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BGH, Beschluss vom 5. Mai 2009 - 5 StR 50/09


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 5.5.2009 - 5 StR 50/09
5 StR 50/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 5. Mai 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u. a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Mai 2009
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Juli 2008 gemäß § 349 Abs. 4 StPO
a) im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte wegen Erwerbs und Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe und wegen Totschlags in Tateinheit mit Besitz und Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe in weiterer Tateinheit mit zweifacher Bedrohung verurteilt ist,
b) im gesamten Strafausspruch mit Ausnahme der wegen Erwerbs und Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe verhängten Einzelstrafe (neun Monate Freiheitsstrafe) aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
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G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Erwerbs und Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe, wegen Mordes in Tateinheit mit Führen und Besitz einer halbautomatischen Kurzwaffe und wegen Bedrohung in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe, schuldig gesprochen und auf eine lebenslange Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe erkannt. Es hat ferner eine Schusswaffe eingezogen. Die Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Das weitergehende Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
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a) Der von staatlicher Unterstützung und vom Handel mit Schrott und Autos lebende zierliche, (damals) 31 Jahre alte Angeklagte ließ Anfang 2004 unter Vermittlung Dritter durch die Zeugin S. einen ihm zustehenden Pkw Audi A 8 zum öffentlichen Straßenverkehr zu. Ein Verwandter des Angeklagten verursachte mit diesem Fahrzeug einen Fremdschaden, was zur Erhöhung der von der Zeugin geschuldeten Versicherungsprämie führte. Um deren Ausgleich kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Angeklagten und der Zeugin. Der Angeklagte versprach nach Intervention Dritter, den Schaden in Höhe von 1.500 Euro durch Zahlung an die Versicherung auszugleichen.
Am 28. Juni 2006 begaben sich die Zeugen Y. und V. sowie der später getötete J. in eine Spielothek und erinnerten den Angeklagten an die Zahlung. Darüber war der Angeklagte verärgert. Er erklärte sich indes damit einverstanden, in die Cafe-Classic-Bar zu kommen und mit der Zeugin S. über die Angelegenheit nochmals zu reden. Zahlen wollte der Angeklagte nicht. Er erschien zu der Unterredung „in Übermacht“
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(UA S. 12), in Begleitung von fünf weiteren Männern. Alle neu Eingetroffenen begaben sich zielstrebig in den Hinterraum der Gaststätte, wo die Zeugin S. und ihre Unterstützer warteten. Der Angeklagte bot in aggressivem Tonfall die Zahlung in monatlichen Raten von 50 Euro an. Die Zeugin S. erhob sich und lehnte dieses Angebot ab. Darüber erregte sich der Angeklagte, trat an die Zeugin bis auf ca. 1 m heran und äußerte laut und aggressiv, dass er ihr überhaupt kein Geld geben werde. Der Zeuge V. schaltete sich ein und stritt sich mit dem Angeklagten. Die Zeugin S. fürchtete sich vor einem körperlichen Angriff des Angeklagten und erklärte, auf Zahlungen gänzlich zu verzichten. Dies beruhigte den Angeklagten nicht. V. erhob sich, stellte sich schlichtend zwischen die Widersacher und packte den deutlich kleineren Angeklagten an dessen Weste. Der Angeklagte konnte sich lösen, nahm in diesem Moment den in zwei Metern Entfernung wortlos sich erhebenden 100 kg schweren J. wahr und entschloss sich, diesen zu töten. „Er wollte verhindern, dass auch J. für die Zeugin S. Partei ergreifen und sich ihm - L. - gewalttätig nähern würde. Er befürchtete, bei einer einfachen körperlichen Auseinandersetzung trotz seiner Begleiter kräftemäßig zu unterliegen und, bevor ihm jemand helfen konnte, erhebliche Blessuren davonzutragen. In Umsetzung seines situativ gefassten Tatentschlusses, zog der Angeklagte unvermittelt seine mitgeführte Pistole … aus dem hinteren rechten Hosenbund und feuerte zwei Schüsse auf sein sich in diesem Zeitpunkt keines gegenwärtigen Angriffs auf seine Person versehendes und gegen einen Feuerüberfall schutzloses Opfer ab, dessen Kenntnis- und Handlungsdefizite bewusst nutzend. Er billigte es und rechnete damit, den nur wenige Meter entfernten J. tödlich zu treffen“ (UA S. 17). Der 35 Jahre alte J. verstarb infolge der beiden in Brust und Bauch eingedrungenen Geschosse.
Der Angeklagte richtete im Tresenraum seine Pistole auf die Zeugin S. und schrie wiederholt: „Soll ich Dich umbringen?“ Sodann richtete der Angeklagte seine Waffe gegen den Zeugen V. und fragte drohend: „Willst Du, dass ich schieße?“ (UA S. 20).
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b) Das Landgericht hält den Getöteten für arglos, weil sich dieser nicht in die Auseinandersetzung eingemischt hatte (UA S. 70). Aus den festgestellten Tatumständen leitet das Schwurgericht ab, dass der - die Schussabgabe bestreitende - Angeklagte sich dessen bewusst war, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber einem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (UA S. 71).
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c) Das Landgericht hat hinsichtlich der beiden Bedrohungen in Tateinheit mit Verstößen gegen das Waffengesetz Tatmehrheit angenommen und auf jeweils acht Monate Freiheitsstrafe erkannt. Wegen des Erwerbs und Besitzes der eingezogenen Pistole, die nicht die Tatwaffe gewesen ist, hat es zudem auf eine Freiheitsstrafe von neun Monaten erkannt.
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2. Die Verfahrensrügen bleiben aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 19. März 2009 erfolglos. Indes halten der Schuldspruch wegen Mordes und die Annahme von Tatmehrheit hinsichtlich der Bedrohungen - anders als die Gesamtheit der darüber hinaus getroffenen Feststellungen und ihrer Würdigung - der sachlichrechtlichen Prüfung nicht stand.
a) Der Senat kann es dahingestellt sein lassen, ob die Annahme der Arglosigkeit und der sich daraus ergebenden Wehrlosigkeit des Getöteten auf einer lückenhaften Beweiswürdigung beruht. Im Ansatz zu Recht trägt die Revision vor, dass es das Landgericht verabsäumt hat zu erwägen, dass das Opfer auf Seiten der Geldeintreibenden als dritter Mann mitgewirkt hat, der Angeklagte mit einer Übermacht von fünf Mann gegenüber den Geldfordernden aggressiv aufgetreten und eine körperliche Auseinandersetzung zwischen Angehörigen beider Lager der Tat unmittelbar vorausgegangen ist (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 13), das Opfer mithin in Wahrnehmung dieser Umstände eher mit einem tätlichen Angriff gerechnet hat (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 21).
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b) Jedenfalls beruht die Annahme, der Angeklagte habe die Arg- und Wehrlosigkeit des Getöteten ausgenutzt, auf dieser Annahme widersprechenden Feststellungen; die Verurteilung wegen Heimtückemordes kann deshalb nicht bestehen bleiben.
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Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler aufgrund der Tatumstände als Tatmotivation des Angeklagten mit der zitierten Wendung zur Ausgangssituation der Tat (UA S. 17) dem Angeklagten tatsachenfundiert zugebilligt, dass dieser einem sich unmittelbar anbahnenden, wenngleich noch nicht konkret erkennbaren körperlichen Angriff des zum gegnerischen - auch aggressiven - Lager gehörenden J. entgegentreten wollte. Einer solchen Vorstellung des Angeklagten widerstreitet es, dass sich der Angeklagte dessen bewusst gewesen wäre, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber einem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 1; BGH NStZ 2009, 30, 31 m.w.N.).
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Der Senat schließt aus, dass sich aufgrund einer neuen Hauptverhandlung noch weitere Feststellungen treffen lassen, aus denen für das Mordmerkmal der Heimtücke Schlüsse gezogen werden können. Niedrige Beweggründe hat das Landgericht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen. Der Senat ändert daher den Schuldspruch von sich aus dahin, dass der Angeklagte des Totschlags (§ 212 Abs. 1 StGB) schuldig ist.
c) Ebenfalls abzuändern war die tatmehrheitliche Ausurteilung der Bedrohungen in Tateinheit mit den Waffendelikten. Das der Tötung und den Bedrohungen zugrunde liegende einheitliche Führen der Pistole verklammert hier die Bedrohungen und den Totschlag zu einer im Rechtssinn einheitlichen Tat (BGHR StGB § 52 Abs. 1 Klammerwirkung 6).
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3. Das neue Tatgericht wird demnach lediglich noch die neue Einsatzstrafe und mit der aufrecht erhaltenen Freiheitsstrafe von neun Monaten eine neue Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden haben. Dies hat auf der Grundlage der
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hierfür fehlerfrei getroffenen Feststellungen zu geschehen, die aufrecht zu erhalten waren. Damit ist für eine erneute Prüfung der Voraussetzungen des § 21 StGB kein Raum. Weitere Feststellungen, die den bisherigen nicht widersprechen, werden freilich zulässigerweise getroffen werden können.
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