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BGH, Urteil vom 17. März 2004 - 2 StR 474/03


Entscheidungstext  
 
BGH, Urt. v. 17.3.2004 - 2 StR 474/03
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 474/03
vom
17.03.2004
in der Strafsache
gegen
wegen Zuhälterei u.a.
- 2 -
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. März
2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Rissing-van Saan,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Bode,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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I. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin
wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 24. September
2002, soweit es den Angeklagten K. betrifft,
1. im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte schuldig
ist
- des tateinheitlichen Ausübens der tatsächlichen Gewalt
über eine halbautomatische Selbstladekurzwaffe und eine
Schußwaffe (Fall A 2)
- des schweren Menschenhandels in zwei tateinheitlichen
Fällen in Tateinheit mit Menschenhandel, Zuhälterei und
Einschleusen von Ausländern in jeweils drei tateinheitlichen
Fällen (Fälle B 1 - 3)
- des Menschenhandels (Fall B 4)
- des Menschenhandels in Tateinheit mit Zuhälterei und Einschleusen
von Ausländern jeweils in drei tateinheitlichen
Fällen (Fälle B 5 und 6);
2. im gesamten Strafausspruch - mit Ausnahme der Einzelfreiheitsstrafe
im Fall A 2 - mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben.
II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel,
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an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
III. Auf die Revision der Nebenklägerin wird das genannte Urteil in
seinem Tenor dahin ergänzt, daß im Adhäsionsverfahren von
einer Entscheidung über die Höhe des Schmerzensgeldanspruchs
abgesehen wird.
IV. Die weitergehenden Rechtsmittel werden verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten - unter Freispruch im übrigen -
wegen tateinheitlichen Ausübens der tatsächlichen Gewalt über eine halbautomatische
Selbstladekurzwaffe und eine Schußwaffe, wegen Einschleusens
von Ausländern in Tateinheit mit Zuhälterei in zwei Fällen, wegen Einschleusens
von Ausländern in Tateinheit mit Zuhälterei und Menschenhandel in drei
Fällen sowie wegen versuchten Menschenhandels zu der Gesamtfreiheitsstrafe
von vier Jahren verurteilt und festgestellt, daß der Nebenklägerin Kr. dem
Grunde nach ein Schmerzensgeldanspruch wegen der von dem Angeklagten
zu ihrem Nachteil begangenen Taten zusteht.
Die Staatsanwaltschaft erstrebt mit ihrer auf die Sachrüge gestützten
Revision, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, eine Verurteilung des
Angeklagten im Fall B 1 auch wegen Menschenhandels (§ 180 b Abs. 2 Nr. 1
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und 2 StGB), in den Fällen B 1, 2, 3, 5 und 6 auch wegen schweren Menschenhandels
(§ 181 Abs. 1 StGB), sowie die Verhängung eines Berufsverbots
und die Anordnung des Verfalls von Wertersatz.
Die Nebenklägerin wendet sich mit ihrem ebenfalls auf die Sachrüge gestützten
Rechtsmittel gegen den Freispruch vom Vorwurf der Körperverletzung
und erstrebt ebenfalls eine Verurteilung des Angeklagten in den Fällen B 4
und 5 nicht nur wegen Menschenhandels, sondern auch wegen schweren
Menschenhandels (§ 181 Abs. 1 Nr. 1 und 3 StGB).
Die Rechtsmittel haben teilweise Erfolg, zum Teil auch zugunsten des
Angeklagten.
A. Revision der Staatsanwaltschaft:
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft führt zu einer Verschärfung des
Schuldspruchs in den Fällen B 1 - 4 und 6 und zu einer für den Angeklagten
günstigen Änderung in bezug auf die Konkurrenzverhältnisse. Das hat die Aufhebung
des gesamten Strafausspruchs mit Ausnahme der Einzelstrafe für das
Waffendelikt (Fall A 2), zur Folge. Im übrigen ist das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft
unbegründet.
I. Das Landgericht hat zu dem Bordellbetrieb des Angeklagten im wesentlichen
festgestellt:
Der Angeklagte unterhielt ab Anfang 2000 einen Bar- und Bordellbetrieb,
in dem er überwiegend Frauen aus Osteuropa beschäftigte, die sich in
sehr bedrängter wirtschaftlicher Lage befanden, sich illegal oder mit Touristenvisum
in Deutschland aufhielten und häufig unter zwanzig Jahre alt waren. Sie
hatten Interesse an einer Tätigkeit als Prostituierte in Deutschland und hofften,
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durch die Prostitution genügend Geld zu verdienen, um sich eine gesicherte
Existenz aufbauen zu können. Der Angeklagte reiste regelmäßig nach Litauen
und in andere Länder, um neue Frauen anzuwerben, die sich als Touristinnen
drei Monate legal in Deutschland aufhalten konnten. Dem Angeklagten war
bewußt, daß es unzulässig war, diese Frauen in seinem Barbetrieb der Prostitution
nachgehen zu lassen. Nicht ausreichend informiert und daher zunächst
schockiert waren die Frauen in der Regel über die Arbeits- und Lebensbedingungen
in dem Bordellbetrieb des Angeklagten.
Um die Frauen zu Beginn gefügig zu machen und sie an den Angeklagten
zu binden, wurde ihnen in den ersten Wochen kein Lohn als Bargeld ausgezahlt.
Vielmehr wurde ihnen eine Rechnung für Aufwendungen des Angeklagten
aufgemacht (Fahrt nach Deutschland, Einkleidung usw.), deren Summe
zunächst abgearbeitet werden mußte. Eine eigene Buchführung war den Frauen
untersagt. Erst nach einigen Wochen erfolgten Barzahlungen. Bis dahin
waren die Frauen mittellos. Danach konnten sie eigenständig einkaufen. Zeitweise
nahm der Angeklagte die Pässe der Frauen in seinen Besitz, teilweise
standen sie den Frauen zur Verfügung. Das Landgericht konnte nicht feststellen,
daß die Abnahme des Passes die Frauen an der Flucht hindern sollte. Sie
sollten das Haus jedoch möglichst selten und nicht in größeren Gruppen verlassen,
um nicht aufzufallen. Die Etagentür des Obergeschosses sollte auf Anweisung
des Angeklagten tagsüber verschlossen bleiben, so daß die Mitangeklagte
H.
den übrigen Frauen jeweils aufschließen mußte. Über die Anweisung, den
anderen Frauen nicht zu häufig Ausgang zu gewähren, setzte sie sich aber
regelmäßig hinweg und ging teilweise gemeinsam mit ihnen zum Einkaufen.
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Die diesen Feststellungen zu den allgemeinen Arbeits- und Lebensbedingungen
im Betrieb des Angeklagten zugrundeliegende Beweiswürdigung
des Landgerichts läßt - anders als die rechtliche Bewertung dieser Feststellungen
- Rechtsfehler nicht erkennen. Sie ist insbesondere nicht lückenhaft oder
widersprüchlich und stellt keine überspannten Anforderungen an die tatrichterliche
Überzeugungsbildung. Das gilt auch für die später zu erörternde Beweiswürdigung
zu den Einzelfällen. Die Beweiswürdigung trägt den von der Rechtsprechung
gestellten Anforderungen an eine Beweislage hinreichend Rechnung,
bei der sich Aussage gegen Aussage gegenüberstehen (vgl. hierzu
BGHSt 44, 153, 159; 44, 256, 257; BGH NStZ-RR 2002, 174; BGHR StPO
§ 261 - Beweiswürdigung 1, 14, 17 und 23, jeweils m.w.N.). In diesen Fällen ist
nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in aller Regel
auch eine umfassende Darstellung der relevanten Aussagen geboten. Der Tatrichter
muß erkennen lassen, daß er alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen
können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (vgl.
BGH NStZ-RR 2002, 174). Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung
des Landgerichts aber gerecht. Dem steht hier nicht entgegen, daß das Landgericht
die unterschiedlichen Aussagen der Nebenklägerin im Ermittlungsverfahren
und die Aussagen der Zeuginnen S. und Z. nicht
näher mitteilt. Denn auf den Inhalt dieser Aussagen kam es im Ergebnis nicht
an, weil sie das Landgericht aus rechtlich nicht zu beanstandenden grundsätzlichen
Erwägungen nicht für beweiskräftig erachtet. Das Landgericht stützt seine
Feststellungen im wesentlichen auf die Einlassungen des geständigen Angeklagten
und der Mitangeklagten H. , die durch die übrige Beweisaufnahme
in einigen Punkten objektiviert und verifiziert werden konnten. Soweit
die Feststellungen hiervon abweichen, stützt sich das Landgericht auf die Auswertung
von Telefonüberwachungen sowie die glaubhaften Bekundungen der
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Zeugin B. (Fall B 6). Demgegenüber hat die Jugendkammer mit sehr
ausführlicher, aber nicht den Aussageinhalt betreffender Begründung dargelegt,
sie habe so erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Angaben der Nebenklägerin,
daß sie sich außer Stande gesehen habe, Feststellungen allein auf
deren Angaben zu stützten. Die Jugendkammer hat deren Bekundungen daher
nur insoweit berücksichtigt, als sie durch andere Beweismittel bestätigt wurden.
Bei den während der Hauptverhandlung unerreichbaren Zeuginnen S.
und Z. (Fälle B 2/3) hielt die Jugendkammer für die Beurteilung der
Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen eine persönliche Vernehmung in der Hauptverhandlung
für unerläßlich. Diese tatrichterliche Beurteilung des Beweiswerts der
genannten Zeugenaussagen ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. In
allen Fällen bedurfte es einer näheren Darstellung der Aussageinhalte hier
nicht.
Die Beweiswürdigung ist auch im übrigen nicht lückenhaft. Die Jugendkammer
hat entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin keine naheliegenden
Möglichkeiten des Tathergangs unerörtert gelassen. Die aus den Beweisumständen
gezogenen Schlüsse sind möglich, zwingend brauchen sie
nicht zu sein. Bei ihrem Vorbringen stützt sich die Beschwerdeführerin weitgehend
auf Tatsachen, die so nicht festgestellt sind und mit den verfügbaren Beweismitteln
auch nicht festgestellt werden konnten. Teilweise ersetzt die Beschwerdeführerin
die Bewertung des Beweisergebnisses unzulässigerweise
durch ihre eigene.
II. Vor diesem allgemeinen Hintergrund ergibt die sachlich-rechtliche
Prüfung der vom Landgericht abgeurteilten Einzelfälle folgendes:
1. Fall B 1
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Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einschleusens von Ausländern
in Tateinheit mit Zuhälterei (§ 181 a Abs. 1 Nr. 2 StGB) verurteilt. Der
Schuldspruch wegen Zuhälterei hat auch bei der einschränkenden Auslegung
dieser Strafvorschrift im Lichte des seit dem 1. Januar 2002 geltenden Prostitutionsgesetzes
(vgl. hierzu BGH, Beschl. vom 1. August 2003 - 2 StR 186/03 -,
zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt) Bestand, weil der Angeklagte die Nebenklägerin
durch die beschränkenden Maßnahmen über das "betrieblich"
Notwendige hinaus erheblich in ihrer Entscheidungsfreiheit beschränkt hat (vgl.
UA S. 19 f.). Vor allem konnte sie ersichtlich nicht frei entscheiden, einzelne
Freier abzulehnen.
Die Beschwerdeführerin beanstandet aber zu Recht, daß der Angeklagte
nicht auch wegen Menschenhandels (§ 180 b Abs. 2 Nr. 2 StGB) verurteilt wurde.
Die Tatbestandsmerkmale des § 180 b Abs. 1 und des Abs. 2 Nr. 1 StGB
sowie des schweren Menschenhandels (§ 181 StGB) sind dagegen nicht erfüllt.
a) Das Landgericht hat zu diesem Einzelfall festgestellt:
Anfang April 2000 brachte der Angeklagte die damals 18jährige Nebenklägerin
Kr. in seine Bar, weil sie dort als Prostituierte arbeiten sollte. Die Nebenklägerin
war Ende Januar 2000 ohne Mitwirkung des Angeklagten zur Ausübung
der Prostitution von Litauen nach Deutschland gebracht worden und
hatte in den folgenden Monaten in Deutschland und den Niederlanden als
Prostituierte gearbeitet. Anfang April hatte der Angeklagte erfahren, er könne
die Nebenklägerin in seinem Bordell arbeiten lassen. Die Nebenklägerin hielt
sich damals in den Niederlanden auf und hatte dort wegen einer Erkrankung
zuletzt in einer Autowerkstatt gearbeitet. Der Angeklagte holte die Nebenklägerin
in den Niederlanden ab und brachte sie in seinen Betrieb. Dort war sie unter
den oben beschriebenen Bedingungen als Prostituierte tätig. Da der Angeklag-
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te den Anschein eines legalen Aufenthalts wahren wollte, achtete er darauf,
daß die Nebenklägerin - wie auch die übrigen Frauen - bei Ablauf ihres Visums
in ihre Heimat zurückkehrten und danach erneut einreisten. Am 5. Mai
2000 fuhr die Nebenklägerin daher mit dem Bus nach Litauen zurück. Dem
Angeklagten hatte sie versichert, so schnell wie möglich zurückzukehren.
b) Der Angeklagte hat sich durch diese Tat auch wegen Menschenhandels
(§ 180 b Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB) strafbar gemacht. Die Nebenklägerin
war unter 21 Jahre alt. Der Angeklagte hatte auf die Nebenklägerin eingewirkt,
um sie zur Fortsetzung der Prostitution zu bestimmen. Die Einwirkung im Sinne
dieser Tatbestandsalternative setzt nicht voraus, daß die Person, auf die eingewirkt
wird, den aktuellen Willen hat, die Prostitutionsausübung zu beenden.
Es reicht vielmehr, daß der Täter auf die Person einwirkt, weil er davon ausgeht,
daß sie möglicherweise die Prostitution beenden will (vgl. BGHSt 45, 158,
161 ff. m.w.N.). Ein derartiges Einwirken ist hier aufgrund der allgemeinen Arbeits-
und Lebensbedingungen der im Betrieb des Angeklagten tätigen Prostituierten
jedenfalls in der Anfangszeit ihrer Tätigkeit deshalb gegeben, weil der
Angeklagte den Frauen in den ersten Wochen als Lohn kein Bargeld ausgezahlt
hat, um sie zu Beginn gefügig zu machen und sie an sich zu binden (UA
S. 19). Die Feststellungen belegen dagegen nicht, daß der Angeklagte die Nebenklägerin
durch diese und andere Maßnahmen dazu gebracht hat, die Prostitution
fortzusetzen (§ 180 b Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 StGB), weil nicht festgestellt ist,
daß die Nebenklägerin in dieser Zeit die Prostitution tatsächlich aufgeben oder
einschränken wollte. Ein "Bringen" zur Fortsetzung der Prostitution liegt bei
einer Person, die bereits der Prostitution nachgeht, nur dann vor, wenn sie die
Prostitution aufgeben oder einschränken will und vom Täter dazu gebracht
wird, den bisherigen Umfang aufrechtzuerhalten oder bei Veranlassen einer
umfangreicheren Tätigkeit (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 180 b
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Rdn. 18). Bei der Nebenklägerin ist jedoch für diesen Tatabschnitt nicht festgestellt
oder sonst erkennbar, daß sie die Prostitution aufgeben oder einschränken
wollte.
Eine "auslandsspezifisch" hilflose Lage der Nebenklägerin ist nach den
Feststellungen des Landgerichts nicht gegeben. Sie war nicht nur bereits in
anderen Bordellen in Deutschland und den Niederlanden tätig, sondern hatte
auch in der Zeit, als sie nicht als Prostituierte gearbeitet hat, eine Arbeit in einer
Autowerkstatt gefunden. Unter diesen Umständen ist nicht festgestellt, daß
sie sich trotz der einschränkenden Lebens- und Arbeitsbedingungen im Betrieb
des Angeklagten in einer hilflosen Lage befand. Ebensowenig sind danach die
tatbestandlichen Voraussetzungen des § 180 b Abs. 1 StGB erfüllt (zur
Zwangslage im Sinne von § 180 b Abs. 1 Satz 1 vgl. Tröndle/Fischer aaO
Rdn. 7). Entgegen dem Vorbringen der Revision sind auch die erschwerenden
Merkmale des schweren Menschenhandels (§ 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 StGB)
nicht festgestellt. Die Nebenklägerin ist nicht mit Gewalt, durch Drohung mit
einem empfindlichen Übel oder durch List zur Aufnahme bzw. Fortsetzung der
Prostitution bestimmt oder mit List angeworben worden (vgl. UA S. 18). Diese
Wertung des Landgerichts steht nicht in Widerspruch zu den festgestellten Lebens-
und Arbeitsbedingungen der Prostituierten im Betrieb des Angeklagten.
Die Frauen waren zwar über diese Umstände zunächst schockiert, es ist aber
nicht erkennbar und wird auch von der Nebenklägerin nicht geltend gemacht,
daß sie bei voller Kenntnis dieser Umstände mit einer Tätigkeit bei dem Angeklagten
nicht einverstanden gewesen wären. Dagegen spricht nicht zuletzt, daß
die Nebenklägerin später wiederholt zur Prostitutionsausübung dorthin zurückkehrte.
2. Fälle B 2 und 3
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Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einschleusens von Ausländern
in Tateinheit mit Zuhälterei (§ 181 a Abs. 1 Nr. 2 StGB) und Menschenhandel
(§ 180 b Abs. 2 Nr. 2 StGB) jeweils in zwei Fällen verurteilt. Insoweit
ist der Schuldspruch zwar - abgesehen von den Konkurrenzverhältnissen
(vgl. hierzu unten III) - nicht zu beanstanden.
Die Beschwerdeführerin beanstandet aber zu Recht, daß der Angeklagte
nicht auch wegen schweren Menschenhandels nach § 181 Abs. 1 Nr. 3 StGB
verurteilt wurde. Insoweit unterscheidet sich die Situation dieser beiden Zeuginnen
von den eine größere Selbständigkeit belegenden Verhaltensweisen
der Nebenklägerin im Fall B 1.
a) Das Landgericht hat hierzu festgestellt:
In der Zeit, als die Nebenklägerin im Bordell des Angeklagten arbeitete,
fuhr dieser nach Litauen und warb dort im April 2000 die beiden damals
18jährigen Zeuginnen S. und Z. für eine Tätigkeit als Prostituierte
in Deutschland an. Er verdeutlichte ihnen durch Gesten, daß er Betreiber
eines Sexclubs sei, in dem sie als Prostituierte arbeiten sollten. Durch seine
bestimmende Art gelang es dem Angeklagten, die beiden jungen Frauen
zum Mitfahren nach Deutschland zu veranlassen, damit sie dort als Prostituierte
für ihn arbeiteten. Da er sich vor der Anwerbung die Pässe hatte zeigen lassen,
kannte er Namen und Alter der Frauen. Da beide kein Deutsch sprachen,
wurden sie in Deutschland von der Nebenklägerin in ihre Tätigkeit und die Arbeits-
und Lebensbedingungen im Bordell des Angeklagten eingewiesen. Nach
dreimonatiger Tätigkeit fuhren die beiden Frauen mit dem Angeklagten nach
Litauen zurück. Nach der üblichen Wartefrist reisten sie wieder ein, und gingen
im Betrieb des Angeklagten erneut der Prostitution nach. Anfang August 2000
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verließen sie den Betrieb des Angeklagten, um in anderen Bordellen der Prostitution
nachzugehen.
Die Beweiswürdigung zu diesen Feststellungen ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Insbesondere ist es nicht rechtsfehlerhaft, daß das Landgericht die
Einlassung des Angeklagten für unwiderlegt erachtet hat; denn tragfähige Beweismittel
zu weitergehenden Feststellungen standen nicht zur Verfügung. Eine
Verfahrensrüge hat die Beschwerdeführerin hierzu auch nicht erhoben. Die
Tatopfer selbst waren als Zeugen unerreichbar. Es lag im Rahmen des rechtsfehlerfrei
ausgeübten tatrichterlichen Ermessens, daß das Landgericht für die
Prüfung der Glaubhaftigkeit der früher im Ermittlungsverfahren protokollierten
Angaben dieser Zeuginnen deren persönliche Vernehmung für geboten erachtete.
Die nähere Darstellung dieser Aussagen in den Urteilsgründen war unter
diesen Umständen entbehrlich.
b) Der Angeklagte hat sich in diesen Fällen auch wegen schweren Menschenhandels
(§ 181 Abs. 1 Nr. 3 StGB) strafbar gemacht.
Der Angeklagte hat die beiden Frauen in Litauen gewerbsmäßig angeworben,
um sie zur Aufnahme der Prostitution in Deutschland zu bestimmen.
Dabei kannte er die Hilflosigkeit, in der sich die beiden Tatopfer nach der Aufnahme
ihrer Tätigkeit in dem für sie fremden Deutschland befinden würden.
Hilflosigkeit im Sinne des Menschenhandels liegt vor, wenn das Opfer in der
konkreten Lage und nach seinen persönlichen Fähigkeiten nicht in der Lage
ist, sich dem Ansinnen der Prostitutionsausübung aus eigener Kraft zu entziehen.
Von einer "auslandsspezifischen Hilflosigkeit" ist auszugehen, wenn das
Opfer der deutschen Sprache nicht mächtig ist, über keine Barmittel verfügt
und bezüglich Unterkunft und Verpflegung auf den Täter angewiesen ist, wobei
die Hilflosigkeit durch die Wegnahme des Passes noch verstärkt wird (vgl.
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BGH NStZ 1999, 349 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier bei beiden
Tatopfern jedenfalls für die erste Phase ihres Aufenthalts in Deutschland aufgrund
ihrer persönlichen Situation in Verbindung mit den allgemeinen Lebensund
Arbeitsbedingungen im Bordell des Angeklagten in vollem Umfang gegeben,
so daß der Angeklagte tateinheitlich zu den übrigen Taten auch den Tatbestand
des schweren Menschenhandels erfüllt hat. Alle Tatbestände wurden
tateinheitlich verwirklicht (vgl. BGHSt 42, 179, 181, 183).
3. Fall B 4
Der Angeklagte hat sich nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen
nicht nur wegen versuchten, sondern wegen vollendeten Menschenhandels
(§ 180 b Abs. 2 Nr. 2 StGB) strafbar gemacht.
a) Entgegen ihrer Zusicherung gegenüber dem Angeklagten hatte die
18jährige Nebenklägerin nach der Rückkehr nach Litauen am 6. Mai 2000 nicht
die Absicht, weiterhin im Betrieb des Angeklagten als Prostituierte zu arbeiten.
Als der vereinbarte Rückreisetermin verstrichen war, war dem Angeklagten
klar, daß die Nebenklägerin nicht zurückkommen wollte. Daraufhin sprach er in
einem Telefonat eindringlich auf sie ein und forderte sie auf, zu ihm zurückzukehren
und ihre Tätigkeit als Prostituierte fortzusetzen. Daraufhin änderte die
Nebenklägerin ihre Meinung. Sie wollte nun doch mit Hilfe eines Bekannten in
den Betrieb des Angeklagten zurückkehren. Statt zum Angeklagten brachte sie
dieser Bekannte aber gegen ihren Willen in ein Bordell in M. .
b) Die Staatsanwaltschaft macht zu Recht geltend, daß der Angeklagte
damit einen vollendeten Menschenhandel begangen hat. Die erste Alternative
des § 180 b Abs. 2 Nr. 2 StGB ist ein Unternehmensdelikt. Die Tat ist damit
bereits vollendet, wenn der Täter auf das Tatopfer eingewirkt hat, um es zur
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Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution zu bestimmen (vgl. BGHSt 45,
158, 163; BGH NStZ 2000, 86). Das hat der Angeklagte hier getan, indem er
die nicht mehr zur Prostitution bereite Nebenklägerin durch das nachdrückliche
telefonische Zureden zur Fortsetzung der Prostitution veranlassen wollte. Darüber
hinaus hat der Angeklagte die Nebenklägern aber auch im Sinne der
zweiten Alternative des § 180 b Abs. 2 Nr. 2 StGB dazu gebracht, die Prostitution
fortzusetzen, weil sie wegen des nachdrücklichen Telefonats mit dem Angeklagten
tatsächlich ihre Entscheidung änderte und nach Deutschland zurückkehrte,
um hier die Prostitution fortzusetzen. Daß dies - gegen den Willen
der Nebenklägerin - nicht im Betrieb des Angeklagten, sondern - zunächst - in
einem anderen Bordell geschah, ist eine für die rechtliche Beurteilung unter
dem Gesichtspunkt des Menschenhandels unwesentliche Abweichung vom
Tatplan.
Soweit die Staatsanwaltschaft darüber hinaus eine Verurteilung wegen
schweren Menschenhandels erstrebt, hat ihr Rechtsmittel keinen Erfolg. Der für
die sachlich-rechtliche Prüfung allein maßgebende Inhalt des angefochtenen
Urteils enthält keine Anhaltspunkte dafür, daß der Angeklagte einen der erschwerenden
Umstände des § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 StGB verwirklicht hat.
Insbesondere sind keine Anzeichen dafür erkennbar, daß der Angeklagte die
Nebenklägerin bei dem mit ihr geführten Telefonat bedroht hat. Der Inhalt des
Telefonats ist dahin festgestellt, daß er eindringlich auf die Nebenklägerin eingeredet
hat. Das ist noch keine Drohung. Da das Landgericht die Angaben der
Nebenklägerin grundsätzlich nicht für zuverlässig hielt, war eine nähere Darstellung
ihrer Schilderung des Telefonats entbehrlich. Eine Aufklärungsrüge
hierzu hat die Staatsanwaltschaft nicht erhoben.
4. Fall B 5
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Der Schuldspruch wegen Einschleusens von Ausländern in Tateinheit
mit Zuhälterei und Menschenhandel hält der sachlich-rechtlichen Prüfung
stand. Die hierzu getroffenen Feststellungen beruhen auf einer rechtsfehlerfreien
Beweiswürdigung und rechtfertigen keine Verurteilung auch wegen
schweren Menschenhandels.
a) Das Landgericht hat insoweit festgestellt:
Die Nebenklägerin floh aus dem Bordell in M. und kehrte Ende Mai
2000 nach Litauen zurück. Mitte Juli 2000 traf sie dort zufällig mit dem Angeklagten
zusammen, der sich mit den beiden Frauen S. und Z. -
(Fälle 2 und 3) in Litauen aufhielt. Der Angeklagte forderte sie eindringlich
auf, mit ihm und den anderen beiden Frauen nach Deutschland zu fahren und
dort weiter für ihn zu arbeiten, zumal sie noch Schulden bei ihm habe. Ohne
eine direkte Drohung entschloß sich die Nebenklägerin, der Aufforderung des
Angeklagten zu folgen. Nach der Ankunft im Betrieb des Angeklagten am
18. Juli 2000 ging die Nebenklägerin bis zur Schließung der Bar am 19. März
2001 dort der Prostitution nach. In dieser Zeit reiste sie mindestens viermal
nach Litauen, unter anderem, um dort am 20. Januar 2001 durch Vermittlung
des Angeklagten eine Scheinehe mit einem deutschen Staatsangehörigen namens
Kr. einzugehen. Durch diese Scheinehe wollte sie eine Aufenthaltserlaubnis
für Deutschland erlangen. Nach der "Hochzeit" blieb die Nebenklägerin
etwa einen Monat in Litauen. Der Angeklagte drängte sie in dieser Zeit mehrfach
telefonisch zur Rückkehr. Dabei machte er ihr gegenüber Forderungen in
Höhe von 5.300 DM geltend, die sich aus den Kosten für das Arrangieren der
Scheinehe und Vorauszahlungen zusammensetzten.
b) Die von der Revision geltend gemachte Lücke in der Beweiswürdigung
zu diesen Feststellungen liegt nicht vor. Das Landgericht schließt eine
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ausdrückliche Bedrohung der Nebenklägerin bei dem Gespräch in Litauen aus.
Eine konkludente Bedrohung erörtert das Landgericht zwar nicht. Aufgrund der
Beweislage gab es hierfür aber keine tragfähige Beweismöglichkeit. Das Landgericht
stützt seine Feststellungen in erster Linie auf die Einlassung des geständigen
Angeklagten. Die zum Gegenbeweis allein verfügbaren Angaben der
Nebenklägerin hält das Landgericht nur insoweit für tragfähig, als sie durch
weitere Beweismittel bestätigt wurden. In Betracht kämen hierfür allenfalls die
beiden Zeuginnen S. und Z. , die aber unerreichbar waren
und deren früher protokollierte Aussagen das Landgericht ohne persönliche
Vernehmung nicht auf ihre Glaubhaftigkeit prüfen konnte. Weitergehende Erwägungen
zum möglichen Inhalt des Gesprächs des Angeklagten mit der
Nebenklägerin in Litauen mußten daher notwendigerweise rein spekulativ
bleiben. Daß sich das Landgericht hierauf nicht eingelassen hat, ist sachlich-rechtlich
nicht zu beanstanden. Entsprechendes gilt für nähere Feststellungen
zum Inhalt der späteren Telefonate nach dem Eingehen der Scheinehe, in
denen der Angeklagte eine Forderung von 5.300 DM geltend machte. Auch die
mögliche Anwendung einer List durch Vortäuschen einer in Wirklichkeit nicht
bestehenden Forderung muß daher im Bereich einer Vermutung bleiben. Somit
ist nicht zu beanstanden, daß das Landgericht den Angeklagten nicht auch
wegen schweren Menschenhandels nach § 181 Abs. 1 Nr. 1 StGB verurteilt
hat.
5. Fall B 6
In diesem Fall hat das Landgericht den Angeklagten wegen Einschleusens
von Ausländern in Tateinheit mit Zuhälterei (§ 181 a Abs. 1 Nr. 2 StGB)
verurteilt. Die Beschwerdeführerin beanstandet zu Recht, daß der Angeklagte
nicht auch wegen Menschenhandels (§ 180 b Abs. 2 Nr. 1 StGB) verurteilt wurde.
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a) Im Oktober 2000 traf die damals 23jährige Zeugin B. , die arbeitslos
war und keine Perspektive für sich sah, auf der Suche nach Arbeit bei
einer Bekannten mit der Nebenklägerin Kr. zusammen. Die Zeugin war bereit,
jede Art von Arbeit zu übernehmen. Als die Bekannte eine Arbeit in Deutschland
vorschlug, war die Zeugin auch hierzu bereit, schloß aber eine Tätigkeit
als Prostituierte aus. Die Nebenklägerin versprach der Zeugin, mit ihrem Chef,
dem Angeklagten, zu sprechen. Die Nebenklägerin klärte die Zeugin bei keinem
der Zusammentreffen über die tatsächlichen Arbeits- und Lebensbedingungen
in der Bar des Angeklagten auf und versuchte auch nicht, ihr von einer
Tätigkeit als Prostituierte in diesem Betrieb abzuraten. Vielmehr stellte sie einen
Kontakt zum Angeklagten her, der ohne weiteres Anwerben des Angeklagten
dazu führte, daß die Zeugin sich mangels einer Alternative entschied, in
der Bar des Angeklagten der Prostitution nachzugehen. Dort wurde die Zeugin
in die Arbeit eingewiesen und mußte noch am selben Abend trotz Periode ihren
ersten Kunden bedienen. Heimlich notierte sie bis Ende 2000 die Zahl ihrer
Kunden. Da sie zunächst die Fahrtkosten und alle weiteren vom Angeklagten
geltend gemachten Aufwendungen abarbeiten mußte, erhielt sie erstmals am
Silvestertag 2000 eine Bargeldzahlung. Am 24. Februar 2001 kam die Zeugin
wie geplant nach Deutschland zurück und ging bis zur Schließung des Betriebs
am 19. März 2001 dort der Prostitution nach.
Die Beweiswürdigung zu diesen Feststellungen ist nicht lückenhaft. Die
Annahme, der Angeklagte habe gegenüber der Zeugin eine List angewendet
und sie nur dadurch zur Aufnahme der Prostitution in seinem Betrieb bestimmt,
indem er sie über die dort herrschenden Arbeitsbedingungen täuschte, liegt
fern, weil die Zeugin auch nach Kenntnis dieser Umstände aus Litauen in den
Betrieb des Angeklagten zurückkehrte und dort weiterhin der Prostitution nachging.
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b) Bei diesem Tathergang hat der Angeklagte den Tatbestand des Menschenhandels
(§ 180 b Abs. 2 Nr. 1 StGB) erfüllt. Die Zeugin B. befand
sich im Betrieb des Angeklagten ebenso wie die Zeuginnen S. und
Z. (Fälle B 2/3) zumindest bis zur ersten Barzahlung an Silvester 2000
in einer auslandsspezifisch hilflosen Lage. Insoweit kann zur näheren Begründung
auf den Abschnitt II, 2 b verwiesen werden. Der Angeklagte hat auch auf
die Zeugin eingewirkt, um sie zur Fortsetzung der Prostitution zu bestimmen.
Insoweit kann zur näheren Begründung auf den die Nebenklägerin betreffenden
Abschnitt II, 1 b verwiesen werden. Dem Angeklagten waren alle maßgebenden
Tatumstände bekannt, so daß er vorsätzlich gehandelt hat.
Nicht erfüllt hat der Angeklagte dagegen in diesem Fall einen erschwerenden
Tatumstand des schweren Menschenhandels (§ 181 Abs. 1 Nr. 3
StGB), weil der Angeklagte die Zeugin nicht im Sinne dieses Tatbestands angeworben
hat. Anwerben ist das Aktivwerden des Werbenden im Sinne eines
nachdrücklichen Einwirkens auf die Willensentschließung des Opfers (vgl.
Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 181 Rdn. 9). Das ist hier für das maßgebende
Telefongespräch des Angeklagten mit der Zeugin B. nicht festgestellt.
Damit entfällt auch ein Anwerben mit List, zumal da die Zeugin auch in Kenntnis
aller Umstände nach einer Unterbrechung ihrer Tätigkeit in den Betrieb des
Angeklagten zurückkehrte und dort bis zu dessen Schließung tätig war.
III. Konkurrenzen
Die tatrichterliche Beurteilung der Konkurrenzen bei den Taten B 1-6,
die auch zugunsten des Angeklagten zu prüfen ist (§ 301 StPO), führt zu einer
Änderung des Konkurrenzverhältnisses dahin, daß die Taten 1-3 sowie die Taten
5 und 6 jeweils tateinheitlich verwirklicht wurden.
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1. Der Angeklagte hat sich in den Fällen B 1-3 wegen schweren Menschenhandels
in zwei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit Menschenhandel,
Zuhälterei sowie Einschleusen von Ausländern in jeweils drei tateinheitlichen
Fällen strafbar gemacht. Die von dem Angeklagten in seinem Betrieb praktizierten
Maßnahmen der dirigierenden Zuhälterei und des Menschenhandels im
Sinne von § 180 b Abs. 2 Nr. 2 StGB richteten sich zumindest zeitweise gleichzeitig
gegen die Nebenklägerin und die Zeuginnen S. und Z. -
(vgl. BGH, Beschl. vom 1. August 2003 - 2 StR 186/03 zum Abdruck in
BGHSt bestimmt; Beschl. vom 15. Juli 2003 - 4 StR 29/03; vom 9. Oktober
2001 - 4 StR 395/01). Ebenso erfolgte hierdurch die Unterstützung beim illegalen
Aufenthalt für alle drei Frauen gleichzeitig. Mit diesen Maßnahmen überschneidet
sich der schwere Menschenhandel in den Fällen B 2 und 3, so daß
diese beiden Verbrechen tateinheitlich verwirklicht wurden.
2. In den Fällen B 5 und 6 hat sich der Angeklagte tateinheitlich wegen
Menschenhandels, Zuhälterei und Einschleusens von Ausländern in zwei tateinheitlichen
Fällen strafbar gemacht, weil sich die von dem Angeklagten getroffenen
Maßnahmen bis zur Schließung des Betriebs am 19. März 2001
gleichzeitig gegen die Nebenklägerin sowie gegen die Zeugin B. richteten.
3. Als selbständige Tat bleibt daneben der Fall B 4 bestehen.
IV. Verfall von Wertersatz
Soweit die Revision die Anordnung des Verfalls von Wertersatz erstrebt,
hat sie keinen Erfolg. Einer solchen Anordnung steht schon § 73 Abs. 1 Satz 2
StGB entgegen. Bei den betroffenen Frauen handelt es sich um Verletzte im
Sinne dieser Vorschrift (vgl. BGH, Beschl. vom 18.02.2004 - 5 StR 21/04
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- und vom 18. Dezember 2003 - 5 StR 275/03; NStZ 2003, 533 = StV 2003, 616
jeweils m.w.N.), weil ihnen zumindest aus den Taten der dirigierenden Zuhälterei
ein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 181 a Abs.
1 Satz 2 StGB sowie ein Schmerzensgeldanspruch nach § 253 Abs. 2 BGB
gegen den Angeklagten zusteht. Die Nebenklägerin hat im Adhäsionsverfahren
dem Grunde nach bereits einen Schmerzensgeldanspruch zuerkannt bekommen.
Jedenfalls nach der durch § 1 Prostitutionsgesetz getroffenen Wertentscheidung
sind weder die Rechtsgeschäfte im Zusammenhang mit der Prostitutionsausübung
gemäß § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und nichtig, noch sind
rechtliche Hinderungsgründe ersichtlich, wonach Prostituierte rechtswidrige
Einbußen ihres jedenfalls auch aus den Prostitutionserlösen bestehenden
Vermögens nicht im Wege eines Schadensersatzanspruches geltend machen
können (vgl. BGH NStZ 2003, 533 = StV 2003, 616 f.). Da die Strafvorschrift
des § 181 a StGB das Selbstbestimmungsrecht der Prostituierten schützt (vgl.
Tröndle/Fischer aaO § 181 a Rdn. 2) und diese vor finanzieller Abhängigkeit
und Ausbeutung durch den Zuhälter bewahren will (vgl. BGHSt 42, 179, 180 f.),
handelt es sich um ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB (vgl. BGH
StV 2003, 616). Eine Verfallsanordnung nach § 181 c i.V.m. § 73 d StGB
kommt wegen des Vorrangs der §§ 73, 73 a StGB nicht in Betracht (vgl. BGH
NStZ-RR 2003, 75 f.).
V. Berufsverbot
Die Erwägungen der Jugendkammer zum Absehen von einem Berufsverbot
nach § 70 StGB lassen einen Rechtsfehler nicht erkennen. Der Senat
schließt aus, daß sich im Hinblick auf die Änderungen des Schuldspruchs, die
sich sowohl zu Lasten als auch zu Gunsten des Angeklagten auswirken, die
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Gefahrenprognose des Landgerichts dahin ändert, daß nunmehr ein Berufsverbot
verhängt werden müßte.
VI. Der Senat konnte den Schuldspruch aufgrund der bisher getroffenen
Feststellungen selbst ändern. Weitergehende zusätzliche Feststellungen sind
aufgrund der gegebenen Beweislage und der verfügbaren Beweismittel auch in
einer erneuten Hauptverhandlung nicht zu erwarten. § 265 StPO steht der
Schuldspruchänderung nicht entgegen. Die in dem geänderten Schuldspruch
enthaltenen Tatvorwürfe waren bereits in der Anklageschrift vom 8. September
2001 enthalten.
Die Änderung des Schuldspruchs in den Fällen B 1-6 hat die Aufhebung
der zugehörigen Einzelstrafen zur Folge. Dies entzieht auch der Gesamtfreiheitsstrafe
die Grundlage. Bestehen bleibt somit nur die Einzelfreiheitsstrafe im
Fall A 2.
B. Revision der Nebenklägerin:
1. Soweit sich die Nebenklägerin gegen den Freispruch des Angeklagten
vom Vorwurf der Körperverletzung wendet, ist ihr Rechtsmittel offensichtlich
unbegründet. Die Beweiswürdigung des Landgerichts läßt keinen Rechtsfehler
erkennen. Die Einlassung des Angeklagten zu diesem Tatvorwurf und die Aussage
des Zeugen E. hat das Landgericht hinreichend mitgeteilt und gewürdigt.
2. Soweit die Nebenklägerin im Fall B 1 eine Verurteilung des Angeklagten
auch wegen Menschenhandels und in den sie betreffenden Fällen B 1, 4
und 5 auch wegen schweren Menschenhandels erstrebt, hat ihr Rechtsmittel im
selben Umfang und aus den selben Gründen teilweise Erfolg, wie das Rechtsmittel
der Staatsanwaltschaft. Auf die obigen Gründe wird insoweit verwiesen.
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3. Die Revision der Nebenklägerin ist unzulässig, soweit die Nebenklägerin
beanstandet, daß das Landgericht davon abgesehen hat (§ 405 StPO),
auch über die Höhe des der Nebenklägerin zustehenden Schmerzensgeldes zu
entscheiden, sondern lediglich festgestellt hat, daß der Schmerzensgeldanspruch
dem Grunde nach gerechtfertigt ist. Die Unzulässigkeit des Rechtsmittels
ergibt sich aus § 406 a Abs. 1 StPO. Danach steht der Antragstellerin im
Adhäsionsverfahren ein Rechtsmittel auch insoweit nicht zu, als das Gericht
von einer Entscheidung gemäß § 405 StPO absieht (noch offengelassen in
BGHSt 47, 378, 381). Soweit das Landgericht über den Grund des Anspruchs
rechtskräftig entschieden, von einer Entscheidung über die Höhe des Schmerzensgeldes
abgesehen hat, findet die Verhandlung über den Betrag vor dem
zuständigen Zivilgericht statt (vgl. § 406 Abs. 3 Satz 2 und 3 StPO).
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Allerdings ist die Urteilsformel dahin zu ergänzen, daß im Adhäsionsverfahren
von einer Entscheidung zur Höhe des Anspruchs abgesehen wird (vgl.
BGH, Beschl. vom 22. Juni 2003 - 2 StR 188/03; Urt. vom 13. Mai 2003
- 1 StR 529/02).
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RiBGH Fischer ist urlaubsbedingt
ortsabwesend und deshalb an der
Unterschrift gehindert.
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