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BGH, Beschluss vom 8. Februar 2005 - 3 StR 452/04


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 8.2.2005 - 3 StR 452/04
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 452/04
vom
8.2.2005
in der Strafsache
gegen
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 8.02.2005 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Lüneburg vom 5. Juli 2004 im Schuldspruch dahin geändert,
daß die Verurteilung wegen tateinheitlicher versuchter
Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge entfällt.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge in Tateinheit mit deren Einfuhr sowie mit
versuchter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer
Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
angeordnet. Die auf Verfahrensrügen und Beanstandungen
der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat
nur den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg.
1. Dem Angeklagten ist es gelungen, ein Kilogramm Kokain in die Bundesrepublik
einzuführen. Seine Bemühungen, mit demselben Transport aus
Venezuela weitere 46 Kilogramm einzuführen, sind hingegen gescheitert. Dieser
Versuch tritt hinter dem Verbrechen der vollendeten Einfuhr zurück. Der
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Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert. Die Strafzumessung ist
von dem Fehler nicht beeinflußt, da der weitergehende Tatvorsatz, auch wenn
er im Schuldspruch nicht zum Ausdruck kommt, bei der Strafzumessung zu berücksichtigen
ist.
2. Im übrigen hat die Überprüfung des Urteils keinen durchgreifenden
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. In Ergänzung der Antragsschrift
des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
a) Die Behandlung der Beweisanträge auf Inaugenscheinnahme mehrerer
Straßen in St. (Revisionsbegründung S. 118) sowie auf Vernehmung der
Zeugin M. (Revisionsbegründung S. 123) ist nicht zu beanstanden, da die
Beweiswürdigung und die Feststellungen des Urteils zu den als wahr unterstellten
Beweistatsachen nicht in Widerspruch stehen und sich das Landgericht
angesichts der auf einer Fülle von Indizien beruhenden Feststellungen in den
Urteilsgründen mit ihnen nicht auseinandersetzen mußte.
b) Soweit sich die Revision mit der Rüge einer Verletzung des Rechts
auf ein faires Verfahren gegen die Anordnung der Sicherungsverwahrung wendet,
trägt sie folgenden Verfahrensgang vor: Am zweiten Tag wurde die Verhandlung
unterbrochen, um unter Ausschluß der Öffentlichkeit und des Angeklagten
zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung die Frage zu
erörtern, ob eine "einvernehmliche Verfahrenserledigung" in Betracht komme.
Dabei stellte die Kammer im Falle eines umfassenden Geständnisses eine
Freiheitsstrafe von höchstens zwölf Jahren in Aussicht. Der Vorsitzende äußerte,
daß die Sicherungsverwahrung in diesem Fall nicht angeordnet werde, kündigte
aber zugleich an, daß im Fall der Nichteinigung "ab Montag die Begut-
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achtung" des Angeklagten "durch den Sachverständigen Dr. S." im Hinblick auf
die Sicherungsverwahrung "im Raum" stehe. Nach Wiedereintritt in die öffentliche
Hauptverhandlung gab der Vorsitzende den Vorschlag der Kammer zur
Verfahrenserledigung (höchstens zwölf Jahre bei umfassendem Geständnis)
bekannt, ohne dabei seine Ausführungen zur Maßregelanordnung zu erwähnen.
Nachdem der Angeklagte eine geständige Einlassung nicht abgab, veranlaßte
die Strafkammer die Ladung des Sachverständigen für den nächsten
Verhandlungstag.
Sollte der Strafkammervorsitzende, wie von der Revision behauptet, versucht
haben, die Sicherungsverwahrung zum Gegenstand einer Urteilsabsprache
zu machen und etwa durch die Androhung, andernfalls die Maßregel zu
verhängen, den Angeklagten zu einem Geständnis zu bewegen, läge hierin ein
schwerwiegender Rechtsverstoß. Die Frage der Anordnung der Sicherungsverwahrung
ist, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für eine solche Maßnahme
vorliegen, ebenso wenig wie die rechtliche Beurteilung der Tat einer
Verständigung im Strafprozeß zugänglich (BGH NStZ-RR 2005, 39; BGH, Urt.
vom 28. Mai 1998 - 4 StR 17/98; Beschl. vom 6. August 1998 - 4 StR 268/98).
Dabei spielt es keine Rolle, daß vorliegend die Anordnung der Maßregel nur
nach § 66 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 StGB in Betracht kam und deshalb im Ermessen
der Strafkammer stand. Ein nach einem gerichtlichen Höchststrafangebot
abgegebenes Geständnis wäre angesichts der weiteren Umstände nicht
geeignet gewesen, die Ermessensausübung entscheidend zu beeinflussen.
Die in der Revisionsbegründung geäußerte Besorgnis, die Strafkammer
könne im Anschluß an die behaupteten Äußerungen ihres Vorsitzenden in ihrer
Entscheidung über die Anordnung der Sicherungsverwahrung nicht mehr frei
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gewesen sein, vermag - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers -
eine den Bestand des Urteils gefährdende Verletzung des Rechts auf ein faires
Verfahren nicht zu begründen. Insofern sind die Regeln der Strafprozeßordnung
über die Richterablehnung vorgreiflich. Der Angeklagte hätte die behaupteten
Verfahrensvorgänge berechtigterweise zum Anlaß nehmen können, ein
Ablehnungsgesuch anzubringen. Soweit die Revision in ihrer Erwiderung nach
§ 349 Abs. 3 StPO (S. 7 f.) einwendet, Ablehnungsgesuche lägen bei im Zusammenhang
mit Vorgesprächen geäußerten Strafvorstellungen des Tatgerichts
nicht nahe, kann dies jedenfalls nicht für den Fall gelten, in dem - wie
hier vorgetragen - beanstandete Äußerungen zur Herbeiführung einer Urteilsabsprache
die Voraussetzungen des § 136 a Abs. 1 Satz 3 StPO erfüllen.
Der Senat braucht den Sachverhalt nicht aufzuklären, da der Beschwerdeführer
das behauptete Geschehen nicht zum Gegenstand eines Ablehnungsgesuchs
gemacht hat.
c) Das Landgericht hat in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen
in Ansehung der Rückfallgeschwindigkeit, der sich steigernden Intensität der
Straftaten sowie der Vorbereitung der letzten Tat während des vorangegangenen
Strafvollzugs und der Persönlichkeit des Angeklagten bei diesem einen
Hang zur Begehung erheblicher Straftaten bejaht. Bei der Ermessensausübung
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hat es das Alter des Angeklagten und die Dauer der von ihm zu verbüßenden
Freiheitsentziehung berücksichtigt. Auf die sachlich-rechtliche Überprüfung ist
bei der Maßregelanordnung kein Rechtsfehler zutagegetreten.
Tolksdorf RiBGH Dr. Miebach ist urlaubs- Pfister
bedingt an der Unterzeichnung
gehindert.
Tolksdorf
Becker Hubert



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