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BGH, Beschluss vom 8. März 2001 - 1 StR 28/01


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 8.3.2001 - 1 StR 28/01
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 28/01
vom
8. März 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. März 2001 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Traunstein vom 23. Oktober 2000 mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben
a) soweit die Angeklagte in den Fällen II. 2. und II. 4. der Urteilsgründe
wegen Betruges verurteilt worden ist (Betrug zum
Nachteil I. und zum Nachteil B. ),
b) im gesamten Strafausspruch.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an
eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Betruges in drei Fällen und
wegen Nötigung zur Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten
verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision der Angeklagten rügt die Verletzung
formellen und sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung
der Verurteilung in zwei Betrugsfällen sowie im gesamten Strafausspruch; im
übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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I.
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen veranlaßte die
1966 geborene Angeklagte, die die eidesstattliche Versicherung abgegeben
hatte und die beim Gerichtsvollzieher als amtsbekannt unpfändbar galt, den
1934 geborenen Rentner A. (Fall II 1 der Urteilsgründe), den 1969
geborenen Landwirt I. (Fall II 2) und den 1938 geborenen Wasserwart
B. (Fall II 4) ihr wiederholt Bargeldbeträge in zum
Teil großer Höhe ungesichert "zu leihen". Von A. erhielt sie insgesamt
55.000 DM, von I. insgesamt mindestens 80.000 DM und von B.
insgesamt wenigstens 180.000 DM. Dabei gab sie teilweise unzutreffende
Gründe für ihren Geldbedarf an. A. zahlte, weil er die Angeklagte "fesch"
und "sympathisch" fand; er hatte sich "ein bißchen in sie verschaut". I.
wollte, daß die Angeklagte seine Freundin werde. An eine erörterte Heirat
dachte die Angeklagte jedoch nicht wirklich. B. hatte sie erklärt, daß
sie seine Frau werden wolle; dieser hatte sich jedoch "Zeit gelassen" und geantwortet,
solange seine Mutter auf dem Hof lebe "gehe gar nichts". Die Angeklagte
zahlte später lediglich kleinere Teilbeträge an A. und B. zurück.
Die vom Landgericht auch zu weiteren Einzelheiten der Geldhingabe
getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen Betruges zum
Nachteil A. . Die Verurteilungen wegen Betruges zum Nachteil I. und
B. können hingegen keinen Bestand haben. Den Urteilsgründen läßt
sich eine Täuschung der Geschädigten über Umstände, welche die künftige
Zahlungsfähigkeit der Angeklagten betrafen oder sonst für die Geldhingabe
mitbestimmend waren, nicht hinreichend deutlich entnehmen. Sie leiden hinsichtlich
dieser beiden Fälle zudem daran, daß das Landgericht die Frage der
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Kausalität zwischen Täuschung und Irrtum sowie zwischen Irrtum und Vermögensverfügung
der Geschädigten nicht erörtert; das wäre hier angesichts der
besonderen Fallgestaltung geboten gewesen.
1. Bei der darlehensweisen und ungesicherten Hingabe der Geldbeträge
wäre eine Täuschung entweder unter dem Gesichtspunkt fehlender Leistungsfähigkeit
oder nicht gegebener Leistungswilligkeit der Angeklagten in Betracht
gekommen. Hohe Erwartungen des Darlehensgebers, etwa hinsichtlich einer
Freundschaft oder gar des Zustandekommens einer Heirat, begründen für sich
gesehen keinen durch Täuschung hervorgerufenen Irrtum. Geht der Darlehensgeber
mit der Geldhingabe in Kenntnis der in hohem Maße zweifelhaften
Fähigkeit des Darlehensnehmers zur Rückzahlung bewußt ein entsprechendes
Risiko ein oder nimmt er dieses in Kauf, so ist er insoweit - wenn nicht besondere
Umstände hinzutreten - nicht getäuscht und irrt nicht (vgl. Tiedemann in
LK 11. Aufl. § 263 Rdn. 212). Anders kann es sich verhalten, wenn der Darlehensrückzahlungsanspruch
deshalb minderwertig ist, weil der Darlehensnehmer
den Darlehensgeber über einen für die Beurteilung seiner künftigen Leistungsfähigkeit
wichtigen Umstand bewußt falsch informiert und so täuscht
(Tiedemann aaO). Jenseits der Frage der Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit
des Darlehensnehmers kommt grundsätzlich eine Täuschung auch unter
dem Gesichtspunkt des vom Darlehensnehmer angegebenen Verwendungszwecks
in Betracht. Insoweit genügt es im Blick auf den erforderlichen Kausalzusammenhang,
wenn die etwaige Täuschung über den Verwendungszweck
für die Vermögensverfügung des Geschädigten wenigstens mitbestimmend
war; ein solcher Beweggrund des Darlehensgebers büßt seine rechtliche Bedeutung
nicht deswegen ein, weil daneben ein anderer bestand, der von dem
Irrtum nicht berührt wurde und für sich allein zu demselben Entschluß des
Darlehensgebers geführt hätte (BGHSt 13, 13, 14; BGH wistra 1999, 419, 420;
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siehe auch BGH MDR bei Dallinger 1958, 139/140; Tiedemann aaO § 263
Rdn. 123). Unerheblich wäre das Vorgetäuschte für die Vermögensverfügung
nur dann, wenn der Geschädigte die Verfügung auch ohne den daraus folgenden
Irrtum vorgenommen hätte (Tiedemann aaO Rdn. 122). Die Angabe eines
falschen Verwendungszwecks ist mithin dann unmaßgeblich, wenn der Zweck
den Darlehensgeber nicht interessiert.
2. Den Rentner A. hat die Angeklagte jedenfalls hinsichtlich
eines für ihre künftige Leistungsfähigkeit bedeutsamen Umstandes getäuscht.
Das Darlehen sollte in zwei Jahren fällig werden, sobald die Angeklagte eine
Lebensversicherung ausbezahlt bekäme. Über diese Lebensversicherung verfügte
die Angeklagte jedoch tatsächlich nicht. Es liegt auf der Hand, daß dieser
Gesichtspunkt für A. bei der Darlehenshingabe jedenfalls mitbestimmend
war. Deshalb kommt es entgegen der Auffassung der Revision nicht
mehr darauf an, daß A. der Angeklagten die Beträge möglicherweise auch
"ohne Begründung" (vgl. UA S. 8), das heißt ohne Angabe einer Zwecksetzung
(Zahnarztkosten, Bauschulden) und aus persönlicher Sympathie oder anderen
Erwartungen gegeben hätte. Der Schuldspruch wegen Betruges hat daher in
diesem Falle Bestand.
Die Annahme eines einheitlichen Betruges läßt einen Rechtsfehler nicht
erkennen, weil die Angeklagte von . A. schon vor Auszahlung des ersten
Teilbetrages in Höhe von 5.000 DM einen weiteren Betrag von 50.000 DM
forderte, den sie dann zwei Tage später auch erhielt. Der Senat entnimmt dem
Zusammenhang der Urteilsgründe auch, daß die Fälligkeit der ersten Darlehensforderung
konkludent mit der Absprache zur Gewährung des zweiten Betrages
in die Zweijahresfrist einbezogen wurde.
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3. Im Falle des Betruges zum Nachteil I. deuten die Urteilsgründe
in ihrem Zusammenhang darauf hin, daß sich der Geschädigte über die Leistungsunfähigkeit
der Angeklagten nicht im unklaren war, die Angeklagte ihn
hierüber insbesondere nicht getäuscht hat. I. gab der Angeklagten zunächst
Beträge von zweimal 1.000 DM und sodann 6.000 DM, weil sie als Hausiererin
aufhören wollte und deshalb Geld benötigte. Anschließend gab er ihr
nochmals mehrere größere Beträge für den Kauf von Personenkraftwagen und
Reparaturen. Bedeutsam war für ihn neben der Rückzahlungszusage der Angeklagten
der Wille, das Geld nicht seinen Schwestern zukommen zu lassen;
zudem sollte die Angeklagte seine Freundin werden. Zur Rückzahlung war eine
Frist oder ein sonstiger Modus nicht vereinbart. I. hatte als Zeuge auf
Nachfrage erklärt, "er wisse auch nicht, warum er ihr das Geld geliehen habe,
wenn er doch gewußt habe, daß sie es nicht zurückzahlen könne" (UA S. 21).
Das deutet darauf hin, daß die Zahlung aus bestimmten Erwartungen, aber
nicht auf der Grundlage einer Täuschung über Umstände erfolgt ist, welche die
künftige Zahlungsfähigkeit der Angeklagten betrafen. Die Frage, ob die Angeklagte
von vornherein auch nicht leistungswillig war, ob sie I. über die
Verwendungszwecke der einzelnen Beträge getäuscht hat und ob diese für
I. hinsichtlich der Geldübergabe mitbestimmend waren, erörtert das
Landgericht nicht. Auch hätte der Prüfung bedurft, ob es hierauf überhaupt
noch ankommen konnte, wenn I. klar war, daß die Rückzahlung der Beträge
nach Lage der Dinge in jedem Falle an der fehlenden Leistungsfähigkeit
der Angeklagten scheitern würde oder jedenfalls in hohem Maße zweifelhaft
war.
4. Im Falle des Betruges zum Nachteil B. legen die
Urteilsgründe nahe, daß dieser Geschädigte ebenfalls bewußt die fehlende
Rückzahlungsfähigkeit der Angeklagten in Kauf genommen hat und hierüber
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nicht getäuscht worden ist. Das wäre zu erörtern gewesen; denn
B. hat als Zeuge bekundet, er habe der Angeklagten gesagt, wenn sie
etwas zurückzahlen könne, sei es gut, wenn nicht, dann könne man nichts machen
(UA S. 22). Hätte sie ihn geheiratet, hätte sie es nicht zurückzahlen müssen
(UA S. 23). Die Angeklagte selbst hatte hierzu angegeben,
B. habe zur Rückzahlung erklärt, "wenn sie etwas habe, sei es gut,
wenn sie nichts zurückzahlen könne, sei es auch recht" (UA S. 17). Diese Angaben
hätten sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht der Würdigung
bedurft.
Ab der Zahlung des vierten Teilbetrages (Gliederungsziffer II. 4. d der
Urteilsgründe) ist überdies nicht festgestellt, welche Bedeutung der angegebene
Verwendungszweck für B. hatte und ob er insoweit jeweils getäuscht
wurde. Zwar hat sich die Angeklagte dahin eingelassen, sie habe
B. wegen der Gründe für ihren Geldbedarf durchweg angelogen. Andererseits
deuten jedoch auch Urteilsausführungen darauf hin, daß tatsächlich
- zumindest teilweise - Personenkraftwagen für die von B. hingegebenen
Beträge erworben wurden, wie dies die Angeklagte angekündigt hatte.
Daß die Angeklagte B. wahrheitswidrig erklärt hatte,
sie wolle seine Frau werden und daß dieser in der "trügerischen Erwartung"
handelte, es werde zur Ehe kommen, begründet im Blick auf die Vermögensverfügungen
nicht ohne weiteres einen Kausalzusammenhang. Grundsätzlich
ist solches zwar möglich, namentlich wenn eine geäußerte Heiratsabsicht den
Charakter eines konkreten Eheversprechens hat, das in Wahrheit aber nur
vorgespiegelt und notwendiges Teilstück damit erkennbar verbundener weiterer
erlogener Angaben zur Erlangung von Darlehen ist (vgl. BGHSt 3, 215,
216/217; Tiedemann aaO § 263 Rdn. 148). Ob und welche Bedeutung das hier
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für die Vermögensverfügungen des B. hatte, bleibt letztlich
unklar. Daß diesen die Heiratserwartung, hätte sie sich realisiert, zu einem
Verzicht auf die Darlehensforderungen bewogen hätte, trägt nicht ohne weiteres
schon die Annahme, daß es ein die Darlehensgewährung mitbestimmender
Beweggrund war. Das verstand sich nicht von selbst, zumal da sich B.
auf die Erklärung der Angeklagten, seine Frau werden zu wollen, zunächst
nicht eingelassen hatte und es zu einer engeren Bindung nicht gekommen war
(UA S. 12). Insoweit sind die Urteilsgründe nicht eindeutig. Auch dies bedarf
erneuter tatrichterlicher Würdigung.
II.
Die Verurteilung wegen vollendeter Nötigung zum Nachteil I. begegnet
keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Strafkammer hat
zwar in ihrer rechtlichen Würdigung nur versuchte Nötigung angenommen. Dabei
handelt es sich aber ersichtlich um einen bloßen Fassungsmangel des Urteils.
Da der Zeuge I. tatsächlich bei der Polizei, wie von der Angeklagten
gewollt, unter dem Eindruck der erfolgten Drohung zunächst falsch
ausgesagt hatte, war die Nötigung vollendet.
III.
Die Aufhebung der Verurteilung in den Fällen II 2 und II 4 der Urteilsgründe
führt zum Wegfall der Einzelstrafen in diesen Fällen sowie der Gesamtstrafe.
Da auch die Höhe der Einzelstrafen in den Fällen II 1 und II 3 der
Urteilsgründe hiervon beeinflußt werden kann, zumal die Frage der Gewerbsmäßigkeit
der Betrugshandlungen der Angeklagten neu zu beantworten sein
wird, hebt der Senat den gesamten Strafausspruch auf.
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IV.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
Die Revision beanstandet im Fall II 4 der Urteilsgründe (zum Nachteil
B. ), drei in den Schuldspruch einbezogenen Zahlungen B. s
an die Angeklagte (September 1998: 42.000 DM, März 1999: 20.000 DM, April
1999: 10.000 DM) liege keine Anklage zugrunde. Aus der Sicht der Strafkammer
spielte das keine Rolle, weil sie einen einheitlichen Betrug angenommen
hat. Der neue Tatrichter wird aber zu bedenken haben, daß eine Zusammenfassung
mehrerer tatbestandsmäßiger Verhaltensweisen zu einer Betrugstat
hier voraussetzt, daß jedenfalls eine Ausführungshandlung sich gleichzeitig auf
sämtliche Tatbestandsverwirklichungen im Sinne des § 263 StGB bezog (vgl.
BGHSt 40, 138, 167; BGH NStZ-RR 1998, 234; siehe aber auch BGHSt 32,
215, 216). Nicht unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Verfahrensvoraussetzung
(wirksame Anklage), sondern allein im Blick auf die zutreffende Bewertung
des Konkurrenzverhältnisses stellt sich diese Frage auch für den Betrug
zum Nachteil I. .
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Lägen hinsichtlich der einzelnen Geldhingaben eigenständige Betrugstaten
vor, wäre auch die Einbeziehung der mit Urteil des Amtsgerichts Landau
vom 24. November 1998 verhängten, möglicherweise immer noch nicht erledigten
Strafe und die Bildung zweier Gesamtstrafen in Betracht zu ziehen.
Schäfer Nack Wahl
Schluckebier Schaal



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