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BGH, Urteil vom 14. Juni 2005 - 1 StR 503/04


Entscheidungstext  
 
BGH, Urt. v. 14.6.2005 - 1 StR 503/04
BGHSt: ja
BGHR: ja
______________________
StGB § 31 Abs. 2 Alt. 1
Glaubt der Anstifter, sein objektiv fehlgeschlagener Bestimmungsversuch sei gelungen,
so richtet sich sein Rücktritt vom Versuch der Beteiligung nach § 31 Abs. 2 Alt.
1 StGB. Ein ernsthaftes Bemühen, den Erfolg zu verhindern, liegt nur vor, wenn der
Anstifter alle Kräfte anspannt, um den vermeintlichen Tatentschluß des präsumtiven
Täters rückgängig zu machen, und er dadurch die aus seiner Sicht bestehende Gefahr
beseitigt, daß der Angestiftete die Tat begeht.
BGH, Urteil vom 14.06.2005 - 1 StR 503/04 - LG Regensburg
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 503/04
vom
14.06.2005
in der Strafsache
gegen
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wegen versuchter Anstiftung zum Mord
- 3 -
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 14.06.2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Regensburg vom 7. Juli 2004 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Anstiftung zum
Mord zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die
auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.
I.
1. Der Angeklagte sah sich finanziellen Forderungen seiner geschiedenen
Ehefrau ausgesetzt. Er ging davon aus, daß deren Lebensgefährte die
treibende Kraft hinter diesen Forderungen war. Deshalb entschloß er sich, den
Lebensgefährten durch einen Auftragsmörder töten zu lassen. Durch Vermittlung
eines Freundes kam er in Kontakt mit einem nicht offen ermittelnden Polizeibeamten
mit dem Decknamen „N. “, der sich als vermeintlicher Auftragsmörder
ausgab.
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Bei dem ersten Treffen mit „N. “ am 30. März 2004 äußerte der
Angeklagte, es gehe um die „Vollentsorgung“ dieses Lebensgefährten, der für
immer spurlos verschwinden müsse. Eine „Vertreibung“ allein reiche nicht. Der
Angeklagte unterrichtete „N. “ im einzelnen über die von ihm ins Auge gefaßte
Vorgehensweise bei der Tötung. Derzeit sei die Gelegenheit zur Tatausführung
günstig. Der Lebensgefährte sei regelmäßig alleine im Haus, weil die geschiedene
Ehefrau ihren Vater im Krankenhaus besuche. Auf Frage von „N. “, wie
es mit der Bezahlung sei, händigte der Angeklagte diesem 4.000 Euro als Anzahlung
aus und versprach, weitere 8.000 Euro nach dem Verschwinden des
Lebensgefährten zu zahlen. „N. “ gab daraufhin vor, zur Tatausführung bereit
zu sein. Allerdings benötige er zur Tatausführung noch genauere Informationen
zur Identifizierung des Hauses des Lebensgefährten. Deswegen bot der Angeklagte
„N. “ an, ihm bei einem weiteren Treffen am übernächsten Tag das
Wohnhaus zu zeigen.
Bei diesem zweiten Treffen äußerte der Angeklagte, es sei eine Änderung
eingetreten. Er habe ein Schreiben des Rechtsanwalts seiner geschiedenen
Ehefrau erhalten. Die dort genannte finanzielle Forderung könne er akzeptieren,
und er wolle dies zunächst so regeln. Falls dies aber nicht funktionieren
würde, solle die besprochene Sache „durchgezogen“ werden. Aus diesem
Grund ging er auf den Vorschlag „N. s“ ein, ihm trotzdem das Haus zu zeigen,
um den Auftrag dann bei Bedarf durchführen zu können. Während der
Fahrt zum Haus äußerte der Angeklagte, er selbst glaube nicht so recht daran,
daß sich seine geschiedene Ehefrau an die Erklärung im Anwaltsschreiben
halten würde. Deswegen könne „N. “ auch die Anzahlung behalten. Er solle
ihn alle zwei Monate anrufen, und er sage ihm dann, ob der Auftrag durchgeführt
werden solle. Falls es zu keiner einvernehmlichen Regelung komme, sei
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es wohl schwierig, den Lebensgefährten seiner geschiedenen Ehefrau alleine
im Haus anzutreffen, weil deren Vater dann nicht mehr im Krankenhaus liege.
Er könne diese aber aus der Wohnung locken, so daß der Auftrag dann ausgeführt
werden könne.
Nachdem der Angeklagte das Haus gezeigt, den Wohnungseingang beschrieben
und den Namen des Lebensgefährten genannt hatte, äußerte „N. “,
es sei zu gefährlich, an dieser Stelle zu schießen. Der Angeklagte erwiderte,
man brauche einen Schalldämpfer. Außerdem schlug er vor, den Lebensgefährten
könne man mit einem Medikament willenlos machen und so aus der
Wohnung bringen. Das solle „N. “ letztlich selbst entscheiden. Bei der Verabschiedung
sagte der Angeklagte, er würde sich melden, wenn die Sache anstehe.
Der Angeklagte wurde am 23. April 2004 festgenommen. Bis dahin hatte
er sich bei „N. “ nicht mehr gemeldet.
2. Das Landgericht ist davon überzeugt, daß der Angeklagte bei seinem
zweiten Treffen das Vorhaben, den Lebensgefährten töten zu lassen, nicht
endgültig aufgegeben, sondern weiter daran festgehalten habe. Den Mordauftrag
habe er aufgrund des Anwaltsschreibens deshalb nur vorläufig zurückgestellt.
Die Zurückstellung habe er davon abhängig gemacht, daß er sich mit
seiner Frau einigen könne. Hätte der Angeklagte bei einem Scheitern der Einigung
den Mordauftrag erteilt, wäre dies keine neuerliche versuchte Anstiftung
zum Mord gewesen; vielmehr hätte nur eine Tat im Rechtssinne vorgelegen.
Deshalb sei er von der versuchten Mordanstiftung nicht nach 㤠31 Abs. 1
Nr. 1, Abs. 2 StGB“ strafbefreiend zurückgetreten.
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II.
Die Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler ergeben. Der Erörterung
bedarf nur folgendes:
Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen scheidet ein strafbefreiender
Rücktritt vom Versuch der Anstiftung zum Mord aus.
1. Der Angeklagte hat nach seiner Vorstellung den präsumtiven Täter
bereits beim ersten Treffen dazu bestimmt, einen Mord aus Habgier zu begehen.
Der Versuch der Anstiftung war daher „erfolgreich“. Beide haben die Tat
beim zweiten Treffen, welches mit dem ersten Treffen in einem engen zeitlichen
Zusammenhang stand, weiter konkretisiert und zwar auch schon für den
Fall, daß die Einigung mit der geschiedenen Frau scheitern würde. Das Tatopfer
war individualisiert und die Modalitäten der Tatausführung waren abgesprochen,
wobei der präsumtive Täter insoweit die näheren Einzelheiten selbst festlegen
sollte. Die Tat war so weit konkretisiert, daß sie der Angestiftete hätte
begehen können, wenn er dies gewollt hätte (vgl. BGHR StGB § 30 Abs. 1 Satz
1 Bestimmen 3 und 4).
Die Bestimmung des nicht offen ermittelnden Polizeibeamten als präsumtiver
Täter war allerdings - was der Angeklagte nicht wußte - objektiv fehlgeschlagen.
Die Frage, nach welchen Regeln bei dieser Fallgestaltung ein
strafbefreiender Rücktritt in Betracht kommt, ist von der höchstrichterlichen
Rechtsprechung bislang nicht ausdrücklich (vgl. BGH StV 1999, 596) entschieden
worden. In diesem Fall beurteilt sich der Rücktritt allein nach § 31 Abs. 2
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Alt. 1 StGB, denn die Tat ist „ohne Zutun“ des Angeklagten unterblieben (vgl.
Roxin in LK 11. Aufl. § 31 Rdn. 27).
2. Der Angeklagte hat danach keine Straffreiheit erlangt, weil er sich
nicht freiwillig und ernsthaft bemüht hat, die Tat zu verhindern.
a) Den Entschluß, den Lebensgefährten töten zu lassen, hat der Angeklagte
nicht aufgegeben. Zwar hat er beim zweiten Treffen die zuvor schon getroffene
Entscheidung, daß der Auftrag durchgeführt werden solle, vorläufig
zurückgestellt. Damit hat er seine Entscheidung, die Tat ausführen zu lassen -
wovon sich das Landgericht überzeugt hat - nur aufgeschoben, weil „er selbst
… nicht so recht daran glaube, daß sich seine geschiedene Ehefrau daran halten
würde“. Deshalb legte der Angeklagte die Tatmodalitäten auch schon für
den Fall des Scheiterns einer Einigung fest und zeigte „N. “ das Haus des Lebensgefährten.
Vor allem beließ er deswegen dem aus seiner Sicht weiter zur
Tat entschlossenen präsumtiven Täter die Anzahlung und legte Wert darauf,
mit diesem weiter in Kontakt zu bleiben. Insofern unterscheidet sich dieser
Sachverhalt von der Fallgestaltung in BGHR StGB § 30 Beteiligung 1, wo der
Angeklagte den Täter aus seiner Sicht noch nicht zur Tat bestimmt hatte und er
deshalb bemüht war, „noch alles in der Schwebe zu lassen“.
b) Hätte der - nach der Vorstellung des Angeklagten - nach wie vor zur
Tatausführung entschlossene „N. “ nach einer erneuten Aufforderung die Tat
begangen, so wäre diese Tat mit derjenigen identisch (§ 264 StPO) gewesen,
zu der der Angeklagte ihn zuvor schon bestimmt hatte. Tatidentität hätte auch
dann vorgelegen, wenn zwischen Treffen und Tatausführung längere Zeit verstrichen
wäre oder wenn - dadurch bedingt - die Tatausführung hätte modifi-
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ziert werden müssen. Für diese Fallgestaltung waren nämlich schon beim zweiten
Treffen Abreden getroffen worden. Insofern können die Grundsätze für die
Tatidentität beim Rücktritt nach § 24 StGB (vgl. BGHSt 41, 368: mehrfaches
Ansetzen zur Tatvollendung mit zeitlicher Zäsur) hier nicht in gleicher Weise
Geltung beanspruchen. Das Zeitmoment beim Rücktritt vom Versuch nach § 24
StGB hat seinen Grund in der Begriffsbestimmung des Versuchs, der voraussetzt,
daß zur Verwirklichung des Tatbestands unmittelbar angesetzt wird (§ 22
StGB). Die versuchte Anstiftung zum Verbrechen ist hingegen dadurch gekennzeichnet,
daß die Tatausführung selbst noch nicht unmittelbar bevorsteht,
sondern sich noch im Vorbereitungsstadium befindet. Das gilt auch dann, wenn
- wie hier - aus der Sicht des Anstifters der Bestimmungsversuch bereits erfolgreich
war.
c) Hinsichtlich des Rücktritts des Anstifters bei einem tatsächlich zur Tat
entschlossenen Angestifteten gilt: Wer einen anderen zur Begehung eines
Verbrechens auffordert, setzt damit in jedem Falle Kräfte in Richtung auf das
angegriffene Rechtsgut in Bewegung, über die er nicht mehr die volle Herrschaft
behält (BGHSt 1, 305, 309). Die Gefahr der Tatbegehung besteht erst
recht, wenn der Bestimmungsversuch erfolgreich war. Will der Anstifter diesen
Erfolg verhindern, muß er alle Kräfte anspannen, um die Tat abzuwenden
(BayObLG JR 1961, 269, 270). Er muß das aus seiner Sicht Notwendige und
Mögliche vollständig tun; es reicht nicht aus, daß er nur die Wirkung seiner
Beeinflussung zeitweise unschädlich macht (BayObLG aaO; Roxin aaO § 31
Rdn. 26). Insbesondere liegt ein ernsthaftes Bemühen, den Erfolg zu verhindern,
nur vor, wenn der Anstifter alle Kräfte anspannt, um den Tatentschluß
des Angestifteten rückgängig zu machen und er dadurch die Gefahr beseitigt,
daß dieser die Tat begeht. Diese Grundsätze gelten entsprechend, wenn - wie
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hier - der Anstifter nur glaubt, einen anderen erfolgreich zur Tatbegehung bestimmt
zu haben, dieser aber nicht wirklich tatbereit ist.
Derartige Bemühungen hat der Angeklagte nicht entfaltet. Er beließ dem
vermeintlich weiterhin fest zur Tatausführung entschlossenen Angestifteten die
Anzahlung. Da dieser nach der Vorstellung des Angeklagten aus Habgier handelte,
mußte er damit rechnen, daß der Angestiftete aufgrund seines fortbestehenden
Tatentschlusses weiterhin nachhaltig an der Ausführung des Auftrages
interessiert war. Es bestand insbesondere die Gefahr, daß der Angestiftete
sich die restliche Entlohnung verdienen wollte und deshalb die Tat eigenmächtig
ausführen oder den Angeklagten unter Zugzwang setzen würde. Aus Sicht
des Angeklagten war deshalb die von ihm hervorgerufene Gefahr der Tatbegehung
nicht abgewendet. Ernsthafte Rücktrittsbemühungen liegen danach nicht
vor.
Nack Wahl Boetticher
Schluckebier Elf



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