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BGH, Beschluss vom 28. Mai 2009 - 4 StR 101/09


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 28.5.2009 - 4 StR 101/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 101/09
vom
28. Mai 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 28. Mai 2009 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bochum - 1. Große auswärtige Strafkammer Recklinghausen - vom 27. Oktober 2008 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des Wohnungseinbruchsdiebstahls in fünf Fällen wegen nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit freigesprochen, jedoch seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Dagegen richtet sich seine Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg, so dass es einer Erörterung der Verfahrensrügen nicht bedarf.
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I. 1. Zu den Anlasstaten hat das Landgericht im Wesentlichen Folgendes festgestellt:
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Am 17. Mai 2007 verschaffte sich der Angeklagte durch ein zuvor eingeschlagenes Fenster Zutritt zum Wohnhaus der Eheleute N. und entwendete u. a. etwa 200 Euro Bargeld sowie Schmuck im Wert von mindestens
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15.000 Euro (Fall 1). Am 27. Mai 2007 trat der Angeklagte die Tür zur Wohnung der Eheleute W. ein und entwendete Bargeld, Schmuck, elektronische Geräte sowie Personaldokumente (Fall 2). In beiden Fällen eignete sich der Angeklagte ferner EC-Karten an, mit denen er - vergeblich - an Geldautomaten Bargeld abzuheben versuchte, wobei er jeweils gefilmt wurde. Am 28. Mai 2007 stieg der Angeklagte durch ein auf Kipp stehendes Fenster in das Wohnhaus der Geschädigten G. und A. ein und nahm u.a. Schmuckgegenstände im Wert von mehreren Hundert Euro an sich, um diese für sich zu behalten (Fall 3). In den Mittagsstunden des 2. Juni 2007 verschaffte sich der Angeklagte mit Hilfe eines Schlüssels, den die Wohnungsinhaberin im Schloss der Terrassentür stecken gelassen hatte, Zugang zum Wohnhaus der Eheleute K. ; Tatbeute waren hier u.a. diverse Schmuckstücke, ein Mobiltelefon sowie Bargeld in Höhe von 480 Euro (Fall 4). Am frühen Abend desselben Tages stieg der Angeklagte durch ein zuvor mit einem Stein eingeschlagenes Fenster in das Wohnhaus der Eheleute R. ein, wurde jedoch von den Geschädigten auf frischer Tat betroffen, nachdem er zwei Ringe an sich genommen hatte. Daraufhin ergriff er die Flucht, wurde aber später in Tatortnähe festgenommen (Fall 5).
2. Nach den Feststellungen des Landgerichts leidet der Angeklagte unter einer drogeninduzierten paranoid-halluzinatorischen Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie. Auf Grund dieser Störung war seine Steuerungsfähigkeit bei Begehung der Anlasstaten mit Sicherheit erheblich vermindert, nicht ausschließbar sogar völlig aufgehoben.
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II. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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Neben der positiven Feststellung eines länger andauernden Defekts, der zumindest eine erhebliche Einschränkung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB begründet, setzt die Maßregelanordnung die Begehung einer oder mehrerer rechtswidriger Taten in diesem Zustand voraus, die auf den die Annahme der §§ 20, 21 StGB rechtfertigenden dauerhaften Defekt zurückzuführen sind, mit diesem also in einem symptomatischen Zusammenhang stehen (st. Rspr.; vgl. nur BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 15). Diese Voraussetzungen werden in den Urteilsgründen nicht ausreichend belegt.
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1. Schon hinsichtlich der Taten, die Anlass für die Unterbringungsanordnung sind, leidet das angefochtene Urteil an durchgreifenden Feststellungs- und Begründungsmängeln.
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a) Gemäß § 267 Abs. 1 StPO i.V.m. § 261 StPO hat das erkennende Gericht die zur Urteilsgrundlage gemachten Feststellungen in einer geschlossenen Darstellung niederzulegen und erschöpfend zu würdigen. Gebotene eigene Urteilsfeststellungen oder Würdigungen dürfen - mit Ausnahme des in § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO geregelten Falles - nicht durch Bezugnahmen ersetzt werden, weil sonst eine revisionsgerichtliche Kontrolle nicht möglich ist (BGH NStZ 2007, 478; BGH, Beschluss vom 25. November 2003 - 3 StR 405/03). Diesen Anforderungen werden die Ausführungen des Landgerichts zu den Fällen 1 bis 4 nicht gerecht.
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Der Angeklagte hat die Tatvorwürfe bestritten und erklärt, die Einbruchsdiebstähle müssten von einer ihm ähnlich sehenden Person begangen worden sein. Bei der fotografierten Person in den Fällen 1 und 2 müsse es sich um seinen Bruder handeln, der ihm gegenüber "die Taten" in einem Brief zugegeben habe. Das Landgericht hat sich von der Täterschaft des Angeklagten auf der
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Grundlage eines kriminaltechnischen Vergleichsgutachtens überzeugt, wonach die Person auf den Fotos aus den Überwachungskameras nicht mit dem Bruder des Angeklagten identisch ist. Ferner hat es seine Überzeugung in den Fällen 1, 3 und 4 auf die Ergebnisse eines Gutachtens zu den an den Tatorten gesicherten Schuhspuren gestützt. Danach ist der Angeklagte als Täter in den Fällen 1 und 4 jedenfalls nicht auszuschließen, in Fall 3 haben sich Anhaltspunkte für den Angeklagten als Spurenverursacher ergeben. Die Strafkammer hat jedoch zu den Ergebnissen dieser Gutachten weder Zeugen noch Sachverständige vernommen und die Gutachten - ebenso wie das angebliche Selbstbezichtigungsschreiben des Bruders des Angeklagten - auch nicht gem. §§ 249 ff. StPO verlesen, sondern auf diese Beweismittel lediglich Bezug genommen. Dieser Verfahrensweise steht § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO entgegen, wonach eine Bezugnahme in den Urteilsgründen lediglich für bei den Akten befindliche Lichtbilder zulässig ist. Damit fehlt der Überzeugungsbildung des Landgerichts in den Fällen 1 bis 4 die erforderliche Grundlage. Diese ergibt sich in Fall 4 auch nicht aus der Erwägung, das beim Angeklagten sichergestellte Mobiltelefon sei von demselben Typ wie das den Geschädigten in diesem Fall entwendete Gerät. Nach den Feststellungen waren sämtliche individuellen Daten auf dem sichergestellten Mobiltelefon gelöscht; welche Beweisbedeutung dem Umstand zukommen soll, dass entgegen dem Vortrag der Verteidigung aus der Garantiekarte die Individualnummer des Gerätes nicht ersichtlich war und diese auch nicht mit der MSM-Nummer im Gerät identisch war, erschließt sich aus den Urteilsgründen nicht.
b) Die Beweiswürdigung in Fall 5 begegnet ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten stützt das Landgericht hier auf die Angaben der Zeugin S. , die den Angeklagten auf seiner Flucht aus ihrem fahrenden Pkw heraus wahrnahm, als er
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aus einem Gebüsch am Straßenrand sprang, so dass sie stark bremsen musste. Nach Festnahme des Angeklagten habe die Zeugin diesen auf der Polizeiwache identifiziert, nachdem sie Gelegenheit hatte, ihn zu betrachten, während er in einer Verwahrzelle schlief. Ferner habe, so das Landgericht, der Zeuge D. , der den Angeklagten bei seiner Flucht vom Grundstück der Geschädigten R. verfolgt hatte, bei späterer Vorlage eines Lichtbildes bekundet, die in der Tatnacht beobachtete Person habe eine ebenso markante Nase wie dieser gehabt.
Der naheliegend eingeschränkte Beweiswert der Wiedererkennungsleistung der Zeugin S. hätte angesichts der anerkannten kriminalistischen Standards ersichtlich nicht entsprechenden Verfahrensweise bei der Durchführung einer Gegenüberstellung allein mit dem Angeklagten, der dazu noch in einer Verwahrzelle schlief, keinesfalls unerörtert bleiben dürfen. Das Landgericht teilt ferner nicht mit, unter welchen genauen Umständen die Lichtbildvorlage mit dem Zeugen D. durchgeführt wurde. Dazu hätte vor dem Hintergrund der Beweislage und angesichts der Bedeutung dieses Augenzeugen besonderer Anlass bestanden (vgl. dazu Senatsbeschluss NStZ 1996, 350).
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2. Auch die weiteren Voraussetzungen der Maßregelanordnung sind im angefochtenen Urteil nicht rechtsfehlerfrei dargelegt.
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a) Das Landgericht hat zur Begründung erheblich verminderter und nicht ausschließbar völlig aufgehobener Schuldfähigkeit lediglich das Ergebnis der Begutachtung durch den medizinischen Sachverständigen mitgeteilt, wonach neben einer Drogenabhängigkeit das Vollbild einer unbehandelten paranoiden Schizophrenie (ICD-10 F 20.0) vorliege; konsumiere der Angeklagte Drogen, komme es bei ihm zu psychotischen Exacerbationen.
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Die ICD-10 zählt indessen lediglich Erkrankungen und Verhaltensstörungen auf und ordnet sie ein. Eine Aussage dahin, dass die Schuldfähigkeit eines Täters im Sinne der §§ 20, 21 StGB berührt ist, trifft sie nicht. Die Aufnahme eines bestimmten Krankheitsbildes in den Katalog entbindet den Tatrichter daher nicht davon, konkrete Feststellungen zum Ausmaß der vorhandenen Störung zu treffen und ihre Auswirkungen auf die Tat darzulegen. Auch wenn der Sachverständige, wie im vorliegenden Fall, in seiner Diagnose vom Vollbild der Schizophrenie ausgeht, ist dies nicht zwangsläufig mit einer Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit im konkreten Fall verbunden (BGH, Beschluss vom 3. Juli 1991 - 3 StR 69/91). Deshalb ist es regelmäßig unerlässlich, sich auch mit dem konkreten Verhalten des Täters vor, während und nach der Tat auseinanderzusetzen (BGH NStZ 1997, 383). Ausführungen dazu, wie sich die Krankheit des Angeklagten auf seine Schuldfähigkeit bei Begehung der fünf Anlasstaten ausgewirkt hat, fehlen im Urteil. Insbesondere bleibt offen, ob und in welchem Umfang die psychische Störung (erst) im Zusammenwirken mit dem Konsum von Drogen die Schuldfähigkeit des Angeklagten beeinträchtigt hat. Erörterungen dazu hätten sich insbesondere angesichts der Feststellungen aufgedrängt, die das Landgericht aus Anlass der Tat in Fall 5 getroffen hat.
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b) Die Ausführungen des Landgerichts dazu, ob von dem Angeklagten infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist, genügen unter den gegebenen Umständen ebenfalls nicht, um eine revisionsgerichtliche Nachprüfung zu ermöglichen.
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Diese Frage ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aufgrund einer Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit und seiner Taten (Symptomtaten) zu beantworten (vgl. nur BGHSt 27, 246, 248 f.; BGH
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NJW 1983, 350). In den Urteilsgründen ist lediglich ausgeführt, nach Beurteilung des Sachverständigen bestehe beim Angeklagten infolge seines psychischen Zustandes ein erhebliches Rückfallrisiko für einschlägige Taten, zumal er innerhalb kurzer Zeit fünf gravierende Taten begangen habe, weiterhin Drogen konsumiere und nicht krankheitseinsichtig sei. Die Urteilsgründe lassen besorgen, dass sich die Strafkammer dieser Beurteilung ohne die gebotene Überprüfung angeschlossen hat. Zudem fehlt es an der Mitteilung der wesentlichen, zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlichen Anknüpfungstatsachen.
3. Ergänzend merkt der Senat an, dass in Fall 5 der Urteilsgründe die Annahme eines Wohnungseinbruchsdiebstahls im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB von den Feststellungen nicht getragen wird, da sich der Angeklagte mit Hilfe des im Schloss der Terrassentür steckenden Wohnungsschlüssels Zutritt verschaffte.
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Tepperwien Athing RiBGH Dr. Ernemann ist infolge Urlaubs gehindert zu unterschreiben Tepperwien
Franke Mutzbauer



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