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BGH, Urteil vom 15. Oktober 2003 - 2 StR 283/03


Entscheidungstext  
 
BGH, Urt. v. 15.10.2003 - 2 StR 283/03
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
____________________
StGB §§ 249, 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b
Gewalt zur Wegnahme unter Verwendung eines Mittels im Sinne von § 250 Abs. 1
Nr. 1 Buchstabe b StGB wendet an, wer das Tatopfer zunächst mit anderer Zielrichtung
gefesselt hat und im engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit der
so bewirkten Wehrlosigkeit des Opfers dessen Sachen entwendet.
BGH, Urt. vom 15.10.2003 - 2 StR 283/03 - LG Kassel
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 283/03
vom
15.10.2003
in der Strafsache
gegen
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wegen schweren Raubes u.a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. Oktober
2003, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Bode
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. h.c. Detter,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Kassel vom 10. April 2003
a) im Fall II. 2 dahin geändert, daß der Angeklagte des schweren
Raubs gemäß § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB in Tateinheit
mit gefährlicher Körperverletzung schuldig ist,
b) im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall II. 2 und die Gesamtstrafe
mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs sowie wegen
schweren Raubs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe
von sechs Jahren (Einzelstrafen: ein Jahr sechs Monate
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und fünf Jahre) verurteilt. Dagegen wendet sich die Revision des Angeklagten
mit der Sachrüge.
Die Revision ist offensichtlich unbegründet, soweit sie die Verurteilung
des Angeklagten wegen Betrugs (Fall II.1) betrifft.
Hingegen hat sie im Fall II. 2 teilweise Erfolg. Sie führt zur Änderung des
Schuldspruchs und zur Aufhebung der insoweit verhängten Einzelstrafe sowie
der Gesamtstrafe.
Das Landgericht hat folgendes festgestellt:
Der obdachlose Angeklagte war in die Jagdhütte des Geschädigten eingedrungen
und hatte dort übernachtet. Als der Geschädigte am nächsten Morgen
die Hütte aufsuchte und die Tür öffnete, sprühte ihm der in der Hütte befindliche
Angeklagte eine Flüssigkeit ins Gesicht, versetzte ihm einen Faustschlag,
wodurch der Geschädigte zu Fall kam, warf sich auf ihn und zerschlug
eine von dem Geschädigten mitgebrachte Sprudelflasche auf dessen Kopf, so
daß sie zerbrach. Sodann warf er einen über 8 kg schweren Feldstein in Richtung
des Kopfes des Geschädigten. Der Stein traf den Geschädigten, der einem
frontalen Aufprall ausweichen konnte, an der rechten Kopfhälfte, so daß
der Geschädigte einen Bruch des Orbitalbodens erlitt. Schließlich fesselte er
die Hände des Geschädigten und schob ihn in die Hütte. Spätestens jetzt faßte
der Angeklagte den Entschluß, sich den Landrover und weitere Sachen des
Geschädigten anzueignen. Er ergriff die Taschen des Geschädigten, brachte
sie in den Landrover, verschloß die Hütte und fuhr davon. Der Landrover wurde
einige Zeit später aufgefunden, eine Pistole, ein Jagdmesser, ein Handy sowie
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Kleidungsstücke und diverse andere Gegenstände, u.a. auch Schlüssel und
Papiere des Geschädigten, blieben jedoch verschwunden.
1. Auf der Grundlage dieser Feststellungen begegnet die Verurteilung
wegen schweren Raubs nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB durchgreifenden Bedenken.
Das Landgericht hat die für die Erfüllung des Raubtatbestands erforderliche
finale Verknüpfung zwischen Nötigungshandlung und Wegnahme im
Rahmen seiner rechtlichen Würdigung nicht näher begründet. Die Ausführungen
zur Strafzumessung, bei der das Landgericht zu Lasten des Angeklagten
berücksichtigt hat, daß er "innerhalb des schweren Raubs sogar (ein) gesteigertes
Maß an Gewalt einsetzte und seinem Opfer gleich mehrere Schläge
unter Einsatz von zwei verschiedenen gefährlichen Werkzeugen versetzte",
lassen aber besorgen, daß das Landgericht der Auffassung war, auch diese
Schläge hätten dazu gedient, die Wegnahme zu ermöglichen. Dies stünde jedoch
im Widerspruch zu den Feststellungen, nach denen der Angeklagte den
Geschädigten zunächst nur deshalb angegriffen hatte, um aus der Hütte zu
entfliehen (UA S. 13), und den Wegnahmeentschluß möglicherweise erst gefaßt
hat, als er den Geschädigten niedergeschlagen, an den Händen gefesselt
und in die Hütte geschoben hatte. Wann der Angeklagte sich zur Wegnahme
des Landrovers (und der anderen Sachen) entschlossen hat, ist jedoch für die
rechtliche Einordnung von Bedeutung. Denn während der Angeklagte sich des
schweren Raubs nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB (ggfs. auch nach § 250 Abs. 2
Nr. 3 Buchst. a StGB) schuldig gemacht hätte, wenn er die Flasche und den
Feldstein zur Ermöglichung der Wegnahme eingesetzt hätte, kommt - wie noch
aufzuzeigen sein wird - lediglich die Verwirklichung des Tatbestands des
schweren Raubs nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB in Betracht, wenn der
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Wegnahmeentschluß erst bei oder nach der Fesselung des Geschädigten
gefaßt worden sein sollte. Selbst wenn das Landgericht diese unterschiedlichen
rechtlichen Konsequenzen verkannt und deshalb von einer weiteren Aufklärung
des Zeitpunkts abgesehen haben sollte, zu dem der Wegnahmevorsatz
gefaßt wurde, nötigt dies hier nicht zu einer über die aus dem Urteilstenor ersichtlichen
Änderung des Schuldspruchs hinausgehenden Aufhebung. Der Senat
schließt aus, daß in einer erneuten Hauptverhandlung noch eine Vorverlagerung
des Wegnahmevorsatzes auf die Zeit belegt werden könnte, als der
Angeklagte den Geschädigten mit der Flasche und dem Feldstein mißhandelte,
zumal der Angeklagte den Landrover erst während der sich nach draußen verlagernden
Auseinandersetzung wahrgenommen und erst nach der Fesselung
des Geschädigten nach dem Zündschlüssel gefragt hatte.
Soweit davon auszugehen ist, daß der Geschädigte durch die massiven
Mißhandlungen eingeschüchtert war und bei Widerstand weitere Gewaltanwendung
erwartete, käme zwar auch eine konkludente Drohung des Angeklagten
als Nötigungsmittel der Wegnahme in Betracht, wenn der Angeklagte
diese Situation bewußt ausgenutzt hätte, um den Geschädigten zu veranlassen,
die Wegnahme zu dulden. Die Annahme eines schweren Raubs nach
§ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB setzte aber voraus, daß damit zugleich konkludent die
Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs angedroht worden wäre. Das ist
hier nicht naheliegend, nachdem der Geschädigte keinen Widerstand mehr
leistete, die Situation sich beruhigt und der Angeklagte auch nicht etwa erneut
den Stein oder ein anderes gefährliches Werkzeug ergriffen hatte. Auch insoweit
kann der Senat ausschließen, daß in einer erneuten Hauptverhandlung
noch weitergehende Feststellungen in diese Richtung getroffen werden können.
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Eine Verurteilung wegen schweren Raubs nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB
scheidet danach aus.
2. Der Angeklagte hat sich jedoch eines schweren Raubs nach § 250
Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB (in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung)
durch Verwendung des am Tatort aufgefundenen Stricks zur Fesselung des
Geschädigten schuldig gemacht, unabhängig davon, ob er den Wegnahmevorsatz
schon bei der Fesselung oder - wie das Landgericht in seinem Feststellungsblock
unterstellt hat - erst später gefaßt hat.
a) Für die zweite Alternative (der Angeklagte hatte den Geschädigten
nur deshalb gefesselt, um sich einen Fluchtvorsprung zu sichern, erst danach
entschloß er sich, den Landrover und weitere Sachen des Geschädigten mitzunehmen)
bedarf allerdings die Frage, ob von Gewalt als Nötigungsmittel der
Wegnahme auszugehen ist, näherer Erörterung:
Bei einem Motivwechsel nach einer zunächst mit anderer Zielsetzung
begangenen Nötigung, kommt ein Schuldspruch wegen Raubs nicht in Betracht,
wenn es nur gelegentlich der Nötigungshandlung zur Wegnahme kommt
oder die Wegnahme der Nötigung nur zeitlich nachfolgt, ohne daß eine finale
Verknüpfung besteht (BGH NStZ-RR 2002, 304, 305 m.w.N.). Hingegen ist
auch bei einer zunächst mit anderer Zielrichtung erfolgten Nötigung, die der
Täter zur Wegnahme ausnutzt, der Raubtatbestand erfüllt, wenn die Gewalt
noch andauert oder als aktuelle Drohung erneuter Gewaltanwendung auf das
Opfer einwirkt und dieses dazu veranlaßt, die Wegnahmehandlung zu dulden
(BGHR StGB § 249 Abs. 1 Drohung 3).
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Ob bei einem Motivwechsel nach einer ohne Wegnahmevorsatz erfolgten
Fesselung (oder anderen Freiheitsberaubung) eine fortdauernde Gewalt
zum Zwecke der Wegnahme ausgeübt wird, wenn der Täter das gefesselte
Tatopfer bestiehlt oder ob in einem solchen Fall lediglich die andauernden faktischen
Wirkungen der zuvor ohne Wegnahmevorsatz verübten Gewalt ausgenützt
werden, ist in der Literatur streitig. Daß von einer zum Zwecke der Wegnahme
eingesetzten andauernden Gewalt auszugehen ist, ist von Eser (NJW
1965, 377 und in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 249 Rdn. 9) schon früh
vertreten worden. Danach ist Nötigungsmittel der Wegnahme nicht die positive
Herbeiführung der Gewaltsituation, sondern deren auf Ingerenz beruhende
pflichtwidrige Nichtbeendigung. Dieses Unterlassen und nicht die positive Gewaltanwendung
durch die Vornahme der Fesselung setze der Täter zur Verwirklichung
seiner Wegnahmeabsicht ein, wobei dieses Unterlassen einem positiven
Tun entspreche (so auch Lackner/Kühl, StGB 24. Aufl. § 249 Rdn. 4;
Schünemann JA 1980, 349 f., 351, 352; Jacobs JR 1984, 385, 386, Anm. zu
BGHSt 32, 88 f.; Seelmann JuS 1986, 203; im Ergebnis auch Tröndle/Fischer,
StGB 51. Aufl. § 249 Rdn. 3).
Dagegen wird insbesondere eingewandt, daß damit die Trennung zwischen
finalem Gewalteinsatz und bloßer Ausnutzung der Zwangslage des Opfers
verwischt werde (so Küper JZ 1981, 568, 571; Herdegen in LK 11. Aufl.
§ 249 Rdn. 16; Günther in SK-StGB § 249 Rdn. 34), daß schon der Begriff der
Gewalt kein Unterlassen beschreiben könne (Joerden JuS 85, 20; Herdegen
aaO), daß die Unterlassungskonstruktion nicht der finalen Struktur des Raubtatbestands
entspreche (Küper aaO; Rengier, StGB BT/I 6. Aufl. § 7 Rdn. 16;
Krey, StGB BT Bd. 2 13. Aufl. Rdn. 193) und daß das Unterlassen der Beseiti-
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gung der Zwangslage nicht der Gewaltanwendung durch positives Tun entspreche
(Wessels/Hillenkamp, StGB BT/2 26. Aufl. § 7 Rdn. 333, 337; Otto JZ
1985, 21 f.; MünchKommStGB/Sander § 249 Rdn. 32).
Der Bundesgerichtshof hat in BGHSt 32, 88 die Verurteilung von zwei
Tätern, die, um ihre Hotelrechnung nicht bezahlen zu müssen, den Hotelportier
in ihrem Zimmer gefesselt und eingeschlossen und beim Verlassen des Hotels
aus der Kasse der unbesetzten Rezeption Geld entnommen hatten, wegen
Diebstahls gebilligt. Bei der Wegnahme sei die Nötigungshandlung gegenüber
dem Portier abgeschlossen gewesen, lediglich die Nötigungswirkungen hätten
fortgedauert. Demgegenüber ist im Rahmen des § 177 StGB, der im Hinblick
auf das Erfordernis der Finalität zwischen Nötigungsmittel und erstrebtem Verhalten
der Tatbestandsstruktur des § 249 StGB vergleichbar ist, das bewußte
Ausnutzen einer aus anderen Gründen andauernden Freiheitsberaubung zur
Erzwingung der Duldung oder Vornahme sexueller Handlungen ohne weiteres
als Gewaltanwendung angesehen worden (vgl. BGH NStZ 1999, 83).
Die Auffassung, daß das Ausnutzen einer ohne Wegnahmevorsatz begonnenen
andauernden Freiheitsberaubung zum Zwecke der Wegnahme
schon sprachlich nicht als "Gewalt" angesehen werden könne oder daß jedenfalls
der Raubtatbestand von seiner Struktur her ein aktives Handeln erfordere,
ein Unterlassen allenfalls dann als tatbestandsmäßig erfaßt werden könne,
wenn jedenfalls ein Dritter aktiv Gewalt ausübe, die der Täter als Garant
pflichtwidrig nicht hindere (Kindhäuser in NK-StGB § 249 Rdn. 36 bis 38),
überzeugt in dieser Allgemeinheit nicht. Sie ist - worauf Jacobs zu Recht hinweist
(aaO 386) - naturalistischen Bildern der Gewaltausübung verhaftet. Daß
Gewalt durch Unterlassen jedenfalls dann verwirklicht werden kann, wenn kör-
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perlich wirkender Zwang aufrechterhalten oder nicht gehindert wird, entspricht
im übrigen der herrschenden Meinung zum Nötigungstatbestand (Tröndle/
Fischer aaO § 240 Rdn. 29; Eser in Schönke/Schröder aaO Vorbem. §§ 234 ff.
Rdn. 20; Lackner/Kühl aaO § 240 Rdn. 9; Träger/Altvater in LK 11. Aufl. § 240
Rdn. 52 jeweils m.w.N.; vgl. auch Timpe, Die Nötigung S. 89 f.). Das Abstellen
allein auf die aktive Gewaltanwendung wird aber auch dem Charakter der Freiheitsberaubung
als Dauerdelikt nicht gerecht. Wer einen anderen einschließt
oder fesselt, übt gegen diesen Gewalt aus, und zwar vis absoluta. Durch das
Aufrechterhalten des rechtswidrigen Zustands, den der Täter zurechenbar bewirkt
hat, setzt sich - anders als etwa beim Niederschlagen des Opfers - die
Gewalthandlung fort, sie ist erst beendet mit dem Aufschließen oder dem Lösen
der Fesselung. Ob dieses Verhalten, das auf eine schuldhafte Verursachung
eines rechtswidrigen Zustands durch den Täter aufbaut, als Gewaltanwendung
durch positives Tun oder durch Unterlassen bei aus Ingerenz folgender
Garantenpflicht des Täters anzusehen ist, bedarf hier keiner Entscheidung.
Denn auch wenn der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit im Unterlassen gesehen
wird, bestehen gegen die Annahme eines Raubs durch Ausnutzung einer durch
Freiheitsberaubung (mit anderer Zielrichtung) geschaffenen Zwangslage keine
Bedenken. Soweit in der Literatur teilweise vertreten wird, daß es jedenfalls an
der Finalität des Nötigungsverhaltens fehle (Kindhäuser aaO; Graul Jura 2000,
204, 205), stellt sich dies letztlich nur als Konsequenz des verkürzten Gewaltbegriffs
dar, wonach Gewalt nur als aktives Handeln begriffen wird. Tatsächlich
schließen sich Unterlassen und Finalität nicht aus (vgl. auch Träger/Altvater
aaO Rdn. 52; Timpe, aaO S. 93 Fn. 43). Der Unterlassungstäter kann die Aufrechterhaltung
des rechtswidrigen Zustands wollen, um die Wehrlosigkeit des
Opfers zur Wegnahme auszunutzen. Aber auch der Einwand, daß der Unrechtsgehalt
bei einem so begangenen Raub nicht dem der aktiven Tatbe-
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standsverwirklichung entspreche, erscheint jedenfalls für Fallgestaltungen wie
der hier vorliegenden nicht begründet. Gerade wenn - wie hier - die aus anderen
Gründen erfolgte Gewaltanwendung durch positives Tun und ihre Ausnutzung
zur Wegnahme durch den Täter, der das Opfer durch die Fesselung in
seine Gewalt gebracht hatte, zeitlich und räumlich dicht beieinander liegen -
hier hatte der Angeklagte unmittelbar nach der (möglicherweise) aus anderen
Gründen erfolgten Fesselung den Geschädigten nach dem Zündschlüssel gefragt
und sich zur Wegnahme entschlossen - kann von einem unterschiedlichen
Unrechtsgehalt je nachdem, wann sich der Täter zur Wegnahme entschlossen
hatte, nicht ausgegangen werden.
Dies unterscheidet den Sachverhalt von der in BGHSt 32, 88 wiedergegebenen
Fallgestaltung.
b) Mit der Verwendung des am Tatort aufgefundenen Stricks zur Fesselung
des Geschädigten hat der Angeklagte zwar - im konkreten Fall - kein gefährliches
Werkzeug verwendet (BGH, Beschl. vom 4. September 1998 - 2 StR
390/98; BGH, Beschl. vom 4. März 1999 - 4 StR 2/99), wohl aber den Tatbestand
des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst 1 b StGB erfüllt. Dies gilt nicht nur, wenn
der Täter bereits bei der Fesselung mit Wegnahmevorsatz gehandelt hat, sondern
auch dann, wenn er den Wegnahmevorsatz erst später gefaßt und die
durch die Fesselung bewirkte, schon bestehende Wehrlosigkeit des Opfers
ausgenutzt hat, da gerade durch den Einsatz des Stricks zur Fesselung eine
fortdauernde Zwangslage geschaffen wurde.
3. Ob der Angeklagte mit dem Einsperren des Geschädigten in der Hütte
weitere der Wegnahme dienende Gewalt angewandt hat oder sich - wie der
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Generalbundesanwalt ausgeführt hat - Bedenken im Hinblick auf die Finalität
dieser Gewaltanwendung deshalb ergeben könnten, weil der Angeklagte nach
der Mißhandlung und Fesselung des Geschädigten möglicherweise keinen Widerstand
gegen die Wegnahme mehr erwartete, bedarf danach keiner weiteren
Erörterung.
4. Der Senat hat den Schuldspruch, wie aus der Urteilsformel ersichtlich,
geändert. § 265 StPO steht nicht entgegen, da nicht ersichtlich ist, daß der Angeklagte,
der nur die Wegnahme des Landrovers eingeräumt und sich hinsichtlich
der Fesselung auf Erinnerungslücken berufen hat, sich gegen den geänderten
Schuldvorwurf wirksamer hätte verteidigen können.
5. Der geänderte Schuldspruch führt zur Aufhebung der wegen schweren
Raubs verhängten Einzelstrafe und der Gesamtstrafe. Zwar hat das Landgericht
einen minder schweren Fall des schweren Raubs nach § 250 Abs. 3
StGB angenommen und ist damit von einer Strafdrohung ausgegangen, die
auch dem des minder schweren Falls des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB
entspricht. Jedoch hat es innerhalb dieses Strafrahmens gerade auch die massive
Gewaltanwendung und die Verwendung von gleich zwei Werkzeugen im
Rahmen des Raubtatbestands straferschwerend berücksichtigt. Die Strafe muß
danach neu bemessen werden. Entgegen den Bedenken des Generalbundesanwalts
kann dabei der Umstand, daß der Geschädigte zahlreiche der ihm abhanden
gekommenen, für den Angeklagten aber nutzlosen Gegenstände mit
erheblichem Aufwand neu beschaffen mußte, als verschuldete Tatfolge straferschwerend
berücksichtigt werden.
Bode Detter Otten
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Rothfuß Roggenbuck



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