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BGH, Urteil vom 15. Februar 2005 - 5 StR 536/04


Entscheidungstext  
 
BGH, Urt. v. 15.2.2005 - 5 StR 536/04
5 StR 536/04
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom
15.02.2005
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges u. a.
- 2 -
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. Februar
2005, an der teilgenommen haben:
Richter Basdorf als Vorsitzender,
Richter Häger,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
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für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des
Landgerichts Berlin vom 14. Juni 2004 wird verworfen.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels und die
insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten.
- Von Rechts wegen -
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbs- und bandenmäßigen
Betrugs in Tateinheit mit gewerbs- und bandenmäßiger Urkundenfälschung
in drei Fällen und wegen versuchten gewerbs- und bandenmäßigen
Betrugs in Tateinheit mit gewerbs- und bandenmäßiger Urkundenfälschung
unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einem rechtskräftigen Urteil
des Landgerichts Berlin vom 30. Juli 2003 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
sieben Jahren verurteilt sowie die Anrechnung von in Spanien erlittener Auslieferungshaft
in differenziertem Maßstab angeordnet. Die zuungunsten des
Angeklagten eingelegte, auf den Strafausspruch beschränkte Revision der
Staatsanwaltschaft rügt die „Verletzung materiellen Rechts“ und beanstandet
- in die Ausführungen hierzu eingestreut - die Verfahrensweise der Strafkammer.
Die Revision, die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird,
hat keinen Erfolg.
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I.
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Der Angeklagte betrog in den Jahren 1998 und 1999 gemeinschaftlich
mit jeweils fünf bis sechs Mittätern unter Vorlage gefälschter Verträge und
Finanzierungsbestätigungen sowie unter Vorspiegelung geplanter Bauvorhaben
zwei Baufirmen um jeweils 2,9 Mio. DM. In einem weiteren Fall scheiterte
ein entsprechender Betrugsversuch am Abbruch der Verhandlungen durch
die getäuschte Baufirma. Mit vier Mittätern erreichte der Angeklagte im
Sommer 1999 zudem unter Vorlage falscher Urkunden über angeblich bestehende
Sicherheiten die Auszahlung von Kreditmitteln in Höhe von ca.
8,8 Mio. DM durch eine Bank, wovon sich der Angeklagte mit drei anderen
Mittätern ca. 800.000 DM teilte. Durch diese Straftaten wollte sich der Angeklagte
ein regelmäßiges Einkommen von einiger Dauer und erheblichem Umfang
schaffen. Das Landgericht hat für diese vier Taten Einzelfreiheitsstrafen
von jeweils zwei Jahren für die beiden Fälle des vollendeten Betruges gegenüber
den Baufirmen und von einem Jahr für den Fall des versuchten Betruges
sowie von zwei Jahren und sechs Monaten für den Fall des Betruges
zum Nachteil der Bank verhängt.
Zwischen 1999 und 2001 erlangte der Angeklagte zudem mit verschiedenen
Mittätern durch betrügerische Kreditvermittlungsunternehmen
von 16.540 Geschädigten Beträge von insgesamt über 7 Mio. DM. Für diese
Taten wurde er vom Landgericht Berlin am 30. Juli 2003 wegen gewerbsmäßigen
Bandenbetruges in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf
Jahren und neun Monaten verurteilt; die nach Auflösung dieser Gesamtstrafe
in die hiesige Gesamtfreiheitsstrafe einbezogenen Einzelfreiheitsstrafen
betragen drei Jahre und zehn Monate, vier Jahre sowie vier Jahre und drei
Monate.
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2. Aus dem von der Revision mitgeteilten Protokoll der Hauptverhandlung
ergibt sich folgende Verfahrensweise des Landgerichts:
Der Vorsitzende der Strafkammer hat am ersten Verhandlungstag zu
Beginn der Hauptverhandlung nach Verlesung der Anklageschrift und Belehrung
des Angeklagten sowie vor dessen Anhörung zur Sache folgende Erklärung
abgegeben: In Vorgesprächen sei von der Strafkammer den Verteidigern
des Angeklagten gegenüber zum Ausdruck gebracht worden, daß im
Falle eines Geständnisses eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und
sechs Monaten für die angeklagten Taten sowie unter Berücksichtigung der
einzubeziehenden Strafen aus dem Urteil des Landgerichts Berlin vom
30. Juli 2003 eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren nicht überschritten
werde, ohne daß dies dem Angeklagten zuvor ausdrücklich mitgeteilt
werden würde. Diese Strafmaßvorstellungen seien mit allen Mitgliedern der
Strafkammer erörtert worden und würden von ihnen geteilt. Nachdem der
Vertreter der Staatsanwaltschaft daraufhin erklärt hatte, diese Strafobergrenzen
seien nicht Gegenstand einer Absprache mit der Staatsanwaltschaft gewesen,
und die Verteidigerin darauf hingewiesen hatte, mit ihr sei keine Absprache
getroffen worden, hat der Vorsitzende der Strafkammer geäußert, er
habe nicht erklärt, daß mit der Staatsanwaltschaft oder der Verteidigerin eine
Absprache getroffen worden sei.
II.
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.
1. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Staatsanwaltschaft mit ihrem
- in die Begründung der Sachrüge eingestreuten - Vortrag zum Verfahrensgeschehen
überhaupt eine Verfahrensrüge wirksam erhoben hat. Eine solche
wäre zumindest unbegründet.
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a) Allerdings kann die unter Übergehung der Staatsanwaltschaft erfolgende
Zusicherung einer Strafobergrenze beim Vorliegen weiterer Umstände
die Besorgnis der Befangenheit gegenüber den beteiligten Richtern begründen
(vgl. BGHSt 45, 312, 315 ff.; BGHR StPO vor § 1/faires Verfahren Vereinbarung
15). Ein Befangenheitsgesuch hat die Staatsanwaltschaft indes
nicht angebracht.
b) Auch unter dem Gesichtspunkt einer etwaigen Versagung rechtlichen
Gehörs (§§ 33, 261 StPO; vgl. BGHSt 42, 46) wäre die Beanstandung
erfolglos, weil eine „Absprache“ zwischen Gericht und Verteidigung nicht
stattgefunden hat. Das Landgericht hat lediglich als Ergebnis einer Zwischenberatung
mitgeteilt, daß es im Fall eines Geständnisses eine Strafobergrenze
von sieben Jahren Gesamtfreiheitsstrafen nicht ohne einen entsprechenden
Hinweis überschreiten werde. Dies ist nicht grundsätzlich unzulässig
(BGHSt 42, 46; 43, 195, 207; vgl. auch BGHSt 38, 102, 104 f., zum
Fall einer „Absprache“).
2. Der Strafausspruch hält sachlich-rechtlicher Überprüfung stand.
a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Ihm
obliegt es, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der
Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen
hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen,
sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts
ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in
sich fehlerhaft sind, wenn der Tatrichter gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke
verstößt oder wenn sich die verhängten Strafen nach oben oder unten
von ihrer Bestimmung lösen, gerechter Schuldausgleich zu sein (st.
Rspr., vgl. nur BGHSt 34, 345, 349; BGH wistra 2002, 137).
b) Solche durchgreifenden Rechtsfehler zeigt auch die Beschwerdeführerin
nicht auf.
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Zwar sind die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts im Fall
des Betrugsversuchs insoweit mißverständlich, als einerseits auch für diesen
Fall zutreffend der Strafrahmen des tateinheitlich verwirklichten vollendeten
§ 267 Abs. 4 StGB zugrunde gelegt wird (UA S. 31), während es an anderer
Stelle heißt, daß der Strafrahmen aufgrund Versuchs gemäß § 23 Abs. 2,
§ 49 Abs. 1 StGB gemildert werde (UA S. 33). Das Landgericht hat sich bei
der Festsetzung dieser Einzelstrafe, die innerhalb des durch § 267 Abs. 4
StGB eröffneten Strafrahmens liegt, ersichtlich von der Erwägung leiten lassen,
daß - anders als in den übrigen Fällen - kein Schaden eingetreten ist,
zumal da die festgestellten Urkundenfälschungen in diesem Fall nicht von
besonderem Gewicht waren. Danach kann der Senat - mit dem Generalbundesanwalt
- ausschließen, daß das Landgericht für diese Tat bei Vermeidung
der an zweiter Stelle stehenden Erwägung eine höhere Einzelstrafe
festgesetzt hätte.
c) Die äußerste Milde, die der Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe
zugrunde liegt, begründet noch keinen Rechtsfehler.
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3. Die Überprüfung des Urteils nach § 301 StPO hat keinen Rechtsfehler
zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Basdorf Häger Raum
Brause Schaal



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