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BGH, Beschluss vom 27. Juni 2001 - 2 StR 204/01


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 27.6.2001 - 2 StR 204/01
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 204/01
vom
27. Juni 2001
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
- 2 -
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 27. Juni 2001 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Darmstadt vom 18. Dezember 2000 im Rechtsfolgenausspruch
mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel,
an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Gründe:
I.
Das Landgericht hat die Angeklagten des gemeinschaftlichen unerlaubten
Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünfzehn
Fällen schuldig gesprochen. Den Angeklagten W. hat es zu einer Gesamtfreiheitsstrafe
von fünf Jahren und neun Monaten und den Angeklagten
M. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten
verurteilt. Die sichergestellten Betäubungsmittel, die Konsum- und Verpakkungsutensilien,
die Waagen, das Toshiba-Notebook, die Mobiltelefone und
die Handy-Karten wurden eingezogen. Das sichergestellte Bargeld in Höhe von
- 3 -
DM 650 und DM 2.950, der sichergestellte Schmuck sowie das Piaggio Kleinkraftrad,
Typ C 01 (FW ZAPC 01 000000 28226) wurden für verfallen erklärt.
Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten die Verletzung formellen und materiellen
Rechts. Die Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg, soweit sie
sich gegen den Rechtsfolgenausspruch richten. Im übrigen sind sie unbegründet
im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
II.
1. Aufzuheben ist das Urteil, soweit eine Entscheidung zur Frage der
Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
Die Strafkammer hat es unterlassen zu prüfen, ob die Voraussetzungen
für die Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64
StGB erfüllt sind. Das hätte geschehen müssen, weil die getroffenen Feststellungen
hierzu drängten.
Danach konsumierte der Angeklagte W. seit ca. Mitte 1999 erneut
Heroin, nachdem er zuvor von Ende 1995 an pausiert hatte. Das letzte halbe
Jahr vor seiner Festnahme, das heißt, zur Tatzeit von Mitte Januar 2000 bis
22.3.2000, konsumierte er kein Heroin mehr, nahm jedoch aufgrund ärztlicher
Verordnung Methadon zu sich. Das Landgericht geht - ohne Anhörung eines
Sachverständigen - davon aus, daß der Angeklagte W. aufgrund seines
Methadonkonsums im Tatzeitraum an einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung
sowie einer erheblichen Verminderung seiner "Einsichtsfähigkeit" (gemeint ist
offensichtlich hier - wie auch im Fall M. - die Steuerungsfähigkeit) litt, und
kommt daher zu einer Strafrahmenmilderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB hinsichtlich
der Einzelstrafen.
- 4 -
Nach den Urteilsfeststellungen ist der Angeklagte M. seit Mai 1999
heroinabhängig. Von den alle vier Tage erfolgten Heroinlieferungen zweigte er
jeweils 2 Gramm mit einem Heroinhydrochloridgehalt von 24 % zum Eigenkonsum
ab. Die nicht sachverständig beratene Kammer gelangt zu der Auffassung,
daß der Angeklagte M. aufgrund seines Heroinkonsums im Tatzeitraum an
einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung und einer erheblichen Verminderung
seiner "Einsichtsfähigkeit" litt, was auch bei ihm zu einer Strafrahmenmilderung
gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB hinsichtlich der Einzelstrafen führte.
Diese Feststellungen legen bei beiden Angeklagten einen Hang zu
übermäßigem Rauschmittelkonsum nahe (vgl. BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang
1). Nicht nur das vom Angeklagten W. zunächst konsumierte Heroin,
sondern auch das zur Tatzeit konsumierte Methadon ist ein berauschendes
Mittel im Sinne des § 64 StGB (vgl. BGH, Beschl. vom 5. Juli 2000 - 2 StR
87/00 - m.w.N.; BGH NStZ 98, 414). Wenn die Strafkammer weiter feststellt,
aufgrund des Rauschmittelkonsums habe im Tatzeitraum eine erheblich verminderte
"Einsichtsfähigkeit" vorgelegen, so liegt es auch nahe, daß die Taten
auf den Hang zurückgehen. Angesichts dieser Umstände hätte der Tatrichter
prüfen und entscheiden müssen, ob bei den Angeklagten die Gefahr besteht,
daß sie auch in Zukunft infolge des bei ihnen offenbar vorhandenen Hanges
erhebliche rechtswidrige Taten begehen werden. Die Unterbringung nach § 64
StGB ist zwingend anzuordnen, wenn die rechtlichen Voraussetzungen der
Maßregel gegeben sind (vgl. BGHSt 37, 5, 6; BGHR StGB § 64 Anordnung 1).
Daß keine hinreichend konkrete Aussicht eines Behandlungserfolges besteht,
ist nicht ersichtlich.
2. Die Strafaussprüche zu den Gesamt- und Einzelstrafen können nicht
bestehen bleiben.
- 5 -
Die unterbliebene Prüfung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
wird der neue Tatrichter unter Hinzuziehung eines Sachverständigen
(§ 246 a StPO) nachzuholen haben. Es ist nicht auszuschließen, daß die zu
§ 21 StGB getroffenen Feststellungen davon beeinflußt werden. Die gesetzlich
gebotene Vernehmung eines Sachverständigen über den Zustand der Angeklagten
kann insoweit doppelt relevante Tatsachen ergeben und auf die Bewertung
der verminderten Schuldfähigkeit Auswirkungen haben. Der Senat
hebt daher den gesamten Strafausspruch auf, damit die Rechtsfolgenentscheidung
insgesamt auf einheitliche und widerspruchsfreie Feststellungen gestützt
werden kann.
3. Die Anordnung von Einziehung und Verfall hält rechtlicher Nachprüfung
nicht stand.
Die Urteilsgründe lassen nicht erkennen, warum die sichergestellten
Gegenstände der Einziehung bzw. dem Verfall unterliegen. Der Tatrichter beschränkt
sich insoweit auf eine strafmildernde Berücksichtigung von Verfall und
Einziehung bestimmter, dem jeweiligen Angeklagten zugeordneter Gegenstände
im Rahmen der Strafzumessung (§ 46 StGB). Die Einziehungsanordnung
kann Einfluß auf die zu bemessende Strafe haben (vgl. BGHR StGB § 46
Abs. 1 Schuldausgleich 6, 12 und 16), die Anordnung von Verfall dagegen
nicht (vgl. BGHR StGB § 73 d Strafzumessung 1). Die Voraussetzungen für die
Verhängung der Maßnahmen sind für das Revisionsgericht nicht überprüfbar.
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