststellungen, einschließlich derjenigen zur erheblich verminderten Schuldfähigkeit, aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat zum Maßregelausspruch Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und zum Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Insoweit verweist der Senat auf die Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 27. Januar 2003.
2. Dagegen hat der Maßregelausspruch keinen Bestand. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus kommt nur bei solchen Personen in Betracht, deren Schuldunfähigkeit oder erheblich verminderte Schuldfähigkeit durch einen positiv festgestellten länger bestehenden und nicht nur vorübergehenden Zustand im Sinne der §§ 20, 21 StGB hervorgerufen ist (st. Rspr.; BGHSt 34, 22, 27). Daß bei dem Angeklagten ein solcher Zustand vorliegt, ist nicht rechtsfehlerfrei dargelegt.
a) Das Landgericht hat sich die "überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen V." (UA 14/15) zu eigen gemacht und angenommen, die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten sei bei der Tat "aufgrund einer Borderline-Persönlichkeitsstörung im Sinne F 60.31 der ICD 10, welche eine andere seelische Abartigkeit i.S.d. § 20 StGB darstellt" (UA 12), im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert gewesen. Zur Begründung ist dazu u.a. ausgeführt:
"Diese Persönlichkeitsstörung ist gekennzeichnet durch die deutliche Tendenz, Impulse ohne Berücksichtigung von Konsequenzen auszuagieren und wechselnder launenhafter Stimmung (...). Beim Angeklagten lag auf jeden Fall die Tendenz, unerwartet und ohne Berücksichtigung der Konsequenzen zu handeln, vor. Ihm mußte klar sein, daß ihn nach der Tat die Zeugin jederzeit würde identifizieren können. Darüber hinaus liegt bei ihm auch eine Störung und Unsicherheit bzgl. des Selbstbildes und innerer Präferenzen (einschließlich sexueller) vor. Sein gesamter Tagesablauf war gekennzeichnet durch die depressiv anmutenden und innerlich leeren Strukturen. Er hatte sich von seiner Familie zurückgezogen und verbrachte ab dem frühen Abend viel Zeit alleine in seinem Pkw mit dem Trinken von Alkohol. Im Falle der Borderline-Strukturierung ist die Persönlichkeitsstörung auch dadurch gekennzeichnet, daß der Täter ihm unangenehme Einflüsse in seiner Verarbeitung einfach ´ausstanzt´. Dies gilt im vorliegenden Fall im Hinblick auf die Abweisungen und das Weinen der Zeugin. Der Angeklagte hat dies zwar für sich wahrgenommen, aber nicht wie eine normale Person verarbeitet, sondern in den Hintergrund gedrängt" (UA 12, 13).
b) Der Senat stellt die Diagnose einer Borderline-Persönlichkeitsstörung durch den Sachverständigen nicht in Frage (zur beschränkten Inhaltskontrolle der in der Tatsacheninstanz erstatteten Gutachten durch das Revisionsgericht vgl. BGH NJW 1998, 3654, 3655). Die Diagnose einer Borderline-Persönlichkeitsstörung belegt aber für sich allein den für die Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB vorausgesetzten Zustand zumindest erheblich verminderter Schuldfähigkeit noch nicht (BGHSt 42, 385, 388 m.krit. Besprechung Kröber und Dannhorn NStZ 1998, 80 ff.; BGH NStZ 2002, 142). Dieser setzt vielmehr regelmäßig voraus, daß der Täter aus einem mehr oder weniger unwiderstehlichen Zwang heraus gehandelt hat (BGHSt aaO; BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 13). Schon dies ist nicht dargetan, zumal das Landgericht die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten gerade darin "dokumentiert" gesehen hat, "daß er durchaus konsequent sein Ziel verfolgte und auch erreicht hat (und) auch situativ in der Lage (war), auf Wünsche und Ängste der Zeugin ... einzugehen und entsprechend zu handeln" (UA 13).
Im übrigen belegen auch die mitgeteilten Persönlichkeitsmerkmale eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit nicht. Die bei dem Angeklagten festgestellten Charakter- und Verhaltensauffälligkeiten liegen bei Straftätern häufig vor und lassen für sich genommen eine generalisierende Aussage zur Frage der Schuldfähigkeit nicht zu. Die vom Sachverständigen beschriebenen Auffälligkeiten in der Persönlichkeit des Angeklagten sind deshalb von Eigenschaften und Verhaltensweisen abzugrenzen, die sich noch innerhalb der Bandbreiten menschlichen Verhaltens bewegen und Ursache für strafbares Tun sein können, ohne daß sie die Schuldfähigkeit "erheblich" - eine vom Richter ohne Bindung an die Auffassung des Sachverständigen zu beantwortende Rechtsfrage (BGHSt 43, 66, 77) - im Sinne des § 21 StGB berühren (BGHSt 42, 385, 388; BGH StV 1997, 630). Dazu bedarf es einer Gesamtschau, ob die nicht pathologisch bestimmten Störungen in ihrem Gewicht den krankhaften seelischen Störungen entsprechen und Symptome aufweisen, die in ihrer Gesamtheit das Leben des Täters vergleichbar schwer und mit ähnlichen Folgen stören, belasten oder einengen (st. Rspr.; vgl. BGHSt 34, 22, 28; 37, 397, 401). Daran fehlt es.
c) Der Maßregelausspruch kann deshalb nicht bestehen bleiben. Daß das Landgericht - auch insoweit dem Sachverständigen folgend - im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose angenommen hat, es sei zu erwarten, daß der Angeklagte "in unbehandeltem Zustand weiter versucht, seine innere Leere durch ähnliche Taten zu füllen" (UA 15), führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn die Unterbringung nach § 63 StGB dient nicht dazu, Straftäter ohne Vorliegen der übrigen Voraussetzungen allein wegen ihrer Behandlungsbedürftigkeit der zeitlich unbefristeten und deshalb besonders belastenden Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu unterwerfen. Der Senat kann aber nicht in der Sache selbst dahin entscheiden, daß die Maßregelanordnung entfällt, weil angesichts der bisher unzureichenden Prüfung durch das Landgericht nicht mit der nötigen Sicherheit auszuschließen ist, daß sich - tunlichst unter Hinzuziehung eines weiteren Sachverständigen - noch Feststellungen treffen lassen, die die Maßregelanordnung tragen können.
3. Der aufgezeigte Rechtsfehler berührt zwar auch die Schuldfähigkeitsbeurteilung durch das Landgericht, läßt aber gleichwohl den Schuld- und den Strafausspruch unberührt. Denn auch unter Berücksichtigung der vom Landgericht rechnerisch ermittelten maximalen Tatzeit-Blutalkoholkonzentration von 2,37 % hat es eine vollständige Aufhebung der Schuldfähigkeit rechtsfehlerfrei ausgeschlossen; durch die Annahme der Voraussetzungen des § 21 StGB ist der Angeklagte bei der Strafzumessung nicht beschwert. Sofern die neue Hauptverhandlung wiederum zur Feststellung einer tatauslösenden Persönlichkeitsstörung beim Angeklagten führt, die aber nicht schon für sich allein, sondern erst im Zusammenwirken mit der Tatzeit-Alkoholisierung die Voraussetzungen des § 21 StGB begründet, käme die Anordnung einer Unterbringung des Angeklagten nach § 63 nur unter engen Voraussetzungen in Betracht (vgl. BGHSt 44, 338 und 369; BGHR StGB § 63 Zustand 12, 30).
Tepperwien Maatz Kuckein Athing Ernemann 



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