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BGH, Beschluss vom 28. August 2000 - 5 StR 300/00


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 28.8.2000 - 5 StR 300/00
5 StR 300/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 28. August 2000
in der Strafsache gegen
wegen versuchter Strafvereitelung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. August 2000 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten S wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 12. Juli 1999, soweit es diesen Angeklagten betrifft, nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben.
2. Soweit der Angeklagte wegen versuchter Nötigung (Komplex 62 der Anklage) und wegen am 12. März 1998 begangener versuchter Strafvereitelung (Komplex 60 der Anklage) verurteilt worden ist, wird er freigesprochen. Insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten S .
3. Im übrigen (Komplex 61 der Anklage) wird die Sache - unter Aufhebung auch der zugehörigen Feststellungen - zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten der Revision, an das Amtsgericht Tiergarten in Berlin - Strafrichter - zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Beschwerdeführer wegen versuchter Strafvereitelung in zwei Fällen und wegen versuchter Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Die Revision des Beschwerdeführers führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
I.
Im ersten als versuchte Strafvereitelung abgeurteilten Fall sowie im Fall der Verurteilung wegen versuchter Nötigung ergeben die Feststellungen des Tatrichters kein strafbares Verhalten des Beschwerdeführers. In beiden Fällen ist auch für die Möglichkeit weitergehender Feststellungen eines neuen Tatrichters, aus denen sich ein strafbares Verhalten des Beschwerdeführers ergeben könnte, nichts ersichtlich, so daß der Senat auf die Sachrüge jeweils auf Freispruch durchzuentscheiden hat.
1. Das Landgericht hat den Beschwerdeführer insoweit wegen versuchter Strafvereitelung verurteilt, weil er dem Mitangeklagten K in Kenntnis der von diesem begangenen Straftaten des Bandendiebstahls und Bandenhehlerei zur Flucht ins Ausland geraten habe.
a) Im angefochtenen Urteil ist hierzu folgendes festgestellt: Am 11. März 1998 wurden die weiteren Mitangeklagten P und St festgenommen, die - u. a. - mit K in einer Diebesbande mit dem Ziel fortgesetzter Entwendung hochwertiger Kraftfahrzeuge und deren gewinnbringender Verwertung verbunden waren. Am Folgetag suchte K den Beschwerdeführer, einen vorwiegend als Strafverteidiger tätigen Rechtsanwalt, in seiner Kanzlei auf, um ihn um Übernahme der Verteidigung des St - zugleich den im selben Büro anwaltlich tätigen Sohn des Beschwerdeführers um Übernahme der Verteidigung des P - zu bitten. Nachdem K auch seine eigene Verstrickung offenbart hatte, forderte der Beschwerdeführer ihn unter Hinweis auf die ihm drohende schwere Bestrafung auf, das Land zu verlassen. K lehnte ausdrücklich ab und floh nicht. Er wurde drei Tage später seinerseits verhaftet. Davor hatte er die Kanzlei des Beschwerdeführers ein weiteres Mal aufgesucht; dabei hatte dieser die Aufforderung zur Flucht nicht wiederholt. Zuvor, am 13. März 1998, hatte der Beschwerdeführer seinen Mandanten St bei einem Haftbesuch gefragt, ob er K zur Flucht veranlassen solle; die gleiche - ergebnislos gebliebene - Frage hatte der Sohn des Beschwerdeführers auf dessen Veranlassung am selben Tag seinem Mandanten P gestellt.
Nach Auffassung des Landgerichts wollte der Beschwerdeführer den Mitangeklagten K mit seiner Aufforderung zur Flucht als mögliches seinen Mandanten St belastendes Beweismittel vorübergehend beiseite schaffen.
b) Die Annahme, der Beschwerdeführer habe bei der festgestellten Aufforderung an den Mitangeklagten K zur Flucht in Strafvereitelungsabsicht zugunsten seines Mandanten St gehandelt, dessen Verteidigung der Beschwerdeführer indes, wie sich den Feststellungen entnehmen läßt, von vornherein mit dem Ziel einer Geständnisbereitschaft zu führen gedachte, ist ebenso problematisch wie die zweifelhafte Frage einer Abgrenzung der abgeurteilten mittelbaren Täterschaft des Beschwerdeführers von strafloser Anstiftung zu gemäß § 258 Abs. 5 StGB strafloser persönlicher Selbstbegünstigung. Ob die getroffenen Feststellungen ausreichen oder auch nur ergänzbar wären, um bei der vorliegenden Fallgestaltung eine Täterschaft des Beschwerdeführers mit Rücksicht auf einen durch seine Stellung als Rechtsanwalt bedingten Wissensvorsprung und eine hierauf beruhende Einflußmöglichkeit anzunehmen (vgl. zum gesamten damit zusammenhängenden, von der Revision angesprochenen Problemkreis nur die Kommentierungen zu § 258 StGB von Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. Rdn. 5 ff., 14; Stree in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. Rdn. 16 ff., 31 ff.; Ruß in LK 11. Aufl. Rdn. 10 ff., 19 ff., 35; jeweils m.w.N.), erscheint zweifelhaft. Die Fragen bedürfen hier nicht der Entscheidung. Die Revision macht nämlich zutreffend geltend, daß den Feststellungen jedenfalls eindeutig zu entnehmen ist, daß der Beschwerdeführer von einem etwa strafbaren Versuch der Strafvereitelung strafbefreiend zurückgetreten ist.
c) Entgegen der rechtlichen Wertung des Landgerichts läßt sich der Gesamtheit der Urteilsfeststellungen entnehmen, daß die Voraussetzungen eines nach § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB strafbefreienden Rücktritts des Beschwerdeführers vom unbeendeten Versuch vorliegen.
Da K beim ersten Besuch der Kanzlei des Beschwerdeführers eine Flucht noch ausdrücklich abgelehnt hatte, die Kanzlei vielmehr wenige Tage später erneut aufsuchte, wußte der Beschwerdeführer, daß seine bisherigen Bemühungen nicht ausgereicht hatten, K zur Flucht zu bewegen. Ein beendeter Versuch lag damit nicht vor. Aber auch ein fehlgeschlagener Versuch, von dem der Beschwerdeführer nicht mehr strafbefreiend hätte zurücktreten können, war nicht gegeben. Dies wäre nur dann anzunehmen, wenn der Beschwerdeführer die Weigerung des K zu fliehen als endgültig erkannt hätte (vgl. BGHR StGB § 31 Abs. 1 - Freiwilligkeit 3). Das Gegenteil folgt aus den eigenen, für die Beweiswürdigung zu diesem Schuldspruch als besonders wesentlich angesehenen Feststellungen des Landgerichts (UA S. 84, 183, 255): Danach hat der Beschwerdeführer zwischen beiden Besuchen des Mitangeklagten K seinen Mandanten St gefragt, ob er K zur Flucht veranlassen solle, und hat eine entsprechende Frage seines Sohnes an dessen Mandanten P veranlaßt. Aus diesem Verhalten wird deutlich, daß der Beschwerdeführer weitere Einwirkungsmöglichkeiten auf K als gegeben ansah.
Wenn er K unter diesen Voraussetzungen beim folgenden Besuch trotz Erörterung der von K begangenen Taten nicht erneut zur Flucht aufforderte, so folgt daraus, daß er seinen bislang noch nicht als zureichend, indes auch nicht als gescheitert angesehenen Versuch aufgegeben hat, und zwar - mangels entgegenstehender Anhaltspunkte - freiwillig. Damit ist der Beschwerdeführer von einem etwa strafbaren - unbeendeten, nicht endgültig fehlgeschlagenen - Versuch der Strafvereitelung jedenfalls strafbefreiend zurückgetreten. Dies muß seine Freisprechung in diesem Fall nach sich ziehen.
2. Entgegen der Auffassung des Landgerichts hat sich der Beschwerdeführer auch nicht wegen versuchter Nötigung (§§ 240, 22 StGB) strafbar gemacht.
a) Nach den Urteilsfeststellungen versuchte er am 6. Juli 1998 vergeblich, den Mitangeklagten K , dessen Verteidigung er sofort nach dessen Inhaftierung - unter Niederlegung des Mandats für St - übernommen hatte, dazu zu veranlassen, eine von ihm diktierte unrichtige Erklärung zu unterzeichnen. Mit jener Erklärung sollten den Beschwerdeführer belastende Angaben des K gegenüber den Ermittlungsbehörden wahrheitswidrig dementiert werden; diese betrafen zum einen die Aufforderung des Beschwerdeführers an K zur Flucht ins Ausland, zum anderen einen von K dem Beschwerdeführer nach seiner Inhaftierung erteilten Auftrag, die Beseitigung eines bestimmten gestohlenen Kraftfahrzeuges zu vermitteln. Der Beschwerdeführer kündigte K an, wenn dieser die Erklärung nicht unterzeichne, könne er ihn nicht weiter verteidigen; eine - tatsächlich gar nicht getroffene, von dem Beschwerdeführer erlogene - Absprache mit dem Staatsanwalt - insbesondere eine als maßvoll angesehene Strafobergrenze und Haftverschonung mit Urteilserlaß betreffend - werde damit hinfällig werden, K müsse mit wesentlich höherer Bestrafung und Haftfortdauer rechnen.
b) Die Frage, ob die von der Revision zu diesem Fall vorgetragenen besonders gewichtigen Bedenken gegen die Beweiswürdigung durchgreifen müßten, ist, da insoweit jedenfalls eine Durchentscheidung auf Freispruch eher fern läge, nachrangig. Die getroffenen Feststellungen wären nämlich
- ungeachtet eines gegebenenfalls grob standeswidrigen, den inhaftierten Mandanten nachhaltig bedrängenden und täuschenden Verhaltens des Beschwerdeführers - gleichwohl nicht geeignet, eine tragfähige Grundlage für einen Schuldspruch wegen versuchter Nötigung zu bilden.
Die Ankündigung des Beschwerdeführers, er werde bei einem andauernden Verdacht strafvereitelnden Vorverhaltens die Verteidigung des K nicht fortführen können, entsprach ersichtlich der strafverfahrens- und standesrechtlichen Rechtslage und vermag schon daher bei den hier im übrigen festgestellten Begleitumständen nicht den Tatbestand der Drohung mit einem empfindlichen Übel zu erfüllen.
Das Landgericht sieht diese in der Ankündigung des Scheiterns der erlogenen Absprache. Ein Übel in diesem Zusammenhang konnte für den Mitangeklagten K aber allein im unsicheren Fortgang seines Strafverfahrens in der Zukunft liegen. Mußte schon die Durchsetzung der vom Beschwerdeführer behaupteten Absprache mit dem Staatsanwalt auch seinem Mandanten offensichtlich als nicht endgültig gesichert erscheinen, war es auch und erst recht dessen Aussicht für den weiteren Verfahrensablauf unter Mitwirkung eines anderen Verteidigers. Mehr als eine - freilich zudem auf erlogener Basis erfolgte - massive Anpreisung seiner Verteidigerqualität, aus welcher der Mandant positive Auswirkungen auf den Verfahrensausgang zu erwarten habe, lag in der Bedrängung, durch die Unterschrift unter die Erklärung die Fortführung der Verteidigung zu ermöglichen, objektiv nicht. Anderes war daraus auch für den Mandanten K offensichtlich nicht zu entnehmen. Hierin läßt sich indes keine Drohung mit einem empfindlichen Übel finden, vielmehr lediglich eine hiervon abzugrenzende Warnung vor naheliegenden für den Mandanten negativen Konsequenzen für den Weigerungsfall, die indes nach eigener Darstellung nicht vom Willen des Beschwerdeführers abhingen (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 240 Rdn. 16).
Eine etwa negative Beeinflussung des weiteren Strafverfahrens für den Fall der Verweigerung der erbetenen Unterschriftsleistung hat der Beschwerdeführer seinem Mandanten K hingegen ersichtlich - auch schlüssig oder versteckt - nicht angedroht. Danach fehlt es nach den Feststellungen am tatbestandlichen Einsatz eines Nötigungsmittels.
c) Mangels hinreichender Anhaltspunkte für eine sonstige mögliche Strafbarkeit des Beschwerdeführers ist auch wegen dieser Tat auf Freispruch durchzuentscheiden.
II.
Im zweiten Fall der Verurteilung wegen versuchter Strafvereitelung hat die Revision des Beschwerdeführers mit einer Verfahrensrüge Erfolg, die insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führt.
1. In diesem Fall hat die sachlichrechtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils - anders als in den beiden anderen Fällen - nicht ohne weiteres die Freisprechung des Beschwerdeführers zur Folge. Ihm wird insoweit zur Last gelegt, im Interesse seines inhaftierten Mandanten K auf den früheren Mitangeklagten Kr erfolglos dahin eingewirkt zu haben, daß Kr , der mehrfach gestohlene Fahrzeuge von K angekauft hatte, ein von K abgestelltes gestohlenes Fahrzeug beiseite schaffe und für ihn verwerte; ferner sollte Kr in seiner Werkstatt befindliche Teile gestohlener Fahrzeuge als Beweismittel beiseite schaffen.
Hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß mit dem festgestellten Einwirken auf den vorgesehenen Tatmittler hier noch kein Versuchsbeginn einhergegangen wäre, bestehen nicht (vgl. nur BGHSt 43, 177, 179 f.; BGH, Urteil vom 12. Juli 2000 - 2 StR 43/00 -; jeweils m.w.N.). Die Feststellungen ergeben in diesem Fall auch nicht etwa ohne weiteres die Voraussetzungen für einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch; vielmehr liegt hinsichtlich des beiseite zu schaffenden gestohlenen Fahrzeugs ein fehlgeschlagener, im übrigen ein mit der Einwirkung auf den die Sachherrschaft ausübenden Tatmittler beendeter Versuch nahe.
Hinsichtlich der zu beseitigenden Beweismittel könnten freilich ähnliche Zweifel bei der Abgrenzung zwischen strafbarer mittelbarer Täterschaft und strafloser Anstiftung zu straflosem selbstbegünstigendem Verhalten zum Tragen kommen wie im Fall der Fluchtaufforderung. Die Frage ist vom Senat indes im bisherigen Verfahrensstadium nicht abschließend zu beantworten. Hinsichtlich der Verwertung eines gestohlenen Kraftfahrzeuges kann Anlaß bestehen, den Sachverhalt auch auf eine mögliche Strafbarkeit unter den Gesichtspunkten der Begünstigung und der Hehlerei zu überprüfen.
2. Mit der Verlesung eines Schriftsatzes des Sohnes des Beschwerdeführers, der in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO Gebrauch gemacht hatte, hat die Strafkammer - die den entsprechenden in der Hauptverhandlung vorgebrachten berechtigten Einwand des Beschwerdeführers zurückgewiesen hatte - gegen § 252 StPO verstoßen.
a) Anläßlich der Durchsuchung der Kanzleiräume des Beschwerdeführers am 30. Juni 1998 war der Zeuge als Sohn des beschuldigten Beschwerdeführers vorsorglich über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrt worden. Der verlesene Schriftsatz vom 13. Juli 1998 ist vom Beschwerdeführer diktiert worden, indes unwiderlegt auf der Grundlage von Angaben des Zeugen, der den Schriftsatz auch unterzeichnet hat. Inhaltlich enthält er angebliche Erkenntnisse des Zeugen über gemeinsame anwaltliche Kontakte des Beschwerdeführers und des Zeugen zu Mitangeklagten im Zusammenhang mit den beiden Strafvereitelungsvorwürfen. Der Zeuge äußert darin seine Bereitschaft, sich zum Inhalt des Schriftsatzes staatsanwaltlich vernehmen zu lassen. Der Beschwerdeführer überreichte den Schriftsatz am 14. Juli 1998 anläßlich seiner Beschuldigtenvernehmung durch den Staatsanwalt. Bereits am nächsten Tag wurde sein Sohn dann vom ermittelnden Staatsanwalt zeugenschaftlich vernommen; in dieser Vernehmung bezog er sich auf den Schriftsatz.
b) Verweigert ein Zeuge in der Hauptverhandlung berechtigt das Zeugnis, so dürfen Schriftstücke, die er anläßlich einer gemäß § 252 StPO unverwertbaren Vernehmung im Ermittlungsverfahren überreicht und auf die er sich bei dieser Vernehmung bezogen hat, ihrerseits gemäß § 252 StPO nicht verlesen und nicht verwertet werden (BGHSt 22, 219; BGHR StPO § 252 - Verwertungsverbot 13; BGH StV 1998, 470). Die Revision macht zutreffend geltend, daß diese Grundsätze hier ebenfalls zu gelten haben.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann der Schriftsatz nicht als spontan abgegebene freiwillige Erklärung gewertet werden, deren Verwertbarkeit mangels Zusammenhangs mit einer Vernehmung zu erwägen wäre (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. Rdn. 8 f.; Diemer in KK 4. Aufl. Rdn. 20; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO Rdn. 29 f.; jeweils zu § 252 m.w.N.). Es handelt sich nicht um Angaben, die "aus freien Stücken" und nicht im Bewußtsein ihrer späteren Verwendungsmöglichkeit im Verfahren abgegeben worden sind (vgl. auch BGHR StPO § 252 - Verwertungsverbot 16, zum Abdruck in BGHSt bestimmt). Vielmehr ist der Schriftsatz von dem Zeugen mit dem Ziel der Verwertung im Rahmen seiner zu erwartenden Vernehmung an die Staatsanwaltschaft gelangt, jene Vernehmung ist alsbald erfolgt und der Zeuge hat dementsprechend auch den Inhalt des Schriftsatzes zum Gegenstand seiner Vernehmung gemacht. Unter diesen Voraussetzungen wäre es unvertretbar, die Verwertbarkeit abweichend gegenüber einer Fallgestaltung zu behandeln, bei welcher der Zeuge - oder der Beschuldigte mit dessen Einverständnis - zunächst nur die Vernehmung zu dem im Schriftsatz behandelten Beweisthema anregt und den Schriftsatz der Staatsanwaltschaft erst bei jener alsbaldigen Vernehmung überläßt. Die nach bindender Rechtsprechung eindeutig gegebene Unverwertbarkeit bei jener Fallgestaltung muß auch die nur unwesentlich variierte der vorliegenden Verfahrensgestaltung erfassen.
c) Da das Landgericht im Rahmen der Beweiswürdigung, die weitgehend der heiklen Frage galt, ob den Angaben des Beschwerdeführers oder den entgegenstehenden von Mitangeklagten zu folgen sei, für die Wertung der Unzuverlässigkeit der Einlassung des Beschwerdeführers auch den verlesenen, indes unverwertbaren Schriftsatz seines Sohnes herangezogen hat (vgl. UA S. 194 ff.), läßt sich ein Beruhen des Schuldspruchs im zweiten Fall der Verurteilung des Beschwerdeführers wegen versuchter Strafvereitelung auf dem Verfahrensverstoß nicht ausschließen.
d) Nach bindender Rechtsprechung könnte nichts Abweichendes für die Verwertung eines auf entsprechende Weise in das Verfahren eingeführten Schreibens der Verlobten des Beschwerdeführers vom 14. Juli 1998 gelten, die in der Hauptverhandlung ebenfalls gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 1 StPO das Zeugnis verweigert hat. Daß die Zeugin bei ihrer Vernehmung im Ermittlungsverfahren mit dem Beschwerdeführer noch nicht verlobt war, ihr mithin, als sie das Schreiben zum Gegenstand ihrer Vernehmung gemacht hatte, noch gar kein Zeugnisverweigerungsrecht zugestanden hatte, ist nach seitheriger Rechtsprechung unerheblich (BGHSt 22, 219, 220). Der Senat kann - nicht anders als jüngst bei anderer Fallgestaltung (BGHR StPO § 252
- Verwertungsverbot 17, zum Abdruck in BGHSt 45, 342 bestimmt) - auch hier offenlassen, ob Anlaß besteht, von dieser Rechtsprechung abzugehen; denn die auf Verletzung des § 252 StPO gestützte Verfahrensrüge greift allein wegen der Verwertung des Schriftsatzes des von Anfang an zeugnisverweigerungsberechtigten Sohnes des Beschwerdeführers durch.
3. In der Sache offensichtlich begründet ist auch die von der Revision erhobene Beanstandung einer Verletzung des Fragerechts durch unberechtigte Zurückweisung einer Frage des Verteidigers Rechtsanwalt B an den Mitangeklagten K . Die - bewußt allgemein und offen gestellte - Frage, inwiefern die von K zuvor allgemein als teilweise unrichtig bezeichneten Angaben des weiteren Mitangeklagten Kr im einzelnen unzutreffend gewesen seien, war ersichtlich zulässig, insbesondere geeignet und sachgerecht. Es bestand keine gesetzliche Grundlage zur Zurückweisung der Frage; der Verteidiger brauchte sich nicht auf den konkreten Vorhalt von Einzelheiten beschränken zu lassen.
4. Wegen dieses verbliebenen Falles der Verurteilung, in dem der Senat nicht auf Freispruch durchentschieden hat, verweist der Senat die Sache unter Aufhebung der zugehörigen Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO) gemäß § 354 Abs. 3 StPO an den Strafrichter zurück. Dieser ist für das Verfahren, soweit es sich allein gegen den Beschwerdeführer richtet, nach § 25 Nr. 2 GVG zuständig. Eine Fortdauer der Verbindung mit dem Verfahren gegen den ebenfalls revidierenden Mitangeklagten P , bei dem indes lediglich eine Teilaufhebung der Strafe nach geringfügiger Abänderung des Schuldspruchs erfolgt, kommt offensichtlich nicht in Betracht.
Die Zurückverweisung an den Strafrichter hat auch mit Rücksicht darauf zu erfolgen, daß die Zuständigkeit des Landgerichts allein aus der bisherigen Verbindung des Verfahrens gegen den Beschwerdeführer mit dem gegen die übrigen Mitangeklagten geführten umfänglichen Verfahren folgte und daß jene Verbindung angesichts der denkbar geringen Parallelbezüge und notwendig deckungsgleichen Beweiserhebungen erheblichen Bedenken unterliegen muß. Ob die entsprechende - zudem nicht auf § 338 Nr. 1 StPO gestützte - Verfahrensrüge Erfolg gehabt hätte, erscheint angesichts eines dem Tatrichter in Fragen der Verbindung und Trennung prinzipiell zuzubilligenden besonders weiten Ermessens gleichwohl fraglich.
Dennoch werden dem Beschwerdeführer im Falle einer erneuten Verurteilung jedenfalls die beträchtlichen Unzuträglichkeiten, die er infolge jener zweifelhaften Verbindung erfahren hat, im weiteren Verfahrensverlauf - un-
geachtet seines eigenen teils höchst bedenklichen Prozeßverhaltens (vgl. insbesondere auch UA S. 198 ff.) - zugute zu halten sein.
Harms Häger Basdorf
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