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BGH, Beschluss vom 30. September 2008 - 4 StR 359/08


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 30.9.2008 - 4 StR 359/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 359/08
vom
30. September 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 30. September 2008 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 22. Februar 2008
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte des Diebstahls in drei Fällen, des versuchten Diebstahls, der Nötigung sowie des Hausfriedensbruchs schuldig ist und
b) im Ausspruch über die im Fall B. 2. wegen „Diebstahls mit einem Werkzeug“ verhängte Einzelstrafe sowie die Gesamtstrafe aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls in vier Fällen, davon in einem Fall mit einem Werkzeug und in einem Fall versucht, wegen Nötigung und wegen Hausfriedensbruchs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
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zwei Jahren und sechs Monten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Gegen die Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Zur Tat vom 13. April 2007 (B. 2.) hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte mit einer Mittäterin in einem Einkaufsmarkt Waren im Gesamtwert von über 120 € entwendete. Dabei trug der Angeklagte „unter seinem T-Shirt … aufgehängt an einer Schnur o.ä. einen Gegenstand bei sich, der den Anschein erwecken sollte, eine Waffe zu sein“. Nachdem der Angeklagte nach dem Verlassen des Ausgangsbereichs von einem Marktmitarbeiter auf den Diebstahl angesprochen worden war, fragte er diesen: „Willst Du ein paar Kugeln abbekommen? Gleichzeitig zog er sein T-Shirt hoch, so dass der oben beschriebene Gegenstand für Dennis H. sichtbar wurde“. Dieser hielt ihn für eine „scharfe Waffe“, fürchtete um sein Leben und gab die Verfolgung des Angeklagten auf (UA 7 f.).
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2. Diese Feststellungen tragen die Verurteilung nach § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB nicht.
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a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind „Werkzeug oder Mittel“ im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB zwar grundsätzlich alle Gegenstände, die als Mittel zur Überwindung des Widerstands des Tatopfers mittels Gewalt oder Drohung geeignet sind. Sie müssen aber, sofern sie als Drohmittel eingesetzt werden (sollen), unter den konkreten Umständen ihrer geplanten Verwendung aus Sicht des Täters ohne Weiteres geeignet sein, bei dem Opfer den Eindruck hervorzurufen, sie können zur Gewaltanwendung ver-
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wendet werden und deshalb gefährlich sein. Dies ist indes nicht der Fall, wenn der Gegenstand schon nach seinem äußeren Erscheinungsbild offensichtlich ungefährlich und deshalb nicht geeignet ist, mit ihm auf den Körper eines anderen in erheblicher Weise einzuwirken. Dann steht die Täuschung und nicht - wie erforderlich - die Drohung im Vordergrund (BGH NStZ 2007, 332, 333 = JR 2007, 379 m. Anm. Kudlich m.w.N.; weitere Nachweise bei Fischer, StGB 55. Aufl. § 250 Rdn. 10 a).
b) Auf der Grundlage dieser auch für § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB geltenden Begriffsbestimmung (vgl. Fischer aaO Rdn. 9) ist nicht erwiesen, dass der Angeklagte bei dem Diebstahl am 13. April 2007 ein „Werkzeug oder Mittel“ im Sinn dieser Vorschrift bei sich geführt hat. Von der Richtigkeit der Angabe des Zeugen, es habe sich um eine „schwarze Waffe gehandelt, die mit einer Schnur am Abzug befestigt war und mit der Mündung nach oben zeigte“ (UA 10), vermochte sich die Kammer nicht zu überzeugen. Nachdem das Landgericht auch auf anderem Weg zur näheren Beschaffenheit des Gegen standes keine Feststellungen treffen konnte, ist zu Gunsten des Angeklagten davon auszugehen, dass er bei objektiver Betrachtung nach seinem äußeren Erscheinungsbild offensichtlich ungefährlich war (vgl. BGH aaO).
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3. Der Senat ändert den Schuldspruch selbst ab, da das Landgericht die Möglichkeiten der Sachaufklärung zu diesem Vorwurf ausgeschöpft hat. Eines Hinweises nach § 265 Abs. 1 StPO bedurfte es nicht, da die Schuldspruchänderung lediglich auf dem Wegfall eines den Diebstahl qualifizierenden Tatbestandsmerkmals beruht (Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 265 Rdn. 9 m.w.N.).
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4. Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung der im Fall B. 2. verhängten Einzelstrafe sowie der Gesamtstrafe. Einer Aufhebung der rechts-
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fehlerfrei getroffenen Feststellungen bedarf es ebenso wenig wie der Aufhebung der in diesem Fall erfolgten Verurteilung wegen Nötigung, da lediglich ein § 244 Abs. 1 StGB betreffender Subsumtionsfehler vorliegt. An ergänzenden, den getroffenen nicht widersprechenden Feststellungen ist das Landgericht nicht gehindert.
Tepperwien Athing Solin-Stojanović
Ernemann Mutzbauer



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