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BGH, Beschluss vom 9. August 2005 - 5 StR 67/05


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 9.8.2005 - 5 StR 67/05
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Veröffentlichung : ja
StGB § 263 Abs. 1, § 266a Abs. 1
1. Ein Vermögensschaden kann bei einem Eingehungsbetrug auch
dann vorliegen, wenn - wie vom Täter gewollt - das Opfer vorleistet
und damit eine Sicherung für die Realisierung des eigenen Anspruchs
aufgibt.
2. Der Grundsatz der Massesicherung (§ 64 Abs. 2 GmbHG) berührt
nicht die Strafbarkeit nach § 266a Abs. 1 StGB, wenn ein Verantwortlicher,
der bei Insolvenzreife die fehlende Sanierungsmöglichkeit
erkennt, das Unternehmen weiter führt, ohne einen Insolvenzantrag
zu stellen (im Anschluss an BGHSt 47, 318; 48, 307).
BGH, Beschluss vom 9.08.2005 - 5 StR 67/05
LG Neuruppin -
5 StR 67/05
(alt: 5 StR 16/02)
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 9.08.2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Betruges u. a.
- 2 -
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9.08.2005
beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Neuruppin vom 30. August 2004 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO wie folgt abgeändert:
a) Hinsichtlich beider Angeklagter wird das Verfahren
gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, soweit diesen
tatmehrheitlich begangene Vergehen des Vorenthaltens
von Arbeitsentgelt, des Verstoßes gegen das Berufsverbot
sowie der Beihilfe zum Verstoß gegen das
Berufsverbot zur Last liegen; insoweit trägt die Staatskasse
die Kosten des Verfahrens und die hierauf entfallenen
notwendigen Auslagen der Angeklagten.
b) Im Übrigen wird hinsichtlich beider Angeklagter das
Verfahren gemäß § 154a Abs. 2 StPO auf die Vorwürfe
des Betrugs sowie der falschen Angaben zum Zwecke
der Eintragung einer GmbH beschränkt. Es sind
damit verurteilt:
aa) der Angeklagte W B wegen Betrugs in
elf Fällen, wegen versuchten Betrugs und
wegen falscher Angaben zum Zwecke der Eintragung
einer GmbH in zwei Fällen,
bb) die Angeklagte K B wegen Betrugs und
wegen falscher Angaben zum Zwecke der Eintragung
einer GmbH in zwei Fällen.
- 3 -
c) Gegen die Angeklagten werden gemäß § 354 Abs. 1a
Satz 2 StPO folgende Gesamtstrafen festgesetzt:
aa) gegen den Angeklagten W B eine Gesamtfreiheitsstrafe
von drei Jahren und drei Monaten;
bb) gegen die Angeklagte K B eine Gesamtfreiheitsstrafe
von einem Jahr und sechs
Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung
ausgesetzt wird.
2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden
gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Die Angeklagten tragen die verbleibenden Kosten ihrer
Revisionen, jedoch wird die Gebühr um ein Viertel ermäßigt.
Je ein Viertel der im Revisionsverfahren entstandenen
gerichtlichen Auslagen und notwendigen Auslagen
der Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.
G r ü n d e
Das Landgericht hat die Angeklagten - nachdem der Senat das vorherige
Urteil aufgehoben hatte (BGHSt 47, 318) - bei teilweise geänderten
Schuldsprüchen zu wiederum denselben Gesamtstrafen verurteilt. Gegen
den Angeklagten W B hat das Landgericht wegen Betrugs in elf
Fällen und versuchten Betrugs, jeweils in Tateinheit mit einem Verstoß gegen
das Berufsverbot, sowie wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in fünf
Fällen und wegen falscher Angaben zum Zwecke der Eintragung einer
GmbH in zwei Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verhängt.
- 4 -
Seine Ehefrau, die Angeklagte K B , hat es wegen Betrugs in Tateinheit
mit Beihilfe zum Verstoß gegen das Berufsverbot, wegen Vorenthaltens
von Arbeitsentgelt in fünf Fällen sowie wegen falscher Angaben zum
Zwecke der Eintragung einer GmbH in zwei Fällen mit einer Gesamtfreiheitsstrafe
von einem Jahr und neun Monaten belegt und deren Vollstreckung zur
Bewährung ausgesetzt. Die Rechtsmittel der Angeklagten haben in dem aus
dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet
im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Soweit das Landgericht die Angeklagten wegen Verstoßes gegen
das Berufsverbot verurteilt hat, hat der Senat diese Vorwürfe gemäß §§ 154,
154a StPO mit Zustimmung des Generalbundesanwalts von der Verfolgung
ausgenommen.
a) Der Senat hatte das Urteil des Landgerichts im ersten Durchgang
hinsichtlich der tatmehrheitlich ausgeurteilten Schuldsprüche wegen Verstoßes
gegen das Berufsverbot bzw. der Beihilfe hierzu und wegen falscher Angaben
zum Zwecke der Eintragung einer GmbH aufrechterhalten und insoweit
nur die Einzelstrafen wegfallen lassen.
Das Landgericht hat nunmehr in dem angefochtenen Urteil die Auffassung
vertreten, dass der Verstoß gegen das Berufsverbot (bzw. die Beihilfe
hierzu) jeweils in Tateinheit zu sämtlichen Betrugshandlungen stehe, weil
diese im Zusammenhang mit der verbotenen Berufstätigkeit des Angeklagten
W B s zu sehen seien (zum Konkurrenzverhältnis vgl. Horstkotte in
LK 11. Aufl. § 145c Rdn. 27).
b) Diese Begründung des Landgerichts begegnet durchgreifenden
rechtlichen Bedenken. Es spricht zwar einiges dafür, dass - wie das Landgericht
meint - der Verstoß gegen das Berufsverbot und die jeweiligen Betrugshandlungen
im Verhältnis der Tateinheit zueinander stehen. Das Landgericht
war indes nach § 358 Abs. 1 StPO an die zugrunde liegende Aufhe-
5 -
bungsansicht gebunden und damit im Blick auf die rechtskräftig bestätigten
Schuldsprüche aus Rechtsgründen gehindert, eine andere Beurteilung der
Konkurrenzverhältnisse vorzunehmen. Wäre das Revisionsgericht zu der
Auffassung gelangt, der Verstoß gegen das Berufsverbot und die Betrugshandlungen
stünden im Verhältnis der Tateinheit, dann hätte der selbständige
Schuldspruch nicht bestehen bleiben können (vgl. BGH NStZ 1997, 276;
Kuckein in KK 5. Aufl. § 353 Rdn. 10). Mit der Aufrechterhaltung der selbständigen
Schuldsprüche nach § 145c StGB hat das Revisionsgericht damit
auch die tatmehrheitliche Verurteilung durch das Erstgericht für das neue
Tatgericht bindend festgelegt, selbst wenn sich dies nicht explizit aus den
Entscheidungsgründen ergibt.
Der Widerspruch zur ersten Revisionsentscheidung wird im Übrigen
auch deshalb deutlich, weil - da bislang eine entsprechende Beschränkung
nach § 154 StPO nicht ersichtlich ist - weiterhin rechtskräftige Schuldsprüche
wegen Verstoßes gegen das Berufsverbot (bzw. Beihilfe hierzu) fortbestehen,
die dadurch, dass das Landgericht nunmehr im Hinblick auf die Betrugshandlungen
einen jeweils tateinheitlichen Verstoß gegen das Berufsverbot
angenommen hat, nicht in Wegfall geraten sind.
c) Der Senat stellt deshalb das Verfahren betreffend der letztgenannten
rechtskräftigen Schuldsprüche auf Antrag des Generalbundesanwalts
nach § 154 Abs. 2 StPO ein. Bezüglich der tateinheitlich ausgeurteilten Verstöße
gegen das Berufsverbot beschränkt der Senat mit Zustimmung des
Generalbundesanwalts nach § 154a Abs. 2 StPO die Schuldsprüche auf die
tateinheitlich ausgeurteilten Betrugshandlungen (zur Auswirkung auf die
Strafaussprüche s. unten 3).
2. Soweit die Angeklagten wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt
gemäß § 266a StGB verurteilt wurden, stellt der Senat das Verfahren auf
Antrag des Generalbundesanwalts nach § 154 Abs. 2 StPO ein.
- 6 -
a) Die Urteilsgründe sind insofern nicht frei von Rechtsfehlern. Der
Senat hat unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
in seinem Zurückverweisungsbeschluss darauf hingewiesen, dass bei
Verurteilungen neben der Anzahl der Beschäftigten auch deren Beschäftigungszeiten,
das zu zahlende Arbeitsentgelt und die Höhe der Beitragssätze
der Sozialversicherungsträger in den Urteilsgründen darzustellen sind (BGH
NJW 2002, 2480, 2483, insoweit nicht in BGHSt 47, 318 abgedruckt; vgl.
BGHR StGB § 266a Sozialabgaben 4). In den Gründen des angefochtenen
Urteils finden sich weder Feststellungen zur Höhe des Arbeitsentgelts noch
zu den maßgeblichen Beitragssätzen. Daher ist der Senat nicht in der Lage
zu überprüfen, ob das Landgericht die geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge
zutreffend bestimmt hat.
Die Frage, in welcher Höhe die Sozialversicherungsabgaben geschuldet
sind, ist weitestgehend nicht dem Zeugenbeweis zugänglich, sondern
unter Anwendung von Rechtsnormen zu klären. Deshalb konnte das Landgericht
die Höhe der geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge nicht durch
die Einvernahme des Zeugen D einführen (vgl. zur vergleichbaren
Problematik im Steuerstrafrecht BGHR AO § 370 Abs. 1 Berechnungsdarstellung
9, 10).
b) Der Senat zieht die Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO einer Zurückverweisung
in diesen Fällen vor. Neben dem geringeren Gewicht der
Taten (die Einzelstrafen betrugen jeweils drei Monate Freiheitsstrafe für
W B und 20 Tagessätze für K B ) und der weiteren Verfahrensverzögerung
durch eine neuerliche Zurückverweisung spielt insoweit
auch der Umstand eine Rolle, dass der II. Zivilsenat mit Urteil vom 18. April
2005 - II ZR 61/03 - (BGH DStR 2005, 978) entschieden hat, dass den
Sozialversicherungsbeiträgen im Sinne des § 266a Abs. 1 StGB kein Vorrang
zukomme und der Grundsatz der Massesicherung (§ 64 Abs. 2 GmbHG) es
dem Geschäftsführer nicht gestatte, in der Phase der Insolvenzreife noch
Zahlungen aus der Masse zu leisten. Nach dem Gesamtzusammenhang der
- 7 -
Feststellungen drängt sich hier eine Insolvenzsituation auf. Zwar liegt bei der
gegebenen Sachverhaltsgestaltung keine Abweichung im Sinne des § 132
Abs. 2 GVG vor, weil sich die Erwägungen des II. Zivilsenats in einem nicht
tragenden Hinweis finden. Gleichwohl verbleibt eine Differenz gegenüber der
vom II. Zivilsenat geäußerten und in einem Leitsatz niedergelegten
Rechtsauffassung.
Im Blick auf die Ausführungen des II. Zivilsenats stellt der Senat klar,
dass sein dogmatischer Ausgangspunkt, wonach die Sozialabgaben im Sinne
des § 266a StGB vorrangig zu erfüllende Verbindlichkeiten sind, sich nicht
auf deren Privilegierung nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 lit. a KO gestützt hat. Vorrangigkeit
in diesem Zusammenhang besagt, dass die Erfüllung anderer Verbindlichkeiten
für den Verantwortlichen keinen Rechtfertigungsgrund in Bezug
auf eine Strafbarkeit nach § 266a Abs. 1 StGB bilden kann, wenn dadurch
die Mittel für die Bezahlung der Arbeitnehmerbeiträge verbraucht werden.
Für den Verantwortlichen ergibt sich demnach die Pflicht zur vorrangigen
Erfüllung dieser Verbindlichkeiten aus ihrer Strafbewehrung (BGHSt 47,
318, 321; 48, 307, 311), welche die besondere Bedeutung dieser Zahlungspflicht
innerhalb des Sozialsystems kennzeichnet. Deshalb ist der vom
II. Zivilsenat angesprochene Paradigmenwechsel durch die Einführung der
Insolvenzordnung, die eine vergleichbare Privilegierung der Sozialversicherungsbeiträge
im Insolvenzverfahren nicht - mehr - vorsieht, für die
Rechtsprechung des Senats ohne Belang. An dieser Rechtsprechung
möchte der Senat - vor allem im Blick auf den anders in einer möglichen
Krisensituation eines Unternehmens effektiv nicht zu wahrenden
Schutzzweck des § 266a StGB - festhalten. Die Auffassung wird im Übrigen
auch in der Literatur geteilt (Lenckner/Perron in Schönke/Schröder, StGB
26. Aufl. § 266a Rdn. 10; Kindhäuser, StGB 2. Aufl. § 266a Rdn. 13;
Lackner/Kühl, StGB 25. Aufl. § 266a Rdn. 10; Köhler in Wabnitz/Janovsky,
Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts 2. Aufl. S. 450 f.; a.A.:
Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. § 266a Rdn. 17; Altmeppen in
Roth/Altmeppen, GmbHG 5. Aufl. § 43 Rdn. 53; Radtke NStZ 2004, 562,
563 f.; Rönnau NJW 2004, 976).
- 8 -
Eine Kollision mit den Wertungsmaßstäben des Insolvenzrechts
scheidet schon deshalb aus, weil dieses nur für das Insolvenzverfahren
selbst gilt, nicht aber ein Rangverhältnis außerhalb der dort geregelten Materie
zu begründen vermag. Daher kann für die nach den Tatbestandsmerkmalen
des § 266a StGB vorzunehmende Beurteilung eines Geschehens, das
sich vor der etwaigen späteren Einleitung eines Insolvenzverfahrens zugetragen
hat, aus den besonderen Vorschriften der Insolvenzordnung nichts
hergeleitet werden. Dies gilt insbesondere für Krisensituationen im Vorfeld
der Insolvenzreife, wenn noch nicht einmal sicher davon ausgegangen werden
kann, dass es überhaupt zur Einleitung eines Insolvenzverfahrens
kommt. Der Senat findet auch in der Entstehungsgeschichte der Insolvenzordnung
keinen Beleg, der für eine Ausdehnung der dort niedergelegten
Grundsätze sprechen und der von ihm vorgenommenen Auslegung des
§ 266a StGB entgegenstehen könnte.
Kommt eine Anfechtung der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen
nach § 129 InsO in Betracht, kann dies allerdings zivilrechtlich den gemäß
§ 823 Abs. 2 BGB zu ersetzenden Schaden entfallen lassen (vgl. BGH
NJW 2001, 967, 969; BGH DStR 2005, 978). Auf die strafbewehrte Pflicht zur
Abführung der Beiträge hat dies indes keinen Einfluss. Wie der Senat bereits
ausgeführt hat, soll der Straftatbestand des § 266a StGB sicherstellen, dass
der Arbeitgeber in der sich abzeichnenden Krisensituation gerade die Ansprüche
der Sozialversicherungsträger, an deren Erfüllung er kein Eigeninteresse
hat, bedient (BGHSt 48, 307, 312). Dieser Schutzzweck des § 266a
StGB würde unterlaufen, wollte man im Blick auf etwaige Anfechtungsmöglichkeiten
eines (aus verschiedenen Gründen) vielleicht gar nicht zur Eröffnung
gelangenden Insolvenzverfahrens die strafbewehrte Pflicht zur Abführung
der Sozialversicherungsbeiträge faktisch außer Kraft setzen.
Eine solche Einschränkung zöge insbesondere beweisrechtlich nicht
hinzunehmende Unklarheiten nach sich, weil häufig der Einwand nicht zu
widerlegen wäre, die Abführung sei im Hinblick auf eine mögliche Insolvenz
- 9 -
unterblieben. Damit wäre eine mit dem Pönalisierungszweck des § 266a
StGB kaum zu vereinbarende Abschwächung des Gebots zur Abführung der
Arbeitnehmerbeiträge verbunden, zumal da der Schuldner insbesondere im
Blick auf die Krisensituation verpflichtet ist, die Abführung der Arbeitnehmerbeiträge
zu gewährleisten (BGHSt 47, 318, 320; BGHZ 134, 304). Eine solche
Pflicht wäre sinnlos, wenn der Geschäftsführer den für die Krisensituation
bereitgehaltenen Betrag nicht mehr für die Erfüllung seiner sozialversicherungsrechtlichen
Beitragspflichten einsetzen dürfte.
Der Senat vermag auch der Auffassung nicht zu folgen, dass der
sich aus § 64 Abs. 2 GmbHG ergebende Grundsatz der Massesicherung die
strafbewehrte Pflicht zur Abführung der Arbeitnehmerbeiträge zeitlich unbegrenzt
aufheben soll. Wird das Unternehmen insolvenzreif, obliegt es der
Geschäftsführung, spätestens innerhalb von drei Wochen Insolvenzantrag zu
stellen (§ 64 Abs. 1 GmbHG). Nur innerhalb dieses Zeitraums ist die Pflicht
zur Abführung der Arbeitnehmerbeiträge suspendiert. Lässt der Geschäftsführer
trotz fortbestehender Insolvenzreife diese Frist verstreichen, ist im
Hinblick auf die Strafvorschrift des § 266a Abs. 1 StGB der Rechtfertigungsgrund
entfallen, der sich aus der innerhalb der Insolvenzantragsfrist vorzunehmenden
Prüfung der Sanierungsfähigkeit ergibt. Nach diesem Zeitpunkt
hat er dann aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln vorrangig die Beiträge
im Sinne des § 266a Abs. 1 StGB zu erbringen (BGHSt 48, 307, 313).
Derjenige Verantwortliche, der bei gegebener Insolvenzreife erkennt, dass
für das Unternehmen keine Sanierungsmöglichkeit mehr besteht, und trotzdem
keinen Insolvenzantrag stellt, kann sich jedenfalls in strafrechtlicher
Hinsicht nicht auf den Grundsatz der Massesicherung (§ 64 Abs. 2 GmbHG)
berufen, wenn er das Unternehmen dennoch weiter führt. Ihm ist nämlich
ohne weiteres möglich, sich aus dieser (nur scheinbaren) Konfliktlage dadurch
zu befreien, dass er seiner Pflicht aus § 64 Abs. 1 GmbHG nachkommt
und den gebotenen Insolvenzantrag stellt (vgl. Gross/Schork
NZI 2004, 358, 362).
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Entgegen der Auffassung des II. Zivilsenats kollidieren nicht zwei
(gleichwertige) zivilrechtliche Ansprüche (§ 64 Abs. 2 GmbHG einerseits und
§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a Abs. 1 StGB andererseits). Es mag schon
zweifelhaft sein, ob eine etwaige zivilrechtliche Ersatzpflicht nach § 64 Abs. 2
GmbHG nicht durch die strafbewehrte Pflicht nach § 266a Abs. 1 StGB überlagert
wird und dies bei dem Geschäftsführer, der diesem strafrechtlichen
Normbefehl folgt, das für die Ersatzpflicht notwendige Verschulden entfallen
ließe. Selbst die Annahme einer Ersatzpflicht nach § 64 Abs. 2 GmbHG
stünde einer Strafbarkeit nach § 266a Abs. 1 StGB nicht entgegen. Eine unabwendbare
Pflichtenkollision ist hier nämlich schon deshalb nicht gegeben,
weil sich der Geschäftsführer diesen widerstreitenden Pflichten jederzeit entziehen
könnte, indem er einen Insolvenzantrag stellt. Hat aber der Täter
selbst vorwerfbar die Pflichtenkollision herbeigeführt, kann er hieraus keinen
Rechtfertigungsgrund ableiten (Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. § 34
Rdn. 15).
Der Senat hält auch für die Fälle, in denen der Geschäftsführer unter
Missachtung der Insolvenzantragspflicht das Unternehmen fortführt, daran
fest, dass für die weiterbeschäftigten Arbeitnehmer insoweit auch vorrangig
die Beiträge im Sinne des § 266a Abs. 1 StGB abzuführen sind. Ein Verstoß
gegen diese Pflicht führt zu einer Strafbarkeit nach § 266a Abs. 1 StGB
(zustimmend: Lackner/Kühl, StGB 25. Aufl. § 266a Rdn. 10; Flitsch BB 2004,
351; Gross/Schork NZI 2004, 358; Bittmann wistra 2004, 327; Karsten
NJ 2004, 231; ablehnend: Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. § 266a Rdn. 15;
Rönnau NJW 2004, 976; Radtke NStZ 2004, 562; Berger/Herbst EWiR 2004,
453; Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG 5. Aufl. § 43 Rdn. 53).
3. Bezüglich des Rechtsfolgenausspruchs ergeben sich die aus der
Anwendung der §§ 154, 154a StPO notwendigen Korrekturen, die der Senat,
um eine neuerliche Zurückverweisung der Sache zu vermeiden, nach § 354
Abs. 1a Satz 2 StPO auf Antrag des Generalbundesanwalts selbst vornimmt.
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Er reduziert zunächst die Einzelstrafen hinsichtlich beider Angeklagter
wegen der verbleibenden Betrugsfälle jeweils um einen Monat. Die maßvolle
Ermäßigung ergibt sich aus dem vergleichsweise geringen Gewicht der vom
Landgericht tateinheitlich mitabgeurteilten Vergehen nach § 145c StGB.
Danach verbleiben wegen der abgeurteilten Betrugstaten gegen den
Angeklagten W B folgende Einzelfreiheitsstrafen: zwei Jahre und
elf Monate, dreimal ein Jahr und fünf Monate, ein Jahr und ein Monat, zweimal
sieben Monate, viermal fünf Monate sowie zwei Monate. Hinsichtlich der
beiden Vergehen wegen unrichtiger Angaben zum Zwecke der Gründung
einer GmbH verbleibt es bei den vom Landgericht angesetzten Einzelfreiheitsstrafen
von jeweils drei Monaten.
Bei der Angeklagten K B wird hinsichtlich des Vergehens
des Betrugs eine Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten festgesetzt.
Bezüglich der Vergehen der falschen Angaben zum Zwecke der Eintragung
einer GmbH verbleibt es bei den beiden vom Landgericht verhängten
Geldstrafen von zweimal je 40 Tagessätzen (zu einem Euro).
Bei der selbständigen Festsetzung der Gesamtstrafen auf Antrag des
Generalbundesanwalts ist neben dem bisherigen Zeitablauf auch auf den
engen situativen und zeitlichen Zusammenhang der Einzeltaten Bedacht genommen
und jeweils nur eine sehr maßvolle Erhöhung der Einsatzstrafen
vorgenommen worden. Der Senat setzt antragsgemäß gegen den Angeklagten
W B eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten
und gegen die Angeklagte K B eine solche von einem Jahr
und sechs Monaten - bei Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung -
fest.
4. Die Revisionen sind im Übrigen aus den Gründen der Antragsschrift
des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Ergänzend bemerkt der Senat folgendes:
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a) Entgegen der Auffassung der Verteidigung hat das Landgericht im
Hinblick auf den Fall des Rohbauherstellers N GmbH rechtsfehlerfrei
einen Betrug gemäß § 263 StGB angenommen.
aa) In dem Vertragsschluss liegt die Täuschungshandlung. Der Angeklagte
verfügte nach den Feststellungen nicht über die erforderlichen Mittel,
die Durchführung der Bauvorhaben sicherzustellen. Ihm kam es - auch um
den Lebensunterhalt seiner Familie bestreiten zu können - darauf an, zwar
die Vergütung des Bauherrn zu vereinnahmen, seinerseits die Gelder für die
Werklohnansprüche seiner Subunternehmer jedoch nicht oder nur in Teilen
auszubezahlen. Dies schließt das Landgericht ohne Rechtsverstoß einmal
aus der desolaten wirtschaftlichen Situation des Angeklagten und der von
ihm kontrollierten Unternehmen, zum anderen aber auch aus seiner immer
gleichen Vorgehensweise, die darauf angelegt war, die vorleistungspflichtigen
Subunternehmer nicht entsprechend ihrer geleisteten Arbeiten zu bezahlen.
Indem der Angeklagte trotz bestehender Zahlungsunwilligkeit den Verantwortlichen
der N GmbH gegenüber bei Vertragsschluss Zahlungsbereitschaft
vorgespiegelt hat, hat er eine Täuschungshandlung im Sinne
des § 263 StGB begangen.
bb) Durch diese Täuschungshandlung ist auch eine Vermögensschädigung
der N GmbH eingetreten, die letztlich mit über
300.000 DM fälliger Werklohnansprüche ausgefallen ist. Der Annahme eines
Schadens steht nicht entgegen, dass der Angeklagte insoweit seine Ansprüche
gegen den Bauherrn an die N GmbH abgetreten hat. Nach
der vom Landgericht vorgenommenen - revisionsrechtlich nur eingeschränkt
überprüfbaren (vgl. BGH NJW 2004, 2248, 2250, insoweit in BGHSt 49, 147
nicht abgedruckt) - Auslegung der Abtretungsvereinbarung blieb es dem Angeklagten
überlassen, die Abtretung dem Bauherrn anzuzeigen. Dies schloss
zwar die Möglichkeit nicht aus, dass die N GmbH als Zessionarin
die Abtretung ihrerseits anzeigte, um so eine befreiende Leistung (§ 409
Abs. 1 Satz 1 BGB) an das Unternehmen des Angeklagten zu verhindern.
- 13 -
Allerdings sollte - dies liegt im Sicherungszweck dieser Abrede begründet -
die Abtretung zunächst verdeckt bleiben. Durch die Abtretungserklärung erlangte
nämlich die N GmbH in Gestalt des Bauherrn lediglich
einen weiteren Anspruchsverpflichteten, ohne die vorrangige Leistungsbeziehung
zwischen ihr und der vom Angeklagten vertretenen Generalübernehmerin
aufzuheben.
Da der Bauherr keine Kenntnis von der Abtretung hatte, konnte der
Angeklagte für den Bauherrn schuldbefreiend die Vergütung vereinnahmen,
ohne seinerseits den vorleistungspflichtigen Subunternehmer zu befriedigen.
Diese bereits im Vertragsschluss angelegte Gefährdung hat sich zu Lasten
der N GmbH zu einem Vermögensnachteil entwickelt. Zwar liegt
selbst bei bestehender Zahlungsunwilligkeit des Täters dann keine schadensgleiche
Vermögensgefährdung vor, wenn der Getäuschte noch anderweitig
gesichert ist (vgl. BGHSt 34, 199, 202 ff.; BGH NStZ-RR 2001, 329).
Dies war jedoch nur solange der Fall, als der N GmbH noch das
anderweitige Sicherungsmittel, nämlich die Ansprüche aus abgetretenem
Recht gegen den Bauherrn, zustanden (vgl. BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden
46, 49). Ein Vermögensschaden im Sinne des § 263 StGB
entsteht erst, wenn das Opfer die Sicherung für seinen eigenen wirtschaftlich
gefährdeten Anspruch aufgibt (vgl. Cramer in Schönke/Schröder, StGB
26. Aufl. § 263 Rdn. 132). Dies hat die N GmbH getan, indem
sie leistete, obwohl die Zahlungen des Bauherrn bereits schuldbefreiend an
den Betrieb des Angeklagten geflossen sind. Damit ist die bloße - isoliert
betrachtet noch nicht schadensgleiche - Vermögensgefährdung durch die
dann ungesicherte Vorleistung der N GmbH zu einem tatsächlichen
Vermögensschaden erstarkt.
Dieses Ziel wollte der nach den Feststellungen des Landgerichts zahlungsunwillige
Angeklagte erreichen. Sein Tatplan erfasste gerade auch den
Fall (vgl. BGH NStZ 1998, 85), dass der Subunternehmer - durch anfängliche
Zahlungen in Sicherheit gewogen - dann immer weiter vorleistete und
- 14 -
schließlich, weil der Bauherr von ihm unbemerkt bereits gezahlt hatte, seine
Sicherheiten preisgab. Da der Angeklagte bereits mit dem Vertragsschluss
die Ursachenkette in Gang gesetzt hat, die nach dem Gesamtzusammenhang
der Feststellungen darauf angelegt war, die Werklohnansprüche der
N GmbH jedenfalls teilweise nicht zu erfüllen, beseitigt der Umstand,
dass er in der Folge möglicherweise durch weitere - strafrechtlich unselbständige
- Handlungen den Erfolgseintritt gefördert hat, die unmittelbare
Verknüpfung zwischen Täuschung, Verfügung und Schadenseintritt nicht.
b) Die Annahme des Regelbeispiels nach § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2
StGB im Fall A begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Das Landgericht hat, indem es auf die Schlussrechnung von (brutto) über
110.000 DM abgestellt hat, übersehen, dass unter Vermögensverlust im Sinne
des Regelbeispiels des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB nur der tatsächlich
eingetretene Schaden fällt (BGHSt 48, 354, 356). Deshalb hätte das
Landgericht die in dem Schlussrechnungsbetrag enthaltene Umsatzsteuer
nicht berücksichtigen dürfen, weil diese für das geschädigte Unternehmen
einen lediglich durchlaufenden Posten darstellt. Da bei Abzug der Umsatzsteuer
die Mindestgrenze von 50.000 € (BGHSt 48, 360) nicht erreicht wird,
ist das Regelbeispiel des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB nicht erfüllt.
Im Hinblick auf die gravierenden straferhöhenden Gesichtspunkte, die
das Landgericht rechtsfehlerfrei aufgeführt hat, ist indes auszuschließen,
dass in diesem Fall eine niedrigere Einzelstrafe in Betracht gekommen wäre
als die vom Senat reduzierte Freiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten.
c) Nicht frei von Bedenken sind weiterhin die Feststellungen zur Schadenshöhe
im Fall der als Subunternehmerin eingesetzten L GmbH.
Aufgrund der hinsichtlich der Bestimmung der Schadenshöhe allerdings nicht
ganz eindeutigen Urteilsgründe ist zu besorgen, dass vom Landgericht bei
der Bestimmung der Schadenshöhe auch der Betrag eingestellt wurde, der
- 15 -
sich aus einer Schlussrechnung nach § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B der L
GmbH ergibt. Nach § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B steht dem Werkunternehmer
im Falle einer Kündigung durch den Auftraggeber die vereinbarte Vergütung
abzüglich ersparter Aufwendungen zu. Da dieser Anspruch dem Auftragnehmer
auch den zu erwartenden Gewinn aus dem Werkvertrag sichern soll,
ist er für die Bestimmung des Betrugsschadens nicht geeignet, weil das bloße
Ausbleiben einer Vermögensmehrung keinen Schaden im Sinne des
§ 263 StGB begründen kann (BGHSt 16, 220, 223; BGHR StGB § 263 Abs. 1
Vermögensschaden 8, 64). Die auf sieben Monate reduzierte Einzelfreiheitsstrafe
bleibt hiervon jedoch unberührt, weil sich die geringe Strafe ohne weiteres
allein aus dem niedrigeren Gefährdungsschaden rechtfertigen würde.
Basdorf Häger Gerhardt
Raum Schaal



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