Darstellung der BGH-Rechtsprechung zum Strafrecht ::     
 LINKWEG ::: inhalt / entscheidungen
 
BGH, Urteil vom 16. Juli 2004 - 2 StR 486/03


Entscheidungstext  
 
BGH, Urt. v. 16.7.2004 - 2 StR 486/03
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
StGB §§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a), 299 Abs. 2
a) Ein im Zuge der Bahnreform nach § 12 Abs. 1 DBGrG aus dienstlichen Gründen
beurlaubter Bundesbahnbeamter, der mit der Deutschen Bahn AG einen privatrechtlichen
Anstellungsvertrag abgeschlossen hat und in dieser Funktion tätig
wird, ist kein Amtsträger nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) StGB.
b) Eine im Rahmen eines betriebsinternen, dem eigentlichen Vergabeverfahren vorgeschalteten
Zulassungsverfahrens mit unlauteren Mitteln erstrebte Förderung
von neuen Produkten erfolgt aufgrund des engen Zusammenhangs mit der Auftragsvergabe
schon zu Zwecken des Wettbewerbs im Sinne des § 299 Abs. 2
StGB.
BGH, Urteil vom 16. Juli 2004 - 2 StR 486/03 - LG Frankfurt am Main
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 486/03
vom
16. Juli 2004
- 2 -
in der Strafsache
gegen
wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr
- 3 -
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
7. Juli 2004 in der Sitzung am 16. Juli 2004, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Rissing-van Saan
als Vorsitzende,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. h.c. Detter,
Dr. Bode,
die Richterinnen am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
Roggenbuck
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
in der Verhandlung,
Staatsanwalt
bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
- 4 -
für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts
Frankfurt am Main vom 27. Mai 2003 und die Revision
des Angeklagten Q. gegen dieses Urteil werden verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem
Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen
der Staatskasse zur Last. Der Angeklagte hat die Kosten seines
Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten der Bestechung im geschäftlichen
Verkehr für schuldig befunden und gegen ihn eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen
von je 500 Euro verhängt. Dagegen wenden sich die Revisionen der
Staatsanwaltschaft und des Angeklagten Q. . Die Staatsanwaltschaft erstrebt
mit ihrem vom Generalbundesanwalt nicht vertretenen Rechtsmittel eine Verurteilung
des Angeklagten wegen Bestechung nach § 334 StGB. Der Angeklagte
macht mit seiner Revision geltend, daß die Voraussetzungen des § 299 Abs. 2
StGB nicht erfüllt sind.
Gegen den Mitangeklagten L., den das Landgericht wegen derselben Vorgänge
wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr verurteilt hat, ist das Urteil
rechtskräftig.
- 5 -
Beide Rechtsmittel haben keinen Erfolg.
Das Landgericht hat folgendes festgestellt:
Der Angeklagte, der in leitender Stellung beim K. Konzern beschäftigt
ist, hatte seit Jahren näheren beruflichen Kontakt mit dem Mitangeklagten
L. Dieser war im Beamtenverhältnis bei der Deutschen Bundesbahn beschäftigt.
Im Zuge der Bahnreform 1994 wurde L. als Beamter beurlaubt und von der
neu gegründeten Deutschen Bahn AG als Hauptabteilungsleiter des Bereichs
angestellt. 1995/96 kam es zwischen dem
Angeklagten und L. zu einer Vereinbarung. Danach sollte L. der K.
GmbH neben der schon zuvor geleisteten technischen Beratung bei der Einführung
neuer Produkte behilflich sein, indem er die zuständigen Entscheidungsträger
im bahninternen Zulassungsverfahren von deren Vorteilen überzeugte
und Verantwortliche für deren Erprobung eruierte. Außerdem sollte er im Vorfeld
von Vergabeverfahren Informationen etwa über Mitbewerber an den Angeklagten
Q. weitergeben. Als Gegenleistung erhielt L. während der Vertragsdauer
von drei Jahren 1997 bis 1999 jeweils 80.000 DM von dem K. Konzern.
Das Landgericht hat die auf dieser Vereinbarung beruhenden drei Zahlungen
in Höhe von insgesamt 240.000 DM bei dem Angeklagten Q. als eine
Bestechung im geschäftlichen Verkehr, soweit sie nicht lediglich als Entgelt
für die technische Beratung bestimmt waren, und bei dem Mitangeklagten L.
als Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr gewertet. Eine Amtsträgereigenschaft
des Mitangeklagten L. nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB hat es verneint und
- 6 -
deshalb auch eine Bestrafung des Angeklagten Q. nach § 334 StGB abgelehnt.
I. Die Revision der Staatsanwaltschaft
Die Auffassung des Landgerichts, der Mitangeklagte L. sei im Tatzeitraum
nicht Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB gewesen, ist aus
Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
1. Der Mitangeklagte L. war kein Beamter im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2
Buchst. a) StGB.
Allerdings war L., der seit 1963 bei der nach Art. 87 GG aF in bundeseigener
Verwaltung stehenden Deutschen Bundesbahn beschäftigt war, unmittelbarer
Bundesbeamter. Sein Status als Beamter änderte sich auch nicht mit
der auf der Grundlage des Art. 87 e GG (eingeführt durch Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes
zur Änderung des Grundgesetzes vom 20.12.1993) und des Gesetzes
zur Neuordnung des Eisenbahnwesens vom 27. Dezember 1993 (ENeuOG)
erfolgten Bahnreform. Zwar war wesentlicher Inhalt dieser Reform die Trennung
von hoheitlicher Verwaltung und Wirtschaftstätigkeit und die Organisation
der wirtschaftlichen Tätigkeit in privatrechtlichen Formen (Gersdorf in von Mangoldt/
Klein, Das Bonner Grundgesetz 4. Aufl. Rdn. 46 f.; Windthorst in Sachs,
GG-Komm. 3. Aufl. Rdn. 4 f., jeweils zu Art. 87 e GG). Das aus den Sondervermögen
des Bundes Deutsche Bundesbahn und Deutsche Reichsbahn
zusammengefaßte Bundeseisenbahnvermögen wurde im Zuge dieser Reform
in einen unternehmerischen und einen Verwaltungsbereich unterteilt, wobei der
unternehmerische Bereich nach § 1 Abs. 1 Deutsche Bahn Gründungsgesetz
- 7 -
dungsgesetz (DBGrG) in einer Aktiengesellschaft organisiert wurde. Dies hatte
zur Folge, daß die Beamten der Deutschen Bundesbahn, die nunmehr bei der
Deutschen Bahn AG tätig sein sollten, nicht unmittelbar - ohne Verlust ihres
Beamtenstatus - von der Deutschen Bahn AG übernommen werden konnten,
da die Aktiengesellschaft als juristische Person des Privatrechts nach § 121
BRRG nicht Dienstherr sein konnte. Um den Beamten der Deutschen Bundesbahn
ihre Rechtsstellung als Bundesbeamte zu wahren, wurden zwei Überleitungsvarianten
geschaffen: Neben der Möglichkeit, gemäß Art. 143 a Abs. 1
Satz 3 GG, § 12 Abs. 2 DBGrG die Beamten der Deutschen Bahn AG zur
Dienstleistung zuzuweisen, konnten die Beamten zur Wahrnehmung einer Tätigkeit
bei der Deutschen Bahn AG nach § 12 Abs. 1 DBGrG unter Wegfall der
Bezüge beurlaubt und auf der Grundlage eines Anstellungsvertrags mit der
Deutschen Bahn AG tätig werden.
Von der vor allem von Führungskräften der Deutschen Bundesbahn
genutzten Möglichkeit der Beurlaubung nach der Sonderregelung des § 12
Abs. 1 DBGrG - die die Anwendung der allgemeinen Beurlaubungsvorschriften
und -grundsätze unberührt ließ - hatte der Mitangeklagte L. Gebrauch
gemacht. Damit war L. trotz des Abschlusses des Anstellungsvertrags mit der
Deutschen Bahn AG nach seinem allgemein zu beurteilenden Status Beamter
geblieben. Sein Dienstherr war der Bund, für beamtenrechtliche Maßnahmen
und Entscheidungen, die sich auf das "Grundverhältnis" (z. B. Beförderungen)
bezogen, war der Präsident des Bundeseisenbahnvermögens zuständig. Da
die Beurlaubung lediglich zur Folge hat, daß der Beamte für den betreffenden
Zeitraum von der ihm obliegenden Dienstleistungspflicht entbunden wird, sein
Status und das damit verbundene allgemeine Pflicht- und Treueverhältnis
auch bei länger währender Beurlaubung aus besonderem Anlaß jedoch be-
8 -
stehen bleiben (BVerwGE 111, 231, 233 m.w.N.), entfällt nicht grundsätzlich
die an den staatsrechtlichen Beamtenbegriff anknüpfende Amtsträgereigenschaft.
Grundsätzlich unerheblich für die Amtsträgereigenschaft des Beamten
ist auch die Art der ihm zugewiesenen Dienste. Entscheidend ist nur, daß dem
Beamten die Verrichtung als amtliche Aufgabe nach den bestehenden Vorschriften
übertragen worden ist und sie nicht völlig außerhalb des Aufgabenbereichs
der zuweisenden Behörde liegt (RGSt 67, 299; 68, 70; RG JW 1934,
2149, BGHSt 3, 143, 145; Gribbohm in LK 11. Aufl. § 11 Rdn. 25; Eser in
Schönke-Schröder, StGB 26. Aufl. § 11 Rdn. 19; Rudolphi in SK-StGB, 6. Aufl
§ 11 Rdn. 18; aA Heinrich, Der Amtsträgerbegriff im Strafrecht, Strafrechtliche
Abhandlungen Bd. 132 S. 313, 333; MünchKomm/Radtke § 11 Rdn. 23: entscheidend
nur die formale Rechtsstellung). So hat bereits das Reichsgericht
entschieden, daß die Zuweisung eines Beamten an eine Straßenbahn AG zur
Ausübung seines Dienstes die Beamteneigenschaft nicht berührt (RGSt 67,
299, wobei bereits in dieser Entscheidung zwischen der Zuweisung zur Dienstleistung
und Beurlaubung unterschieden wird).
Spricht danach der fortbestehende Beamtenstatus des Mitangeklagten
L. zunächst dafür, daß er Amtsträger im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a)
StGB geblieben ist, so weist die für ihn maßgebliche Konstellation - Beurlaubung
und Abschluß eines privatrechtlichen Anstellungsvertrags - gegenüber
den in der Rechtsprechung bisher erörterten Fallgestaltungen entscheidende
Unterschiede auf. Im Gegensatz zu der für die große Mehrheit der Beamten
gewählten Konstruktion nach § 12 Abs. 2 DBGrG i. V. m. Art 143 a Abs. 1 Satz
3 GG, die die Rechtsstellung der Beamten unberührt ließ, insbesondere für die
- 9 -
zugewiesenen Beamten kein Arbeitsverhältnis zu ihrem privatrechtlichen Arbeitgeber
Deutsche Bahn AG begründete, erfolgte bei den beurlaubten Beamten
keine Zuweisung zur Dienstleistung zur Deutschen Bahn AG. Der Mitangeklagte
L. erbrachte seine Dienste nicht gegenüber seinem Dienstherrn, dem als
nicht rechtsfähiges Sondervermögen des Bundes eingerichteten Bundeseisenbahnvermögen,
das ihn von der Dienstleistungspflicht beurlaubt und damit entbunden
hatte, sondern als Angestellter der Deutschen Bahn AG. Erbringt der
Beamte aber keine Dienste im Sinne des Beamtenrechts, ist er nach Auffassung
des Senats trotz seines fortbestehenden Beamtenstatus nicht als Amtsträger
im strafrechtlichen Sinne anzusehen. Dem steht nicht entgegen, daß
sich nach der gesetzlichen Regelung die Amtsträgereigenschaft im allgemeinen
nach dem Beamtenstatus bestimmt. Denn der Beamte im staatsrechtlichen
Sinn wird gerade deshalb den in § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c) StGB genannten
sonstigen Personen, die zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben bestellt sind,
gegenübergestellt, weil so die für die Täterstellung von Amtsdelikten maßgebende
Einbindung in das öffentlich-rechtliche Gewaltverhältnis bei dienstlichen
Handlungen erfaßt wird. Denn für den Beamtenbegriff im Strafrecht und das bei
den Amtsdelikten typischerweise verwirklichte Sonderunrecht ist kennzeichnend,
daß er in seiner Eigenschaft als Beamter und nicht als Arbeitnehmer einer
privatrechtlichen Gesellschaft handelt (vgl. auch Rohlff, Die Täter der
Amtsdelikte, S. 161). Dieses wird durch das Erfordernis der dienstlichen Tätigkeit
konkretisiert. Handelt der Beamte aber außerhalb seiner Rechtsstellung
als Beamter, kommt es auf seinen Status nicht an. Insoweit ist ihm gerade keine
Verrichtung als amtliche Aufgabe übertragen worden. Es ist deshalb - jedenfalls
für die vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschiedene Fallkonstellation
des zu dienstlichen Zwecken beurlaubten Beamten - mit der Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts, das Pflichtverletzungen eines beurlaubten
- 10 -
Beamten, die er im Rahmen eines im Einverständnis mit seinem Dienstherrn
abgeschlossenen privaten Arbeitsverhältnisses begangen hat, als außerdienstliche
Pflichtverletzungen angesehen hat (BVerwGE 111, 231, 233), und der
überwiegenden Meinung in der Literatur von einer immanenten Einschränkung
des Beamtenbegriffs in § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) StGB auszugehen. Das
Landgericht hat zwar ohne nähere Begründung, im Ergebnis aber zu Recht
eine Amtsträgereigenschaft des Mitangeklagten L. nach § 11 Abs. 1 Nr. 2
Buchst. a) StGB verneint, da er zur Tatzeit keinen Dienst im Sinne des Beamtenrechts
ausübte, sondern auf Grund eines privatrechtlichen Angestelltenvertrags
bei der Deutschen Bahn AG tätig wurde. (Im konkreten Fall des beurlaubten
Beamten käme auch die Gegenmeinung zu keinem anderen Ergebnis, weil
es jedenfalls an einer Diensthandlung im Sinne der §§ 333, 334 StGB fehlt, vgl.
auch MünchKomm/Radtke § 11 Rdn. 23).
2. Der Mitangeklagte L. war auch keine zur Wahrnehmung öffentlicher
Aufgaben bestellte Person im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 c) StGB.
Amtsträger gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c) StGB ist, wer sonst dazu
bestellt ist, bei oder im Auftrag einer Behörde oder sonstigen Stelle Aufgaben
der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen. Unter "sonstigen Stellen" sind
- ohne Rücksicht auf ihre Organisationsform - behördenähnliche Institutionen
zu verstehen, die zwar keine Behörden im organisatorischen Sinne, aber rechtlich
befugt sind, bei der Ausführung von Gesetzen und der Erfüllung öffentlicher
Aufgaben mitzuwirken (vgl. BGHSt 43, 370, 376; Tröndle/Fischer, StGB
52. Aufl. § 11 Rdn. 19; Gesetzentwurf der Bundesregierung zum EGStGB
BTDrucks. 7/550, S. 209). Es entspricht gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs,
daß auch als juristische Personen des Privatrechts organisier-
11 -
te Einrichtungen und Unternehmen der öffentlichen Hand als "sonstige Stellen"
den Behörden gleichzustellen sind, wenn bei ihnen Merkmale vorliegen, die
eine Gleichstellung rechtfertigen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sie
bei ihrer Tätigkeit öffentliche Aufgaben wahrnehmen und dabei derart staatlicher
Steuerung unterliegen, daß sie bei einer Gesamtbewertung der sie kennzeichnenden
Merkmale als "verlängerter Arm" des Staates erscheinen (vgl.
BGHSt 43, 370, 377; 45, 16, 19; 46, 310, 312 f.; BGH NJW 2001, 3062, 3063;
Senatsurteil vom 14. November 2003 - 2 StR 164/03 = BGHR StGB § 11 Abs. 1
Nr. 2 Amtsträger 7).
Eine "sonstige Stelle" in diesem Sinne ist die Deutsche Bahn AG, bei
der der Mitangeklagte L. als Angestellter tätig war - wie das Landgericht zu
Recht angenommen hat - nicht.
a) Die bis zur Bahnreform in bundeseigener Verwaltung geführten
Bundeseisenbahnen wurden in der mehrstufig aufgebauten Bahnreform durch
das Eisenbahnneuordnungsgesetz vom 27. Dezember 1993 (BGBl I 2378)
und durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 20. Dezember
1993 (BGBl I 2089) dahin umstrukturiert, daß sie als Wirtschaftsunternehmen
in privatrechtlicher Form durch die Deutsche Bahn AG geführt werden, deren
100%iger Eigner (jedenfalls zur Zeit noch) der Bund ist. Der unternehmerische
Tätigkeitsbereich der Deutschen Bahn AG umfaßt nach Art. 87 e Abs. 3
und 4 GG sowohl die Erbringung von Verkehrsleistungen (Eisenbahntransport)
als auch den Betrieb der Infrastruktur (Bau, Unterhaltung und Betrieb
der Schienenwege = Fahrweg). Dementsprechend wurden innerhalb der
Deutschen Bahn AG die Bereiche Fahrweg, Personenfernverkehr, Personennahverkehr,
Güterverkehr und Bahnhöfe eingerichtet, aus denen in der zweiten
Stufe der Bahnreform im Jahr 1999 eigenständige Gesellschaften (DB
- 12 -
Netz AG, DB Reise- und Touristik AG, DB Regio AG, DB Cargo AG und DB
Station und Services AG) gebildet wurden.
b) Das Eisenbahnwesen mit diesem Aufgabenbereich, der nunmehr
von der Deutschen Bahn AG wahrgenommen wird, wird überwiegend als eine
Aufgabe der Daseinsvorsorge eingeordnet (vgl. Heinrich, Der Amtsträgerbegriff
im Strafrecht S. 644; Cantzler, Strafrechtliche Auswirkungen der Privatisierung
von Verwaltungsaufgaben S. 55; Ronellenfitsch DÖV 1996, 1028, 1032;
Wolf KJ 2003, 192, 202; MünchKomm/Radtke StGB § 11 Rdn. 41). Auch der
Bundesgerichtshof hat in BGHSt 12, 89, 91 sowohl die von der damaligen Bundesbahn
als auch die von der Kleinbahn einer Gemeinde wahrgenommene
Aufgabe der Abwicklung des Personen- und Güterverkehrs mit Eisenbahnen
als Daseinsvorsorge eingeordnet.
Tätigkeiten der Daseinsvorsorge, die dazu bestimmt sind, unmittelbar für
die Daseinsvoraussetzungen der Allgemeinheit oder ihrer Glieder zu sorgen,
werden von der Rechtsprechung seit jeher als öffentliche Aufgaben angesehen
(vgl. BGHSt 12, 89, 90; 31, 264, 268; 45, 16, 19; Senatsurteil vom 14. November
2003 - 2 StR 164/03 = BGHR StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Amtsträger 7). Entsprechend
ging auch der Gesetzgeber des Korruptionsbekämpfungsgesetzes
davon aus, daß die Leistungsverwaltung zur Daseinsvorsorge, welche zunehmend
in privatrechtlicher Form ausgeführt werde, zu den Aufgaben der öffentlichen
Verwaltung zu rechnen sei (Gesetzentwurf aus der Mitte des Bundestags
BTDrucks. 13/5584, S. 12; BGHR StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Amtsträger 7). Dabei
stehen weder die Wahl einer privatrechtlichen Organisationsform noch eine
zusätzlich zu Zwecken des Gemeinwohls hinzutretende Gewinnerzielungsabsicht
der Einstufung als öffentlicher Aufgabe grundsätzlich entgegen (vgl. BGH
NJW 2001, 3062, 3064; BGHR StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Amtsträger 7). Aller-
13 -
dings können auch Aufgaben der Daseinsvorsorge von Gesellschaften mit privaten
Eigentümern erfüllt werden (vgl. BGHSt 45, 16, 19 - FAG). Von einer öffentlichen
Aufgabe kann in diesen Fällen dann nicht (mehr) gesprochen werden,
wenn der Hoheitsträger die Aufgabe gänzlich aus der Hand gibt und ihre
Erledigung einem privaten, marktwirtschaftlich agierenden Unternehmen überläßt
(Aufgabenprivatisierung im Gegensatz zur Organisationsprivatisierung),
auch wenn dieses je nach dem öffentlichen Gewicht der Aufgabe, einer staatlichen
Aufsicht unterstellt wird (vgl. Ossenbühl JR 1992, 473, 475).
c) Ob durch die Bahnreform und die damit verbundene Übertragung der
Aufgaben der Bundesbahn im Bereich des Eisenbahntransportwesens und der
Infrastruktur auf die Deutsche Bahn AG noch eine öffentliche Aufgabe erfüllt
wird, wird nicht einheitlich beurteilt. Die Frage ist nach Auffassung des Senats
jedoch - in Übereinstimmung mit der überwiegenden Meinung im Schrifttum -
zu bejahen (vgl. Windthorst in Sachs, GG-Komm. 3. Aufl. Rdn. 47; Gersdorf in
von Mangoldt/Klein, Das Bonner Grundgesetz 4. Aufl. Rdn. 42, 62 ff.; Wieland
in Dreier, GG-Komm. Rdn. 8; Uerpmann in von Münch/Kunig GG-Komm. 4./5.
Aufl. Rdn. 2, 9; jeweils zu Art. 87 e GG; Schmidt-Aßmann/Röhl DÖV 1994, 577,
582; Hommelhoff/Schmidt-Aßmann ZHR 160 [1996] 521, 537; Hofmann ZTR
1996, 493; Brosius-Gersdorf DÖV 2002, 275, 279 f.; Heinrich aaO S. 637 f.;
MünchKomm/Radtke StGB § 11 Rdn. 41; aA Fromm DVBl. 1994, 187, 191;
Cantzler, Strafrechtliche Auswirkungen der Privatisierung von Verwaltungsaufgaben
S. 14 f., 114).
aa) Allerdings enthält Art. 87 e Abs. 3 Satz 1 GG Bestimmungen, die die
Beurteilung als öffentliche Aufgabe in Frage stellen könnten. So sind nach Art.
87 e Abs. 3 Satz 1 GG die Eisenbahnen des Bundes, also Unternehmen, die
sich ganz oder mehrheitlich im Eigentum des Bundes befinden (Art. 73 Nr. 6 a
- 14 -
GG) als Wirtschaftsunternehmen in privatrechtlicher Form zu führen. Damit ist
nicht nur für die Verkehrs- (Transport-) Unternehmen, sondern auch die Infrastruktur-
(Schienenwege-) Unternehmen eine formelle Privatisierung (Organisationsprivatisierung)
vorgeschrieben (vgl. Hommelhoff/Schmidt-Aßmann ZHR
160 [1996] 521, 527 f.; Gersdorf in von Mangoldt/Klein, Das Bonner Grundgesetz
4. Aufl. Rdn. 42; Uerpmann in von Münch/Kunig GG-Komm. 4./5. Aufl. Art.
jeweils zu Art. 87 e Rdn. 9). Dem Privatisierungsgebot und der weiteren verfassungsrechtlichen
Vorgabe "Führung als Wirtschaftsunternehmen" hat der Gesetzgeber
dadurch Rechnung getragen, daß er die Deutsche Bahn als Aktiengesellschaft,
also als gesetzestypisch konzipierten Großunternehmensträger
und Kapitalsammelbecken (vgl. Hommelhoff/Schmidt-Aßmann ZHR 160 [1996]
521, 539) etabliert hat (Windthorst in Sachs, GG-Komm. 3. Aufl. Art. 87 e Rdn.
36; Schmidt-Aßmann/Röhl DÖV 1994, 577, 580; Wolf KJ 2003, 192, 203,
Hommelhoff/Schmidt-Aßmann ZHR 160 [1996] 521, 545). Nach dem erklärten
Willen des Gesetzgebers des ENeuOG sollte die Wahl der Rechtsform der Aktiengesellschaft
zu hoher Eigeninitiative aufgrund der Verantwortung des Vorstands
und gleichzeitig zu einer umfassenden Begrenzung von unternehmensfremden
Einflüssen führen (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, inhaltsgleich
mit dem Gesetzentwurf aus der Mitte des Bundestags, BTDrucks.
12/4609 [neu], S. 56).
bb) Sprechen diese Umstände dafür, daß der Gesetzgeber das Eisenbahnwesen
als rein erwerbswirtschaftliche Tätigkeit konzipieren wollte, enthält
Art. 87 e GG andererseits selbst Einschränkungen dieser Grundentscheidung:
So besteht nach Art. 87 e Abs. 3 Satz 2 und 3 GG für den Bund ein Veräußerungsverbot
bezüglich der Mehrheit der Anteile an Unternehmen, die den
Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen zum Gegenstand
- 15 -
haben (Mindestbeteiligungsklausel). Die Veräußerung der übrigen Anteile steht
unter Gesetzesvorbehalt (vgl. Jarass/Pieroth, GG 7. Aufl. Art. 87 e Rdn. 4;
Hommelhoff/Schmidt-Aßmann ZHR 160 [1996] 521, 527). Im Umkehrschluß
folgt daraus allerdings auch, daß der Bereich der Eisenbahnverkehrsdienstleistungen
(Transportunternehmen) einer Privatisierung uneingeschränkt offen
steht. Eine Privatisierungsschranke ergibt sich insoweit auch nicht aus der
Gewährleistungspflicht des Bundes nach Art. 87 e Abs. 4 GG (vgl. Gersdorf in
von Mangoldt/Klein, Das Bonner Grundgesetz 4. Aufl. Art. 87 e Rdn. 63;
Schmidt-Aßmann/Röhl DÖV 1994, 577, 582; Brosius-Gersdorf DÖV 2002, 275,
279 f.).
Nach Art. 87 e Abs. 4 GG gewährleistet der Bund, daß dem Wohl der
Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, beim Ausbau und Erhalt
des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten
auf diesem Schienennetz (soweit sie nicht den Schienenpersonennahverkehr
betreffen) Rechnung getragen wird. Diese Gewährleistungsgarantie
reicht nach einhelliger Auffassung aber weniger weit als der Aufgabengehalt
des früheren Art. 87 Abs. 1 GG aF. Sie ist begrenzt durch das Prinzip
der Privatwirtschaftlichkeit. So hat der Bund nur für eine adäquate Grundversorgung
mit Eisenbahninfrastrukturangeboten und Eisenbahnverkehrsdienstleistungen
Sorge zu tragen, ohne etwa eine flächendeckende, optimale
Schieneninfrastruktur oder den Erhalt des status quo garantieren zu müssen.
Ihm steht insoweit eine erhebliche Einschätzungsprärogative zu (vgl. Gersdorf
in von Mangoldt/Klein, Das Bonner Grundgesetz 4. Aufl. Rdn. 71; Jarras/
Pieroth Rdn. 5; Windthorst in Sachs, GG-Komm. 3. Aufl. Rdn. 51 f., 53 f.
jeweils zu Art. 87 e; Schmidt-Aßmann/Röhl DÖV 1994, 577, 584).
- 16 -
d) Bei einer Gesamtschau dieser Umstände hat der Senat zwar keine
Bedenken, die Tätigkeit der Deutschen Bahn AG als Wahrnehmung einer öffentlichen
Aufgabe auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge anzusehen, ein völliger
Rückzug des Staates aus seiner Verantwortung war nicht gewollt (vgl. auch
die Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates
BTDrucks. 12/5015, S. 16; Knittel, Bundesrat, Sten. Berichte 656. Sitzung vom
7. Mai 1993 S. 154 f.). Andererseits lassen die Regelungen erkennen, daß
ausgehend von der Leitlinie des Art. 87 e Abs. 3 Satz 1 GG die Einwirkungsmöglichkeiten
des Bundes zur Wahrnehmung der Gemeinwohlbelange nur begrenzt
sein sollten. Dementsprechend ist auch das dem Bund zu diesem Zweck
zur Verfügung stehende Instrumentarium beschränkt.
- 17 -
Im einzelnen:
aa) Der Gesetzgeber hat Einwirkungsmöglichkeiten im wesentlichen für
den Bereich der Infrastruktur durch die Instrumentarien des Bundesschienenwegeausbaugesetzes
(BSchWAG) vorgesehen. Danach erfolgt der Ausbau
des Schienenwegenetzes der Eisenbahnen des Bundes auf der Grundlage eines
in Intervallen von fünf Jahren durch das Bundesministerium für Verkehr zu
überprüfenden Bedarfsplans; der Bund finanziert Investitionen in die Schienenwege,
die Bau-, Ausbau- und Ersatzinvestitionen nach Maßgabe des
BSchWAG umfassen, während die Eisenbahnen des Bundes die Kosten der
Unterhaltung und Instandsetzung ihrer Schienenwege tragen (§§ 1, 4, 8
BSchWAG). Der Bund beeinflußt insofern - wie auch das Landgericht
festgestellt hat - durch die Planung und Finanzierung die grundsätzliche
Entscheidung darüber, welche Strecken aus- bzw. neu gebaut werden. Dabei
gibt es allein im Bereich der Neu- und Ausbauinvestitionen, in die der überwiegende
Teil der vom Bund zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel fließt, konkrete
Vorgaben für die Verwendung der Gelder durch öffentlich-rechtliche Verträge.
Im Bereich der sog. Erhaltungsinvestitionen werden vom Bund Baukostenzuschüsse
ohne nähere Verwendungsbestimmung oder Einflußnahme gezahlt,
während die Deutsche Bahn AG die Unterhaltungsinvestitionen selbst
finanzieren muß.
Eine gewisse Einflußnahme mit Mitteln des Eisenbahnverwaltungsrechts
ist nach den Regelungen des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG = Art. 5
ENeuOG) möglich: Gemäß § 11 Abs. 1 und 2 AEG bedarf die Einstellung einer
Strecke oder eines für die Betriebsabwicklung wichtigen Bahnhofs (ebenso wie
die deutliche Verringerung der Kapazität einer Strecke) wegen Unzumutbarkeit
des weiteren Betriebs der aufsichtsbehördlichen Genehmigung durch das
- 18 -
Eisenbahnamt (EBA). Allerdings darf das Eisenbahninfrastrukturunternehmen
nicht auf Dauer an der unrentablen Strecke festgehalten werden; nach § 11
Abs. 5 AEG ist die Versagung der Genehmigung maximal für die Dauer eines
Jahres möglich, danach gilt die Genehmigung als erteilt.
Weitergehende Einflußmöglichkeiten des Bundes auf die Geschäftstätigkeit
der Deutsche Bahn AG werden durch die dargestellten öffentlich-rechtlichen
Regelungen nicht begründet. Insbesondere enthält das Regelungsinstrumentarium
des BSchWAG keine Instrumente, um vom Bund erwünschte
Projekte notfalls auch gegen den Willen der Deutschen Bahn AG umzusetzen
(vgl. Hommelhoff/Schmidt-Aßmann ZHR 160 [1996] 521,554).
bb) Dem Bund stehen allerdings als Alleinaktionär der Deutschen Bahn
AG entsprechend den gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen Einflußmöglichkeiten
zu. Da bei der Aktiengesellschaft - anders als bei der GmbH - die Entscheidungszuständigkeit
der Hauptversammlung als Beschlußorgan der Aktionäre
im wesentlichen auf die in § 119 Abs. 1 AktG aufgelisteten Gegenstände
(z. B. die Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseignerseite, Satzungsänderungen,
Maßnahmen der Eigenkapitalbeschaffung etc.) beschränkt
ist - was auch für Gesellschaften mit nur einem Aktionär wie die Deutsche Bahn
AG gilt - kann der Bund nur über die Hauptversammlung die Initiative ergreifen
oder den Verwaltungsorganen Vorstand und Aufsichtsrat Vorgaben machen,
wo das Aktienrecht der Hauptversammlung Zuständigkeiten zuweist. Nicht zu
verkennen ist allerdings, daß der Bund als Alleinaktionär seinen Einfluß bei
Besetzung des Vorstands- und der Aufsichtsratsposten geltend machen kann.
Um einen umfassenden Einfluß auf die Deutsche Bahn AG ausüben zu
können, hätte allerdings für den Bund die Möglichkeit des Abschlusses eines
Beherrschungsvertrags gemäß §§ 291 ff. AktG bestanden, um ein Weisungs-
19 -
recht mit Folgepflicht für den Vorstand zu begründen (§ 308 Abs. 1 und 2
AktG). Die Tatsache, daß der Bund hiervon keinen Gebrauch gemacht hat, korrespondiert
mit der Absicht des Gesetzgebers, den Einfluß des Bundes auf die
Unternehmensführung der Deutsche Bahn AG so gering wie möglich zu halten.
Daraus ergibt sich eine weitere Beschränkung der Einflußnahme. Besteht, wie
hier, kein Beherrschungsvertrag, so darf nach § 311 Abs. 1 AktG ein herrschendes
Unternehmen seinen Einfluß nicht dazu benutzen, eine abhängige
Aktiengesellschaft zu veranlassen, Maßnahmen zu ihrem Nachteil zu treffen.
Eine solche nachteilige Maßnahme wäre etwa die Erbringung vom Bund nach
Art. 87 e Abs. 4 GG geforderter, für die Bahn aber unrentabler Verkehrsleistungen.
Etwas anderes gilt gemäß § 311 Abs. 1 AktG nur dann, wenn die
Nachteile der Gesellschaft vollständig ausgeglichen werden, d. h. der Bund
müßte insoweit gegebenenfalls für einen finanziellen Ausgleich sorgen (sog.
Nachteilsausgleich). Auch in diesem Fall hätte der Bund aber kein Weisungsrecht
gegenüber dem Vorstand (vgl. zum Ganzen Hommelhoff/Schmidt-
Aßmann ZHR 160 [1996] 521, 554 ff., 557; Gersdorf in von Mangoldt/Klein,
Das Bonner Grundgesetz 4. Aufl. Art. 87 e Rdn. 51, 77 ff.).
Eine Gesamtbewertung dieser öffentlich-rechtlichen und gesellschaftsrechtlichen
Einflußmöglichkeiten führt nicht zu dem Ergebnis, daß die Deutsche
Bahn AG derartig staatlicher Steuerung unterliegt, daß sie mit einer Behörde
gleichgestellt werden kann. Abgesehen von der Planungs- und Finanzierungsmitwirkung
des Bundes für den Bereich des Neu- und Ausbaus von Strecken
läßt sich eine konkrete Einwirkung auf die vielfältigen Geschäftsabläufe
bei der Deutschen Bahn AG nicht feststellen. Wie aufgezeigt erlauben weder
die öffentlich-rechtlichen noch die aktienrechtlichen Instrumentarien eine
unmittelbare Einflußnahme auf die laufenden Geschäfte. Eine andere Beurteilung
ergibt sich auch nicht aus den von der Revision angeführten weiteren Be-
20 -
sonderheiten. Der vom Bund der Deutschen Bahn AG gewährte Insolvenzschutz,
die Notwendigkeit öffentlich-rechtlicher Planfeststellungsverfahren, die
Vergabe der Aufträge der Deutschen Bahn AG im öffentlichen Vergabeverfahren
stützen zwar die Feststellung, daß die Deutsche Bahn AG trotz ihrer erwerbswirtschaftlichen
Ausrichtung eine öffentliche Aufgabe wahrnimmt, weitergehende
Steuerungsmomente können darin jedoch nicht gesehen werden. Daß
der Bund im Teilbereich Fahrwege maßgeblich auf den Ausbau neuer Strecken
und damit indirekt auch auf den Verkehrsbetrieb Einfluß nehmen kann, ist bei
einer Gesamtbetrachtung nicht von derartigem Gewicht, daß sich die Annahme
einer staatlichen Lenkung des Gesamtunternehmens rechtfertigte. Ob dieser
Gesichtspunkt bei einer gesonderten Betrachtung dieses Bereichs die Annahme
einer staatlichen Steuerung für diesen Teilbereich rechtfertigen könnte,
kann allenfalls für die 1999 gegründete Konzerntochter Deutsche Bahn Netz
AG erwogen werden. Zum Tatzeitraum trat die Deutsche Bahn AG als einheitliches
Unternehmen auf, das in seiner Gesamtheit betrachtet werden muß.
Dieses Ergebnis erscheint auch, worauf der Generalbundesanwalt zutreffend
hingewiesen hat, im Hinblick auf das durch die §§ 331 ff. StGB geschützte
Rechtsgut - Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität von Trägern
staatlicher Funktionen und damit zugleich in die Sachlichkeit staatlicher Entscheidungen
(vgl. BGHSt 15, 88, 96 f.; 43, 370, 377) - nicht unbillig. Die Deutsche
Bahn AG tritt bewußt als ein Unternehmen auf, das auf Gewinnerzielung
und Wirtschaftlichkeit ausgerichtet ist und in den nächsten Jahren sogar den
Börsengang anstrebt. Mit diesem Anspruch und nicht als ein Staatsunternehmen
wird es auch zunehmend in der Öffentlichkeit wahrgenommen.
- 21 -
3. Auch im übrigen weist die Nachprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler
zum Vorteil des Angeklagten auf. Solche werden auch von der Revision
nicht aufgezeigt.
- 22 -
II. Die Revision des Angeklagten
Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe sich der Bestechung
im geschäftlichen Verkehr nach § 299 Abs. 2 StGB schuldig gemacht, ist
aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Die Feststellungen des Landgerichts tragen die Verurteilung des Angeklagten
nach § 299 Abs. 2 StGB auch, soweit Zahlungen an den Mitangeklagten
L. nicht nur für "die Weitergabe von Informationen im Vorfeld von Vergabeverfahren“,
sondern auch dafür geleistet wurden, daß dieser sich bei den zuständigen
Entscheidungsträgern für die Produkte der K. GmbH im
bahninternen Zulassungsverfahren verwenden, sie von deren technischen Vorteilen
überzeugen und Verantwortliche finden sollte, die zur Erprobung der
neuen Produkte bereit waren.
Das Landgericht hat insoweit festgestellt, daß sich als entscheidendes
Hindernis für die Einführung der Produkte der K. GmbH, die allerdings
auch noch technischer Verbesserung bedurften, die Zulassungspraxis der
Bahn darstellte. Danach erfolgt die bahninterne Zulassung neuer Produkte in
zwei Schritten: zum einen ist eine Sicherheitsbescheinigung, zum anderen eine
sog. Anwenderbescheinigung, die wirtschaftlichen Gesichtspunkten Rechnung
trägt, erforderlich. Diese Hürde sollte mit Hilfe des Mitangeklagten L. genommen
werden.
§ 299 Abs. 2 StGB stellt das Anbieten, Versprechen oder Gewähren eines
Vorteils im Rahmen einer Unrechtsvereinbarung, deren Gegenstand und
Ziel die zukünftige unlautere Bevorzugung eines anderen bei dem Bezug von
Waren oder gewerblichen Leistungen ist, unter Strafe. Bevorzugung in diesem
Sinne bedeutet dabei die sachfremde Entscheidung zwischen zumindest zwei
- 23 -
Bewerbern, setzt also Wettbewerb und Benachteiligung eines Konkurrenten
voraus. Hierbei genügt es, wenn die zum Zwecke des Wettbewerbs vorgenommenen
Handlungen nach der Vorstellung des Täters geeignet sind, seine
eigene Bevorzugung oder die eines Dritten im Wettbewerb zu veranlassen. Der
Vorstellung eines bestimmten verletzten Mitbewerbers bedarf es nicht (BGH
NJW 2003, 2996, 2997; BGHSt 10, 358, 367 zu § 12 UWG aF; Tiedemann in
LK 11. Aufl. § 299 Rdn. 31).
Entgegen der Meinung der Revision und der Vorbehalte des Generalbundesanwalts
bestehen am Vorliegen einer Wettbewerbslage keine Bedenken.
Dem steht nicht entgegen, daß die insoweit von dem Mitangeklagten erwartete
Hilfe sich auf die bahninterne Zulassung der Produkte der K.
GmbH bezog und das Zulassungsverfahren für sich gesehen nicht durch eine
Wettbewerbssituation gekennzeichnet ist. Wie die Revision selbst ausführt, ist
die Zulassung unabdingbare Voraussetzung für die Bewerbung um einen Auftrag
der Deutschen Bahn AG. Ihr Zweck ist es gerade, den potentiellen Anbieterkreis
einzugrenzen. Unmittelbare Folge der Zulassung ist daher die Verbesserung
der Wettbewerbssituation des Anbieters der zugelassenen Produkte
und zwar nicht nur gegenüber anderen Konkurrenten, die sich um die Zulassung
bemühen, sondern auch gegenüber den Konkurrenten, die bereits eine
Zulassung für ihre Produkte innehaben - wie hier die Herstellerfirma der im Urteil
erwähnten V. -Schienenbefestigungen -, deren Wettbewerbssituation
sich durch das Hinzutreten eines weiteren Konkurrenten mit zugelassenen Produkten
verschlechterte. Zwar führt die Zulassung der Produkte nicht schon
ohne weiteres zu einer Bevorzugung bei der Auftragsvergabe selbst. Daß aber
bereits in der Aufnahme in den Kreis der möglichen Auftragnehmer eine Bevorzugung
im Wettbewerb im Hinblick auf das Vergabeverfahren zu sehen ist,
zeigt etwa der denkbare Fall, daß der Auftrag gerade demjenigen erteilt wird,
- 24 -
der die Zulassung mit unlauteren Mitteln erlangt hat. Daß damit andere Konkurrenten
benachteiligt würden, liegt auf der Hand. Dem kann deshalb auch nicht
entgegengehalten werden, daß die Zulassung eines weiteren Anbieters nicht
zu weniger, sondern zu mehr Wettbewerb führt. Dies träfe nur dann zu, wenn
dieser Anbieter seine Position nicht auf unlautere Weise erreicht hätte. Die
Frage, ob eine Bevorzugung im Sinne des § 299 Abs. 2 StGB darin gesehen
werden kann, daß Hilfe bei der Erlangung für die dem Vergabeverfahren vorgeschaltete
Zulassung vereinbart wird, kann daher trotz der organisatorischen
Selbständigkeit des bahninternen Zulassungsverfahrens nicht losgelöst von
den Auswirkungen für das künftige Vergabeverfahren behandelt werden und ist
im Hinblick auf die Verflechtung zwischen dem Zulassungs- und Vergabeverfahren
zu bejahen.
Soweit der Generalbundesanwalt verfassungsrechtliche Bedenken gegen
"die Vorverlagerung der Strafbarkeit" erhoben hat, teilt der Senat diese im
Ergebnis nicht. Der Schutzzweck des Gesetzes, der darin gesehen wird, daß
nicht nur der redliche Wettbewerb geschützt, sondern "im öffentlichen Interesse
den Auswüchsen im Wettbewerb überhaupt gesteuert werden soll" (BGHSt
10, 358, 367 zu § 12 UWG aF), gebietet eine weite Auslegung des Wettbewerbsbegriffs.
Diese in ständiger Rechtsprechung vertretene Auslegung hat
sich durch die Novellierung der Vorschrift und Verlagerung in das Strafgesetzbuch,
die ausschließlich auf redaktionellen Gründen beruht (vgl. BGHSt 46,
310, 316, 317 m.w.N.) nicht geändert und entspricht auch der zivilrechtlichen
Rechtsprechung (BGH GRUR 1955, 342 f.; 1984, 823; WRP 1993, 396, 397).
Daß die von dem Mitangeklagten L. erwartete und geleistete Bevorzugung
unlauter war, ergibt sich schon daraus, daß er zu der Hilfeleistung (min-
25 -
destens auch) aus sachfremden Motiven, nämlich den vereinbarten Zahlungen
veranlaßt werden sollte.
Da das Zulassungsverfahren gerade für das spätere Vergabeverfahren
von entscheidender Bedeutung ist, ist es auch fernliegend, daß der Angeklagte
die Verbesserung der Wettbewerbssituation und die damit verbundene Beeinträchtigung
der Position von Mitbewerbern nicht erkannt hat.
Auch im übrigen weist das Urteil keinen Rechtsfehler zum Nachteil des
Angeklagten auf.
Rissing-van Saan Detter Bode
Otten Roggenbuck



:: freigabestatus allgemein    
             © 2010 - 2017 Peter Wiete • E-Mail:  info@wiete-strafrecht.de