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BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 - 3 StR 344/03


Entscheidungstext  
 
BGH, Urt. v. 17.6.2004 - 3 StR 344/03
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
StGB §§ 52 Abs. 1, 263 Abs. 5
Der Verurteilung eines Bandenmitglieds wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs
steht nicht entgegen, daß die Einzeldelikte der Betrugsserie der Tätergruppierung
in seiner Person aus Rechtsgründen in gleichartiger Tateinheit
zusammentreffen und daher gemäß § 52 Abs. 1 StGB gegen ihn nur auf eine
Strafe zu erkennen ist.
BGH, Urt. vom 17.06.2004 - 3 StR 344/03 - LG Hildesheim
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 344/03
vom
17.06.2004
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges
- 2 -
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. Juni
2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Tolksdorf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach,
von Lienen,
Becker,
Hubert
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt in der Verhandlung,
Staatsanwalt bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten H. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Y. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten F. ,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 3 -
- 4 -
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Hildesheim vom 25. März 2003 werden verworfen.
Die Angeklagten haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten - den Angeklagten F. unter
Freispruch im übrigen - des gewerbsmäßigen Bandenbetruges (§ 263 Abs. 5
StGB) schuldig gesprochen und den Angeklagten H. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe
von sechs Jahren, den Angeklagten Y. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe
von drei Jahren sowie einer Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen
und den Angeklagten F. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren
und sechs Monaten verurteilt. In diese Gesamtstrafen sind jeweils die Einzelstrafen
einbezogen, die gegen die Angeklagten im Urteil des Landgerichts
Hamburg vom 26. April 2001 ausgesprochen worden waren.
Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten die Verletzung formellen
und sachlichen Rechts. Der Angeklagte F. macht darüber hinaus das Verfahrenshindernis
des Strafklageverbrauchs geltend. Die Rechtsmittel bleiben
ohne Erfolg.
Die Verfahrensrüge des Angeklagten H. ist nicht ausgeführt und daher
unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Soweit er nach Zustellung der An-
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tragsschrift des Generalbundesanwalts mit Schriftsatz vom 13. Oktober 2003
erstmals eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung bis zur Abfassung
der Anklageschrift geltend macht, ist diese Verfahrensrüge (vgl. BGHR MRK
Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 7 und 11) verspätet (§ 345 Abs. 1
Satz 1 StPO); sie entspricht zudem auch nicht den Anforderungen des § 344
Abs. 2 Satz 2 StPO.
Im übrigen hat die revisionsrechtliche Prüfung keinen durchgreifenden
Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Auch das vom Angeklagten
F. geltend gemachte Verfahrenshindernis besteht nicht. Der Senat
nimmt bezüglich der erhobenen Einzelbeanstandungen Bezug auf die zutreffenden
Ausführungen des Generalbundesanwalts in seinen Antragsschriften
vom 2. Oktober 2003. Weitergehender Erörterung bedarf allein die Frage, ob
das Landgericht die Angeklagten des gewerbsmäßigen Bandenbetruges schuldig
sprechen durfte, obwohl es sie jeweils nur wegen einer Tat im materiellrechtlichen
Sinne verurteilt hat.
I. Das Landgericht hat folgendes festgestellt:
Im Laufe des Jahres 1998 faßten der Angeklagte H. , der frühere
Mitangeklagte G. sowie der zwischenzeitlich verstorbene W.
den Entschluß, zu betrügerischen Zwecken im Kapitalanlagenbereich ein
Unternehmen in der englischen Rechtsform der "Limited" zu errichten. Die
Opfer sollten im Telefonhandel dazu verleitet werden, Gelder als Einlage in
einen - tatsächlich nicht existierenden - "Guaranteed Fund" zu zahlen. Eine
Kapitalanlage war in Wahrheit nicht vorgesehen. Vielmehr sollten die eingehenden
Gelder nach Abzug der Kosten unter den Beteiligten verteilt werden.
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Der Angeklagte Y. wurde frühzeitig in diese Planungen eingeweiht.
Um später an den Erlösen teilzuhaben, beteiligte er sich schon am Aufbau des
Unternehmens, indem er in vielfältiger Weise an der Gründung der Firma, der
Anwerbung von Personal, der Einrichtung des Scheinfirmensitzes in Han.
sowie der tatsächlichen Betriebsstätte in Ha. und an der Herstellung von
Werbematerial mitwirkte.
Anfang Oktober 1998 wurde der Betrieb des Unternehmens in den Büroräumen
in Ha. aufgenommen. Dem Angeklagten H. fiel die Aufgabe
zu, die - zunächst fünf - Telefonverkäufer zu leiten und einzuweisen. Daneben
übte er die Funktion eines "Buchhalters" aus, der bei ständiger Präsenz im
Büro den "Verkauf" kontrollierte, die Zahlungsabwicklung mit den Kunden absprach
und die diesen gegenüber vorzutäuschende Kontoführung abwickelte.
Er wurde aber auch selbst als Telefonverkäufer tätig. Mitte November 1998
stellte er den Angeklagten F. als weiteren Telefonverkäufer ein.
Die potentiellen Kunden wurden zunächst von - nicht ermittelten, mit den
Telefonverkäufern nicht identischen - sog. Broschürenwerbern angerufen und
in groben Zügen über die Geldanlage im "Guaranteed Fund" informiert. Zeigten
sie Interesse, so wurde ihnen von dem vermeintlichen Geschäftssitz in Han.
eine Werbebroschüre zugesandt. Sobald mit dem Zugang dieser Broschüre
gerechnet wurde, rief einer der Telefonverkäufer unter einem Falschnamen bei
dem Interessenten an, um ihn zu einer Geldanlage zu überreden. Sagte dieser
zu, oblag es dem Angeklagten H. , den Abschluß buchhalterisch und praktisch
mit dem Kunden abzuwickeln. Er rief daher unter seinem Decknamen erneut
den Kunden an und vereinbarte mit ihm die Zahlungsabwicklung sowie die
Übersendung von unterzeichnetem "Beteiligungsantrag" und Zahlungsnachweis
per Fax an den Scheinfirmensitz in Han. . Ging das Fax dort ein, in-
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formierte der dort tätige "director" der Gesellschaft telefonisch den Angeklagten
H. im Büro in Ha. . Dieser veranlaßte aufgrund dessen sofort die Herstellung
eines entsprechenden Kontoauszuges in zweifacher Ausfertigung. Ein
Exemplar heftete er in der entsprechenden Kundenakte ab, das andere leitete
er zusammen mit einem "Versicherungsschein" für die Kapitalanlage weiter
nach Han. , wo beides vom Scheinsitz der Firma an den jeweiligen Kunden
versandt wurde. Die Transporte nach Han. führte zunächst G. , ab Dezember
1998 der Angeklagte Y. durch. Der Angeklagte H. erkundigte
sich dann, um das Vertrauen des Kunden zu stärken, telefonisch bei diesem,
ob er Kontoauszug und "Versicherungsschein" erhalten habe und alles zu seiner
Zufriedenheit abgewickelt worden sei.
In der Folge wurden den Kunden weitere Kontoauszüge übersandt, auf
denen die Gutschrift erster Renditen verzeichnet war. Dies diente als Grundlage
für "Loadinggespräche", durch die die Telefonverkäufer die Kunden zur Erhöhung
ihrer Kapitalanlage verleiten sollten. Wegen seiner besonderen Fähigkeiten
bei den "Loadinggesprächen" wurden dem Angeklagten F. ab Anfang
Januar 1999 sämtliche Kundenakten zum Zwecke des Loadings vorgelegt.
Auch wurden die Telefonate an ihn als vermeintlichen Verkaufsleiter weitergeleitet,
in denen die anderen Telefonverkäufer bzw. der Angeklagte H. bei
den Kunden nicht den gewünschten Erfolg erzielen konnten. Im einzelnen vermochte
das Landgericht nicht zu klären, welche Kunden von welchem Verkäufer
oder Loader zu den jeweiligen einzelnen Erstanlagen und späteren Erhöhungen
der Einlagen veranlaßt wurden. Fest steht allein, daß sämtliche Mitarbeiter
in dem Büro in Ha. bei der Täuschung der Kunden arbeitsteilig zusammenwirkten.
Der Angeklagte Y. hatte indessen keinen direkten Kontakt
zu den Kunden.
- 8 -
Zwischen dem 20. Oktober 1998 und dem 23. März 1999 wurden auf
diese Weise 23 Anleger zur Zahlung von insgesamt 2.665.297,05 DM und
100.000 ATS verleitet. Die eingehenden Geldbeträge hob der "director" in Han.
von den dort errichteten Bankkonten in bar ab. Das Geld wurde sodann
nach Ha. verbracht. Auch diese Transporte führte ab November 1998 der
Angeklagte Y. durch.
Die Angeklagten H. und F. wurden bei der Verteilung der Gelder
nach festen Prozentsätzen bedacht. Der Angeklagte H. erhielt auf dieser
Grundlage im Tatzeitraum mindestens 112.542,98 DM, der Angeklagte
F. mindestens 100.000 DM. Der Angeklagte Y. wurde für seine Kurierfahrten
zwischen Ha. und Han. , die er drei- bis viermal wöchentlich
durchführte, mit 2.000 DM pro Fahrt entlohnt. Auch für seine sonstigen Tätigkeiten
wurden ihm Zahlungen geleistet, deren genaue Höhe jedoch nicht
festgestellt werden konnte.
II. Das Landgericht hat den Angeklagten H. und Y. "sämtliche
Verkäufe und Loadings" zugerechnet. Der Angeklagte H. habe zwar mit jedem
Kunden selbst Telefonate im Rahmen der Zahlungsabwicklung geführt,
ohne daß jedoch die konkreten Tatbeiträge im einzelnen noch hätten festgestellt
werden können. Durch seine geschäftsleitende Tätigkeit würden die einzelnen
betrügerischen Geschäftsvorfälle in seiner Person jedoch derart eng
verbunden, daß sie für ihn eine einzige Betrugstat darstellten. Ebenso seien
sämtliche organisatorischen Maßnahmen und die Kurierdienste des Angeklagten
Y. rechtlich als eine einheitliche Tat einzuordnen. Eine Aufspaltung
seiner Tatbeiträge liege im Hinblick auf die organisatorische Verzahnung seiner
Aktivitäten über den gesamten Tatzeitraum fern.
- 9 -
Auch die Tatbeiträge des Angeklagten F. seien als ein einheitlicher
Betrug zu werten. Zwar habe er ab Anfang Januar 1999 mit zahlreichen Kunden
Verkaufs- und Loadingtelefonate geführt. Seine konkreten Tatbeiträge seien
jedoch nicht mehr exakt zurechenbar. Er habe jede Kundenakte zum Zwekke
des Loading auf den Schreibtisch bekommen und sich ständig bereit gehalten,
um in Problemfällen gegenüber den Kunden mit der Autorität des Verkaufsleiters
aufzutreten. Diese organisatorische Stellung und seine ständige
Bereitschaft bei Anwesenheit im Büro verbinde seine nicht exakt feststellbaren
Tatbeiträge zu einer einheitlichen Tat.
III. Auf dieser Grundlage läßt die Verurteilung der Angeklagten wegen
gewerbsmäßigen Bandenbetruges im Ergebnis keinen sie beschwerenden
Rechtsfehler erkennen. Insbesondere steht dem Schuldspruch nach § 263
Abs. 5 StGB nicht entgegen, daß das Landgericht das strafrechtlich relevante
Verhalten der Angeklagten als eine materiell-rechtliche Tat im Sinne des § 52
Abs. 1 StGB bewertet hat.
1. a) Gewerbsmäßig handelt, wer sich durch wiederholte Tatbegehung
eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger
Dauer verschaffen will. Liegt diese Absicht vor, ist bereits die erste Tat als
gewerbsmäßig begangen einzustufen, auch wenn es entgegen den ursprünglichen
Intentionen des Täters zu weiteren Taten nicht kommt (BGH NJW 1998,
2913, 2914; BGH NStZ 1995, 85; 2004, 265, 266). Eine Verurteilung wegen
gewerbsmäßiger Deliktsbegehung setzt daher schon im Grundsatz nicht notwendig
voraus, daß der Täter zur Gewinnerzielung mehrere selbständige Einzeltaten
der jeweils in Rede stehenden Art verwirklicht hat. Ob die Angeklagten
gewerbsmäßig gehandelt haben, beurteilt sich vielmehr nach ihren ursprünglichen
Planungen (vgl. RGSt 58, 19, 21) sowie ihrem tatsächlichen, strafrechtlich
- 10 -
relevanten Verhalten über den gesamten ihnen jeweils anzulastenden Tatzeitraum.
Hinsichtlich der Angeklagten H. und F. kann den Feststellungen
hierzu entnommen werden, daß sie ihre Tätigkeit in dem Unternehmen jeweils
mit dem Willen aufnahmen, durch persönliche Telefonate mit potentiellen Kunden
eine Vielzahl möglicher Opfer betrügerisch zu schädigen, um sich bzw. die
anderen Beteiligten aus den erlangten Geldern rechtswidrig zu bereichern. Ihre
Planungen waren somit darauf gerichtet, durch für sich tatsächlich jeweils selbständige
Handlungen eine möglichst große Zahl von Betrugsdelikten eigenhändig
zu verwirklichen. Diese Planungen haben sie nach Überzeugung des
Landgerichts auch umgesetzt, indem sie durch eine - wenn auch zahlenmäßig
nicht exakt feststellbare - Mehrzahl von Erstanwerbungs- und Loadinggesprächen
verschiedene Opfer zur Überweisung von Geldbeträgen verleiteten. Hinzu
kommen beim Angeklagten H. seine Anrufe bei den - von anderen Telefonverkäufern
angeworbenen - Erstkunden zum Zwecke der technischen Abwicklung
der Erstanlage, die sich als jeweils individueller mittäterschaftlicher
Tatbeitrag zu einem einzelnen selbständigen Betrugsdelikt darstellen. Damit
sind die Voraussetzungen gewerbsmäßigen Tätigwerdens für die Angeklagten
H. und F. belegt.
Für den Angeklagten Y. gilt im Ergebnis nichts anderes. Zwar hat
dieser mangels unmittelbaren Kontakts zu den Kunden in keinem Einzelfall eine
Betrugstat in allen Tatbestandsmerkmalen eigenhändig verwirklicht. Auch
ist für ihn kein mittäterschaftlicher Tatbeitrag festgestellt, durch den er gezielt
ein individuelles Einzeldelikt der Betrugsserie vor dessen Vollendung gesondert
gefördert hätte. Jedoch hat er nicht nur in der Gründungsphase des Unternehmens,
sondern auch durch die Aufnahme und regelmäßige Durchführung
- 11 -
der notwendigen Kurierfahrten zwischen Ha. und Han. durch wiederholte,
für sich rein tatsächlich selbständige Handlungen mittäterschaftliche
Tatbeiträge erbracht, durch die er die Organisation des Unternehmens aufrechterhielt
und damit die von seinen Tatgenossen verwirklichten Einzeldelikte
wenn auch nicht individuell, so jedenfalls allgemein förderte, um sich aus den
Betrugserlösen zu bereichern. Auch er wollte daher in einem rein tatsächlichen
Sinne wiederholt an der Verwirklichung einer Vielzahl von Betrugstaten mitwirken
und hat diesen Plan umgesetzt. Dies reicht für die Annahme gewerbsmäßigen
Handelns ebenfalls aus.
b) Die konkurrenzrechtliche Einordnung der Einzelaktivitäten der Angeklagten
als eine Betrugstat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB ist hier für die Annahme
des Qualifikationsmerkmals der Gewerbsmäßigkeit demgegenüber ohne
Bedeutung. Insoweit gilt:
aa) Zutreffend ist das Landgericht bei der Bewertung des Konkurrenzverhältnisses
der strafrechtlich relevanten Einzelaktivitäten der Angeklagten
der Sache nach von dem Grundsatz ausgegangen, daß bei der Beteiligung
mehrerer Mittäter an einer Deliktsserie für jeden von ihnen gesondert zu prüfen
und zu entscheiden ist, ob die einzelnen Straftaten der Serie in seiner Person
tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen. Maßgeblich ist hierbei der
Umfang des Tatbeitrages bzw. der Tatbeiträge jedes Mittäters. Erfüllt er hinsichtlich
aller oder einzelner Taten der Serie sämtliche Tatbestandsmerkmale
in eigener Person oder leistet er für alle oder einige Einzeltaten zumindest einen
individuellen, nur je diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten -
soweit nicht natürliche Handlungseinheit vorliegt - als tatmehrheitlich begangen
zuzurechnen. Allein die organisatorische Einbindung des Täters in ein betrügerisches
Geschäftsunternehmen ist demgegenüber nicht geeignet, diese Einzel-
12 -
delikte der Tatserie rechtlich zu einer Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammenzufassen
(vgl. BGHSt 26, 284, 285 f.; BGH NStZ 1996, 296, 297 sub 2.
d; 1997, 233; BGH wistra 2003, 342 f.). Erbringt er dagegen im Vorfeld oder
während des Laufs der Deliktsserie Tatbeiträge, durch die alle oder je mehrere
Einzeldelikte seiner Tatgenossen gleichzeitig gefördert werden, so sind ihm die
je gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen,
da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer
Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ob die Mittäter die
einzelnen Delikte nach obigen Grundsätzen gegebenenfalls tatmehrheitlich
begangen haben, ist demgegenüber ohne Bedeutung (st. Rspr.; vgl. nur BGH
NStZ-RR 2003, 265, 267; BGH wistra 2001, 336, 337 m. w. N.; a.A. Stree in
Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 52 Rdn. 21).
Beim Zusammenwirken mehrerer Beteiligter im Rahmen eines Unternehmens,
das - allein oder auch - zum Zwecke der Begehung von Straftaten
über eine längere Zeit betrieben wird, ist nach diesen Maßstäben eine Vielzahl
von Möglichkeiten denkbar, wie in der Person jedes einzelnen Beteiligten je
nach seinen Tätigkeitsbereichen bzw. seinen tatsächlich entfalteten Aktivitäten
die aus dem Unternehmen heraus begangenen Straftaten konkurrenzrechtlich
zusammentreffen können. Die Aufklärung der firmeninternen Vorgänge, die für
eine in allen Einzelheiten zutreffende konkurrenzrechtliche Bewertung der dem
jeweiligen Beteiligten zurechenbaren Einzeltaten notwendig wäre, wird demgegenüber
jedoch vielfach nicht möglich oder nur mit einem unverhältnismäßigen
Ermittlungs- bzw. Verhandlungsaufwand durchführbar sein. Dieses Aufklärungsdefizit
war nach früherer Rechtsprechung weitgehend deswegen unproblematisch,
weil derartige Tatserien meist - ob nach den hierzu aufgestellten
rechtlichen Maßstäben stets zutreffend, sei dahingestellt - als fortgesetzte
- 13 -
Handlung rechtlich zu einer Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verbunden
wurden. Seit diese Rechtsfigur durch den Beschluß des Großen Senats für
Strafsachen vom 3. Mai 1994 (BGHSt 40, 138) im wesentlichen - so auch für
den Straftatbestand des Betruges - aufgegeben worden ist, stellt sich das Problem
der tatsächlichen Aufklärung und zutreffenden konkurrenzrechtlichen Bewertung
von Tatserien unter Mitwirkung mehrere Beteiligter neu. Zur Überwindung
der dadurch aufgeworfenen Schwierigkeiten behilft sich die Rechtsprechung
nunmehr damit, daß sie - abgesehen von durch einen Tatgenossen eigenhändig
verwirklichten oder durch einen individuellen Tatbeitrag mitverwirklichten
Einzeldelikten - Tatbeiträge eines Mittäters, mittelbaren Täters oder
Gehilfen zum Aufbau, zur Aufrechterhaltung und zum Ablauf eines auf Straftaten
ausgerichteten Geschäftsbetriebes unter Heranziehung des Zweifelssatzes
(vgl. BGH NStZ 1994, 586; BGH, Beschl. vom 7. September 1995 - 1 StR
319/95; BGH, Urt. vom 3. Juli 2003 - 1 StR 453/02, insoweit in wistra 2003, 424
nicht abgedruckt; s. auch BGHSt 40, 218, 238) rechtlich weitgehend zu einem
- uneigentlichen - Organisationsdelikt zusammenfaßt, durch welches mehrere
Einzelhandlungen oder mehrere natürliche Handlungseinheiten rechtlich verbunden
und hiermit die aus der Unternehmensstruktur heraus begangenen
Straftaten in der Person dieser Tatbeteiligten zu einer einheitlichen Tat oder
gegebenenfalls zu wenigen einheitlichen Taten im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB
zusammengeführt werden (s. etwa BGH NStZ 1996, 296 f.; BGHR StGB § 263
Täterschaft 1; BGH NJW 1998, 767, 769; 2004, 375, 378).
Hiergegen ist, insbesondere unter dem Aspekt der Verfahrensvereinfachung,
grundsätzlich nichts einzuwenden; denn da die konkurrenzrechtliche
Einordnung der Einzeltaten deren Gesamtunrechts- und Schuldgehalt im allgemeinen
nicht berührt (vgl. BGHSt 40, 218, 239; 41, 368, 373; BGH NStZ
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1997, 233; BGH, Beschl. vom 30. März 2004 - 4 StR 529/03), führt die Verurteilung
wegen nur einer Tat oder nur weniger tatmehrheitlicher Taten in aller Regel
im Ergebnis zu einer den Angeklagten weder ungerechtfertigt belastenden
noch unberechtigt begünstigenden Straffolge. Jedoch darf hierüber nicht aus
dem Blick verloren werden, daß dem Angeklagten jedes durch einen Mittäter,
Tatmittler oder Haupttäter vollendetes selbständiges Einzeldelikt zuzurechnen
ist. Dies ist zur Kennzeichnung des Schuldumfangs im Schuldspruch grundsätzlich
dadurch zum Ausdruck zu bringen, daß das Vorliegen gleichartiger
Tateinheit kenntlich gemacht wird (vgl. etwa BGH NStZ 1994, 35; BGHR StGB
§ 52 Abs. 1 Handlung, dieselbe 30 und § 263 Täterschaft 1; BGH wistra 2001,
144; mißverständlich demgegenüber z. B. BGHR StGB § 263 Abs. 1 Konkurrenzen
10 und § 266 Abs. 1 Konkurrenzen 2). Hiervon kann nur dann ausnahmsweise
abgesehen werden, wenn durch die genaue Bezeichnung des
Konkurrenzverhältnisses der Schuldspruch unübersichtlich und schwer verständlich
würde (BGH NStZ 1996, 610, 611).
bb) Ob das Landgericht diese Grundsätze bei allen Angeklagten zutreffend
angewendet hat, insbesondere ob nicht jedenfalls bei dem Angeklagten
H. aufgrund der festgestellten Telefonate mit jedem einzelnen Kunden zur
technischen Abwicklung der Erstanlage zumindest 23 Betrugstaten tatmehrheitlich
hätten ausgeurteilt werden müssen, kann dahinstehen. Ebenso bedürfen
die Schuldsprüche insofern keiner Korrektur, als das Landgericht das Vorliegen
gleichartiger Tateinheit nicht zum Ausdruck gebracht hat. Denn durch die Ausurteilung
nur einer einheitlichen Betrugstat werden die Angeklagten hier nicht
beschwert, insbesondere wird die Annahme gewerbsmäßiger Tatbegehung
hierdurch nicht ausgeschlossen.
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Die Betrachtung der rechtlichen und tatsächlichen Gründe, die dazu
führten, daß das Landgericht die verschiedenen Einzelaktivitäten der Angeklagten,
durch die diese zur Verwirklichung der ihnen zurechenbaren Betrugsfälle
beigetragen haben, als "dieselbe Handlung" im Sinne des § 52 Abs. 1
StGB gewertet hat, zeigt, daß die konkurrenzrechtliche Einordnung keine geeignete
Rechtfertigung dafür darstellen kann, gewerbsmäßige Tatbegehung zu
verneinen. Sie hängt weitgehend von Zufälligkeiten ab, verschleiert eher den
Umfang der tatsächlichen strafrechtlichen Aktivitäten der Angeklagten sowie
die Bedeutung, die diesen für die Verwirklichung der Deliktsserie zukam, und
verdeckt - bei Ausurteilung nur einer einheitlichen Betrugstat - insbesondere
den wesentlichen Umstand, daß den Angeklagten alle während des ihnen anlastbaren
Tatzeitraums aus dem Unternehmen heraus begangenen Betrugsdelikte
zuzurechnen sind. Sie beruht bei den Angeklagten H. und Y. allein
auf der Anwendung des Zweifelssatzes, weil das Landgericht die genaue Zahl
der von diesen eigenhändig in allen Tatbestandsmerkmalen und damit tatmehrheitlich
verwirklichten Betrugstaten nicht festzustellen vermochte, obwohl
es andererseits davon überzeugt war, daß diese Angeklagten eine Mehrzahl
von Betrugsdelikten tatmehrheitlich begangen haben. Beim Angeklagten
Y. ist lediglich deshalb von nur einer Tat nach § 52 Abs. 1 StGB auszugehen,
weil zum einen keine isolierten Kausalverknüpfungen zwischen seinen
verschiedenen Tätigkeiten und bestimmten einzelnen betrügerischen Schädigungen
bestehen und zum anderen bereits seine Mitwirkung bei der Errichtung
des Unternehmens sich auf alle späteren Betrugsdelikte fördernd ausgewirkt
hat. Die inhaltlichen Voraussetzungen der Gewerbsmäßigkeit werden hierdurch
nicht berührt.
- 16 -
Eine andere Betrachtung würde dem Regelungsgehalt der §§ 52, 53
StGB nicht gerecht. Dieser erschöpft sich in Fragen der Strafenbildung (vgl.
BVerfGE 56, 22, 30 f.; BGHSt 43, 252, 256) und ist daher nur für die Rechtsfolgenseite
relevant. Zur Auslegung von Tatbestands- bzw. Qualifikationsmerkmalen
des Besonderen Teils des StGB vermag er dagegen nichts beizutragen
(vgl. Schmitz in MünchKomm-StGB § 244 Rdn. 41).
Entsprechend war bereits in der früheren Rechtsprechung zu der rechtlichen
Handlungseinheit der Fortsetzungstat anerkannt, daß Gewerbsmäßigkeit
auch dann vorliegen kann, wenn dem Täter "nur“ eine fortgesetzte Handlung
zur Last liegt und sein Wille auch nicht auf die Begehung weiterer im Verhältnis
zur Fortsetzungstat selbständige Handlungen gerichtet war. Dem lag der Gedanke
zugrunde, daß es keinen rechtfertigenden Grund dafür gebe, einen von
vornherein zu wiederholtem Handeln entschlossenen, also besonders bedenkenlosen
Täter nur deshalb nicht wegen gewerbsmäßigen Handelns zu verurteilen,
weil dieser - auch - den Gesamtvorsatz hatte, sich die fortlaufende Einnahmequelle
von einiger Dauer in mehreren Einzelakten einer (von ihm selbst
selten zutreffend als solche beurteilten) fortgesetzten Handlung zu verschaffen.
Dabei dürfe nicht übersehen werden, daß die fortgesetzte Tat nur im rechtlichen,
nicht aber im natürlichen Sinne "eine" Tat ist, die sich aus mehreren stets
vom Vorsatz des Täters getragenen Verletzungen desselben Rechtsguts zusammensetzt,
aus denen der Täter immer wieder neue materielle Vorteile ziehen
kann (BGHSt 26, 4, 8; zu ähnlichen Überlegungen für die tatbestandliche
Handlungseinheit der Bewertungseinheit vgl. BGH NJW 1992, 381, 382).
Diese normative Bewertung trifft auch auf vorliegende Fallgestaltung zu,
in der - wenn auch unter anderem dogmatischen Ansatz - ebenfalls alle aus
dem Unternehmen heraus begangenen Betrugsdelikte den Angeklagten recht-
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lich als eine Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zugerechnet werden. Die Zusammenfassung
mehrere Betrugsdelikte zu einer rechtlichen Handlungseinheit
vermag danach generell die Annahme von gewerbsmäßiger Tatbegehung nicht
auszuschließen. Ob gleiches auch dann zu gelten hat, wenn ein Tatbeteiligter
an einer Deliktsserie nur durch eine Handlung bzw. in natürlicher Handlungseinheit
stehende Betätigungen mitgewirkt hat, bedarf hier keiner Entscheidung.
2. Bandenmäßig im Sinne des § 263 Abs. 5 StGB handelt, wer den Betrug
als Mitglied einer Bande begeht, die sich zur fortgesetzten Begehung von
Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 StGB verbunden hat. Eine
derartige Bande ist gegeben, wenn sich mindestens drei Personen mit dem
Willen zusammengeschlossen haben, im einzelnen noch ungewisse Straftaten
der genannten Art zu begehen (vgl. BGHSt 46, 321). Danach ist auch hier - wie
bei der Gewerbsmäßigkeit - nicht vorausgesetzt, daß die Bandenmitglieder tatsächlich
mehrere Betrugstaten bzw. andere der in § 263 Abs. 5 StGB genannten
Delikte begangen haben. Vielmehr ist es ausreichend, wenn es im Zeitpunkt
ihres Zusammenschlusses ihre gemeinsame Absicht war, mehrere noch
nicht im einzelnen konkretisierte derartige Taten zu verwirklichen. Scheidet in
einem derartigen Fall ein Tatgenosse schon nach der ersten unter seiner Beteiligung
begangenen Straftat aus oder fliegt die Gruppierung insgesamt zu
diesem Zeitpunkt bereits auf, so ist er wegen eines einzigen Bandenbetruges
zu verurteilen (BGH bei Dallinger MDR 1967, 269; Schmitz aaO Rdn. 44). Die
(beabsichtigte) wiederholte Tatbegehung als Voraussetzung der Gewerbsmäßigkeit
und die (beabsichtigte) fortgesetzte Tatbegehung als Voraussetzung
von Bandenmäßigkeit sind daher strukturell identisch. Für den Bandenbetrug
kann daher im Grundsatz nichts anderes gelten, als oben für den gewerbsmäßigen
Betrug ausgeführt: Maßgebend dafür, ob fortgesetzt eine Mehrzahl im
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einzelnen noch ungewisser Straftaten der in § 263 Abs. 5 StGB benannten Art
begangen werden sollten oder begangen wurden, sind die - geplanten - tatsächlichen
Abläufe sowie deren Umsetzung; unerheblich ist demgegenüber, ob
diese in der Person eines Bandenmitgliedes aufgrund der besonderen Art seiner
Tatbeiträge und gegebenenfalls unter Heranziehung des Zweifelssatzes
rechtlich zu einer Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammengefaßt werden
oder würden.
Allerdings besteht beim Bandenbetrug im Vergleich zum gewerbsmäßigen
Betrug eine Besonderheit, die dieses Ergebnis indessen noch erhärtet:
Während das nach der Gesetzesauslegung für gewerbsmäßiges Handeln erforderliche
Merkmal der (beabsichtigten) wiederholten Tatbegehung auf den
Willen des einzelnen Täters abstellt, hat das Tatbestandsmerkmal der (beabsichtigten)
fortgesetzten Tatbegehung nach dem Gesetzeswortlaut die Vorstellungen
der Bande in ihrer Gesamtheit im Blick. Geht diese - wie angesichts der
nicht näheren Konkretisierung der Einzeltaten nahezu notwendig - dahin, daß
die Deliktsserie durch Aktivitäten verwirklicht wird, die jedenfalls in der Person
einzelner Mitglieder der Tätergruppierung tatsächlich selbständige Straftaten
darstellen, ist daher bereits mit der ersten Tatbegehung für die daran Mitwirkenden
das Merkmal der Bandenmäßigkeit erfüllt. Ob die Tatbeiträge eines
Beteiligten zu diesem und den (geplanten) nachfolgenden Delikten rechtlich zu
einer Tat im Sinne gleichartiger Tateinheit verknüpft würden, ist daher noch
weniger von Belang als bei der Frage der Gewerbsmäßigkeit. Eine abweichende
Betrachtung bliebe auch hier den Begrifflichkeiten der Konkurrenzlehre verhaftet,
obwohl diese lediglich Fragen der Strafenbildung betrifft. Sie würde darüber
hinaus dem Schutzziel des Qualifikationsmerkmals der Bandenmäßigkeit
geradezu entgegenwirken, das durch die erhöhte Strafandrohung auch der Ge-
19 -
fahr begegnen will, daß durch die gruppendynamischen Prozesse innerhalb
des Zusammenschlusses mehrerer tatgeneigter Personen ein ständiger Anreiz
zur Begehung weiterer einschlägiger Straftaten geschaffen wird (vgl. BGHSt
23, 239, 240).
Zwar hat die frühere Rechtsprechung demgegenüber stets betont, daß
die beabsichtigte Verwirklichung nur einer Fortsetzungstat, also ebenfalls einer
rechtlichen Handlungseinheit, eine bandenmäßige Tatbegehung nicht zu begründen
vermöge (s. etwa BGH NStZ 1986, 409; 1993, 294; BGHR BtMG § 30
Abs. 1 Nr. 1 Bande 3, wo allerdings bereits Bedenken gegen diese Rechtsprechung
angedeutet werden; s. andererseits BGHSt 35, 374 zu § 370 Abs. 3
Nr. 4 AO). Abgesehen davon, daß diese Ansicht in einem kaum erklärbaren
Widerspruch zu der gleichzeitig bejahten Möglichkeit einer gewerbsmäßig begangenen
Fortsetzungstat stand, kann aus ihr nunmehr schon deshalb nichts
mehr abgeleitet werden, weil die Rechtsfigur der Fortsetzungstat für Betrugsserien
nicht mehr anzuerkennen ist (BGHSt 40, 138).
IV. Nach alledem wurden die Angeklagten zu Recht wegen gewerbsmäßigen
Bandenbetrugs verurteilt, so daß ihre Revisionen zu verwerfen sind.
Tolksdorf Miebach von Lienen
Becker Hubert



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