BGH,
Beschl. v. 27.6.2001 - 1 StR 210/01
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 210/01
vom
27. Juni 2001
in der Strafsache gegen
wegen Betruges
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Juni 2001
beschlossen:
1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision
gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 6. Oktober
1999 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird
als unzulässig verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten dieses Rechtsmittels und die ihm dadurch
entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe:
Der Angeklagte wurde am 6. Oktober 1999 wegen Betrugs zu drei Jahren
und neun Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Unmittelbar nach der
Urteilsverkündung erklärte er nach
Rücksprache mit seinem Verteidiger Rechtsmittelverzicht.
Nunmehr legt er Revision ein. Er macht Unwirksamkeit des
Rechtsmittelverzichts geltend und beantragt, ihm gegen die
Versäumung der Rechtsmittelfrist - vorsorglich auch gegen die
Versäumung weiterer Fristen - Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand zu gewähren.
1.) Die Revision ist schon deshalb unzulässig (§ 349
Abs. 1 StPO), weil die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand nicht vorliegen.
Der Angeklagte trägt vor, dem Verteidiger sei bis zu dessen
"Lektüre des Karlsruher Kommentars zur StPO, Auflage 1999" am
24. Februar 2001 "die sich abzeichnende neue Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs zur möglichen Unwirksamkeit eines
Rechtsmittelverzichts bei Willensmängeln des Angeklagten,
insbesondere bei einer vorherigen Absprache zur einvernehmlichen
Verfahrensbeendigung, nicht bekannt" gewesen. Danach habe ihn der
Verteidiger hiervon unverzüglich unterrichtet.
Das Bekanntwerden neuerer gerichtlicher Entscheidungen kann jedoch eine
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht begründen (vgl.
Wendisch in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 44 Rdn.
27, 54).
2.) Im übrigen könnte aber auch das weitere
Vorbringen des Angeklagten die Unwirksamkeit des Rechtsmittelverzichts
nicht belegen.
Die Niederschrift der Hauptverhandlung vom 6. Oktober 1999 ergibt
keinen Anhaltspunkt dafür, daß auch ein
Rechtsmittelverzicht Gegenstand der Erörterung mit der
Strafkammer gewesen wäre (für diesen Fall vgl. BGHSt
45, 227, 230 f), oder daß sonst ein unzulässiger
Druck auf den Angeklagten ausgeübt worden wäre. Zwar
kann, unbeschadet der nur begrenzten Überprüfbarkeit
der Niederschrift (§§ 273, 274 StPO; vgl. hierzu
BGHSt aaO, 228) auch frei-beweislich ein rechtlich
unzulässiges Geschehen festgestellt werden,
gleichgültig, ob es sich in oder außerhalb der
Hauptverhandlung ereignet hat (BGHSt aaO). Das entsprechende Vorbringen
steht jedoch in Widerspruch zu der (vom Angeklagten auch selbst
vorgetragenen) dienstlichen Äußerung des
Vorsitzenden vom 20. April 2001. Danach war in den
Erörterungen mit der Strafkammer von einem
Rechtsmittelverzicht nicht die Rede.
Verfahrensverstöße müssen jedoch erwiesen
sein und können nicht lediglich nach dem Grundsatz "im Zweifel
für den Angeklagten" unterstellt werden (vgl. speziell
für den Ablauf von Gesprächen über eine
einvernehmliche Verfahrensbeendigung BGH NStZ 1997, 561, NStZ 1993, 196
m.w.Nachw.). Soweit sich der Beschwerdeführer auf die
Stellungnahme des Vorsitzenden vom 8. Dezember 1999 beruft, mit der
dieser den Antrag des (bestellten) Verteidigers Rechtsanwalt B. auf
Zuerkennung einer Pauschgebühr (§ 99 BRAGO)
befürwortet, ergibt sich nichts anderes. Hier heißt
es, daß der Angeklagte "eine typische
Betrügerpersönlichkeit (sei), die zunächst
sich nicht zu dem erhobenen Tatvorwurf bekannte, dann aber aufgrund des
erdrückenden Ergebnisses der Beweisaufnahme
schließlich die Tat doch einräumte", es sei "aber
durchaus nachzuvollziehen, daß es Schwierigkeiten machte,
beim Angeklagten als einzig sinnvolle Konsequenz das Ablegen eines
Geständnisses durchzusehen". Ein unzulässiger Druck
des Gerichts auf den Angeklagten ist daraus nicht erkennbar (vgl. auch
BGH StV 1999, 407).
Ohne daß es darauf ankäme, inwieweit Verhalten des
Verteidigers überhaupt gerichtlicher
Überprüfung unterliegt (vgl. hierzu BGH b. Holtz, MDR
1996, 120), kann der Senat dieser Erklärung des Vorsitzenden
aber auch keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, daß
der Verteidiger den Angeklagten nicht nur
pflichtgemäß über das auf Grund der bisher
durchgeführten Hauptverhandlung zu erwartende Ergebnis beraten
habe, sondern ihm in unzulässiger Weise zum Ablegen eines
Geständnisses (und der Abgabe eines Rechtsmittelverzichts)
gedrängt habe.
Bestätigt wird dies im übrigen auch durch den
weiteren Verfahrensgang. Wie sich aus einer vom Angeklagten vorgelegten
Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 22. März 2001
und einem Schreiben von Rechtsanwalt B. an Rechtsanwalt T. vom 2. April
2001 ergibt, hat Rechtsanwalt B. im Auftrag des Angeklagten intensive
Verhandlungen mit der Staatsanwaltschaft über Fragen der
Strafvollstreckung geführt und einen zeitweiligen
Strafaufschub erwirkt. Es ist ausgeschlossen, daß der
Angeklagte Rechtsanwalt B. derartige Aufträge erteilt
hätte, wenn ihn Rechtsanwalt B. im Rahmen des
Erkenntnisverfahrens unter Druck gesetzt und ihn so zu ihm nachteiligen
Prozeßverhalten veranlaßt hätte.
3. Auch der Antrag gemäß § 47 Abs. 2 StPO
ist damit gegenstandslos.
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