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BGH, Urteil vom 17. August 2004 - 5 StR 197/04


Entscheidungstext  
 
BGH, Urt. v. 17.8.2004 - 5 StR 197/04
5 StR 197/04
BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

vom 17. August 2004
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u. a.
 
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. Au-
gust 2004, an der teilgenommen haben:

Richter Basdorf

 als Vorsitzender,

Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Br ause

 als beisitzende Richter,

Bundesanwalt H   ,
Staatsanwalt Ha

als Vertr eter der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwältin

 als Verteidigerin,

Justizhauptsekretärin N  ,
Justizangestellte R

 als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,
 
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für Recht erkannt:



1. Das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 16. Okto-
ber 2003 wir d mit den zugehörigen Feststellungen aufge-
hoben

a) auf die Revision der Staatsanwaltschaft, soweit der
Angeklagte Z   wegen schweren Raubes in
Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall II.3.
der Urteilsgründe) verur teilt worden ist,

b) auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des
Angeklagten Z    in Ausspruch über die Ge-
samtfreiheitsstrafe.

2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Ver-
handlung und Entscheidung, auch über die Kosten der
Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landge-
richts zur ückverwiesen.



- Von Rechts wegen -



G r ü n d e

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen (vorsätzlicher) Körper-
verletzung in drei Fällen (II.4. und 5. der Urteilsgründe: Einzelfreiheitsstrafen
von zweimal einem Jahr und einmal vier Monaten) und wegen Raubes in
 
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Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen (II.1. und 2. der
Urteilsgründe: Einzelfreiheitsstrafen von drei und zwei Jahren) unter Einbe-
ziehung einer anderweitig verhängten Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu ei-
ner Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren, acht Monaten und einer Woche
verurteilt. Ferner hat es wegen eines weiteren Verbrechens des schweren
Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (II.3. der Urteilsgrün-
de) auf eine Freiheitsstrafe von zwei Jahr en und zehn Monaten erkannt und
den Angeklagten vom Vor wurf der vorsätzlichen Körperverletzung in zwei
Fällen freigesprochen.

Die - mit Ausnahme der Anfechtung der Freisprüche - vom General-
bundesanwalt vertretene, mit der Sachrüge geführte Revision der Staatsan-
waltschaft, mit der die Schuldsprüche in den Fällen II.2. sowie 4. und 5. der
Urteilsgründe nicht angefochten werden, ist hinsichtlich des Schuldspruchs
im Fall II.3. der Urteilsgründe und hinsichtlich des Gesamtstrafausspruchs
erfolgreich. Im übrigen bleibt das Rechtsmittel erfolglos. Die Revision des
Angeklagten erzielt lediglich hinsichtlich der Bemessung der Gesamtfrei-
heitsstrafe einen Teilerfolg.

 I.

Das Landgericht hat im wesentlichen folgende Feststellungen getrof-
fen:

 1. (II.4. der Urteilsgründe) Der Angeklagte besuchte am 4. Juli 2002 in
stark angetrunkenem Zustand den 21jährigen   Ro  in dessen
Wohnung. Der Angeklagte steigerte sich nach weiterem Alkoholkonsum in
Wut und schlug Ro   und dem kur z danach erschienenen 19jährigen
  O  mehrmals mit der Faust in das Gesicht.

2. (II.5. der Urteilsgründe) Am 30. Juli 2002 schlug der Angeklagte in
alkoholisiertem Zustand der 25jährigen  F  mit der Faust in das
 
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Gesicht und verursachte dadurch eine schmerzhafte Prellung. Der Ange-
klagte handelte aus Rache, weil  F  der ehemaligen Freundin des
Angeklagten über dessen frühere Inhaftierung berichtet hatte.

3. (II.1. der Urteilsgründe) Der Angeklagte und seine Freundin, die frü-
here Mitangeklagte   C  , ver brachten die Nacht vom 25. auf den
26. Januar 2003 in dem  B  und  Fr  zugewiesenen
Zimmer des Obdachlosenheims in Freiberg. Sie zechten mit B  , was
Fr  mißfiel. Dieser hielt sich außerhalb des Heims auf und betrat erst
wieder gegen 5.00 Uhr in Begleitung von Polizeibeamten sein Zimmer. Deren
Einsatz führte aber nicht zur Entfernung der ungebetenen Gäste. Als der An-
geklagte gegen 8.00 Uhr erwachte und von dem Polizeieinsatz er fuhr, schlug
er - stark angetrunken - mit einer Bier flasche mehrmals mit voller Kraft ge-
gen den Kopf des Fr  und verlangte lautstark, daß man sich „an die Re-
geln“ halten müsse.  C  schlug mit dem Boden einer Bier flasche
gegen den Hinterkopf des Geschädigten. Der Angeklagte forderte B  
auf, Fr  wegen dessen Indiskretion gegenüber der Polizei eine Abrei-
bung zu verpassen. Er hielt Fr  fest, damit B  diesem ins Gesicht
schlagen konnte.  C zog Fr  mit dem Kopf unter den Wasser-
hahn und wusch dem Verletzten das aus den Platzwunden ausgetretene Blut
ab. „Unmittelbar nach Beendigung der Schlägerei zog der Angeklagte Z -
  dem Zeugen Fr  ein silbernes Handgelenkskettchen vom Ar m,
welches er sich einsteckte. Schließlich zog der Geschädigte auf Aufforder ung
des Z  seine schwarze Jeanshose aus und über gab diese dem Ange-
klagten, der sie behielt“ (UA S. 13 f.).

4. (II.2. der Urteilsgründe) Am Abend des gleichen Tages feierten der
Angeklagte,  C  und der Heimbewohner M  im Zimmer des
Fr  den Abschied M  s, der sich in stationäre Behandlung zur Alko-
holentgiftung begeben wollte, mit reichlichem Alkoholkonsum. Nach abfälli-
gen Äußerungen gegen Fr  schlug M  plötzlich mit der Faust gegen
den Körper und das rechte Auge Fr  s, bis dieses gänzlich zugeschwol-
 
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len war. Der Angeklagte schlug Fr  zweimal mit der Faust gegen den
Körper und mehr mals mit der flachen Hand in das Gesicht. „ Dann wurde
Fr festgehalten und die stark angetrunkene (...) C  zog dem Ge-
schädigten gewaltsam dessen vergoldete Uhr vom Handgelenk und steckte
sich diese ein, weil sie die Uhr für sich behalten wollte“ (UA S. 14 f.).

5. (II.3. der Urteilsgründe) Am 4. Februar 2003 lernten der Angeklagte
und  C  in einer Gaststätte den Witwer S  kennen. Er nahm
eine Einladung des Angeklagten an, in dessen Wohnung noch ein Bier zu
trinken. Der Angeklagte und seine Mittäterin hatten in Wahrheit vor, ihrem
Gast das von diesem mitgeführ te Geld notfalls auch mit Gewalt abzuneh-
men. Auf Anordnung des Angeklagten setzte sich S  in die Mitte der
Wohnzimmercouch. Der Angeklagte drehte das Radio laut und rammte ein
spitzes Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 25 cm vor S  in die
Tischplatte, um diesen einzuschüchtern. Der Angeklagte und  C
setzten sich jeweils neben ihr Opfer. Z  forderte S  vergeblich
auf, ihm seine Geldbörse zu reichen. Er schlug mit der Faust zwei- bis drei-
mal gegen den Unterkiefer des S  , nahm das im Couchtisch stecken-
de Küchenmesser zur Hand, ritzte dem Geschädigten über dessen Ohr die
Kopfhaut an und setzte S  die Spitze des Messers an den Hals. Der
um sein Leben fürchtende Geschädigte ver harrte bewegungslos. Der Ange-
klagte griff in die Innentasche der Jacke des Opfers und nahm dessen Brief-
tasche an sich. Er entnahm das gesamte Bargeld in Höhe von 25 Eur o und
die EC-Kar te. Unter weiterer Bedrohung mit dem an den Hals gehaltenen
Messer verlangte der Angeklagte die Bekanntgabe der Geheimzahl. S -
 nannte die zutreffende Nummer . Der Angeklagte schickte  C  mit
der EC-Karte und der Geheimzahl zum nächstgelegenen Geldautomaten, wo
diese den gesamten verfügbaren Bargeldbetrag von 150 Euro abhob. Der
Angeklagte bedr ohte S  auf die bisherige Weise weiter bis zur Rück-
kehr der  C . Diese verschwieg dem Angeklagten, daß sie Geld ab-
gehoben hatte. Sie teilte lediglich mit, die Geheimzahl hätte sich als zutref-
fend er wiesen. Der Angeklagte machte ihr heftige Vorwür fe. Er steigerte sich
 
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mehr und mehr in Wut und schlug mit den Fäusten erneut auf S  ein.
  C  schlug mit einer Bier flasche auf den Hinterkopf des Geschä-
digten. Dann konnte S   entkommen, nachdem er mit einem mitge-
führten Taschenmesser in den Oberschenkel des Angeklagten gestochen
hatte.

 6. (VI. der Urteilsgründe) Das Landgericht hat den Angeklagten ferner
von dem Vorwurf freigesprochen, am 3. Dezember 2002 und 16. Janu-
ar 2003 in einer Wohnung in Freiberg auf  B  so lange einge-
schlagen zu haben, bis dieser blutend auf dem Boden lag. Nachdem weder
das Opfer noch die Tatzeugen No  und C  wegen durch Alkohol-
mißbrauch hervorgerufener Gedächtnisschwächen zum Tathergang Ver-
wertbares ausgesagt hatten, vermochte sich das Landgericht von einer Tä-
terschaft des Angeklagten trotz dessen Anwesenheit in der Tatwohnung nicht
zu überzeugen.

 II.

Die Revisionen haben teilweise Erfolg.

1. Im Fall II.3. der Urteilsgr ünde weist die Verurteilung des Angeklag-
ten auf der Grundlage der fehlerfrei getr offenen Feststellungen keinen
Rechtsfehler zu seinem Nachteil aus. Indes schöpft der Schuldspruch zu sei-
nem Vorteil die gebotene str afrechtliche Würdigung des Sachverhalts nicht
aus (vgl. BGH NStZ 1997, 127; BGH wistr a 2004, 272).

Danach hat sich der Angeklagte nämlich nicht nur wegen schweren
Raubes (§ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) in Tateinheit mit gefährlicher Körperverlet-
zung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StGB) strafbar gemacht. Darüber hinaus fehlt
es an einer Erörterung tateinheitlicher Strafbarkeit des Angeklagten auch
wegen erpresserischen Menschenraubes (§ 239a StGB), schwerer räuberi-
scher Erpressung (§§ 255, 253, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) und Computerbe-
 
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trugs (§ 263a StGB). Hingegen liegen entgegen der Auffassung der be-
schwer deführenden Staatsanwaltschaft - worauf auch der Generalbundes-
anwalt hingewiesen hat - Anhaltspunkte für den Versuch eines Tötungs-
verbrechens nicht vor .

a) Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, liegen
nach den bisherigen Feststellungen auch die Voraussetzungen eines erpres-
serischen Menschenraubes vor. Für eine Strafbarkeit nach § 239a StGB ist
in der hier - selbstverständlich auch bei zwei Tätern - gegebenen Fallges-
taltung eines Zwei-Personen-Verhältnisses zur Abgrenzung des Anwen-
dungsbereichs dieser Vorschrift von sonstigen Nötigungsdelikten ein funktio-
naler Zusammenhang zwischen dem ersten Teilakt des Sich- Bemächtigens -
mit einer gewissen Stabilisierung der Lage - und dem zweiten Teilakt, der
angestrebten Erpressung, erforderlich. Der Täter muß beabsichtigen, die
durch das Sich- Bemächtigen für das Opfer geschaffene Lage für sein weite-
res er presserisches Vor gehen auszunutzen (vgl. BGHSt 40, 350, 355; BGHR
StGB § 239a Anwendungsbereich 1 m.w.N.).

Vorliegend hat sich der Angeklagte seines Opfers bemächtigt, indem
er es unter anhaltender, vor Beginn der Raub- und Erpressungshandlungen
einsetzender Bedrohung mit dem Messer in seiner physischen Gewalt hielt
(vgl. BGHSt 26, 70, 72; BGHR StGB § 239a Abs. 1 Konkurr enzen 1). Hiermit
begründete er die erforderliche Stabilität der Bemächtigungssituation. Der
Angeklagte hat auch beabsichtigt, die Bemächtigungssituation zu einer Er-
pressung auszunutzen. Zwar ist offen geblieben, ob der Angeklagte nach
Einsatz des Messers damit rechnete, S   werde ihm die verlangte
Geldbör se übergeben, oder ob er von vornherein vorhatte - wie es später
geschehen ist -, den Geldbeutel selbst wegzunehmen. Im ersten Fall hätte
der Angeklagte eine schwere räuberische Erpressung beabsichtigt und im
zweiten Fall - wie es das Landgericht wegen des weiteren Tatverlaufs zu-
treffend angenommen hat - einen schweren Raub. In beiden Fällen hätte der
Angeklagte aber tatbestandlich auch eine Erpressung beabsichtigt, weil nach
 
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der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Tatbestand der Er pressung
den des Raubes mit umfaßt (vgl. BGHSt 14, 386, 390; BGHR StGB § 239a
Anwendungsbereich 1).

b) Neben dem (nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB qualifizierten besonders
schwer en) Raub von Geld und EC-Karte hat sich der Angeklagte durch das
Abpressen der Geheimnummer des weiteren nach den bisherigen Feststel-
lungen wegen tateinheitlicher (besonders) schwerer räuberischer Erpressung
nach §§ 255, 253, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB strafbar gemacht. Der Angeklagte
hat - unter Aufrechterhaltung der Bemächtigungssituation - S  durch
den Messereinsatz mit gegenwärtiger Lebensgefahr genötigt, ihm die Ge-
heimnummer bekanntzugeben. Dadur ch hat er dem Vermögen des Genö-
tigten einen Nachteil zugefügt. Zwar verkörpert die Kenntnis von der Ge-
heimzahl für sich allein betrachtet keine Vermögensposition (vgl. BGHR
StGB § 263a Konkurrenzen 1 m.w.N.). Vorliegend stand dem Angeklagten
aber bereits die EC-Karte des S  zur Verfügung, so daß die zusätzlich
erlangte Kenntnis von der Geheimzahl die jederzeitige Zugriffsmöglichkeit
auf den Auszahlungsanspruch des Berechtigten gegen die die EC-Karte ak-
zeptierenden Banken eröffnete. Diese Vermögensposition war unmittelbar
gefährdet, weil eine sofortige Abhebung des gesamten Guthabens geplant
war (vgl. BGHR aaO). Die Gefähr dung wurde durch die von der Mittäterin
C  vollzogene und somit dem Angeklagten zuzurechnende Abhebung
zum Schadenseintritt vertieft (vgl. BGHR aaO), indem der Auszahlungsan-
spruch zum Erlöschen gebracht wurde. S  hätte über sein Guthaben
nach der erfolgten und automatisch zu Lasten seines Kontos gebuchten Ab-
hebung zunächst nicht mehr verfügen können. Freilich hätte S  gegen
seine Bank ein Anspruch auf Rückbuchung des Auszahlungsbetrages und
Wiederherstellung seines Guthabens zugestanden (vgl. BGHZ 145, 337,
339 f.), der aber der Annahme eines Vermögensnachteils im Sinne des § 253
StGB nicht entgegensteht, sondern lediglich einen möglichen Schadensaus-
gleich eröffnet, weil die Verwirklichung des Anspruchs von einer neuen Initia-
 
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tive des zudem darlegungs- und ggf. beweispflichtigen Kontoinhabers S -
  abhängig war.

c) Nach den bisherigen Feststellungen hat sich der Angeklagte des
weiteren durch das von der Mittäterin absprachegemäß vorgenommene Ab-
heben des gesamten Guthabens in Höhe von 150 Euro - daß sie ihrem Mit-
täter den Vollzug des Tatplans später verschwiegen hat, bleibt bedeutungs-
los - wegen (gemeinschaftlichen) Computerbetrugs gemäß § 263a StGB
strafbar gemacht (vgl. BGHSt 47, 160, 162 m.w.N.).

d) Bei alledem ist schon unter dem Gesichtspunkt natürlicher Hand-
lungseinheit Tateinheit für sämtliche während des noch andauernden erpres-
serischen Menschenr aubes begangenen Begleitdelikte wie für die unmittel-
bar anschließenden Gewalthandlungen anzunehmen ( vgl. BGH, Beschl. vom
4. Juni 2003 - 2 StR 169/03).

e) Eine Schuldspruchänderung dur ch den Senat zum Nachteil des
Angeklagten kommt nicht in Betracht. Vor dem Hintergrund seines wech-
selnden Einlassungsverhaltens läßt sich nicht sicher ausschließen, daß er
sich nach entsprechenden rechtlichen Hinweisen anders als bislang hätte
verteidigen können. Der Senat weist darauf hin, daß der Strafausspruch für
sich allein deshalb durchgreifend bedenklich erscheint, weil die erkannte Ein-
zelstrafe für diese im Verhältnis zu den anderen abgeur teilten Taten mit Ab-
stand schwerste Tat im Vergleich zu den Sanktionen für die weiteren Raub-
taten unverständlich niedrig bemessen worden ist.

2. Die Gesamtstrafbildung hat - was auf die Revisionen der Staatsan-
waltschaft und des Angeklagten beachtlich ist - keinen Bestand. Dem zwi-
schen den beiden letzten Taten erlassenen Str afbefehl kommt die vom
Landgericht angenommene Zäsurwirkung dann nicht zu, wenn jene Geld-
strafe ihrerseits mit der vom Amtsgericht Freiber g am 4. November 2002
verhängten Strafe (UA S. 8) gesamtstraffähig gewesen wäre. Das liegt auf-
 
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grund der mitgeteilten Daten nahe, läßt sich freilich mangels Mitteilung des
Vollstreckungsstandes nicht sicher feststellen. Für den Fall solcher Gesamt-
straffähigkeit - wobei es für den neuen Tatrichter auf den Vollstreckungs-
stand zur Zeit des ersten, hier angefochtenen Urteils ankommen wird (BGHR
StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Erledigung 1 und 2) - wären die Strafen für die
ersten drei hier abgeurteilten Körperverletzungen gesonderter nachträglicher
Gesamtstrafbildung nach § 55 Abs. 1 StGB zuzuführen. Für die Strafen we-
gen der dr ei Raubtaten wäre eine weitere Gesamtstrafe zu bilden.

Die bislang gebildete Gesamtfreiheitsstrafe ließ ferner rechtsfehlerhaft
§ 39 StGB unbeachtet (vgl. BGH, Beschl. vom 28. April 2004 - 2 StR 95/04).

3. Im übrigen ist das angefochtene Urteil, soweit der Angeklagte ver-
urteilt worden ist, frei von durchgreifenden Rechtsfehlern zu seinem Vor- o-
der Nachteil.

a) Im Fall II.1. der Urteilsgründe entnimmt der Senat dem Gesamtzu-
sammenhang des angefochtenen Urteils hinr eichend, daß die mit einer Bier-
flasche gegen den Kopf des Geschädigten geführten Schläge noch nicht in
Raubabsicht erfolgten und daß bei der anschließenden Wegnahme kein ge-
fährliches Werkzeug zum Einsatz kam. Die Nichtannahme einer Qualifikation
nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB erweist sich daher als rechtsfehler frei. Daß der
Angeklagte bei den unmittelbar nach Abschluß der Gewalthandlungen ein-
setzenden Wegnahmehandlungen die zuvor ausgeübte Gewalt als aktuelle
Drohung erneuter Gewaltanwendung bewußt konkludent einsetzte (vgl.
BGHR StGB § 250 Abs. 1 Nr. 2 Mittel 5), daher raubte und nicht lediglich
stahl, ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Ur teilsgründe ohne
weiteres. Der Schuldumfang wird nicht maßgeblich dadurch berührt, daß das
Landgericht neben der Wegnahme der Kette die Abnahme einer Hose des
Geschädigten nicht als tateinheitlich begangene räuberische Erpressung
ausgeurteilt, sondern dieses Geschehen ebenfalls unter den Raub subsu-
 
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miert hat (vgl. UA S. 34) ; diese rechtliche Wertung ist schon angesichts der
Gleichwertigkeit von Raub und räuberischer Erpr essung hinzunehmen.

b) Im Fall II.2. der Urteilsgründe wird eine Mittäterschaft des Ange-
klagten am Raub nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe aus-
reichend belegt. Aus den Feststellungen zu den unmittelbar vorangegange-
nen gemeinsamen Gewalthandlungen folgt ohne weiter es, daß der Ange-
klagte und der Mittäter M  - oder einer von ihnen mit Kenntnis und Billi-
gung des anderen - den Geschädigten festhielten, um   C  die
Wegnahme der Uhr, ersichtlich zugleich unter Einsatz der vorangegangenen
gemeinsamen Gewalthandlungen als weiteres Druckmittel, zu ermöglichen.

c) Die Ausführungen zur erhaltenen, aber erheblich verminderten
Schuldfähigkeit bei sämtlichen Taten sind ebenso rechtsfehlerfrei wie die
Zubilligung einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB zu-
gunsten des alkoholkranken Angeklagten (vgl. hier zu Senatsurteil vom heuti-
gen Tag - 5 StR 93/04, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt).

d) Die Strafaussprüche sind auch sonst frei von durchgreifenden
Rechtsfehlern. Der Senat schließt aus, daß sich die hier ersichtlich schema-
tisch erfolgte Zubilligung einer Milderung wegen von dem Angeklagten erlit-
tener Untersuchungshaft ( vgl. dagegen BGHR StGB § 46 Abs. 2 Lebensum-
stände 20) bei der Bemessung der fünf verbleibenden, sonst fehlerfr ei zuge-
messenen Einzelstrafen maßgeblich zu seinem Vorteil ausgewirkt hat.

e) Im Rahmen der strafrechtlichen Beur teilung des aufgehobenen
Falls und der Zumessung neuer (Gesamt-)Strafen wird das neue Tatgericht
über eine Unterbringung des Angeklagten nach § 64 StGB neu zu entschei-
den haben. Der Senat weist indes darauf hin, daß bei unveränderter Sachla-
ge die bisherige, auf § 64 Abs. 2 StGB gestützte Ablehnung einer solchen
Maßregel keinen r echtlichen Bedenken unterliegt.
 
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4. Die Freisprüche haben Bestand. Zwar ist den Ausführungen des
Landgerichts kein feststehender Sachverhalt zu entnehmen (vgl. BGHR
StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 2, 5, 8, 12), weil die aus den einzelnen Be-
weismitteln geschöpften Erkenntnisse und auch Umstände anderer Taten
nicht ausdrücklich in eine Gesamtschau einbezogen werden (vgl. BGH wistra
2002, 430, 431 m.w.N.). Indes wird aus dem Gesamtzusammenhang der
Darlegungen die vertretbare Wertung des Landgerichts deutlich, der Ange-
klagte sei zwar als gewaltbereite Person jeweils in der Tatwohnung gewesen,
könne aber vor dem Hintergrund des Ausfalls sämtlicher Tatzeugen, der
Möglichkeit einer Tatbegehung dur ch diese selbst und des Fehlens einer
dauer haften Feindschaft zum Tatopfer nicht sicher überführt werden. Dies
hält revisionsgerichtlicher Prüfung stand.

Basdorf  Häger  Gerhardt

Raum  Brause



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