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BGH, Beschluss vom 5. Februar 2002 - 3 StR 350/01


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 5.2.2002 - 3 StR 350/01
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 350/01
vom
5. Februar 2002
in der Strafsache gegen
wegen Beihilfe zum Totschlag u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 5. Februar 2002 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten Y. wird das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 8. Mai 2001, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen tateinheitlicher Beihilfe zum Totschlag, zum versuchten Totschlag und zur gefährlichen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Das auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Rechtsmittel des Angeklagten hat Erfolg. Die Revision des Mitangeklagten D. , der als Haupttäter wegen Totschlags und wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist, hat der Senat durch Beschluß gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen.
1. Nach den Feststellungen war es einige Tage vor der Tat zu verbalen und körperlichen Auseinandersetzungen gekommen zwischen einerseits den Mitarbeitern des Internetcafés, zu denen der Angeklagte und der Mitangeklagte D. gehörten, und andererseits einer Gruppe um die späteren Tatopfer, die Brüder K. . Der Mitangeklagte D. hatte dabei in Anwesenheit des Angeklagten gegenüber dem Vater der Tatopfer geäußert, er werde dessen Söhne mit einem Kugelhagel empfangen, wenn diese sich noch einmal in der Nähe des Internetcafés blicken lassen sollten. Der Angeklagte hielt den Mitangeklagten D. für fähig, diese Drohung auch wahr zu machen.
Anschließend kamen der Mitangeklagte D. , der Angeklagte sowie weitere Mitarbeiter des Cafés bei einem "Kriegsrat" überein, daß man, da mit weiteren Angriffen der Brüder K. gerechnet werden müsse, neben anderen Sicherungsmaßnahmen eine scharfe Waffe einsatzbereit vorhalten wolle, die der Mitangeklagte D. am Vortage dem Angeklagten mit der Weisung übergeben hatte, sie für ihn als Waffenträger zur jederzeitigen Verfügung zu halten, und die bereits geraume Zeit vorher zum Schutz des Internetcafés angeschafft worden war.
In der Mittagszeit des 3. Dezember 2000 erschienen die Brüder Turan und Hüseyin K. zusammen mit anderen, insgesamt zehn Personen vor dem Internetcafé. Beide Seiten beschimpften und beleidigten sich heftig. Trotz der aufgeheizten Atmosphäre war es durch die Brüder K. und ihre Freunde zu keinen Beschädigungen gekommen. Auch hatte niemand der unbewaffneten Brüder K. oder ihrer Freunde über verbale und allgemein gehaltene gegenseitige Drohungen hinaus mit dem Einsatz von Waffen gedroht. Zu einem Zeitpunkt, als die Brüder K. mehrere Meter von der Türe zum Internetcafé entfernt und weitere drei bis vier Begleiter in einigem Abstand dazu standen und sich die übrigen bereits zurückgezogen hatten, gab der Mitangeklagte D. dem Angeklagten zu verstehen, daß er ihm nunmehr die Pistole zur Verfügung stellen solle. Der Angeklagte stellte sich umgehend neben D. , damit dieser ihm die Pistole aus dem Hosenbund ziehen konnte. Der Mitangeklagte griff zur Pistole, entsicherte sie, lud sie durch und stürmte aus dem Café. Er zielte - mit ausgestrecktem und waagerecht in Schulterhöhe gehaltenem Arm - auf die fliehenden Brüder K. und schoß insgesamt in schneller Folge siebenmal auf sie. Er tötete den Turan K. durch einen Schuß in den Kopf und verletzte den Hüseyin K. schwer.
Nach Rückkehr in das Internetcafé gab der Mitangeklagte D. dem Angeklagten die Waffe zurück und wies ihn an, das Lokal durch ein Toilettenfenster zu verlassen und sie bei einem Bekannten zu verstecken. Dem kam der Angeklagte nach.
Das Landgericht hat festgestellt, daß der Angeklagte im Zeitpunkt, als er dem Mitangeklagten D. die Waffe zur Verfügung stellte, für möglich hielt und billigend in Kauf nahm, daß dieser damit gezielt auf die Brüder K. schießen und dabei deren Tod für möglich halten und billigend in Kauf nehmen würde. Das ergebe sich aus dem Geschehen am Vortage und unmittelbar vor der Tat sowie aus der Art der Hilfeleistung und aus dem Nachtatverhalten des Angeklagten.
2. Die diesen Feststellungen zugrunde liegende Beweiswürdigung hält zur subjektiven Tatseite rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Worauf das Landgericht seine Überzeugung stützt, der Angeklagte, der dies bestreitet, habe sich, als er dem Mitangeklagten D. die Waffe zur Verfügung gestellt habe, vorgestellt oder für möglich gehalten, dieser werde mit Tötungsvorsatz gezielte Schüsse auf die Tatopfer abgeben, läßt sich dem Urteil nicht in nachvollziehbarer Weise entnehmen.
Die Feststellungen belegen zwar, daß - was der Angeklagte wußte - die Pistole zum Schutz des Internetcafés angeschafft worden war und der Mitangeklagte D. dem Vater der Tatopfer angedroht hatte, er werde im Wiederholungsfalle dessen Söhne mit einem Kugelhagel empfangen. Auch war dem Angeklagten bekannt, daß die Pistole bei Angriffen erforderlichenfalls als scharfe Waffe zur Verteidigung einsatzbereit vorgehalten werden sollte.
Dies stützt die Annahme eines Gehilfenvorsatzes indes nur insoweit, als der Angeklagte dem Mitangeklagten D. die Waffe in dem Bewußtsein überließ, daß dieser sie in der konkreten Situation "einsetzen" (UA S. 12) wollte. Eine auch die Abgabe gezielter, tödlicher Schüsse einschließende Vorstellung von dem späteren Einsatz der Waffe durch D. ist damit aber nicht belegt. Sie ergibt sich auch nicht zweifelsfrei aus dem gesamten Geschehensablauf einschließlich des Nachtatverhaltens des Angeklagten. Lediglich die am Vortage von dem Mitangeklagten D. ausgestoßene Drohung, er werde die Brüder K. mit einem Kugelhagel empfangen, könnte darauf hindeuten. Das Landgericht teilt indes nicht mit, worauf sich seine Feststellung gründet, der Angeklagte habe die Drohung ernst genommen und den Mitangeklagten tatsächlich für entschlossen gehalten, die Brüder K. mit einem Kugelhagel zu empfangen. Im übrigen hätte näher dargelegt werden müssen, warum angesichts der nicht bedrohlichen Situation für die Personen im Internetcafé der Angeklagte gerade in diesem Augenblick die Vorstellung bevorstehender möglicherweise tödlicher Schüsse durch D. gehabt haben soll. Dabei hätte auch Anlaß zur Erörterung der naheliegenden Möglichkeit bestanden, daß der Angeklagte dem D. die Waffe in dem Bewußtsein überließ, dieser werde beispielsweise durch demonstratives Zeigen der Schußwaffe oder durch die Abgabe eines Warnschusses oder nur ungezielter Schüsse in Richtung der Gebrüder K. diese dazu bewegen wollen, sich zu entfernen.
Tolksdorf Rissing-van Saan Miebach
von Lienen Becker



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