BGH,
Urt. v. 19.3.2009 - 4 StR 516/08
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 516/08
vom
19. März 2009
in der Strafsache
gegen
wegen des Verdachts des Mordes
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19.
März 2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof Maatz, Athing,
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer als beisitzende Richter,
Staatsanwältin als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter für den Nebenkläger Dr. P. ,
Rechtsanwältin
als Vertreterin für die Nebenklägerin B. ,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der
Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 24.
April 2008 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als
Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten von dem Vorwurf, den zur Tatzeit 75
Jahre alten Edmund P. in der Nacht vom 30. zum 31. Oktober 1993
heimtückisch und aus Habgier getötet zu haben, aus
tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen
wenden sich die Staatsanwaltschaft, deren Rechtsmittel vom
Generalbundesanwalt vertreten wird, und die Nebenkläger mit
ihren jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen.
Die Rechtsmittel haben Erfolg.
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Die Beweiswürdigung hält sachlichrechtlicher
Nachprüfung nicht stand.
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Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an
seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist
dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Der
Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt insoweit nur, ob dem
Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen
sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung
widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen
Denkgesetze oder gesicherte Erfah-
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rungssätze verstößt (vgl. BGHR StPO
§ 261 Beweiswürdigung 16 m.w.N.). Insbesondere sind
die Beweise auch erschöpfend zu würdigen (BGHSt 29,
18, 20). Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche
Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder
zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine
Überlegungen einbezogen hat (BGHR StPO § 261
Beweiswürdigung 11). Rechtsfehlerhaft ist die
Beweiswürdigung auch dann, wenn an die zur Verurteilung
erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt
sind (BGHR § 261 Beweiswürdigung 16 m.w.N.; BGH NStZ
2004, 35, 36). Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst
geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen,
für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten
tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. BGH NStZ 2004,
35, 36; NStZ-RR 2005, 209; BGH, Urteil vom 21. Oktober 2008 -1 StR
292/08, jew. m.w.N.).
Dem wird die Beweiswürdigung nicht gerecht:
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Sie ist lückenhaft, weil das Urteil nicht erkennen
lässt, dass das Landgericht alle Umstände, die nach
den mitgeteilten Beweisergebnissen geeignet sind, die Entscheidung zu
Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, in seine
Überlegungen einbezogen hat. Dies gilt insbesondere, soweit
das Landgericht davon ausgegangen ist, der Angeklagte habe für
den angenommenen Tatzeitraum ein Alibi, weil er nach der verlesenen
Aussage des Zeugen Bi. am 1. November 1993 für zwei
Nächte ein Zimmer im „G. - “ in H.
angemietet gehabt habe. Worauf das Landgericht seine Annahme
stützt, der Angeklagte habe deshalb keine ausreichende
Gelegenheit zur Begehung der Tat gehabt, lässt sich den
Urteilsausführungen nicht entnehmen, zumal sie sich nicht dazu
verhalten, ob der Zeuge Bi. den Angeklagten in der Zeit vom 1. bis zum
3. November 1993 in dem Hotel gesehen hat, gegebenenfalls, an welchen
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Tagen und in welchen Zeiträumen. Das hätte schon
deshalb der Erörterung bedurft, weil der Angeklagte, obwohl er
sich am 31. Oktober 1993 in dem Hotel „G. - “
aufgehalten und seine Rechnung bezahlt hatte, bereits in den
frühen Morgenstunden desselben Tages auf dem Bahnhof
Dreileben-Drackenstedt gesehen wurde, als er in den Zug nach Magdeburg
einstieg. Die Anmietung des Hotelzimmers für die Zeit vom 1.
bis zum 3. November 1993 hinderte ihn auch nicht, in Magdeburg die
Zeugin S. am 2. November 1993 bereits gegen 10:00 Uhr morgens und
nochmals am nächsten Tag aufzusuchen und der Zeugin an einem
dieser Tage einen Koffer mit den Gegenständen des Tatopfers zu
übergeben.
Zudem hat das Landgericht den Zweifelsgrundsatz rechtsfehlerhaft
angewendet, indem es zugunsten des Angeklagten unterstellt hat, dieser
habe den Videorecorder und die Taschenuhr des Tatopfers bereits vor dem
1. November 1993 entwendet, weil nicht auszuschließen sei,
dass sich die Gegenstände in einem der Koffer befunden
hätten, mit denen der Angeklagte am 31. Oktober 1993 in den
Zug nach Magdeburg eingestiegen sei. Zureichende tatsächliche
Anhaltspunkte, die die Annahme dieser für den Angeklagten
günstigen Tatvariante gebieten könnten (vgl. BGH
NStZ-RR 2005, 209 m.w.N.), liegen nach dem bisherigen Beweisergebnis
nicht vor.
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Im Übrigen hat sich das Landgericht vorschnell von der
Richtigkeit der Aussagen der Zeugen L. und Sch. überzeugt,
ohne sich mit Indizien auseinanderzusetzen, die für einen
Irrtum der Zeugen sprechen könnten. Insoweit wird auf die
zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des
Generalbundesanwalts Bezug genommen.
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Es ist nicht auszuschließen, dass das Urteil auf den
aufgezeigten Rechtsfehlern beruht. Die Sache muss daher neu verhandelt
und entschieden werden.
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Tepperwien Maatz Athing
Franke Mutzbauer |