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BGH, Beschluss vom 7. Februar 2001 - 3 StR 3/01


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 7.2.2001 - 3 StR 3/01
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 3/01
vom
7. Februar 2001
in der Strafsache gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwaltes, zu Ziffer 2. auf dessen Antrag, am 7. Februar 2001 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 17. August 2000
a) im Schuldspruch dahingehend abgeändert, daß der Angeklagte der Vergewaltigung in einem schweren Fall in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch eines Kindes und der Vergewaltigung in zwei weiteren Fällen schuldig ist;
b) im Strafausspruch hinsichtlich der im Fall II. 1. der Urteilsgründe verhängten Einzelfreiheitsstrafe von fünf Jahren und der Gesamtstrafe aufgehoben; im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen;
c) im Ausspruch über die Entschädigung der Nebenklägerin aufgehoben, soweit das Landgericht dieser dem Grunde nach Schmerzensgeld auch hinsichtlich der Tat des Falles
II. 1. der Urteilsgründe zugesprochen hat; im Umfang der Aufhebung wird von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag der Nebenklägerin abgesehen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch eines Kindes, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und "festgestellt, daß der Schmerzensgeldanspruch der Nebenklägerin dem Grunde nach gerechtfertigt ist". Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge einen Teilerfolg.
1. Der Schuldspruch im Fall II. 1. der Urteilsgründe ist abzuändern, weil das Landgericht diese Tat rechtsfehlerhaft nach § 177 Abs. 1 StGB a. F., § 176 Abs. 1 StGB abgeurteilt hat. Es hat verkannt, daß auf die vom Angeklagten zwischen dem 16. Oktober 1986 und 15. Oktober 1987 in Magdeburg begangene Tat nach deren konkreten Umständen gemäß Art. 315 Abs. 1 Satz 1 EGStGB, § 2 Abs. 3 StGB das Recht der ehemaligen DDR anzuwenden ist. Nach dem dort zur Tatzeit geltenden Recht hat sich der Angeklagte der Vergewaltigung in einem schweren Fall in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch eines Kindes gemäß § 121 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, § 148 Abs. 1, § 63 Abs. 2 Alt. 1 StGB-DDR schuldig gemacht. Die hierfür zu verhängende Hauptstrafe
(§ 64 Abs. 1 StGB-DDR) wäre nach § 64 Abs. 2 StGB-DDR dem Strafrahmen des § 121 Abs. 2 Satz 1 StGB-DDR zu entnehmen, der Freiheitsstrafe von zwei bis zehn Jahren androht. Das Landgericht, das rechtsfehlerfrei das Vorliegen eines minder schweren Falles im Sinne des § 177 Abs. 2 StGB a. F. verneint hat, hat demgegenüber die Einzelstrafe für diese Tat aus dem Strafrahmen von zwei bis fünfzehn Jahren des § 177 Abs. 1 StGB a. F. zugemessen und damit fehlerhaft nicht das mildeste Gesetz im Sinne des Art. 315 Abs. 1 Satz 1 EGStGB, § 2 Abs. 3 StGB angewendet. Der Senat kann ausschließen, daß im weiteren Verfahren noch Umstände zu Tage treten, die eine Bewertung der Tat als minder schwerer Fall der Vergewaltigung im Sinne des § 177 Abs. 2 StGB a. F. und damit die Festsetzung der insoweit zu verhängenden Einzelstrafe aus dessen Strafrahmen von sechs Monaten bis fünf Jahren Freiheitsstrafe rechtfertigen könnten. Er ändert daher den Schuldspruch in diesem Fall dahingehend ab, daß der Angeklagte der Vergewaltigung in einem schweren Fall in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch eines Kindes gemäß den genannten Vorschriften des StGB-DDR schuldig ist.
Strafverfolgungsverjährung ist insoweit noch nicht eingetreten (vgl. allgemein zur Fristberechnung für in der ehemaligen DDR begangene Straftaten BGH NStZ 1998, 36):
Die für die Vergewaltigung im schweren Fall (§ 121 Abs. 2 StGB-DDR) zunächst laufende Verjährungsfrist von fünfzehn Jahren (§ 82 Abs. 1 Nr. 4 StGB-DDR) war am 3. Oktober 1990 noch nicht verstrichen und wurde an diesem Tag unterbrochen (Art. 315 a Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 EGStGB). Von diesem Zeitpunkt an galt die zehnjährige Verjährungsfrist des § 78 Abs. 3 Nr. 3 StGB. Diese wurde durch den Haftbefehl gegen den Angeklagten vom 21. März 2000 erneut unterbrochen.
Die Verjährungsfrist für den sexuellen Mißbrauch eines Kindes (§ 148 Abs. 1 StGB-DDR) von acht Jahren (§ 82 Abs. 1 Nr. 3 StGB-DDR) war am 3. Oktober 1990 auch noch nicht abgelaufen und wurde daher gemäß
Art. 315 a Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 EGStGB ebenfalls unterbrochen. Ab diesem Zeitpunkt galt die fünfjährige Verjährungsfrist des § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB. Diese wurde durch das 2. Verjährungsgesetz vom 27. September 1993 (BGBl I 1657) und das 3. Verjährungsgesetz vom 22. Dezember 1997 (BGBl I 3223) letztlich bis zum 2. Oktober 2000 verlängert (Art. 315 a Abs. 2 Alt. 1 EGStGB). Vor diesem Zeitpunkt konnte auch die absolute Verjährung nach § 78 c Abs. 3 Satz 2 StGB nicht eintreten (BGHR EGStGB Art. 315 a Verjährungsfrist 2). Seit Verkündung des landgerichtlichen Urteils vom 17. August 2000 ist der Ablauf der Verjährungsfrist indessen gehemmt (Art. 315 a Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 EGStGB, § 78 c Abs. 3 Satz 3, § 78 b Abs. 3 StGB).
Auch § 265 Abs. 1 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, da sich der Angeklagte insoweit nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
2. Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung der im Fall II. 1. der Urteilsgründe verhängten Einsatzstrafe von fünf Jahren und der Gesamtstrafe. Auf die zugrunde liegenden Feststellungen ist die Aufhebung jedoch nicht zu erstrecken. Sie sind rechtsfehlerfrei getroffen und können daher bestehen bleiben.
Für die Tat des Falles II. 1. der Urteilsgründe ist nunmehr eine Hauptstrafe (§ 64 Abs. 1 StGB-DDR) aus dem Strafrahmen des § 121 Abs. 2 Satz 1 StGB-DDR festzusetzen (§ 64 Abs. 2 StGB-DDR) und aus dieser und den beiden bestehen bleibenden Einzelstrafen der Fälle II. 2. und 3. eine neue Gesamtfreiheitsstrafe nach §§ 53, 54 StGB zu bilden (BGH NStZ 1999, 82, 83 m.w.Nachw.). Die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer kann hierzu auch weitere Feststellungen treffen, soweit sie mit den bisher getroffenen nicht in Widerspruch stehen.
3. Der Ausspruch im Adhäsionsverfahren kann teilweise ebenfalls keinen Bestand haben. Trotz der mißverständlichen Formulierung der Urteilsformel wollte die Strafkammer ersichtlich kein Feststellungsurteil im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO verkünden, sondern den Schmerzensgeldanspruch der Nebenklägerin im Sinne des § 304 ZPO dem Grunde nach für gerechtfertigt erklären. Die Auslegung dieses Grundurteils anhand der Urteilsgründe ergibt, daß das Landgericht dabei der Nebenklägerin auch für die zwischen Oktober 1986 und Oktober 1987 in Magdeburg erlittene Vergewaltigung dem Grunde nach einen Schmerzensgeldanspruch zugebilligt hat (UA S. 10). Dies ist rechtsfehlerhaft.
Das Landgericht hat auch insoweit das anzuwendende Recht verkannt. Gemäß Art. 232 § 10 EGBGB sind die Bestimmungen der §§ 823 bis 853 BGB nur auf unerlaubte Handlungen anzuwenden, die am Tag des Wirksamwerdens des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik oder danach begangen wurden. Ein Schmerzensgeldanspruch der Nebenklägerin nach § 847 Abs. 2 BGB scheidet daher aus. Maßgeblich sind vielmehr die Bestimmungen des ZGB-DDR. Dieses kennt keine dem § 847 Abs. 2 BGB vergleichbare Bestimmung. Einen Ersatz für immaterielle Schäden sieht es in § 338 Abs. 3 ZGB-DDR nur für bestimmte Folgen von Gesundheitsschäden vor. Daß bei der Nebenklägerin durch die Tat ein Gesundheitsschaden mit einer der genannten Folgen eingetreten wäre, ist jedoch nicht ersichtlich.
Der Ausspruch über die Entschädigung der Nebenklägerin ist daher aufzuheben, soweit ihr auch für diese Tat dem Grunde nach Schmerzensgeld zugesprochen wurde. Von einer Entscheidung über diesen abgrenzbaren Teil des Schmerzensgeldanspruches der Nebenklägerin ist gemäß § 405 Satz 1 StPO abzusehen.
4. Im übrigen hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Kutzer Rissing-van Saan Pfister von Lienen Becker



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