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BGH, Beschluss vom 8. März 2006 - 5 StR 59/06


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 8.3.2006 - 5 StR 59/06
5 StR 59/06
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
8.3.2006
in der Strafsache
gegen
wegen Überlassens von Betäubungsmitteln an Minderjährige zum unmittel- baren Verbrauch
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8.03.2006 beschlossen: Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 16. November 2005 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden ist. Ausgenommen sind die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen, die bestehen bleiben. Insoweit wird die Revision nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Berlin zurückverwiesen. G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Abgabe von Betäubungsmittel an Personen unter 18 Jahren (§ 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG) wegen nicht auszuschließender Schuldunfähigkeit freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet, die Vollziehung der Maßregel jedoch zur Bewährung ausgesetzt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge weitgehend Erfolg. 1 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts traf der Angeklagte im April 2004 drei Jungen im Alter zwischen 13 und 14 Jahren, denen er mitteilte, dass er „Gras“ bei sich habe und die er aufforderte, mit ihm „kiffen“ zu gehen. Alle vier begaben sich zu einem Teich in der Nähe einer Grundschu-2
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le, wo der Angeklagte jeden der Jugendlichen an einer Marihuanazigarette ziehen ließ. Sachverständig beraten, hat die Strafkammer nicht ausschließen können, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit ausgeschlossen war. Der Angeklagte leide seit Jahren an einer schizophrenen Psychose und betreibe Cannabismissbrauch. Seit 1987 habe er deshalb wiederholt stationär behandelt und 1998 unter Betreuung gestellt werden müssen. Im Übrigen seien in der Zeit von August 1989 bis Juli 2000 insgesamt zwölf gegen den Angeklagten eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Schuldunfähigkeit eingestellt worden. Zur Krankengeschichte wird im Urteil mitgeteilt, dass sich der Angeklagte infolge der Betreuung von 1998 bis Februar 2004 regelmäßig im Krankenhaus zu Arztgesprächen und zur Verabreichung einer Depotmedikation eingefunden und sich sein Zustand deshalb gebessert habe. Als im Februar 2004 die Betreuung wegen der eingetretenen Stabilisierung des Angeklagten gelockert worden sei, habe der Angeklagte die Behandlungstermine nicht mehr wahrgenommen und die Psychose sei wieder „aufgeflackert“. Von Februar 2005 bis Anfang Juni 2005 habe sich der Angeklagte in stationärer Behandlung befunden, nachdem die Betreuung auch wieder für den Bereich Gesundheitssorge und Aufenthaltsbestimmung angeordnet worden sei. Seit Juni 2005 halte der Angeklagte regelmäßig und zuverlässig alle Behandlungstermine ein und nehme die ihm verordneten Medikamente. 3 Die Anordnung der Unterbringung begründet die Strafkammer - auch insoweit in Übereinstimmung mit der Sachverständigen - mit der Erwägung, dass bei Absetzen der Medikation ein erneuter Ausbruch der Psychose zu erwarten sei und deshalb befürchtet werden müsse, dass es „zu ähnlich erheblichen“ Taten wie der festgestellten kommen werde. Auch wenn es sich lediglich um weiche Drogen in geringster Menge gehandelt habe und demzufolge nur ein minder schwerer Fall im Sinne des § 29a Abs. 2 StGB vorliegen dürfte, sei dennoch von einer erheblichen Tat auszugehen, da zwei Kinder 4
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und ein Jugendlicher beteiligt gewesen seien und sich das Geschehen in der Nähe einer Grundschule abgespielt habe. 2. Die Feststellungen zum Tatgeschehen weisen keinen Rechtsfehler auf. Die Annahme erheblich verminderter, möglicherweise sogar ausgeschlossener Schuldfähigkeit begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht ferner davon ausgegangen, dass die für die Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB weitere Voraussetzung eines fortdauernden Zustandes beim Angeklagten gegeben ist. 5 Gleichwohl hat der Maßregelausspruch keinen Bestand, weil die Strafkammer die für eine Unterbringung vorausgesetzte Gefährlichkeitsprognose nicht ausreichend begründet hat. 6 7 Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist, auch wenn ihre Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird, eine außerordentlich beschwerende Maßnahme. Deshalb darf sie nur angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, dass der Täter infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen werde (vgl. BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 11 und 26). Die Gefährlichkeitsprognose bedarf insbesondere dann intensiver Prüfung, wenn es sich - wie hier - um eine eher geringfügige Anlasstat handelt (vgl. Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 63 StGB Rdn. 14 m.w.N.). Diesen Anforderungen trägt das angefochtene Urteil nicht hinreichend Rechnung. Zunächst wird nicht mitgeteilt, um welche Delikte es sich im Einzelnen bei den wegen Schuldunfähigkeit eingestellten Verfahren handelt. Nur wenn die dortigen Vorwürfe Taten beträfen, die zumindest in den Bereich der mittleren Kriminalität hineinragen oder jedenfalls in ihrer Gesamtheit eine schwere Störung des Rechtsfriedens darstellen, könnte bei der hier gegebenen Ausgangslage daraus ein gewichtiges Indiz für die Wahrscheinlichkeit künftiger gefährlicher Straftaten hergeleitet werden. Weiter setzt sich das Landge-8
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richt nicht mit dem Umstand auseinander, dass der Angeklagte trotz seiner Erkrankung seit 2002 bis zu der hier vorliegenden Tat im April 2004 offenbar keine rechtswidrigen Taten mehr begangen hat. Auch wird nicht belegt, dass er in der Zeit danach bis zur Hauptverhandlung auffällig geworden wäre, wenngleich er erst ab 15. Oktober 2005 einstweilig untergebracht war. Schließlich hätte bei Prüfung der Gefährlichkeitsprognose auch bedacht werden müssen, dass der Angeklagte nach den bisherigen Erfahrungen bei umfassender Betreuung die ärztlichen Behandlungstermine stets eingehalten, die notwendigen Medikamente genommen und sich einsichtig und kooperativ verhalten hat.

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