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BGH, Beschluss vom 26. Februar 2003 - 5 StR 27/03


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 26.2.2003 - 5 StR 27/03
5 StR 27/03
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 26. Februar 2003
in der Strafsache gegen
wegen Körperverletzung mit Todesfolge
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat am 26. Februar 2003 beschlossen:
1. Der Nebenklägerin wird für das Revisionsverfahren gemäß § 397a Abs. 2 StPO Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt K aus Bremen bewilligt.
2. Auf die Revision der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Bremen vom 23. September 2002 entsprechend § 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO im Schuldspruch dahin abgeändert, daß der Angeklagte der Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) schuldig ist; der Rechtsfolgenausspruch bleibt aufrechterhalten.
3. Kosten und Auslagen im Revisionsverfahren werden nicht erhoben.
Gründe:
Das Schwurgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und hat seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die Schwester des Getöteten hat sich dem Verfahren als Nebenklägerin angeschlossen. Ihre Revision, mit der die unterbliebene anklagegemäße Verurteilung des Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge beanstandet wird, führt mit der Sachrüge - unter Aufrechterhaltung des Rechtsfolgenausspruchs - zur entsprechenden Schuldspruchänderung.
1. Nach den Urteilsfeststellungen schlug der alkoholkranke, infolge Alkoholkonsums erheblich vermindert steuerungsfähige Angeklagte auf sein Opfer, einen Wohnungsnachbarn, ein; er versetzte ihm ferner einen Stoß mit dem Knie in die Rippen und einen Schlag mit einem Messerknauf auf den Kopf. Das Opfer war unmittelbar zuvor mit einer Flasche auf den Angeklagten losgegangen; zwischen den Männern bestand Streit, weil das Opfer seinen Müll unzulänglich beseitigte, was den Angeklagten stark belästigte. Das aus einer Platzwunde am Kopf stark blutende Opfer, das zudem aus der Nase blutete und weitere Verletzungen im Kopf- und Halsbereich sowie Rippenbrüche erlitten hatte, lehnte das Angebot des Angeklagten, einen Arzt oder einen Krankenwagen zu holen, ab. Der Mann verblutete anschließend infolge der erlittenen Verletzungen in seiner Wohnung; seine Blutgerinnung war aufgrund langjährigen Alkoholmißbrauchs gestört.
2. Die Erwägungen, mit denen das Schwurgericht es abgelehnt hat, dem Angeklagten den erwiesenermaßen durch die Körperverletzung verursachten Tod des Opfers - und zwar in Ermangelung auch nur leichtester Fahrlässigkeit, die ausreicht (§ 227 Abs. 1, § 18 StGB) - zuzurechnen, halten sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Schwurgericht hat hierfür maßgeblich auch das Verhalten des Verletzten nach der Tat mitherangezogen, der ärztliche Hilfe ablehnte und nur weitertrinken wollte. Darin könnte allenfalls ein ganz schwaches Indiz für die Vorhersehbarkeit der Folgen der Tat bei deren Begehung gefunden werden. Hier belegen die alsbaldigen wiederholten Angebote des Angeklagten, sich um ärztlichen Beistand bemühen zu wollen, sogar im Gegenteil, daß er die Gefährlichkeit der von ihm gesetzten Verletzungen zutreffend erkannt hatte. Daß wiederholte gegen Kopf und Körper gerichtete, blutende Wunden verursachende Mißhandlungen, auch wenn sie ohne besonderen Kraftaufwand ausgeübt wurden, zumal bei einem körperlich geschwächten Opfer zum Tod führen können, ist - auch wenn es nicht überaus wahrscheinlich sein mag - ohne weiteres vorhersehbar. An dieser klaren Bewertung kann regelmäßig auch der Umstand erheblicher alkoholischer Beeinträchtigung des Täters nichts ändern (vgl. dazu BGHR StGB § 226 [a.F.] Todesfolge 6 und 7; BGH NStZ-RR 1997, 296). Dies gilt zumal bei einem, wie hier, hochgradig alkoholgewohnten Täter. Einem solchen Angeklagten darf die Rechtsordnung in diesem Bereich keinen grundlegend niedrigeren Sorgfaltsmaßstab zubilligen.
Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen und zur Kenntnis des Angeklagten von der massiven Alkoholkrankheit und der Verwahrlosung seines Opfers, die dessen besondere Schwächung bedingten, belegen die Voraussehbarkeit der tödlichen Folge eindeutig. Bei dieser Sachlage kann der Senat von sich aus den Schuldspruch - der Anklage gemäß - auf Körperverletzung mit Todesfolge umstellen (vgl. BGH NStZ-RR 1997, 296, 297).
3. Der Rechtsfolgenausspruch bleibt von dem Rechtsfehler unberührt. Dies gilt hier ausnahmsweise auch für die Höhe der erkannten Freiheitsstrafe. Der Senat kann ausschließen, daß das Schwurgericht bei zutreffender Beurteilung des Schuldspruchs eine höhere Strafe gegen den Angeklagten verhängt hätte. Es hat die Strafe offenbar - ausdrückliche Ausführungen fehlen freilich - dem nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Regelstrafrahmen des § 224 Abs. 1 StGB entnommen. Dieser Strafrahmen unterscheidet sich allein durch eine etwas geringere Mindeststrafe (ein Monat statt drei Monate Freiheitsstrafe) von dem nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen aus § 227 Abs. 2 StGB für einen minder schweren Fall der Körperverletzung mit Todesfolge. Da nach den Feststellungen die Voraussetzungen der ersten Alternative des § 213 StGB eindeutig gegeben waren, kam hier ausschließlich dieser Strafrahmen in Betracht (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 227 Rdn. 11). Da sich das Schwurgericht nicht an der Mindeststrafe orientiert, darüber hinaus - aus seiner Sicht inkonsequent - die Todesfolge strafschärfend berücksichtigt hat, ist mit Sicherheit auszuschließen, daß es bei zutreffender strengerer Beurteilung des Schuldspruchs eine höhere Strafe verhängt hätte.
4. Der vorliegende ungewöhnlich gelagerte Ausnahmefall erlaubt
dem Senat - anders als regelmäßig zulässig (vgl. BGH, Beschl. v. 30. März 1994 - 3 StR 628/93) - bei der gegebenen Einstimmigkeit, auf die auf die Revision der Nebenklägerin die allein veranlaßte Schuldspruchänderung in entsprechender Anwendung von § 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO durch Beschluß vorzunehmen, nachdem der Generalbundesanwalt die Verwerfung der Revision nach § 349 Abs. 2 StPO beantragt hat. Die gebotene Schuldspruchberichtigung hätte der Angeklagte sogar für den Fall, daß lediglich über seine eigene Revision zu befinden gewesen wäre, im Rahmen der Beschlußverwerfung nach § 349 Abs. 2 StPO hinzunehmen gehabt (vgl. Kuckein in KK 4. Aufl. § 349 Rdn. 29 und § 358 Rdn. 18). Der allein zugunsten des Angeklagten bestehende Schutzzweck der Regelung des § 349 Abs. 4 StPO, wonach eine Urteilsaufhebung durch Beschluß zuungunsten des Angeklagten auf eine Revision der Staatsanwaltschaft oder eines Nebenklägers nicht vorgesehen ist, wird bei der vorliegenden Verfahrenskonstellation mithin nicht tangiert. Im übrigen hat sich der Verteidiger, der ebenso wie Nebenklägervertreter und Generalbundesanwalt zu der erwogenen Verfahrensweise angehört worden ist, im Interesse des Angeklagten für eine Erledigung des Revisionsverfahrens im Beschlußwege ausgesprochen, durch die eine alsbaldige Rechtskraft des bisherigen Rechtsfolgenausspruchs durchgesetzt werden könne. Bei dieser Sachlage erachtet der Senat - nicht anders als in einigen anderen von § 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO nicht unmittelbar erfaßten, ähnlich untypisch gelagerten Fällen (vgl. BGHSt 44, 68, 82; BGHR StPO § 349 Abs. 4 Revision der Staatsanwaltschaft 1; BGH NStZ-RR 1996, 130, 131; BGH, Beschl. v. 29. Januar 2003 - 5 StR 42/02) - eine Entscheidung durch Beschluß für zulässig und vorzugswürdig.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung orientiert sich an § 8 GKG und § 472 Abs. 1 Satz 2, § 473 Abs. 3 und Abs. 4 StPO. Notwendige Auslagen der Nebenklägerin, die der Staatskasse nicht überbürdet werden können (vgl. Franke in KK 4. Aufl. § 473 Rdn. 9), dem Angeklagten aufzuerlegen, entspräche bei der gegebenen Sachlage nicht der Billigkeit. Dies gilt ungeachtet des im Blick auf § 400 StPO umfassenden Erfolges der Revision der Nebenklägerin, der indes nach § 397a Abs. 2 StPO Prozeßkostenhilfe zu bewilligen ist.
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