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BGH, Urteil vom 15. September 2005 - 4 StR 216/05


Entscheidungstext  
 
BGH, Urt. v. 15.9.2005 - 4 StR 216/05
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 216/05
vom
15.09.2005
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
15.09.2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Kuckein,
Athing,
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des
Landgerichts Saarbrücken vom 3. September 2004 wird
verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete
Urteil im Strafausspruch mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer - Schwurgericht
- des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit
versuchtem Mord, gefährlicher Körperverletzung und mit Schwangerschaftsabbruch
zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Der Angeklagte rügt
mit seiner hiergegen gerichteten Revision die Verletzung formellen und materiellen
Rechts. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer zu Ungunsten des
Angeklagten eingelegten Revision allein gegen die Annahme erheblich verminderter
Schuldfähigkeit.
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Das Rechtsmittel des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349
Abs. 2 StPO. Das vom Generalbundesanwalt vertretene, wirksam auf den
Strafausspruch beschränkte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat dagegen
Erfolg.
I.
Nach den Feststellungen hatte der zur Tatzeit 61 Jahre alte Angeklagte
seinen Sohn Ralf W. nach dessen Rückkehr aus dem Ausland im
Jahre 2000 bei der Begleichung seiner Altschulden und beim Aufbau eines eigenen
Betriebes finanziell unterstützt. Ende 2002/Anfang 2003 wurden die Firmen
des Angeklagten und seines Sohnes zusammengelegt und das Eigentum
an dem Familienanwesen neu aufgeteilt, so dass sich die zusammengelegten
Firmen im Alleineigentum des Sohnes des Angeklagten befanden. Im Gegenzug
wurde dem Angeklagten die Geschäftsführung übertragen und ihm ein monatlicher
unkündbarer Lohn von 3.000 Euro versprochen. Im März 2003 erteilte
Ralf W. dem Angeklagten Baustellen- und Büroverbot. Im Mai 2003
stellte er die monatlichen Zahlungen von 3.000 Euro an den Angeklagten ein
und kündigte schließlich die Krankenversicherungen seiner Eltern. Der Angeklagte
reagierte darauf mit beleidigenden Äußerungen gegenüber seinem
Sohn, dessen Ehefrau Petra, die zur Tatzeit in der 30. Woche schwanger war,
und deren Eltern. Er erstattete mehrfach anonym Strafanzeige gegen seinen
Sohn, unter anderem wegen angeblichen Drogenhandels und Steuerhinterziehung.
Der Angeklagte, der annahm, bei den Besuchern seines Sohnes handele
es sich um Mitglieder der „Hells-Angels“ oder der „MC-Outlaws“, beobachtete
und fotografierte regelmäßig - bei Dunkelheit unter Verwendung eines Nachtsichtgerätes
- die Wohnung seines Sohnes. Anfang Oktober 2003 erklärte der
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Angeklagte einem langjährigen Mitarbeiter bei einem Telefongespräch, er wolle
die Firma von seinem Sohn zurück haben und kündigte an, er werde diesen
erschießen. Bevor das Kind der Ehefrau seines Sohnes auf die Welt komme,
"erschieße er sie beide". Etwa sechs Wochen vor der Tat bedrohte der Angeklagte
auf dem Familienanwesen seinen Sohn mit einem Revolver und forderte
ihn auf, sein Fahrzeug umzuparken. Als Ralf W. dies ignorierte und
entgegnete, der Angeklagte solle doch schießen, drehte dieser seine Waffe um
und bot seinem Sohn an, dieser solle auf ihn schießen.
Am späten Nachmittag des 26. November 2003 stellte der Angeklagte
fest, dass die Nummernschilder von dem Firmenwagen, den er privat nutzte,
abgeschraubt waren. An der Windschutzscheibe des Autos befand sich ein
Zettel mit der Nachricht: "Auto wird abgemeldet. MfS Ralf". In dem Angeklagten
"reifte nun endgültig die Überzeugung seinen Sohn töten zu müssen. Er setzte
sich gegen 18.00 Uhr in seine Küche - von der aus er den Hof überblicken
konnte - und wartete auf die Heimkehr seines Sohnes". Gegen 21.30 Uhr kamen
Ralf W. und seine Ehefrau Petra durch den hinteren Durchgang
in den Innenhof. Der Angeklagte, der den Lichtkegel des Autos seines Sohnes
gesehen hatte, war zur Hintertür seiner Wohnung hinuntergegangen, hatte diese
geöffnet und sich, ohne die über der Tür angebrachte Beleuchtung einzuschalten,
auf die Treppe vor der Tür gestellt. Er wollte seinen Sohn mit seinem
mit fünf Vollmantelkegelspitzgeschossen geladenen Revolver erschießen, sobald
dieser den Innenhof betrat. Als er sah, dass seine Schwiegertochter neben
seinem Sohn ging, zögerte er einen Augenblick. Da er befürchtete, sein
Vorhaben könne scheitern und er abermals „versagen“, schoss der Angeklagte
ohne Vorwarnung zweimal auf Ralf und Petra W. , die sich kurz vor der
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zu ihrer Wohnung führenden Außentreppe befanden. Dabei konnte er, weil es
im Hofraum dunkel war, lediglich unklare Umrisse zweier Personen erkennen.
"Da sich das Ehepaar in Bewegung befand, dem Angeklagten
vor Aufregung die Hände zitterten, er von dem unerwarteten
Auftauchen der Petra W. überrascht und es insgesamt
relativ dunkel war, konnte er - wie er wusste - keinen
gezielten Schuss auf seinen Sohn abgeben. Er konnte die
beiden Personen im Moment der Abgabe der beiden Schüsse
nicht einmal genau voneinander unterscheiden. Er hatte gehofft
bei den ersten beiden Schüssen auf die beiden Personen
seinen Sohn zu treffen, die Gefahr der Tötung seiner
Schwiegertochter war ihm aber bewusst und er nahm sie in
Kauf. Nahezu gleichzeitig, allenfalls Bruchteile einer Sekunde
vor den beiden Schüssen, wurde dem Ralf W. eine
Person in der Haustür seines Vaters gewahr, was ihn veranlasste
sich in diese Richtung zu drehen. Einer der beiden
Schüsse durchschlug zunächst den linken Unterarm der Petra
W. , streifte anschließend den rechten Unterarm des
Ralf W. bevor er schließlich nach Eintreten in ihre
linke Brust ihr Herz durchdrang und im Brustkorb stecken
blieb. Das zweite Geschoss verfehlte die beiden und bohrte
sich in die Wand des Hauses".
Ralf und Petra W. liefen in Richtung der Treppe zu ihrer Wohnung.
Die tödlich getroffene Petra W. kam auf der Treppe zu Fall und
begann zu schreien. Ralf W. versuchte vergeblich, seine Ehefrau
hochzuziehen und lief dann die Treppe hinauf zu seiner Wohnung. Der Angeklagte
schoss zwei weitere Male auf Ralf W. , traf diesen jedoch nicht.
Dieser lief in seine Wohnung und kehrte mit einem schnurlosen Telefon in der
Hand vor die Wohnungstür zurück. Er trat mehrmals einige Schritte vor und
gleich wieder zurück und tat dabei so, als ziele er mit dem Telefon in der Hand
auf den Angeklagten. Dieser zielte jeweils erneut auf Ralf W. , schoss
jedoch nicht. Nach einigen Minuten ging der Angeklagte in seine Wohnung,
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alarmierte mit den Worten "Ich habe meinen Sohn erschossen" telefonisch die
Polizei und forderte sie kurz danach mit einem weiteren Telefonanruf auf, einen
Notarzt zu verständigen. Das von Petra W. vor ihrem Tode entbundene
Mädchen verstarb zwei Stunden nach seiner Geburt.
Nach Auffassung des Landgerichts ist eine erhebliche Verminderung der
Steuerungsfähigkeit des Angeklagten nicht auszuschließen. Aus dem Inhalt der
Hauptverhandlung ergäben sich ausreichend Anhaltspunkte dafür, dass der
Angeklagte im Tatzeitpunkt „im Zustand einer affektbedingten Störung seiner
Bewusstseinstätigkeit gehandelt haben könnte.“
II. Revision des Angeklagten
1. Die Verfahrensrügen sind aus den Gründen der Antragsschrift des
Generalbundesanwalts jedenfalls unbegründet.
2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat keinen den
Angeklagten belastenden Rechtsfehler ergeben.
a) Der Schuldspruch ist, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift
zutreffend dargelegt hat, auch unter Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer
dagegen erhobenen Einwendungen, rechtlich nicht zu beanstanden.
Dies gilt auch, soweit das Landgericht einen strafbefreienden Rücktritt
des Angeklagten von dem Mordversuch zum Nachteil seines Sohnes verneint,
dies jedoch nicht näher begründet hat. Dass „der Tötungsversuch des Angeklagten
spätestens dann fehlgeschlagen war“, als sich sein Sohn in seine
Wohnung hatte flüchten können, liegt hier nahe. Denn ein Fehlschlag, der
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nach der Rechtsprechung einen Rücktritt ausschließt (vgl. BGHSt 34, 53, 56;
35, 90, 94; 39, 221, 228), liegt vor, wenn der Täter die Tat, wie er weiß, mit den
bereits eingesetzten oder den zur Hand liegenden Mitteln nicht mehr ohne zeitliche
Zäsur vollenden kann (vgl. BGHSt 39, 221, 228; BGHSt 41, 368, 369;
BGH NStZ-RR 2002, 168), so dass ein erneutes Ansetzen notwendig ist, um zu
dem gewünschten Ziel zu gelangen (vgl. BGHSt 39, 221, 232; 41, 368, 369).
Selbst wenn der Angeklagte, was nach den Feststellungen fern liegt, nach Abgabe
des vierten Schusses davon ausgegangen sein sollte, dass er die Tat
ohne zeitliche Zäsur noch hätte vollenden können, fehlt es jedenfalls an der
gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB erforderlichen Freiwilligkeit des Rücktritts. Hat
sich aus der Sicht des Täters durch nicht vorhergesehene Umstände das für
ihn mit der Tatbegehung verbundene Risiko beträchtlich erhöht und sieht er
deshalb von der weiteren Tatausführung ab (BGH NStZ 1993, 76, 77 und 279
jew. m. w. Nachw.), ist der Rücktritt nicht freiwillig. So liegt es hier.
Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte, als es seinem Sohn gelang,
in seine Wohnung zu flüchten, nur noch einen Schuss zu Verfügung. Er
wusste, dass sein Sohn eine Schusswaffe besaß. Bei dieser Sachlage war eine
weitere Ausführung der Tat aus der Sicht des Angeklagten mit einem erheblichen
Risiko verbunden. Nach den vorangegangenen Fehlschüssen konnte der
Angeklagte wegen der Entfernung und der Lichtverhältnisse nicht sicher sein,
seinen Sohn zu treffen, als dieser jeweils kurz aus seiner Wohnung kam und
seinerseits ein Zielen vortäuschte. Eine Möglichkeit, ohne Eigengefährdung
zunächst die Distanz zu verringern, um mit der letzten Patrone sicher treffen zu
können, bestand nicht. Dass der Angeklagte nicht wegen des nunmehr (vermeintlich)
erhöhten Risikos, sondern aus anderen Gründen von der Abgabe
eines weiteren Schusses absah, liegt nach dem Gesamtzusammenhang der
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Urteilsgründe, insbesondere im Hinblick auf seine Angaben nach seiner Festnahme,
so fern, dass es hierzu keiner näheren Darlegung bedurfte.
b) Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers begegnet auch die
Strafzumessungserwägung, der Angeklagte habe nicht „nur“ seine an seiner
Situation unschuldige Schwiegertochter erschossen, sondern darüber hinaus
tateinheitlich einen versuchten Mord begangen und dazu das Leben eines
- zunächst ungeborenen - Kindes vernichtet, keinen rechtlichen Bedenken.
Die strafschärfende Berücksichtigung der tateinheitlichen Verwirklichung des
§ 218 Abs. 1 StGB verstößt nicht gegen das Doppelverwertungsverbot des
§ 46 Abs. 3 StGB. Die Verletzung mehrerer Strafgesetze durch dieselbe Handlung
ist jedenfalls dann ein Grund, die Tat innerhalb des Strafrahmens der insoweit
bestimmenden Norm nachteiliger zu bewerten, wenn das tateinheitlich
verwirklichte Delikt - wie hier - selbständiges Unrecht verkörpert (vgl. BGHR
StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 20; BGH NStZ 1993, 434).
Auch hat das Landgericht mit der Erwägung, der Angeklagte habe nicht
„nur“ seine „an seiner Situation unschuldige Schwiegertochter erschossen“,
nach dem Gesamtzusammenhang nicht das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes
straferschwerend berücksichtigt, sondern den Umstand, dass der Angeklagte,
um seinen an der Situation schuldigen Sohn wie geplant erschießen
zu können, die Tötung eines weiteren - unbeteiligten - Menschen in Kauf
nahm. Das ist hier ein tauglicher Strafzumessungsgrund (vgl. BGHSt 34 345,
350 ff.).
III. Revision der Staatsanwaltschaft
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Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
1. Die Annahme einer affektbedingten erheblichen Verminderung der
Steuerungsfähigkeit des Angeklagten hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Das Landgericht hat ausgeführt, „ausgehend von den ausführlichen
und überzeugenden Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen“
könne es „im Zweifel zugunsten des Angeklagten nicht ausschließen, dass er
sich zur Tatzeit in einem die Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigenden
Zustand der tiefgreifenden Bewusstseinsstörung befunden hat und er deshalb
bei Begehung der Tat nur vermindert schuldfähig im Sinne des § 21 StGB war.“
Zu den Ausführungen des Sachverständigen teilt das Urteil mit, dass sich für
diesen im Rahmen der Exploration die Schwierigkeit ergeben hat, „dass sich
wegen der Verteidigungsstrategie aus der Einlassung des Angeklagten und
den ihn vermeintlich schützenden Bekundungen seiner Tochter und seiner Ehefrau
kein umfassendes psychopathologisches Bild ergeben hat.“ Dies lässt
besorgen, dass das Landgericht, was rechtlich bedenklich ist (vgl. BGH NStZ
2005, 149), bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit lediglich auf Gesichtspunkte
abgestellt hat, die nach den Ausführungen des Sachverständigen abstrakt
für
oder gegen einen Affekt sprechen können. Den Urteilsausführungen lässt sich
nicht entnehmen, ob sich der Sachverständige in der Hauptverhandlung mit
dem für ihn neuen, der Verurteilung zugrunde liegenden Sachverhalt auseinandergesetzt
und zu den medizinisch-psychiatrischen Anknüpfungstatsachen
konkret auf den Angeklagten bezogene Ausführungen gemacht hat. Hierzu hätte
sich das Urteil aber insbesondere deshalb verhalten müssen, weil das Landgericht
- insoweit zutreffend (vgl. BGH NStZ-RR 2004, 234) - nicht von dem
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klassischen Fall eines schuldrelevanten Affekts, sondern von einer affektbedingten
Bewusstseinsstörung infolge „einer irrealen Fokussierung und Fixierung“
des Angeklagten auf seinen Sohn ausgegangen ist (zur Beeinträchtigung
der Steuerungsfähigkeit bei einer Ausweitung einer „überwertigen Idee“ vgl.
BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 25).
Das Landgericht hat sich zudem nicht damit auseinandergesetzt, dass
der Angeklagte nach den Feststellungen am Tattage, nachdem er sich entschlossen
hatte, seinen Sohn zu erschießen, etwa dreieinhalb Stunden auf
dessen Rückkehr gewartet hat. Auch dies kann aber ebenso wie die vorangegangene
Tatplanung und die zielgerichtete Vorgehensweise bei der Tatausführung
ein deutliches Anzeichen dafür sein, dass er nicht infolge einer Bewusstseinstörung
gehandelt hat (vgl. BGH NStZ-RR 2004, 234 m. w. N.). Gegen eine
tiefgreifende Bewusstseinsstörung sprechen kann ferner ein rationales und
umsichtiges Verhalten nach der Tat (vgl. BGH NStZ 1990, 231), insbesondere
dann, wenn - wie hier - Anzeichen für eine den Affektabbau begleitende schwere
seelische Erschütterung des Täters fehlen (vgl. BGHR StGB § 21 Affekt 7).
Das Landgericht hätte sich deshalb damit auseinandersetzen müssen, dass
der Angeklagte, der nach Beendigung der Tat in seine Wohnung gegangen
war, dort nicht nur zwei Telefongespräche mit der Polizei führte, sondern auch
die Hülsen der verschossenen Munition aus seinem Revolver entfernte, und er
sich dann bis zum Eintreffen der Polizei hinter einem Wohnmobil versteckte,
weil er fürchtete, sein Sohn werde seine Pistole holen, um ihn zu erschießen.
b) Die Urteilsausführungen lassen zudem besorgen, dass das Landgericht
den Zweifelssatz auch auf die Rechtsfrage, ob die nach seiner Auffassung
vorliegende Beeinträchtigung des Angeklagten im Sinne von § 21 StGB "erheb-
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lich" ist, angewendet hat. Eine Rechtsfrage kann aber nicht auf der Grundlage
des Zweifelssatzes beantwortet werden (st. Rspr., vgl. BGHSt 43, 66, 77; BGH
NStZ 2005, 149, 150). Bei der Beurteilung der Erheblichkeit einer Beeinträchtigung
im Sinne des § 21 StGB fließen normative Gesichtspunkte ein. Entscheidend
sind die Anforderungen, die die Rechtsordnung an jedermann stellt. Diese
sind umso höher, je schwerwiegender das in Rede stehende Delikt ist (st.
Rspr., vgl. BGH NStZ 2004, 437 f. m.w.N.), bei vorsätzlichen Tötungsdelikten
also besonders hoch (BGH NStZ 2005, 149, 150).
2. Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Strafausspruchs.
Die danach notwendige erneute Prüfung lässt den Schuldspruch unberührt.
Es fehlt an jeglichem Anhalt, der Angeklagte könne zur Tatzeit im Sinne
des § 20 StGB schuldunfähig gewesen sein.
Tepperwien Kuckein Athing
Ernemann Sost-Scheible



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