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BGH, Urteil vom 18. April 2002 - 3 StR 52/02


Entscheidungstext  
 
BGH, Urt. v. 18.4.2002 - 3 StR 52/02
3 StR 52/02
StGB § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c
Die Gefahr einer schweren Gesundheitsbeschädigung umfaßt außer den Risiken, die generell für jeden Betroffenen von der Raubhandlung ausgehen, auch die konkreten Gefahren, denen das Opfer allein wegen seiner individuellen Schadensdisposition ausgesetzt ist.
BGH, Urteil vom 18. April 2002 - - LG Hannover BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom
18. April 2002
in der Strafsache gegen
wegen Raubes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat in der Sitzung vom 18. April 2002, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Tolksdorf, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Rissing-van Saan, die Richter am Bundesgerichtshof Pfister, von Lienen, Becker als beisitzende Richter, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof bei der Verkündung als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwältin als Verteidigerin, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird
1. das Verfahren gemäß § 154 a Abs. 2 StPO auf die Straftaten zum Nachteil der Zeugin D. beschränkt;
2. das Urteil des Landgerichts Hannover vom 31. August 2001 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung sowie wegen räuberischen Diebstahls" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Mit ihren hiergegen gerichteten Revisionen rügen die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte jeweils die Verletzung materiellen Rechts. Die Staatsanwaltschaft beanstandet, daß der Angeklagte nicht des schweren Raubes gemäß § 249 Abs. 1, § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c StGB schuldig gesprochen wurde. Der Angeklagte wendet sich gegen seine Verurteilung wegen räuberischen Diebstahls und rügt außerdem, daß das Landgericht die Einzelstrafe wegen Raubes in Tateinheit mit (vorsätzlicher) Körperverletzung nicht dem Strafrahmen des § 249 Abs. 2 StGB für minder schwere Fälle entnommen hat. Die Rechtsmittel haben den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte am Abend vor der Tat Kokain konsumiert und gegen Mittag des Tattages eine halbe Tablette Ecstasy zu sich genommen. Die Wirkung der Drogen war abgeklungen, weswegen sich der Angeklagte in stark niedergeschlagener Stimmung befand. Ihn beschäftigte seine Mittellosigkeit sowie die Frage, wovon er sich neue, seine Stimmung aufhellende Betäubungsmittel beschaffen könne. Das Landgericht vermag nicht auszuschließen, daß wegen dieses psychischen Zustands die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei dem folgenden Geschehen erheblich vermindert war.
Als der Angeklagte die 80-jährige Rentnerin D. sah, entschloß er sich spontan, dieser die Handtasche zu entreißen, um das darin vermutete Geld an sich zu bringen und für sich zu verwenden. Er erkannte dabei die Möglichkeit, daß das Opfer bei der Tat verletzt werden könnte, nahm dies aber billigend in Kauf. Er näherte sich von hinten und griff nach der Tasche, die die Geschädigte in der linken Hand hielt. Als diese die Tasche wider Erwarten nicht los ließ, riß der Angeklagte daran schließlich mit solcher Kraft, daß der schon beschädigte Tragriemen abriß und der Angeklagte mit der Tasche fliehen konnte. Durch das Entreißen der Handtasche erlitt die Geschädigte eine schmerzhafte und komplizierte Schulterverletzung mit Auskugelung und Verrenkung des Schultergelenks, einer Knochenabsplitterung und einer Zerrung des Nervengeflechts, die zu einer - wahrscheinlich dauerhaften - erheblichen Bewegungseinschränkung des Arms in seitliche Richtung führte. Diese Verletzung hatte der Angeklagte im einzelnen weder vorhergesehen noch wahrgenommen. Auch bemerkte er aufgrund seiner sofortigen Flucht nicht, daß die Geschädigte durch das Entreißen der Handtasche zu Boden stürzte und sich eine Platzwunde am Kopf zuzog.
Durch die Hilfeschreie der Geschädigten war der Zeuge G. auf das Geschehen aufmerksam geworden. Er nahm die Verfolgung des Angeklagten auf. Dieser setzte die Flucht fort und versuchte, vor allem um sich im Besitz der Beute zu halten, sich seines Verfolgers dadurch zu entledigen, daß er ihn mehrfach zum Zurückbleiben aufforderte und ihm drohte ihn "abzustechen". Dabei bewegte er sich einmal auf den Zeugen zu und tat so, als hole er ein Messer aus der Tasche und versuche damit zuzustechen. Der Zeuge nahm die Drohungen ernst, hielt daher stets einen sicheren Abstand zum Angeklagten, gab die Verfolgung aber nicht auf. Er machte einen Passanten auf die Situation aufmerksam, der seinerseits die Polizei verständigte. Diese nahm den Angeklagten kurze Zeit später fest.
2. Die Revision der Staatsanwaltschaft
a) Die Revisionsbegründung setzt sich allein mit dem unterbliebenen Schuldspruch nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c StGB auseinander. Es kann dahinstehen, ob das Rechtsmittel daher trotz des umfassend gestellten Aufhebungsantrages dahin auszulegen ist, daß es sich auf den Schuldspruch wegen räuberischen Diebstahls nicht erstrecken soll (vgl. BGH NJW 1989, 2760, 2762 - insoweit in BGHSt 36, 167 nicht abgedruckt; BGH, Urt. vom 6. Februar 2002 - 1 StR 506/01). Denn eine solche Beschränkung des Rechtsmittels wäre unwirksam, da der Raub zum Nachteil der Zeugin D. in Gesetzeseinheit zu dem räuberischen Diebstahl steht (s. unten c; zur Unwirksamkeit der Rechtsmittelbeschränkung in einem solchen Fall vgl. Kuckein in KK 4. Aufl. § 244 Rdn. 8 m. w. N.).
b) Die Ausführungen des Landgerichts, mit denen es eine Verurteilung des Angeklagten wegen schweren Raubes nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c StGB zum Nachteil der Zeugin D. ablehnt, werden von der Beschwerdeführerin im Ergebnis mit Recht beanstandet. Sie lassen besorgen, daß das Landgericht bei der Prüfung, ob der Angeklagte die Zeugin durch die Tat objektiv und vorsätzlich in die Gefahr einer schweren Gesundheitsbeschädigung gebracht hat, von einem zu engen Verständnis des Tatbestands ausgegangen ist, weil es allein auf die Gefahr abgestellt hat, die sich in der eingetretenen Schulterverletzung der Zeugin verwirklicht hatte.
aa) Der Gesetzgeber hat durch das 6. Strafrechtsreformgesetz vom 26. Januar 1998 (BGBl I S. 164) den Qualifikationstatbestand des gefährlichen Raubes erweitert. Während es nach § 250 Abs. 1 Nr. 3 StGB aF erforderlich war, daß der Täter oder ein anderer am Raub Beteiligter durch die Tat einen anderen in die Gefahr des Todes (jetzt § 250 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b StGB nF) oder einer schweren Körperverletzung im Sinne des § 224 StGB aF brachte, genügt es nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c StGB nF, daß durch die Raubtat ein anderer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsbeschädigung gebracht wird. Der Begriff der schweren Gesundheitsbeschädigung reicht weiter als derjenige der schweren Körperverletzung (§ 224 StGB aF bzw. § 226 StGB nF). Es kommt demgemäß nicht mehr darauf an, ob der Täter oder Tatbeteiligte durch den Raub für einen anderen die Gefahr einer der in § 226 StGB nF genannten Körperverletzungsfolgen begründet. Vielmehr reicht es beispielsweise aus, wenn die Raubtat das Opfer in die konkrete Gefahr einer ernsten langwierigen Krankheit, einer ernsthaften Störung der körperlichen Funktionen oder einer erheblichen Beeinträchtigung seiner Arbeitskraft bringt (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum 6. StrRG BTDrucks. 13/8587 S. 27 f.; Eser in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 250 Rdn. 21; Lackner/Kühl, StGB 24. Aufl. § 250 Rdn. 3; Schroth NJW 1998, 2861, 2865). Es werden damit von dem Qualifikationstatbestand nunmehr nicht allein die Gefahren umfaßt, die der konkreten Raubhandlung generell für jeden von ihr potentiell Betroffenen innewohnen würden; vielmehr sind auch die Gefahren einbezogen, denen das konkrete Opfer allein wegen seiner individuellen besonderen Schadensdisposition durch die Raubhandlung ausgesetzt ist (Schroth aaO). Dabei wird, wie aus der Absenkung der unteren Strafrahmengrenze von fünf auf drei Jahre geschlossen werden kann, auch die Gefahr von Verletzungsfolgen ausreichen, die in ihrer Schwere nicht mit den in § 224 StGB aF bzw. § 226 StGB nF genannten vergleichbar sind (so wohl auch Schroth aaO; aA Eser aaO m. w. N.; offen Lackner/Kühl aaO).
Bei der Prüfung, ob eine Raubtat den Qualifikationstatbestand des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c StGB erfüllt, ist daher zunächst festzustellen, welchen konkreten Gefahren der durch die Raubhandlung Betroffene ausgesetzt war, wobei seine individuelle körperliche und gegebenenfalls auch seelische Verfassung ebenso mit in Betracht zu ziehen sind wie etwa die Auswirkungen, die sich bei Verwirklichung des drohenden Gesundheitsschadens für seine Berufsfähigkeit ergeben hätten (vgl. dagegen RGSt 62, 161, 162; 64, 201 zu § 224 StGB aF). So können etwa die Gesundheitsgefahren, die durch eine mit Gewaltausübung verbundene Raubhandlung für ein gesundes, im Vollbesitz seiner körperlichen und geistigen Kräfte befindliches Opfer begründet werden, sich deutlich von den Gefahren unterscheiden, die durch eine vergleichbare Handlung für ein Kind, einen alten Menschen, einen Behinderten oder einen durch Krankheit oder sonstige körperliche Gebrechen bereits geschwächten Betroffenen eintreten. Ist bei dem Opfer ein schwerer Gesundheitsschaden eingetreten, darf die Prüfung des subjektiven Tatbestandes nicht vorschnell allein auf die Gefahr verengt werden, die sich in diesem Schaden realisiert hat. Vielmehr ist zu klären, ob durch die Raubtat objektiv nicht noch andere erhebliche Gesundheitsgefahren begründet wurden, die nicht in einen entsprechenden Schaden umgeschlagen sind.
Erst wenn auf diese Weise alle durch die Raubtat für den Betroffenen nach den individuellen Gegebenheiten und dem jeweiligen Tatablauf objektiv gesetzten konkreten Gesundheitsgefahren festgestellt sind, kann - so sie dem § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c StGB unterfallen - verläßlich geprüft werden, ob sie subjektiv von dem - zumindest bedingten - Vorsatz des Täters (vgl. BGHSt 26, 176, 180 ff. zu § 113 Abs. 2 Nr. 2 StGB; BGHSt 26, 244 ff. zu § 11 Abs. 4 Nr. 2 BtMG aF; Eser aaO Rdn. 24 m. w. N.) erfaßt waren, insbesondere ob er eine individuelle Schadensdisposition des Opfers und die gegebenenfalls erst hieraus resultierende Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung erkannt hat.
bb) Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Das Landgericht scheint zwar die aus der Schulterverletzung der Zeugin D. resultierende dauernde Bewegungseinschränkung des Armes als schwere Gesundheitsschädigung anzusehen, verneint insoweit aber einen Gefährdungsvorsatz des Angeklagten, weil dieser die Möglichkeit einer derartigen Verletzung nicht im einzelnen vorhergesehen habe (UA S. 6 und 11). Sachverständig beraten folgt es der Einlassung des Angeklagten, ihm sei nur allgemein klar gewesen, daß es zu körperlichen Beeinträchtigungen des Opfers kommen könne, die Möglichkeit einer schweren Gesundheitsschädigung habe er aber nicht in Betracht gezogen; er habe sich über die Gefährlichkeit seines Handelns keinerlei Gedanken gemacht, weil er nur auf die Erlangung des für den Kauf neuer Drogen benötigten Geldes fixiert gewesen sei. Dies sei dem Angeklagten wegen seines "psychischen Ausnahmezustands" nicht zu widerlegen, weil das objektive Geschehen keinen gegenteiligen Schluß auf die subjektive Tatseite zulasse (UA S. 10).
Diese Ausführungen lassen besorgen, daß das Landgericht von einem zu engen Verständnis des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c StGB ausgegangen ist und wesentliche Umstände des Falles außer Betracht gelassen hat. Bei der Prüfung, ob der Angeklagte die Zeugin D. objektiv und subjektiv in die konkrete Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung gebracht hat, befaßt sich das Landgericht konkret nur mit der Schulterverletzung. Schon insoweit erscheint zweifelhaft, ob durch die Feststellung, der Angeklagte habe diese Verletzung "im einzelnen" (UA S. 6) nicht vorhergesehen, ein bedingter Gefährdungsvorsatz rechtsfehlerfrei ausgeschlossen wurde. Jedenfalls erörtert das Landgericht nicht die naheliegende Frage, ob der Zeugin D. durch die Tathandlung - abgesehen von der Gefahr der Schulterverletzung, die sich realisiert hat - objektiv weitere Gefahren drohten, die unter § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c StGB subsumierbar sind. So ist insbesondere nicht erkennbar, daß das Landgericht den Sturz des Tatopfers und die daraus resultierende Kopfplatzwunde in seine diesbezüglichen Überlegungen miteinbezogen hat. Es hätte sich ihm jedoch die Frage aufdrängen müssen, ob mit dem Sturz für das 80-jährige Tatopfer erfahrungsgemäß nicht wesentlich größere Gefahren für die Gesundheit verbunden waren, als dies bei einem jungen Menschen der Fall gewesen wäre bzw. als sich in der tatsächlich (nur) eingetretenen Kopfplatzwunde realisiert haben.
Wegen dieses Erörterungsmangels bleibt auch offen, ob sich die allgemein gehaltenen Ausführungen des Landgerichts zum Vorsatz des Angeklagten außer auf die realisierte Gefahr der Schulterverletzung auch auf denkbare weitere objektive Gesundheitsgefahren beziehen. Nach den Urteilsgründen ist daher rechtsfehlerfrei weder ausgeschlossen, daß der Zeugin objektiv neben der Schulterverletzung weitere erhebliche Gesundheitsgefahren drohten, noch daß der Angeklagte diese billigend in Kauf nahm. Denn entgegen der Ansicht des Landgerichts sind im objektiven Tatbild durchaus Umstände vorhanden, die Rückschlüsse auf die subjektive Tatseite zulassen und möglicherweise geeignet sein könnten, auch unter Berücksichtigung der psychischen Befindlichkeit des Angeklagten zur Tatzeit dessen Einlassung zu seinen Vorstellungen über die dem Opfer durch die Tat drohenden Gesundheitsgefahren zu widerlegen. Dies gilt insbesondere für einen möglichen Sturz der Zeugin D. und der damit für sie begründeten Risiken. So hatte sich der Angeklagte ein Opfer ausgewählt, das wegen seines Alters erkennbar "besonders gefährdet" war (UA S. 11). Er hat, als die Zeugin D. ihre Tasche wider Erwarten festhielt, mit solcher Kraft an der Tasche gezogen, daß der Trageriemen abriß, die Zeugin eine schwere Schulterverletzung erlitt, zu Boden stürzte und sich eine Kopfverletzung zuzog.
Die Verurteilung des Angeklagten wegen Raubes nach § 249 Abs. 1 StGB ist daher auf die Revision der Staatsanwaltschaft aufzuheben.
c) Soweit die Revision der Staatsanwaltschaft gemäß § 301 StPO zu Gunsten des Angeklagten wirkt, führt sie zum Wegfall des Schuldspruchs wegen räuberischen Diebstahls.
Neben dem Schuldspruch nach § 249 StGB durfte wegen der Handlungen, die der Angeklagte in der Phase nach Vollendung und vor Beendigung des Raubes zur Sicherung der Beute beging, keine Verurteilung wegen räuberischen Diebstahls (§ 252 StGB) erfolgen. Das Landgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, daß Vortat eines räuberischen Diebstahls (§ 252 StGB) auch ein Raub (§ 249 StGB) sein kann (BGHSt 21, 377). Es hat jedoch nicht bedacht, daß Schutzgüter sowohl des § 249 wie des § 252 StGB das Vermögen und die Freiheit der Willensbetätigung sind und sich beide Vorschriften lediglich dadurch tatbestandlich voneinander abheben, daß § 249 StGB die genannten Rechtsgüter vom Beginn des Versuchs bis zur Vollendung, § 252 StGB dagegen ab der Vollendung bis zur Beendigung der Wegnahme der Beute schützt (vgl. BGH NStZ 1987, 453). Wird daher vom Täter nicht nur zur Erlangung des Gewahrsams an der Beute, sondern auch nach Gewahrsamsbegründung zu deren Sicherung eines der in §§ 249, 252 StGB genannten Nötigungsmittel eingesetzt, kommt dem erneuten Angriff auf das Vermögen durch den räuberischen Diebstahl grundsätzlich keine selbständige Bedeutung mehr zu, da dieses Rechtsgut bereits durch die Raubtat geschädigt wurde (vgl. BGH GA 1969, 347, 348). Zwischen beiden Tatbeständen besteht dann Gesetzeseinheit in der Weise, daß § 249 StGB grundsätzlich den § 252 StGB verdrängt (aA Dreher MDR 1976, 529, 532). Anders ist es nur, wenn die Nötigungshandlung in der Beendigungsphase schwerer wiegt, weil erst nach der Vollendung der Wegnahme ein Qualifikationstatbestand der §§ 250 oder 251 StGB verwirklicht wurde. In diesem Falle verdrängt der zur Beutesicherung begangene schwere räuberische Diebstahl bzw. räuberische Diebstahl mit Todesfolge den Raub (BGH aaO).
Allerdings erscheint es dem Senat zweifelhaft, ob nach diesen Grundsätzen hier jegliche Bestrafung des Angeklagten wegen der gegen den Zeugen G. gerichteten Handlungen ausscheidet. Zwar wird sowohl durch den Raub, als auch durch die Nötigungs- und Bedrohungshandlungen gegen den Zeugen G. das Vermögen der Zeugin D. angegriffen. Jedoch war der Zeuge G. durch die Raubhandlung noch nicht betroffen. Seine Individualrechtsgüter der Freiheit der Willensbetätigung und des Gefühls der Rechtssicherheit (Lackner/Kühl aaO § 241 Rdn. 1) wurden erst in der Beendigungsphase des Raubes durch die versuchte Nötigung und die Bedrohung beeinträchtigt. Der Senat neigt daher der Ansicht zu, daß jedenfalls beim Einsatz von Nötigungsmitteln gegen einen weiteren, bisher nicht Geschädigten eine Verurteilung nach §§ 240, 22, 23 StGB bzw. § 241 StGB in Betracht kommt (so etwa auch Eser in Schönke/Schröder, aaO § 252 Rdn. 13; Kindhäuser in NK 2. Aufl. § 252 Rdn. 39 jew. m. w. N.; s. aber BGH GA 1969, 347, 348; BGH, Urt. vom 28. Februar 1967 - 5 StR 17/67 - und Urt. vom 8. Oktober 1975 - 2 StR 404/75).
Dies bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Für den Strafausspruch hätte eine tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen versuchter Nötigung und Bedrohung neben dem Schuldspruch wegen (ggf. schweren) Raubes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung kein besonderes Gewicht. Der Senat beschränkt daher mit Zustimmung des Generalbundesanwaltes die Verfolgung gemäß § 154 a Abs. 2 StPO auf die Straftaten zum Nachteil der Zeugin D. .
3. Die Revision des Angeklagten
a) Die Beschränkung des Rechtsmittels auf den Schuldspruch wegen räuberischen Diebstahls, die für den Raub verhängte Einzelstrafe und die Gesamtstrafe ist unwirksam (s. oben 2. a).
b) Die Revision des Angeklagten hat Erfolg, soweit sie den Schuldspruch wegen räuberischen Diebstahls beanstandet und führt im übrigen ebenfalls zu der Beschränkung des Verfahrens gemäß § 154 a Abs. 2 StPO auf die gegen die Zeugin D. begangenen Straftaten (s. oben 2. c). Damit entfällt die Gesamtstrafe. Im übrigen, namentlich soweit sich der Angeklagte gegen die Strafrahmenwahl bezüglich des Raubes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung wendet, ist sein Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, wie der Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 26. Februar 2002 zutreffend dargelegt hat.
Von der danach an sich auf die Revision des Angeklagten gebotenen Schuldspruchänderung sieht der Senat ab, da wegen der erfolgreichen Revision der Staatsanwaltschaft das Landgericht ohnehin neu über den Schuldspruch und Strafausspruch wegen der zum Nachteil der Zeugin D. begangenen Taten befinden muß.
4. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, daß nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit bei Beschaffungskriminalität drogenabhängiger Täter nur dann in Betracht kommt, wenn langjähriger Betäubungsmittelgenuß zu schwersten Persönlichkeitsveränderungen geführt hat oder der Täter starke Entzugserscheinungen erleidet bzw. aufgrund früheren Erlebens deren Eintritt befürchtet und dadurch dazu getrieben wird, sich mittels einer Straftat Drogen zu beschaffen, ferner unter Umständen dann, wenn er das Delikt in einem aktuellen Rausch verübt (s. nur BGHR StGB § 21 BtM-Auswirkungen 5 und 12m. w. N.). Entsprechende Feststellungen sind in dem angefochtenen Urteil nicht getroffen, so daß die Annahme der Voraussetzungen des § 21 StGB der erforderlichen tatsächlichen Grundlage entbehrte. Ob eine Verminderung der Steuerungsfähigkeit erheblich im Sinne des § 21 StGB ist, ist im übrigen Rechtsfrage und vom Richter auch nach normativen Kriterien zu beurteilen. Diese Frage ist daher der Beurteilung des Sachverständigen entzogen. Er hat lediglich das zu ihrer Beantwortung notwendige medizinische Wissen dem Richter zu vermitteln.
Die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer wird über die Kosten beider Revisionen zu befinden haben, da wegen des Erfolgs der Revision der Staatsanwaltschaft die Beschränkung der Strafverfolgung nach § 154 a Abs. 2 StPO nicht zu einer rechtskräftigen Aburteilung der durch die Beschränkung nicht betroffenen Teile der Tat führt (vgl. BGHR StPO § 154 a Kostenentscheidung 1).
Tolksdorf Rissing-van Saan Pfister von Lienen Becker 



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