BGH,
Urt. v. 17.1.2002 - 4 StR 482/01
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 482/01
vom
17. Januar 2002
in der Strafsache gegen
wegen Beihilfe zum Mord u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat in der Sitzung vom 17.
Januar 2002, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin am
Bundesgerichtshof Dr. Tepperwien, die Richter am Bundesgerichtshof Dr.
Kuckein, Athing, die Richterinnen am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanovic, Sost-Scheible als beisitzende Richter, Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger,
Rechtsanwalt als Vertreter der Nebenklägerin Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht
erkannt:
1.
Auf die Revision des Angeklagten B. wird das Urteil des Landgerichts
Saarbrücken vom 6. April 2001 in dem ihn betreffenden
Strafausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des
Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten sowie die Revisionen der
Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin Irmgard P. werden
verworfen.
3. Die Nebenklägerin trägt die Kosten ihres
Rechtsmittels. Die Staatskasse trägt die Kosten der Revision
der Staatsanwaltschaft. Von den durch diese Revisionen entstandenen
gerichtlichen Auslagen trägt die Nebenklägerin die
Hälfte; die andere Hälfte und die durch die beiden
Rechtsmittel verursachten notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen
der Staatskasse zur Last.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Mitangeklagten O. , dessen Revision bereits
verworfen wurde, wegen Mordes (aus niedrigen Beweggründen) in
Tateinheit mit Freiheitsberaubung mit Todesfolge zu lebenslanger
Freiheitsstrafe, den Angeklagten B. wegen Beihilfe hierzu zu einer
Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Gegen die Verurteilung des
Angeklagten B. haben der Angeklagte, die Staatsanwaltschaft und die
Nebenklägerin Revision eingelegt. Die Revision des Angeklagten
führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des Urteils im
Strafausspruch. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, das vom
Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, und das Rechtsmittel der
Nebenklägerin, mit denen jeweils sachlich-rechtlich
beanstandet wird, daß die Strafkammer den Angeklagten
lediglich als Gehilfen und nicht als Mittäter verurteilt hat,
bleiben dagegen ohne Erfolg.
I. Die Feststellungen des Landgerichts:
Am Tattag erkannte der Mitangeklagte O. , als er das Taxi des
späteren Tatopfers Walter P. bestieg, diesen als denjenigen
Taxifahrer wieder, den er bereits vor einigen Wochen um den Fahrpreis
geprellt hatte. Auch Walter P. hatte O. wiedererkannt. Als O. am
Fahrtziel erneut unter dem Vorwand, Geld für die Fahrtkosten
aus seiner Wohnung holen zu wollen, das Taxi verlassen wollte,
bedrängte ihn Walter P. massiv, sofort sowohl die neu
angefallenen als auch die früheren Fahrtkosten zu begleichen.
O. beschloß daraufhin, Walter P. zu töten, weil er
die Taxifahrt nicht bezahlen, nicht identifiziert und wegen seines
früheren Fehlverhaltens nicht zur Rechenschaft gezogen werden
wollte. Er zwang den Taxifahrer unter Vorhalt einer
mitgeführten Schreckschußpistole mit in seine
Wohnung zu gehen, wo sich der Angeklagte B. aufhielt. Auf Aufforderung
des O. fesselte der Angeklagte den Walter P. mit einem Antennenkabel,
nachdem O. sinngemäß geäußert
hatte, der Taxifahrer habe ihn zum Zahlen zwingen wollen und wisse
jetzt, wo er wohne. Deswegen "müsse er
´weg´ ". Dem Angeklagten war klar, daß O.
dem Taxifahrer "etwas antun wollte". Anschließend zwang O.
den gefesselten Walter P. unter Verwendung der
Schreckschußpistole, in sein Taxi einzusteigen und fuhr mit
ihm in Begleitung des Angeklagten B. zu einem Waldweg. Dort zerrte er
Walter P. aus dem Taxi, löste die Handfessel, warf ihn auf den
Boden und erdrosselte den sich heftig Wehrenden mit dem Antennenkabel.
Der Angeklagte B. stand während dieses Vorgangs neben O. und
dem Tatopfer. Er half O. die Leiche in den Kofferraum des Taxis zu
legen. Das in einer Tasche in der Fahrertür aufbewahrte
Wechselgeld des Walter P. teilten sich die Angeklagten auf, wobei die
Kammer nicht ausschließen konnte, daß der
Entschluß zur Wegnahme des Geldes erst nach der
Tötung des Taxifahrers von den Angeklagten gefaßt
wurde. Anschließend fuhren beide auf Vorschlag des O. zu
einer Tankstelle, wo sie u.a. einen mit Benzin gefüllten
Kanister erwarben. Im Beisein des Angeklagten B.
übergoß O. sodann auf einem abgelegenen Waldweg das
Taxi mit Benzin und zündete es an, um die Spuren der Tat zu
beseitigen.
II. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin
Der Schuldspruch wegen tateinheitlich begangener Beihilfe zum Mord und
zur Freiheitsberaubung mit Todesfolge weist keinen Rechtsfehler zum
Vorteil des Angeklagten auf. Mittäter ist, wer nicht nur
fremdes Tun fördert, sondern einen eigenen Tatbeitrag derart
in eine gemeinschaftliche Tat einfügt, daß sein
Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt
dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint.
Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist
nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung
umfaßt sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen.
Wesentliche Anhaltspunkte können der Grad des eigenen
Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die
Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein (vgl.
BGHSt 37, 289, 291). In Grenzfällen hat der Bundesgerichtshof
dem Tatrichter für die ihm obliegende Wertung einen
Beurteilungsspielraum eröffnet. Läßt das
angefochtene Urteil erkennen, daß der Tatrichter die
genannten Maßstäbe erkannt und den Sachverhalt
vollständig gewürdigt hat, so kann das gefundene
Ergebnis auch dann nicht als rechtsfehlerhaft beanstandet werden, wenn
eine andere tatrichterliche Beurteilung möglich gewesen
wäre (BGH StV 1998, 540; NJW 1997, 3385, 3387).
Die Wertung der Tatbeteiligung des Angeklagten B. als Beihilfe und
nicht als Mittäterschaft hält sich im Rahmen dieses
Beurteilungsspielraums. Nach den Feststellungen hat der Mitangeklagte
O. bereits beim Verlassen des Taxis allein und aus
ausschließlich eigennützigen Motiven den
Entschluß zur Tötung des Walter P. gefaßt.
Er ist in der Folgezeit auch durchweg der dominierende Partner gewesen,
hat das weitere Vorgehen bestimmt und die Tötungshandlung
selbst ausgeführt. Dagegen hat der Angeklagte das Ob und Wie
des tatbestandsmäßigen Geschehens weder beherrscht
noch bestimmend beeinflußt. Bei seinen maßgeblichen
Tathandlungen - z.B. beim Fesseln des Opfers mit dem Antennenkabel -
ist er den Anweisungen des Mitangeklagten gefolgt. Auch hat die Kammer
ein eigenes, zur Tat drängendes Interesse des Angeklagten,
etwa aufgrund eines früheren, möglicherweise
gemeinsam mit dem Mitangeklagten zum Nachteil des Walter P. begangenen,
nunmehr zu verdeckenden Fahrgeldbetrugs, gerade nicht festzustellen
vermocht. Wenn das Tatgericht im Hinblick auf diese sehr gewichtigen
Umstände (vgl. BGHSt 28, 346, 348 f.) bei seiner
Abwägung zu dem Ergebnis gelangt ist, die Tatbeiträge
des Angeklagten seien nur als die eines Gehilfen zu bewerten, ist dies
aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Dem steht auch nicht
entgegen, daß die Angeklagten nach der Tötung des
Walter P. das im Taxi aufgefundene Wechselgeld an sich genommen und
geteilt haben. Nach den Feststellungen ist nämlich nicht
auszuschließen, daß die Angeklagten den
Entschluß zur Wegnahme des Geldes erst nach der
Tötung des Walter P. gefaßt haben.
III. Die Revision des Angeklagten
Die Revision des Angeklagten hat zum Rechtsfolgenausspruch Erfolg. Im
übrigen ist sie unbegründet im Sinne des §
349 Abs. 2 StPO. Das Schwurgericht ist beim Angeklagten B. bei
Bemessung der Strafe von dem nach § 27 Abs. 2 Satz 2,
§ 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 211
StGB von drei bis 15 Jahren ausgegangen. Es hat dabei
übersehen, daß bei dem Angeklagten daneben auch der
zwingende Milderungsgrund des § 28 Abs. 1 StGB Anwendung
findet. Der Angeklagte wußte nach den Feststellungen des
Landgerichts zwar, aus welchen Gründen O. den Taxifahrer
töten wollte, handelte aber selbst nicht aus den
Beweggründen, die O. zur Tat veranlaßt haben. Bei
ihm fehlen deshalb die besonderen persönlichen Merkmale, die
bei O. die Tötung Walter P. s zum Mord machten. Niedrige
Beweggründe, von deren Vorliegen das Landgericht bei O.
ausgeht, sind ebenso wie die nach den Feststellungen
zusätzlich in Betracht kommende Verdeckungsabsicht
täterbezogene Merkmale, welche die Strafbarkeit
begründen (vgl. BGHSt 22, 375, 378; BGH StV 1984, 69).
Anhaltspunkte dafür, daß - wie der
Generalbundesanwalt meint - der Angeklagte selbst die Absicht hatte,
den Fahrgeldbetrug des O. zu verdecken (vgl. BGHSt 9, 180), liegen
nicht vor.
Zwar erscheint die verhängte Strafe auch bei doppelter
Strafrahmenverschiebung nicht überhöht; jedoch vermag
der Senat nicht mit letzter Sicherheit auszuschließen,
daß das Landgericht bei richtiger Strafrahmenwahl eine
niedrigere Strafe festgesetzt hätte.
Danach hat der Strafausspruch keinen Bestand. Einer Aufhebung der
insoweit getroffenen Feststellungen bedarf es nicht, weil lediglich die
Strafe aus einem anderen Strafrahmen zu entnehmen ist.
Tepperwien Kuckein Athing Solin-Stojanovic Sost-Scheible |