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BGH, Beschluss vom 31. August 2005 - 2 StR 314/05


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 31.8.2005 - 2 StR 314/05
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 314/05
vom
31.08.2005
in dem Sicherungsverfahren
gegen
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 31.08.2005 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts
Trier vom 11.04.2005 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des
Landgerichts Mainz zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen
Krankenhaus angeordnet.
Der Beschuldigte rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift vom 9. August
2005 u.a. ausgeführt:
"Die von der Kammer vorgenommene Gesamtwürdigung der Persönlichkeit
des Beschuldigten rechtfertigt die Überzeugung nicht, von ihm seien mit
hoher Wahrscheinlichkeit weitere erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten
(UA S. 19 ff.). So legt das Landgericht zwar eingehend dar, dass der Beschuldigte
an einer mit einer wahnhaften und paranoiden Realitätsverkennung einhergehenden
Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis leide, infolge
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dessen er sich durch die S. beeinflusst und verfolgt sehe (UA
S. 18, 20 f.). Warum aus dieser Diagnose der auch von dem Sachverständigen
Dr. B. gezogene Schluss folgen soll, die Gefährlichkeit des Beschuldigten
für die Allgemeinheit gehöre zu dessen Krankheitsbild, hat die Kammer aber
nicht mit hinreichenden Tatsachen belegt.
Die vom Landgericht übernommene Einschätzung des Sachverständigen,
die Erkrankung des Beschuldigten gehe per se mit einer deutlich erhöhten
Risikohaftigkeit im Hinblick auf fremdaggressive Erheblichkeit seines Verhaltensmusters
einher (UA S. 20), wird auch nicht durch die von ihm vorgenommene
Verknüpfung mit dem Anlassgeschehen nachvollziehbar belegt. Die Behauptung,
dass der Beschuldigte fremdaggressiv handeln müsse, um sich vermeintlicher
Aggressoren - wie dem Zeugen Bu. , der nach dem Vorstellungsbild
zu den S. gehöre - zu entledigen, bietet noch nicht den
Nachweis, dass damit die für die Allgemeinheit gefährliche Begehung weiterer
rechtswidriger Taten verbunden ist.
Zwar schließt die erstmalige Begehung einer Straftat nicht die Annahme
einer Wiederholungsgefahr aus, doch müssen über die Verwirklichung der
Straftat hinaus greifbare Anhaltspunkte gegeben sein, die eine entsprechende
Negativprognose rechtfertigen. Sie können weder in einem statistisch erhöhten
Delinquenzrisiko eines schizophrenen Erkrankten (vgl. UA S. 24) liegen, noch
in dem Umstand begründet sein, die aus Sicht des Beschuldigten zu bekämpfenden
Feindbilder seien beliebig auswechselbar, die Gewalt des Beschuldigten
könne sich so gegen jeden richten (UA S. 20). Selbst wenn diese Annahme
zuträfe, wäre doch damit nicht erklärt, warum es in der Vergangenheit nicht zu
Straftaten gegen andere Personen gekommen ist und gleichwohl zu solchen
Delikten in der Zukunft kommen soll. Soweit der Sachverständige und das
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Landgericht dies offenbar mit einer 'konsequenten Entwicklung des fremdaggressiven
Verhaltens des Beschuldigten' begründen wollen (UA S. 23), beruht
diese Einschätzung auf einer falschen zeitlichen Einordnung von Vorgängen.
Die Annahme des Landgerichts, dass es zwischen dem Beschuldigten und seiner
Schwester, wie in einem Brief vom 7. August 2003 dokumentiert (UA
S. 22 f.), zunächst lediglich verbale Auseinandersetzungen gegeben habe, die
sich inzwischen zu konkreten Drohungen gegenüber dem geschädigten Zeugen
Bu. gesteigert hätten (UA S. 23), lässt außer Betracht, dass die Tatzeit
hinsichtlich des in diesem Verfahren erhobenen Vorwurfs der 10. April
2003 gewesen ist, dieser Zeitpunkt jedenfalls deutlich vor dem Absendedatum
des Briefs der Schwester liegt und damit jedenfalls die zeitliche Abfolge die
Steigerung des Krankheitsverlaufs bei dem Beschuldigten nicht belegt.
Auch anhand der vom Landgericht dargelegten schriftlichen Aufzeichnungen
werden konkrete aggressive Gedankeninhalte des Beschuldigten nicht
hinreichend deutlich. Sie belegen zwar eindrucksvoll die bei dem Beschuldigten
vorliegende krankhafte seelische Störung (vgl. UA S. 21), vermitteln aber
keinen sicheren Eindruck von einer von ihm ausgehenden unmittelbaren Gefahr.
Der Satz 'ein Ausstieg ist nur durch den Tod möglich' ist kein Nachweis
für eine Gewaltbereitschaft des Beschuldigten, sondern beschreibt aus seiner
Sicht lediglich den einzigen Weg für Betroffene, der 'Hypnose der S.
zu entgehen' (vgl. UA S. 11). Ob die weiter vom Landgericht angeführten Textstellen
(UA S. 22) irgendeinen Hinweis auf mögliches gefährliches Tun des
Beschuldigten erlauben, erscheint jedenfalls - wenn man sie nicht isoliert, sondern
im Zusammenhang mit dem übrigen, wenig ernst zu nehmenden Text betrachtet
(UA S. 12) - zweifelhaft.
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Schließlich weisen auch die von der Kammer aufgeführten Verhaltensweisen
des Beschuldigten aus der Vergangenheit nicht auf seine besondere
Gefährlichkeit hin. Dass der Beschuldigte unkontrolliert die ihn schützende
Umgebung verlassen hat (vgl. UA S. 23), hat insoweit für sich keinerlei Erkenntniswert.
Bei dieser Sachlage fehlt es mithin an der genügenden Darlegung einer
von dem Beschuldigten infolge seines Zustands ausgehenden Gefahr der Begehung
weiterer erheblicher rechtswidriger Taten. Die Entscheidung des Landgerichts
ist deshalb aufzuheben; sie bedarf neuer Verhandlung."
Dem schließt sich der Senat an, verweist die Sache jedoch an ein anderes
Landgericht zurück (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).
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