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BGH, Urteil vom 11. Juni 2008 - 2 StR 143/08


Entscheidungstext  
 
BGH, Urt. v. 11.6.2008 - 2 StR 143/08
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 143/08
vom
11. Juni 2008
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1.) und 2.) Raubes u. a., zu 3.) gefährlicher Körperverletzung u. a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. Juni 2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Rissing-van Saan,
der Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Prof. Dr. Schmitt,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 1. Oktober 2007
a) bezüglich der Angeklagten H. und M. im Fall 2 der Urteilsgründe mit den Feststellungen, ausgenommen diejenigen zum äußeren Tatgeschehen, und im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben und
b) bezüglich des Angeklagten M. dahin ergänzt, dass zwei Schlagringe eingezogen werden.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen. Die Kosten der Revision bezüglich des Angeklagten P. sowie dessen notwendige Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel bezüglich der Angeklagten H. und M. , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten H. wegen Raubes in Tateinheit mit Freiheitsberaubung (Fall 1 der Urteilsgründe) und wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, Nötigung und Bedro-
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hung (Fall 2 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten, den Angeklagten P. wegen Raubes in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und Nötigung (Fall 1 der Urteilsgründe) und wegen „eines vorsätzlichen Verstoßes gegen das Waffengesetz“ (Fall 4 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten und den Angeklagten M. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, Nötigung und Bedrohung (Fall 2 der Urteilsgründe) sowie wegen „eines vorsätzlichen Verstoßes gegen das Waffengesetz“ (Fall 5 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Den Angeklagten P. hat es im Fall 2 der Urteilsgründe und den Angeklagten M. vom Vorwurf der Hehlerei im Fall 3 der Urteilsgründe freigesprochen.
Gegen dieses Urteil richten sich die zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft mit der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts. Die Beschwerdeführerin beanstandet nicht die Freisprüche, sondern macht allein geltend, dass die Angeklagten H. und M. im Fall 2 der Urteilsgründe fehlerhaft nicht wegen Geiselnahme verurteilt worden sind, ferner bei den Angeklagten H. und P. die Strafzumessung im Fall 1 der Urteilsgründe und die unterbliebene Einziehung eines Butterfly-Messers und von zwei Schlagringen in den Fällen 4 und 5 der Urteilsgründe. Die Rechtsmittel haben in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
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I.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen: Die Angeklagten waren Mitglieder des Motorradclubs „S. “, H. und P. im „C. “ W. , M. im „C. “ Sö. . Sie trafen sich regelmäßig
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in der vom Angeklagten P. gepachteten Tankstelle an der E. Straße in W. .
Fall 1: Am 25. November 2005 observierte S. D. im Auftrag des Privatdetektivs H. B. ab etwa 17.00 Uhr die Tankstelle. Gegen 22.30 Uhr wurde sein Wagen von etwa sieben Mitgliedern des Motorradclubs S. umringt, darunter den Angeklagten H. , der als Anführer fungierte, und P. . Angesichts der Übermacht und aus Angst vor Schlägen stieg D. aus und duldete, dass einer der Männer sein Fahrzeug durchsuchte und mit Einverständnis der Angeklagten H. und P. eine Spiegelreflexkamera, ein Handy und einen Notizblock an sich nahm. Der Notizblock und das Handy wurden von der Gruppe untersucht. D. wurde aufgefordert, mit zur Tankstelle zu kommen. Die Männer ließen sich dort seine Papiere aushändigen und notierten seinen Namen und seine Anschrift. Er wurde befragt, wer ihn geschickt habe. Der Angeklagte P. fragte ihn, weshalb er sein - P. - Autokennzeichen notiert habe; als D. nicht antwortete, versetzte ihm P. eine Ohrfeige. D. nannte schließlich B. mit Namen und Anschrift als Auftraggeber.
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Fall 2: Sodann riefen die Angeklagten den Angeklagten M. an und bestellten ihn zur Tankstelle. D. musste sich in den Kofferraum des Pkw O-pel Caravan des Angeklagten M. legen. Der Angeklagte H. und drei maskierte Männer, darunter der Angeklagte M. , fuhren mit D. in einen Wald. Nach dem Halten hörte D. ein Geräusch wie das Schleifen eines Messers. Einer aus der Gruppe fragte, ob ein Spaten dabei sei, was ein anderer bejahte. D. bekam Todesangst. Er wurde nun erneut befragt, wer ihn geschickt habe und was er wolle. D. antwortete wie an der Tankstelle. Der Angeklagte H. schlug ihm im weiteren Verlauf mit einem Gehstock auf die Hände. D. musste sich bis auf die Unterhose ausziehen. Seine Kleidungsstücke
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wurden von der Gruppe auf weitere Informationen durchsucht. Er durfte sich danach wieder anziehen und musste sich bäuchlings auf den Boden legen. Einer der maskierten Täter hielt ihm eine Pistole ins Genick, D. konnte den Lauf spüren und hörte das Durchziehen eines Schlittens. Vor Angst kotete er sich ein. Ein anderer Täter hielt ihm ein Butterflymesser ans rechte Ohr. Schließlich durfte er wieder aufstehen und in den Kofferraum des Pkw Opel steigen. Man fuhr nun zurück zur Tankstelle, wo die anderen Männer warteten. D. musste sich hier wieder mit dem Gesicht nach unten auf den Boden legen. Der Angeklagte H. trat ihm ins Genick und fragte ihn, ob er sich noch mal in W. blicken lassen werde, was D. aus Angst verneinte. Aus Angst kam er auch der Aufforderung nach, in einen Dornenbusch zu springen. Dann erhielt er seine Papiere und seine Autoschlüssel zurück, Kamera und Handy jedoch nicht.
Fall 3: Zwischen dem 25. November 2005 und dem 20. September 2006 übernahm der Angeklagte M. die dem D. entwendete Spiegelreflexkamera. Das Landgericht konnte nicht feststellen, dass er positive Kenntnis von deren rechtswidriger Herkunft hatte. Fälle 4 und 5: Der Angeklagte P. hatte am 20. September 2006 ein silberfarbenes Butterflymesser in Besitz, der Angeklagte M. zwei Schlagringe.
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II.
1. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Staatsanwaltschaft richten sich nicht gegen die Teilfreisprüche, sondern sind auf die Verurteilungsfälle beschränkt. Zwar hat die Revisionsführerin einen umfassenden Aufhebungsantrag gestellt und „insbesondere“ die Verletzung der §§ 239 b Abs. 1, 46 StGB und des § 54 Abs. 1 Waffengesetz gerügt. Den Ausführungen in der Revisionsbegründung ist indes zu entnehmen, dass der Anfech-
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tungswille der Staatsanwaltschaft die mit keinem Wort erwähnten Teilfreisprüche nicht erfasst (vgl. BGH NStZ-RR 2007, 304, 305; wistra 2007, 112, 113; NStZ 1998, 210 jeweils m.w.N.).
2. Die Begründung, mit der das Landgericht im Fall 2 der Urteilsgründe den subjektiven Tatbestand der Geiselnahme, § 239 b StGB, verneint hat, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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Im Grundsatz zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass zwischen der Entführung oder dem Sich-Bemächtigen einerseits und der beabsichtigten Nötigung ein funktionaler Zusammenhang derart bestehen muss, dass der Täter dem Opfer noch während der Dauer der Entführung oder Bemächtigung eine Handlung, Duldung oder Unterlassung abpressen will (std. Rspr., vgl. BGH NStZ 2008, 279; NStZ-RR 2007, 343; NJW 1997, 1082; StV 1997, 303). Zu Recht hat das Landgericht deshalb in der Einschüchterung des Tatopfers verbunden mit dem Verlangen, in Zukunft weitere Observierungen zu unterlassen, keine Tatbestandserfüllung gesehen. Dass die Täter den Geschädigten im Wald mit dem Tode bedroht haben, um die Preisgabe des Auftraggebers der Observation zu erreichen, hat das Landgericht nicht feststellen können. Jedoch lässt die diesbezügliche Beweiswürdigung besorgen, dass die Strafkammer von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen ist. Die Feststellung von Tatsachen verlangt keine absolute, von niemandem anzweifelbare Gewissheit. Es genügt vielmehr, dass ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit besteht, demgegenüber vernünftiger Zweifel nicht laut werden kann. Dafür, dass diese Anforderungen hier erfüllt waren, sprechen die Urteilsformulierungen UA S. 52 unten/Seite 53 oben: danach machte die Frage nach dem Auftraggeber im Wald nur Sinn, wenn die Täter noch weiteres aus D. herausbekommen wollten oder sie ihm die Angaben aus der Tankstelle nicht glaubten und nunmehr die Wahrheit „herausquetschen“
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wollten. Die Strafkammer war davon überzeugt, dass es beim Ausziehen D. s nicht nur um seine Demütigung ging, sondern die Täter seine Kleidung überprüfen wollten, ob er darin weitere Informationen habe. Wenn sie dennoch nach Erörterung weiterer möglicher Motive abschließend aus dem äußeren Geschehensablauf kein eindeutiges Motiv für die Todesdrohung zweifelsfrei feststellen konnte, lässt dies besorgen, dass sie zu hohe Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung gestellt hat (vgl. hierzu BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 5, Überzeugungsbildung 22, 25). Im Übrigen begegnet auch das vom Tatrichter vorgebrachte Gegenargument, dass D. bereits alle Angaben in der Tankstelle gemacht und sie im Wald lediglich wiederholt habe, rechtlichen Bedenken. Diese Begründung lässt außer Acht, dass die Täter dies nicht wissen konnten.
3. Die Strafzumessung im Fall 1 der Urteilsgründe weist entgegen der Auffassung der Revision keine durchgreifenden Rechtsfehler auf. Die Strafzumessung obliegt in erster Linie dem Tatgericht auf der Grundlage des in der Hauptverhandlung von dem Angeklagten gewonnenen persönlichen Eindrucks und der aufgrund des weiteren Ergebnisses der Beweisaufnahme vorgenommenen Bewertung der Tatschuld. Zwar sind die gegen die Angeklagten H. und P. in diesem Fall verhängten Strafen sehr milde, sie lösen sich jedoch noch nicht von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein.
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Durchgreifende Bedenken, dass das Tatgericht bei der gesamten Strafzumessung seine Feststellung aus den Augen verloren haben könnte, dass der vielfach vorbestrafte Angeklagte H. zur Tatzeit nach zwei wegen eines Eigentumsdelikts und wegen gefährlicher Körperverletzung erfolgten Vorverurteilungen unter Bewährung stand, bestehen nicht.
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4. Das Landgericht hat die Einziehung des Butterfly-Messers und der Schlagringe rechtsfehlerhaft unterlassen. Weil die Einziehung nach § 54 Abs. 1 WaffG zwingend vorgeschrieben ist, hat der Senat bezüglich der Schlagringe des Angeklagten M. die Einziehung gemäß § 354 Abs. 1 StPO selbst angeordnet. Die Einziehung des sichergestellten silberfarbenen Butterfly-Messer hat sich erübrigt, weil der Verteidiger des Angeklagten P. in der Revisionshauptverhandlung namens seines Mandanten auf die Rückgabe verzichtet hat.
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Rissing-van Saan Rothfuß Roggenbuck
Appl Schmitt



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