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BGH, Beschluss vom 30. September 2003 - 4 StR 382/03


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 30.9.2003 - 4 StR 382/03
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 382/03
vom
30.09.2003
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 30.09.2003 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Bielefeld vom 10. Juni 2003 im Rechtsfolgenausspruch
aufgehoben, soweit das Landgericht von
einer Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in
einer Entziehungsanstalt abgesehen hat.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung
und wegen schweren Raubes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf
Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte
mit seiner Revision, mit der er allgemein die Verletzung sachlichen Rechts rügt.
Das Rechtsmittel hat nur zum unterbliebenen Maßregelausspruch nach § 64
StGB Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat
zum Schuld- und zum Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des
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Angeklagten ergeben. Dagegen hat das Urteil keinen Bestand, soweit das
Landgericht von einer Maßregelanordnung nach § 64 StGB abgesehen hat.
Nach den Feststellungen war der Angeklagte langjährig opiatabhängig.
Dabei finanzierte er seinen Drogenkonsum, indem er selbst mit Drogen handelte
bzw. anderen Dealern Kunden vermittelte und hierfür Heroin erhielt. Im
Jahre 2000 wurde er deshalb wegen gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
in 74 Fällen zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe
von zwei Jahren verurteilt. Der jetzigen Verurteilung liegen zwei
Überfälle zugrunde, die der Angeklagte innerhalb von sechs Tagen jeweils unter
Einsatz eines Springmessers einmal auf eine Tankstelle und im weiteren
Fall auf einen Supermarkt verübte, wobei er in beiden Fällen im Verlauf des
Tages außer Alkohol auch Heroin konsumiert hatte. Im Anschluß an die Taten
kaufte sich der Angeklagte von dem erbeuteten Geld jeweils erneut Heroin.
Das - sachverständig beratene - Landgericht hat rechtsfehlerfrei eine
erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB beim Angeklagten
in beiden Fällen ausgeschlossen, aber zu Recht einen Hang zum
übermäßigen Konsum von Opiaten im Sinne des § 64 Abs. 1 StGB bejaht.
Hierzu hat es sich aber die Auffassung des psychiatrischen Sachverständigen
zu eigen gemacht, daß zwischen den Taten und dem Hang des Angeklagten
kein symptomatischer Zusammenhang bestehe; die Taten gingen nicht auf den
Hang zurück, sondern seien dem Angeklagten nach dessen eigener Einschätzung
"wesensfremd", zumal er seinen Drogenkonsum zuvor nie durch entsprechende
Eigentums- oder Vermögensdelikte, sondern immer durch eigenen
Drogenhandel finanziert habe.
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Diese Begründung trägt das Absehen von einer Maßregelanordnung
nach § 64 Abs. 1 StGB nicht. Richtig ist zwar, daß es für die Maßregelanordnung
nach § 64 StGB nicht darauf ankommt, daß der Angeklagte die Taten im
Zustand zumindest verminderter Schuldfähigkeit begangen hat (st. Rspr.;
Tröndle/Fischer StGB 51. Aufl. § 64 Rdn. 3 und 8 m.N.). Ebenso hat das Landgericht
zu Recht angenommen, daß zwischen den abgeurteilten Taten und
dem Hang im Sinne des § 64 StGB ein symptomatischer Zusammenhang bestehen
muß. Bei seiner Bewertung ist es jedoch von einem zu engen und deshalb
rechtsfehlerhaften Verständnis dieser Voraussetzung ausgegangen. Nach
ständiger Rechtsprechung ist nicht erforderlich, daß der Hang die alleinige Ursache
für die Anlaßtaten ist. Vielmehr ist ein symptomatischer Zusammenhang
auch dann zu bejahen, wenn der Hang neben anderen Umständen mit dazu
beigetragen hat, daß der Angeklagte erhebliche rechtswidrige Taten begangen
hat, und dies bei unverändertem Suchtverhalten auch für die Zukunft zu besorgen
ist (BGH NStZ 2000, 25 f.; BGHR StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer
1; Senatsbeschlüsse vom 5. Oktober 2000 - 4 StR 377/00 - und vom
16. Juli 2002 - 4 StR 179/02). Daß in diesem Sinne die hier abgeurteilten Taten
ihre Ursache auch in der Opiatabhängigkeit des Angeklagten haben, versteht
sich von selbst und wird zudem noch dadurch unterstrichen, daß der Angeklagte
jeweils im Anschluß an die Taten das erbeutete Geld auch zum Erwerb
von weiterem Heroin einsetzte. Daß er zuvor vergleichbare Taten noch nicht
begangen, sondern die Betäubungsmittel auf andere - allerdings ebenfalls
strafbare - Weise finanziert hat, beseitigt den symptomatischen Zusammenhang
nicht.
Der aufgezeigte Rechtsfehler zwingt zur Aufhebung des Urteils, soweit
eine Entscheidung über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in
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einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. Die zugrundeliegenden Feststellungen
können jedoch bestehen bleiben, weil sie von der rechtlich fehlerhaften
Bewertung durch das Landgericht unberührt sind. Es ist auch nicht ersichtlich,
daß es bei dem Angeklagten an der erforderlichen konkreten Erfolgsaussicht
der Unterbringung mangelt (BVerfGE 91, 1 ff.). Einer etwaigen Nachholung der
Unterbringung steht nicht entgegen, daß ausschließlich der Angeklagte Revision
eingelegt hat (vgl. BGHSt 37, 5). Der Beschwerdeführer hat die Nichtanwendung
des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittel
ausgenommen (vgl. BGHSt 38, 362).
Tepperwien Maatz Kuckein



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