BGH,
Beschl. v. 28.7.2004 - 2 StR 189/04
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 189/04
vom
28. Juli 2004
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
- 2 -
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 28. Juli
2004 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Hanau vom 7. Januar 2004 im Ausspruch über die
Einzelfreiheitsstrafe
im Fall II, 4 und im Gesamtstrafenausspruch
mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels,
an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln
in vier Fällen, davon in zwei Fällen in nicht
geringer Menge, zu
der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt.
Mit seiner
Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und
materiellen
Rechts. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlußformel
ersichtlichen Umfang
Erfolg, im übrigen ist es unbegründet im Sinne von
§ 349 Abs. 2 StPO.
Im Fall II, 4 (Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge
gemäß § 29 a BtMG) hat das Landgericht
seiner Strafzumessung infolge
- 3 -
einer fehlerhaften Berechnung des Wirkstoffgehalts der 1000 Ecstasy-
Tabletten, mit denen der Angeklagte Handel getrieben hat, einen zu
großen
Schuldumfang zugrunde gelegt. Dies berührt hier zwar nicht den
Schuldspruch.
Die für die Tat II, 4 verhängte Einzelfreiheitsstrafe
von einem Jahr und fünf
Monaten, die zugleich die Einsatzstrafe ist, und die
Gesamtfreiheitsstrafe können
aber nicht bestehen bleiben.
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift vom 1. Juni 2004
hierzu zutreffend ausgeführt:
"Das Tatgericht ist davon ausgegangen, dass die
Betäubungsmittel, deren
Wirkstoff nicht zu ermitteln war, einen Gehalt von 50 mg an MDMA-,
MDEoder
MDA-Base pro Konsumeinheit aufwiesen (UA S. 15). Während
die Zugrundelegung dieser Mengen pro Tablette für die
Wirkstoffe MDMA und
MDE keinen Bedenken begegnet (MDE- und MDMA-haltige Ecstasy-Tabletten
wurden im Kalenderjahr 2001 mit Wirkstoffgehalten von 26-79 mg bzw.
0,2-343
mg pro Konsumeinheit gehandelt, s. Weber, BtMG, 2. Aufl., S. 1623),
durfte die
Kammer von einer solchen Wirkstoffkonzentration für den Fall,
dass die vom
Angeklagten übernommenen Tabletten MDA-Base enthielten, nicht
ausgehen.
MDA-Base enthaltende Ecstasy-Tabletten wurden im Kalenderjahr 2001 - dem
Tatzeitraum - mit Wirkstoffgehalten von bis zu 46 mg je Tablette
gehandelt. Der
mittlere Gehalt an MDA-Base pro Tablette betrug 26 mg (Weber a. a. O.).
Auch
wenn man berücksichtigt, dass das von dem Angeschuldigten
übernommene
Ecstasy von guter Qualität war (UA S. 15), kann ein Wert von
50 mg je Tablette
im Hinblick auf die an Hand von chemischen Untersuchungen
sichergestellter
Betäubungsmittel ermittelten Wirkstoffkonzentrationen nicht zu
Grunde gelegt
werden.
- 4 -
Auf den Schuldspruch hat dieser Fehler allerdings keinen
Einfluß. Zwar
muss zu Gunsten des Angeklagten davon ausgegangen werden, dass er mit
MDA-haltigen Betäubungsmitteln Handel getrieben hat, da diese
einen niedrigeren
Wirkstoffgehalt als MDMA- bzw. MDE-haltige Ecstasy-Tabletten im
Tatzeitraum
aufwiesen. Gleichwohl begegnet seine Verurteilung wegen eines
Verbrechens gemäß § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG
keinen Bedenken. Die nicht geringe
Menge im Sinne des § 29 a Abs. 1 StGB beginnt bei einem
Wirkstoffvolumen
von 30 g MDA-Base (BGH NStZ 2001, 381 f.). Bei einem durchschnittlichen
Wirkstoffgehalt von 26 mg pro Tablette im Jahre 2001 ist es nicht
verfehlt,
eine gute Qualität mit einem Wert von jedenfalls 30 mg je
Tablette anzusetzen,
womit bei vom Angeklagten gehandelten 1000 Tabletten die Grenze zur
nicht
geringen Menge überschritten ist, ohne dabei allerdings den
vom Landgericht
angenommenen Wert von 50 g MDA-Base (UA S. 16) zu erreichen.
Der Bewertungsfehler des Landgerichts hat jedoch Auswirkungen auf
den Rechtsfolgenausspruch. Die im Fall 4 der Urteilsgründe
verhängte Einzelstrafe
von einem Jahr und fünf Monaten ist aufzuheben. Obwohl nicht
unmittelbar
aus dem Urteil ersichtlich, ist nicht auszuschließen, dass
die Kammer zu
der Bemessung dieser Strafe deshalb gekommen ist, weil die von ihr
berechnete
Wirkstoffmenge den Grenzbereich zur nicht geringen Menge im Sinne des
§ 29 a BtMG deutlich - um 20 g - überschritt. Die
insoweit notwendig werdende
Aufhebung der Einzelstrafe schlägt auf den
Gesamtstrafenausspruch durch.
Auch dieser kann, da es sich bei der für Fall 4
verhängten Einzelstrafe um die
Einsatzstrafe bei der Gesamtstrafenbildung handelte, keinen Bestand
haben."
Ergänzend weist der Senat darauf hin, daß der
Tatrichter auch durch
den Zweifelssatz nicht verpflichtet ist, von dem durch eine
tragfähige Schätzung
ermittelten Wirkstoffgehalt nochmals einen Sicherheitsabschlag (hier von
- 5 -
30 %) vorzunehmen, da dies im Einzelfall Zweifel an der Richtigkeit der
Schätzung
begründen kann. Hier ist der Angeklagte jedoch durch den
Sicherheitsabschlag
jedenfalls nicht beschwert.
Rissing-van Saan Detter Bode
RiBGH Rothfuß ist
urlaubsbedingt an der
Unterschrift gehindert.
Rissing-van Saan Fischer |