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BGH, Urteil vom 10. September 2003 - 1 StR 147/03


Entscheidungstext  
 
BGH, Urt. v. 10.9.2003 - 1 StR 147/03
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 147/03
vom
10.9.2003
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. September
2003, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Schluckebier,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
München I vom 14. Oktober 2002 wird mit folgender
Maßgabe verworfen:
a) Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer
Entziehungsanstalt entfällt.
b) Die mit Urteil des Landgerichts München I vom 13. November
2000 - 9 KLs 364 Js 54127/99 angeordnete Unterbringung
des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt bleibt
aufrecht erhalten.
Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts München I vom 14. Oktober 2002 im Rechtsfolgenausspruch
mit den Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels
der Staatsanwaltschaft, an eine andere Strafkammer des
Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
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Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen, jeweils in Tateinheit
mit unerlaubtem Handeltreiben in nicht geringer Menge - unter Einbeziehung
von Einzelstrafen aus einer früheren Verurteilung - zu der Gesamtfreiheitsstrafe
von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt und die Unterbringung
des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die mit der allgemeinen
Sachrüge begründete Revision des Angeklagten ist bis auf die aus
der Urteilsformel ersichtliche Umstellung im Ausspruch über die Unterbringung
in einer Entziehungsanstalt erfolglos. Mit ihrer auf den Rechtsfolgenausspruch
beschränkten Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung
materiellen Rechts. Sie beanstandet insbesondere die Annahme verminderter
Schuldfähigkeit des Angeklagten zu den Tatzeiten und die fehlende Auseinandersetzung
mit den Vorschriften über den Verfall. Damit hat die Staatanwaltschaft
Erfolg.
I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts übernahm der Angeklagte
Anfang Dezember 1997 die Drogengeschäfte des P. sowie
dessen Drogenkurierin L. . In der Zeit von Dezember 1997 bis
Ende April 1998 fuhr L. im Auftrag des Angeklagten fünfmal nach
Prag, um dort dreimal 500 g und zweimal 1 kg Heroin (Wirkstoffgehalt jeweils
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mindestens 20 %) zu übernehmen, unerlaubt nach Deutschland einzuführen
und dem Angeklagten in dessen Wohnung in München zu übergeben. Das
Kaufgeld - jeweils zwischen 15.000,-- DM und 23.000,-- DM - hatte der Angeklagte
der Kurierin immer in einem Briefumschlag mitgegeben. Geringe Mengen
des Heroins konsumierte der Angeklagte selbst. Den größten Teil verkaufte
er gewinnbringend weiter. Das Landgericht verhängte für diese Taten
unter Strafmilderung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB wegen nicht ausschließbar
verminderter Schuldfähigkeit Einzelstrafen in Höhe von dreimal drei Jahren
und neun Monaten und zweimal fünf Jahren und drei Monaten.
Wegen weiterer Heroingeschäfte in der Zeit von September bis Dezember
1999 war der Angeklagte vom Landgericht München I bereits am
13. November 2000 - ausgehend von zehn Einzelstrafen in Höhe von acht
Monaten bis zu einem Jahr und acht Monaten - mit dem einbezogenen Urteil
zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt
worden. Bereits mit diesem Urteil ist die Unterbringung des Angeklagten in
einer Entziehungsanstalt angeordnet worden.
II.
Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten
ist aus den vom Vertreter des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift
vom 9. April 2003 und in der Revisionshauptverhandlung dargelegten Gründen
weitgehend offensichtlich unbegründet. Lediglich der erneute Ausspruch
über die Unterbringung des Angeklagten in der Entziehungsanstalt ist zu korrigieren.
Denn auch insoweit haben die Grundsätze der nachträglichen Ge-
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samtsstrafenbildung (§ 55 StGB) Vorrang vor § 67 f StGB, so daß in der neuen
Entscheidung lediglich die frühere Anordnung der Maßregel aufrechtzuerhalten,
nicht aber eine neue Maßregel anzuordnen ist (BGHSt 30, 305; BGH
NStZ 1998, 79). Nur so wird vermieden, daß sich die nicht gleichzeitige Aburteilung
der Taten zu Lasten des Täters auswirkt, etwa bei der Dauer des
Maßregelvollzugs (vgl. Stree in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 67 f Rdn.
5).
Da für eine erneute Prüfung der Voraussetzungen des § 64 StGB somit
kein Raum war, kommt es nicht darauf an, daß nach den im angefochtenen
Urteil hierzu getroffenen Feststellungen die Erfolgsaussicht einer Therapie
beim Angeklagten eher fraglich erscheint. Die Kammer stellte fest, "bisherige
Therapien führten nicht dazu, daß der Angeklagte drogenfrei lebte" (UA S. 5).
Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, woraus der Sachverständige
und mit ihm die Strafkammer folgern, "daß eine Therapie beim Angeklagten
aussichtsreich erscheint". Denn nähere Darlegungen dazu fehlen.
III.
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist auf den Rechtsfolgenausspruch
beschränkt. Zwar erklärt die Staatsanwaltschaft eingangs ihrer Revisionsbegründungsschrift
eine Beschränkung auf den Strafausspruch und nennt
am Ende als Ziel der Revision die Aufhebung des angegriffenen Urteils im
Strafausspruch. Dies steht jedoch im Widerspruch zum sonstigen Inhalt der
Revisionsbegründung. Denn darin beanstandet die Staatsanwaltschaft auch
die Nichtanordnung des Verfalls von Wertersatz (§ 73 a StGB). Das Revisions-
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vorbringen ist daher mit Rücksicht auf das ersichtlich erstrebte Ziel dahin auszulegen
(vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. April 2000 - 1 StR 55/00 - und vom
23. Oktober 1997 - 4 StR 226/97; Hanack in Löwe-Rosenberg StPO 25. Aufl.
§ 344 Rdn. 10), daß der gesamte Rechtsfolgenausspruch angegriffen ist.
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2. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg:
a) Die Begründung, mit welcher das Landgericht eine erhebliche Verminderung
der Schuldfähigkeit (Steuerungsfähigkeit) des Angeklagten zu den
jeweiligen Tatzeitpunkten angenommen und deshalb bei der Festsetzung der
Einzelstrafen den nach §§ 21, 49 Abs. 1 gemilderten Strafrahmen des § 30
Abs. 1 BtMG zugrunde gelegt hat, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Die Strafkammer hat hierzu ausgeführt:
"Nach den überzeugenden Ausführungen des Dr. S. , der als Arzt für
Neurologie und Psychiatrie große Erfahrungen bei der Begutachtung
von Drogenabhängigen hat, leidet der Angeklagte seit vielen Jahren,
auch zur Tatzeit von Dezember 1997 bis Ende April 1998 an einer
Politoxikomanie. In Anbetracht der großen Mengen von eingeführtem
Heroin liegt zwar keine direkte Beschaffungskriminalität vor. Nach den
Ausführungen des Sachverständigen bestand beim Angeklagten jedoch
aufgrund seines Abhängigkeitssyndroms ein indirekter Beschaffungsdruck.
Hierzu kommt nach den Ausführungen des Sachverständigen,
dass der Angeklagte durch den ihm physisch und psychisch weit überlegenen
P. unter Druck gesetzt wurde und diesen fürchtete.
Das Gericht konnte sich selbst davon überzeugen, dass es sich bei
P. um eine sehr dominante Persönlichkeit handelt. Die Zeugen
K. und Sa. , die ihn näher kennen gelernt hatten, beschrieben
ihn als brutal. Beide berichteten, dass sich P. ihnen
gegenüber gebrüstet hatte, schon einmal zwei Personen aus dem Weg
geräumt zu haben. Der Sachverständige Dr. S. hat überzeugend
und nachvollziehbar dargelegt, daß die Drogenabhängigkeit des Angeklagten
und der auf ihn ausgeübte psychische Druck des P.
dazu führen, daß eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit im
Sinne des § 21 StGB nicht ausgeschlossen werden kann. Dieser Einschätzung
schließt sich die Kammer an."
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Diese Darlegungen lassen befürchten, daß die Strafkammer schon
nicht von einem zutreffenden Prüfungsansatz ausging. Bei der Frage, ob eine
Verminderung der Steuerungsfähigkeit "erheblich" i.S.d. § 21 StGB ist, handelt
es sich um eine Rechtsfrage, die der Tatrichter ohne Bindung an Äußerungen
von Sachverständigen zu beantworten hat. Dabei fließen normative Erwägungen
ein. Die rechtliche Erheblichkeit der Verminderung des Hemmungsvermögens
hängt entscheidend von den Ansprüchen ab, die die Rechtsordnung an
das Verhalten zu stellen hat, wenn die Tat mit den festgestellten Folgen von
Drogenmißbrauch zusammenhängt. Dies zu beurteilen und zu entscheiden ist
Sache des Richters. Allein zur Beurteilung der Vorfrage nach den medizinischpsychiatrischen
Anknüpfungstatsachen bedarf er sachverständiger Hilfe, sofern
er hierüber nicht aufgrund eigener Sachkunde befinden kann (BGHSt 43, 66
[77]; BGH StV 1999, 309 [310]; Lenckner/Perron StGB 26. Aufl. § 21 Rdn. 4
m.w.N).
Außerdem ist die Einschätzung des Sachverständigen, der sich die
Kammer anschließt, ohne Mitteilung der Befundtatsachen insbesondere zur
Sucht des Angeklagten nicht nachvollziehbar und steht mit anderen von der
Strafkammer getroffenen Feststellungen nicht in Einklang.
aa) Bei Drogenabhängigkeit ist zwar in besonders gelagerten Fällen
eine Verminderung - oder gar ein Ausschluß - der Schuldfähigkeit auf der Basis
einer "schweren seelischen Abartigkeit" oder einer "krankhaften seelischen
Störung" nicht von vorneherein ausgeschlossen (vgl. Jähnke in Leipziger
Kommentar zum StGB, 11. Aufl. § 20 Rdn. 51; Streng in Münchener Kommentar
zum StGB, § 20 Rdn. 105; Lenckner/Perron in Schönke/Schröder StGB § 20
Rdn. 17, jeweils m.w.N.). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts-
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hofs begründet jedoch die Abhängigkeit von Betäubungsmitteln für sich allein
noch nicht die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit im Sinne von § 21
StGB. Derartige Folgen sind bei einem Rauschgiftsüchtigen nur ausnahmsweise
gegeben, wenn langjähriger Betäubungsmittelgenuß zu schwersten Persönlichkeitsveränderungen
geführt hat oder der Täter unter starken Entzugserscheinungen
leidet und dadurch dazu getrieben wird, sich mittels einer Straftat
Drogen zu verschaffen, ferner unter Umständen dann, wenn er das Delikt im
Zustand eines akuten Rausches verübt (BGH NStZ 2002, 31 [32]; BGH NStZ
2001, 83 [84]; BGH StV 1997, 517; BGHR StGB § 21 BtM-Auswirkungen 12 -
"nicht lediglich von § 21 'ausgehen' -"; Theune, Auswirkungen der Drogenabhängigkeit
auf die Schuldfähigkeit und die Zumessung von Strafe und Maßregel,
NStZ 1997, 69; jeweils m.w.N.).
Vom Vorliegen einer schweren Persönlichkeitsveränderung beim Angeklagten
oder einer Tatbegehung während eines akuten Drogenrausches ist
die Strafkammer ersichtlich nicht ausgegangen. Aber auch dafür, daß der Angeklagte
unter dem Eindruck starker Entzugserscheinungen oder aus Angst
davor zu seinen Taten getrieben wurde, werden zureichende Anhaltspunkte
nicht mitgeteilt. Zur Drogenkarriere des "drogenabhängigen", auch einschlägig
mehrfach erheblich vorbestraften Angeklagten stellt die Strafkammer lediglich
fest:
"Im Alter von 16 Jahren fing der Angeklagte an, gelegentlich Haschisch
zu rauchen. Im Alter von 23 Jahren begann er regelmäßig Kokain zu
konsumieren, zwei Jahre später auch Heroin, das er seit 1990 auch
spritzte. Nach seiner letzten Haftentlassung im Oktober 1997 konsumierte
der Angeklagte Heroin nur noch durch Schnupfen. Bisherige
Therapien führten nicht dazu, daß der Angeklagte drogenfrei lebte."
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Nähere Angaben zum Konsumverhalten, insbesondere zur Dosierung
des Heroins, die Hinweise auf das Ausmaß der Drogenabhängigkeit geben
könnten, fehlen ebenso wie eine Beschreibung der körperlichen Verfassung
des Angeklagten - etwa zu Entzugserscheinungen und deshalb eventuell notwendig
gewordenen medizinische Maßnahmen - nach seiner Inhaftierung im
Dezember 1999. Sollten weitergehende Feststellungen nicht möglich gewesen
sein, da der Angeklagte weder zur Person noch zur Sache Angaben machte
und weitere Ermittlungsansätze nicht gegeben waren, hätte es der Zweifelsgrundsatz
nicht geboten, von der für den Angeklagten günstigsten Fallgestaltung
auch dann auszugehen, wenn hierfür keine Anhaltspunkte bestanden (vgl.
BGH NJW 1995, 2300; Gollwitzer in Löwe-Rosenberg StPO 25. Aufl. § 261
Rdn. 112).
Im übrigen liegt angesichts der gehandelten Mengen Sucht als Motiv
der Taten hier eher fern. "Bei Transaktionen von mehreren hundert Gramm
oder sogar mehreren Kilogramm Heroin z.B. ist ein Zusammenhang mit der
eigenen Sucht meist nicht mehr erkennbar, zumal Drogenabgängige in aller
Regel nicht dazu neigen, größere Lagerhaltung zu betreiben. Dazu sind sie
aufgrund ihres süchtigen Kontrollverlustes gar nicht in der Lage. Fallen also
Stoffmengen als Gewinn an, die beispielsweise 10 g Heroin überschreiten, so
wird die Motivation aus eigener Sucht unglaubhaft. Es ist zu überprüfen, ob
nicht andere Motivationen die Straftat bedingt haben" (Täschner, Kriterien der
Schuldfähigkeit Drogenabhängiger bei unterschiedlichen Deliktformen, Blutalkohol
1993, 313 [319]).
bb) Furcht vor P. , der - psychisch und physisch
überlegen - den Angeklagten unter Druck gesetzt haben soll, kann verminderte
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Schuldfähigkeit nicht begründen. Zwar mag psychische Abhängigkeit in extremen
Einzelfällen eine "andere seelische Abartigkeit" darstellen (vgl. Streng in
Münchener Kommentar zum StGB, § 20 Rdn. 108 m.w.N.). Nötigung zu einer
Straftat kann jedoch keinem der Eingangsmerkmale des § 20 StGB zugeordnet
werden. Es handelt sich um eine grundsätzlich bewältigbare Herausforderung,
bezüglich derer die Verhaltenserwartungen der Gemeinschaft außerhalb der
Reichweite der - hier nicht einschlägigen - §§ 34, 35 StGB nicht zurückzunehmen
sind (vgl. auch allgemein: Streng aaO Rdn. 109).
Im übrigen steht die - jedenfalls nach der Darstellung in den Urteilsgründen
- nicht weiter konkretisierte Bewertung seitens des Sachverständigen
nicht in Einklang mit den Feststellungen der Strafkammer. Anhaltspunkte dafür,
daß der Angeklagte zur Tatbegehung auch nur überredet werden mußte, ergaben
sich danach gerade nicht: "Anfang Dezember 1997" - oder Ende November
1997 (UA S. 18) - "zog sich P. aus dem Drogenhandel zurück und
überließ dem Angeklagten sowohl die Drogenkurierin L. als auch den Drogenlieferanten
in Tschechien" (UA S. 14), nachdem er - so zitiert die Strafkammer
den Zeugen P. - genug Geld verdient gehabt hätte und außerdem
wegen Kokainkonsums in einem schlechten gesundheitlichen Zustand
gewesen sei. "Der Angeklagte wickelte die Rauschgiftgeschäfte selbständig ab.
P. , der sich vom 06.01.1998 bis 20.02.1998 sowie seit 15.03.1998 in
Haft befand, wurde vom Angeklagten über die Rauschgiftgeschäfte informiert"
(UA S. 15), während des Aufenthalts des P. in der Haftanstalt über ein
eingeschmuggeltes Mobiltelefon. Dabei nahm P. auch Einfluß auf die
Preisgestaltung (UA S. 21). Hinweise auf irgendeine Zwangseinwirkung, auf
"psychischen Druck" auf den Angeklagten fehlen. Aus der Schilderung zweier
Zeugen, wonach P. brutal sein soll und sich diesen gegenüber gebrü-
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stet habe, schon einmal zwei Personen aus dem Weg geräumt zu haben, folgt
nichts anderes. Anhaltspunkte dafür, daß es beim Angeklagten des Einsatzes
dieses Drohpotentials bedurfte, um ihn zur Übernahme und Durchführung der
Drogengeschäfte zu veranlassen, sind nach den Feststellungen der Strafkammer
nicht ersichtlich.
Der Senat vermag nicht auszuschließen, daß die Strafkammer ausgehend
vom nicht gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Normalstrafrahmen
des § 30 Abs. 1 BtMG höhere Einzelstrafen verhängt hätte. Deren Aufhebung
entzieht der Gesamtstrafe ihre Grundlage, wenn auch die Gesamtstrafenbildung
seitens des Landgerichts für sich betrachtet - entgegen der Auffassung
der Revisionsführerin - keine Rechtsfehler aufweist.
b) Zu Recht beanstandet die Staatsanwaltschaft die fehlende Auseinandersetzung
der Strafkammer mit den Bestimmungen über den Verfall
(§§ 73 ff. StGB). Da der Angeklagte den größten Teil des eingeschmuggelten
Heroins gewinnbringend weiterveräußerte, unterliegt - ausgehend vom sogenannten
Bruttoprinzip (vgl. BGH NStZ 1994, 123; BGH NJW 2002, 3339 [3340]
m.w.N.) - der gesamte Verkaufserlös zwingend dem Verfall bzw. ist unter den
Voraussetzungen des § 73a der Verfall von Wertersatz anzuordnen, sofern
nicht ausnahmsweise (vgl. BGH NStZ 2001, 312) die Härtevorschrift des § 73c
StGB greift. Auch dies hätte jedoch der Erörterung bedurft. Soweit die genauen
Verkaufspreise nicht mehr ermittelt werden können, ist deren Höhe - etwa in
Anlehnung an die beim Abnehmer G. erzielten Preise - zu schätzen,
wie auch der Umfang des Eigenkonsums zur Ermittlung der verbleibenden
Handelsmenge (§ 73b StGB). Daß der Angeklagte über Gegenstände verfügte
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und noch verfügt, die dem erweiterten Verfall gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 2 BtMG
i.V.m § 73d StGB (vgl. hierzu BGH NStZ 2001, 531) unterliegen, ist den bisherigen
Feststellungen der Strafkammer dagegen nicht zu entnehmen.
Wahl Schluckebier Kolz
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