BGH,
Urt. v. 2.12.2003 - 1 StR 102/03
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 102/03
vom
2.12.2003
in der Strafsache
gegen
BGHR: ja
BGHSt: ja zu A. II. 2.
Veröffentlichung: ja
__________________________
StPO § 22 Nr. 4, § 338 Nr. 2
Ein erkennender Richter ist nicht "in der Sache" als Staatsanwalt
tätig gewesen und
deshalb von der Mitwirkung ausgeschlossen, weil er in seinem
früheren Amt als
Staatsanwalt im Rahmen von Todesermittlungen die Obduktion der Leiche
eines vor
der Hauptverhandlung verstorbenen Zeugen und Tatgeschädigten
angeordnet hat.
Das gilt auch dann, wenn vor der Obduktion für den Fall einer
bei dieser feststellbaren
Fremdverursachung hypothetische Erwägungen über eine
etwaige Verantwortung
des Angeklagten für den Tod des Zeugen angestellt worden sind,
die Obdukti-
2 -
on jedoch keinen Anhalt für ein Fremdverschulden erbracht und
die Todesermittlungen
ohne weiteres eingestellt worden sind.
BGH, Urt. v. 2.12.2003 - 1 StR 102/03 - LG Augsburg
wegen Vergewaltigung u. a.
- 3 -
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 2.
Dezember
2003, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Schluckebier,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 4 -
I. Die Strafverfolgung wird in den Fällen zum Nachteil der
Geschädigten
E. und H. (B. II. 2.a. und 3.a. der Gründe des
Urteils des Landgerichts Augsburg vom 25. Juli 2002) mit Zustimmung
des Generalbundesanwalts dahin beschränkt, daß von
der Ahndung wegen Zuhälterei abgesehen wird (§ 154a
Abs. 1
Nr. 1, Abs. 2 StPO).
II. 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Augsburg vom 25. Juli 2002 wie folgt im Schuldspruch
geändert und im Rechtsfolgenausspruch berichtigt:
a) Der Angeklagte ist im Komplex I ("Taten vor der Zäsur",
erste Gesamtstrafe) schuldig
- der Vergewaltigung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung
und mit Körperverletzung in zwei Fällen,
- der Nötigung in drei Fällen,
- der gewerbsmäßigen unerlaubten Abgabe von
Betäubungsmitteln
an Minderjährige in 30 Fällen,
- des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
112 Fällen.
Er ist deswegen unter Einbeziehung der Strafen aus dem
Urteil des Amtsgerichts Neuburg/Donau vom 13. August
1998 und aus dem Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom
6. Juli 1999 sowie unter Auflösung der mit Beschluß
des
Amtsgerichts Augsburg vom 25. November 1999 gebildeten
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Gesamtstrafe zur Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren
und neun Monaten verurteilt.
Die Einzelstrafe in Höhe von einem Jahr und sechs Monaten
Freiheitsstrafe wegen Ausbeutung von Prostituierten
und Zuhälterei sowie der damit in Tateinheit stehenden
Delikte zum Nachteil D. , Ha. , E. und
H. entfällt.
b) Der Angeklagte ist im Komplex II ("Taten nach der Zäsur",
zweite Gesamtstrafe) schuldig
- der Zuhälterei in zwei tateinheitlichen Fällen, in
weiterer
Tateinheit mit Ausbeutung von Prostituierten in vier Fällen
und mit elf Fällen der Körperverletzung, davon in je
einem
Fall in Tateinheit mit Nötigung und mit Bedrohung,
- der Nötigung in zwei Fällen,
- der räuberischen Erpressung in Tateinheit mit zwei
Fällen
der Körperverletzung,
- der räuberischen Erpressung,
- der sexuellen Nötigung in Tateinheit mit
Körperverletzung,
- der Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung,
- der versuchten Nötigung,
- des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln,
- 6 -
- des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
138 Fällen.
Er ist deswegen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe
von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt.
c) Gegen den Angeklagten ist der erweiterte Verfall von
Wertersatz in Höhe von 150.000 € angeordnet.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete
Urteil wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels
und die der Nebenklägerin dadurch erwachsenen notwendigen
Auslagen zu tragen.
III. 1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das vorbezeichnete
Urteil wird dieses mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben, soweit das Landgericht davon abgesehen
hat, die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung
anzuordnen.
2. Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels,
an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
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Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im
übrigen
wegen zahlreicher Straftaten - unter anderem Zuhälterei,
Förderung der Prostitution,
Körperverletzung, Handeltreiben mit und Abgabe von
Betäubungsmitteln,
Vergewaltigung, Nötigung und räuberischer Erpressung
- unter Einbeziehung
der Strafen aus zwei anderen Urteilen zu zwei Gesamtfreiheitsstrafen von
sieben Jahren und neun Monaten sowie von sechs Jahren und drei Monaten
verurteilt. Überdies hat es den Verfall von Wertersatz in
Höhe von 150.000
angeordnet, die Unterbringung des Angeklagten in der
Sicherungsverwahrung
indes entgegen einem von der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung
gestellten Antrag abgelehnt.
Die Revision des Angeklagten macht das Fehlen einer
Verfahrensvoraussetzung
geltend; sie erhebt mehrere Verfahrensrügen und die
Sachbeschwerde.
Die Revision der Staatsanwaltschaft rügt eine Verletzung der
Aufklärungspflicht
und beanstandet die Anwendung des sachlichen Rechts. Das
Rechtsmittel des Angeklagten führt auf die Sachrüge
hin zu einer Änderung
des Schuldspruchs, zum Wegfall einer Einzelstrafe und zu einer
geringfügigen
Berichtigung des Rechtsfolgenausspruchs. Das Rechtsmittel der
Staatsanwaltschaft
ist zum Rechtsfolgenausspruch insoweit begründet, als das
Landgericht
die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung abgelehnt hat. Im
übrigen
bleiben beide Revisionen ohne Erfolg.
Gegenstand des Verfahrens sind mehrere Straftaten, die der Angeklagte
als Betreiber eines Bordells vornehmlich zum Nachteil von dort
tätigen Prostituierten
begangen hat.
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A. Die Revision des Angeklagten
I. An der Verfahrensvoraussetzung einer wirksamen Anklage fehlt es
entgegen der Auffassung der Revision nicht. Die zugelassene und
verlesene
Anklage wird ersichtlich ihrer Informations- und Umgrenzungsfunktion
gerecht
(§ 200 StPO). Der Anklagesatz enthält auch keine
Beweiswürdigung (vgl. dazu
BGHR StPO § 200 Abs. 1 - Anklagesatz 1). Die umfangreiche
Sachverhaltsschilderung
geht auf die Vielzahl der angeklagten Straftaten und zum Teil auf
die Natur der Tatbestände zurück.
II. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch.
1. Der Angeklagte ist seinem gesetzlichen Richter nicht dadurch entzogen
worden, daß das Präsidium des Landgerichts die Sache
- neben anderen
noch nicht terminierten Verfahren - nach Eingang der Anklage bei der 1.
großen
Strafkammer wegen deren Überlastung durch
geschäftsverteilungsplanändernden
Beschluß der 3. großen Strafkammer
übertragen hat, die den Angeklagten
dann schließlich verurteilt hat (§ 338 Nr. 1 StPO,
§ 21e Abs. 3 GVG).
In dem Nachtrag zum Geschäftsverteilungsplan, den das
Präsidium des
Landgerichts am 23. Mai 2001 beschloß, liegt keine
unzulässige Durchbrechung
des sog. Jährlichkeitsprinzips (§ 21e Abs. 3 GVG) und
auch keine unzulässige
Einzelfallzuweisung. In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß
eine
Änderung der Geschäftsverteilung im laufenden
Geschäftsjahr, wenn sie sachlich
veranlaßt ist, auch bereits anhängige Verfahren
erfassen darf (BVerfGE
95, 322, 332; BGHSt 30, 371; 44, 161, 165 m.w.N., hierzu
Nichtannahmebeschlüsse
des BVerfG <Kammer> vom 11. August 1998 - 2 BvR 1493,
1615,
1616/98). Das folgt bereits aus der Verpflichtung zur zügigen
Förderung von
Haftsachen und zur Vermeidung justitiell zu verantwortender
Verfahrensverzö-
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gerungen. Der Inhalt der - auf Veranlassung des
Landgerichtspräsidenten überprüften
- Überlastungsanzeige des Vorsitzenden der 1. Strafkammer vom
15. Mai 2001 sowie die Belastung der 3. Strafkammer zu jenem Zeitpunkt
(vgl.
dazu den Vermerk des Vorsitzenden der 3. Strafkammer vom 10. August
2001)
tragen den von der Revision beanstandeten
Präsidiumsbeschluß ohne weiteres
und weisen diesen als sachgerecht aus. Der Vorsitzende der 1.
Strafkammer
hatte auf 24 dort anhängige Verfahren hingewiesen, wovon 13
Haftsachen waren.
Bei der 3. Strafkammer waren zum maßgeblichen Zeitpunkt nur
zwei Verfahren
anhängig. Auch die Revision macht nicht geltend, die
Änderung sei in
der Sache nicht vertretbar oder sonst ermessensfehlerhaft gewesen (zum
Prüfungsmaßstab
insoweit vgl. BGHSt 22, 237, 239 f.; 27, 397, 398; Meyer-
Goßner StPO 46. Aufl. § 21e GVG Rdn. 25).
Rechtliche Bedenken gegen den Präsidiumsbeschluß
sind nicht dadurch
begründet, daß die Verfahren den Mitgliedern des
Präsidiums zum Teil hinsichtlich
ihres Gegenstandes und der vollständigen Namen der Angeklagten
bekannt waren. Eine solche Kenntnisnahme von Gegenstand und Umfang der
betroffenen Sachen und auch weiteren Einzelheiten ist vielfach
unvermeidbar,
mitunter sogar geboten, weil sonst das Maß der Belastung der
einzelnen Strafkammern
und der erforderlichen Entlastung nicht sachgerecht festgestellt werden
kann (vgl. BGHSt 44, 161, 168).
Soweit die Revision meint, die Überlastung der 1. Strafkammer
habe
vom Präsidium bereits vor Beginn des entsprechenden
Geschäftsjahres berücksichtigt
werden müssen, vermag das keine andere Beurteilung zu
rechtfertigen.
Ob dies so lag, kann auf sich beruhen. Es könnte jedenfalls
nicht dazu
führen, daß dem Präsidium die sachlich
gebotenen Übertragungen später versagt
wären, wenn die Folgen der
änderungsbedürftigen Geschäftsverteilung
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zunehmend Gewicht erlangen und zu größeren
Unzuträglichkeiten führen. Anderenfalls
müßten vermeidbare Verfahrensverzögerungen,
zumal in Haftsachen
hingenommen werden, weil eine mögliche frühzeitigere
Umverteilung - zu
Jahresbeginn - unterblieben ist. Es liegt auf der Hand, daß
die Garantie des
gesetzlichen Richters solches nicht gebietet. Eine in Durchbrechung des
Jährlichkeitsprinzips
erfolgende Änderung bleibt auch dann
„nötig“ im Sinne des §
21e Abs. 3 Satz 1 GVG.
Der Präsidiumsbeschluß ist schließlich
nicht deshalb von Rechts wegen
zu beanstanden, weil die Vorsitzenden der beiden betroffenen
Strafkammern
sich im Vorfeld der Änderung der Geschäftsverteilung
untereinander über eine
ihnen geeignet erscheinende Lösung verständigt
hatten. Das konnte die autonome
Entschließung des zur Entscheidung berufenen Gremiums
ersichtlich
nicht in unzulässiger Weise beeinflussen.
2. Die erkennende 3. Strafkammer des Landgerichts war richtig besetzt,
Richterin am Landgericht He. nicht kraft Gesetzes ausgeschlossen
(§ 338
Nr. 2, § 22 Nr. 4 StPO).
a) Nach § 22 Nr. 4 StPO ist ein Richter u. a. dann von der
Ausübung
seines Amtes ausgeschlossen, wenn er "in der Sache" Beamter der
Staatsanwaltschaft
gewesen ist. Unter "der Sache" ist grundsätzlich dasjenige
Verfahren
zu verstehen, welches die strafrechtliche Verfolgung einer bestimmten
Straftat zum Gegenstand hat. Es kommt also in erster Linie auf die
Identität des
historischen Ereignisses an, um dessen Aufklärung es zu der
Zeit ging, als der
Richter in nichtrichterlicher Funktion tätig war. Der Annahme
einer solchen
Identität steht auch das Vorliegen mehrerer
selbständiger Taten im Sinne des
§ 264 StPO nicht entgegen. Vielmehr entscheidet in solchen
Fällen regelmäßig
die Einheit der Hauptverhandlung; sie kann auch solche
Vorgänge, die bei na-
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türlicher Betrachtung als verschiedene historische Ereignisse
erscheinen, zu
einer Einheit zusammenfassen (vgl. zu alldem BGHSt 28, 262, 263 ff. mit
zahlr.
weiteren Nachweisen). Der Verdacht der Parteilichkeit, den die in Rede
stehende
Bestimmung (§ 22 Nr. 4 StPO) vermeiden will, kann
schließlich bei weiter
Auslegung der Norm auch bei mehreren für eine einheitliche
Behandlung in
Betracht zu ziehenden Verfahren aufkommen, wenn zumindest ein enger und
für die zu treffende Entscheidung bedeutsamer Zusammenhang
besteht (vgl.
BGHSt 9, 193; 28, 264, 267).
b) Eine „Einheit der Sache“ in diesem Sinne ist
hier nicht gegeben.
Der Angeklagte ist mit dem angefochtenen Urteil auch wegen Straftaten
verurteilt worden, die er zum Nachteil der vor Beginn der
Hauptverhandlung
verstorbenen Ha. begangen hat. Richterin am Landgericht He.
hatte in ihrem früheren Amt als Staatsanwältin mit
Formularverfügung und als
Vertreterin des zuständigen Dezernenten der Staatsanwaltschaft
Augsburg die
Obduktion der Leiche von Ha. sowie deren anschließende
Freigabe
zur Bestattung verfügt, nachdem Ha. am 13. Januar 2000 in
Friedberg
(Hessen) tot aufgefunden worden war. Ha. war eine derjenigen
geschädigten Prostituierten, die im vorliegenden Verfahren
während der
Ermittlungen als Zeugin vernommen worden waren. Sie hatte am 2. Juli und
6. Juli 1999 bei der Polizei und schließlich am 9. Juli 1999
vor dem Ermittlungsrichter
ausgesagt und den Angeklagten belastet. Sie wurde deshalb
vorübergehend
im Zeugenschutzprogramm geführt. Nachdem sie im Hessischen tot
aufgefunden worden war, leitete die Staatsanwaltschaft Augsburg von
sich aus
Todesfallermittlungen ein und ersuchte die für den Auffindeort
der Leiche zuständige
Staatsanwaltschaft Gießen, das bei dieser anhängige
Verfahren wegen
des Todesfalles an sie abzugeben. Dies geschah. Bei der Obduktion der
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Leiche ergab sich - wie das von der Revision vorgelegte
vorläufige Gutachten
des Rechtsmediziners belegt - keine pathologisch-anatomisch nachweisbare
Todesursache. Hinweise für eine todesursächliche
mechanische Gewalteinwirkung
von dritter Hand fehlten. Als wahrscheinliche Todesursache wurde eine
Überdosierung zentral wirksamer Substanzen in Betracht
gezogen. Die Strafkammer
hat in ihrem angegriffenen Urteil festgestellt, Ha. sei an einer
Überdosis Methadon verstorben. Das Todesermittlungsverfahren
wurde eingestellt.
Unter diesen Umständen war die beisitzende Richterin in ihrer
früheren
Aufgabe als Staatsanwältin nicht in derselben Sache
tätig. Die durch sie erfolgte
Anordnung der Obduktion und die Freigabe der Leiche im
Todesermittlungsverfahren
erweisen sich für die Entscheidung der Strafkammer im
gegenständlichen
Verfahren nicht als Maßnahmen, die die Annahme eines
"bedeutsamen
Sachzusammenhanges" rechtfertigen. Für das vorliegende
Verfahren
war der Tod Ha. s lediglich insoweit von Bedeutung, als diese infolge
dessen als Zeugin in der Hauptverhandlung nicht mehr zur
Verfügung stand
und es um die Voraussetzungen der Einführung ihrer im
Ermittlungsverfahren
getätigten Aussagen ging. Irgendwelche
materiellstrafrechtlichen Auswirkungen
für den Angeklagten waren mit den Todesermittlungen nicht
verbunden.
Hinzu kommt, daß die Ermittlungen im Falle eines
unnatürlichen Todes
(siehe § 159 i.V.m. § 87 StPO; sog. "Leichensachen")
nach einhelliger Auffassung
in der Literatur kein Ermittlungsverfahren im Sinne des § 160
StPO sind
(so Krehl in HK-StPO 3. Aufl. § 159 Rdn. 1;
Meyer-Goßner StPO 46. Aufl.
§ 159 Rdn. 1; KK-Wache 5. Aufl. § 159 Rdn. 1; zur
Abgrenzung der Leichenöffnung
bei bereits begründetem Verdacht einer Straftat - §
87 i.V.m. § 160
Abs. 1 StPO - von der bei sog. Todesfallermittlungen - § 87
i.V.m. § 159 Abs. 2
- 13 -
StPO - siehe Krause in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl.
§ 87 Rdn. 5 f.). Die
von der damaligen Staatsanwältin getroffene Anordnung diente
ihrer Natur
nach zunächst lediglich der Klärung der Todesursache.
Nur wenn dabei Hinweise
auf ein strafbares Verhalten Dritter angefallen wären,
hätte diese Maßnahme
Eingang in ein Ermittlungsverfahren gegen einen Beschuldigten gefunden.
Irgendwelche Anhaltspunkte in Richtung auf ein Verschulden, zumal gerade
des Angeklagten, am Tod der Ha. haben sich aber ersichtlich
auch später nicht ergeben; im Blick auf das Ergebnis der
Obduktion sind weitere
Strafverfolgungsmaßnahmen nicht entfaltet worden, schon gar
nicht solche
gegen den Angeklagten. Das trägt auch die Revision nicht vor.
Es bleibt mithin
allein der Umstand, daß die Richterin He. früher als
Staatsanwältin bei der
Klärung der Todesursache einer Person tätig geworden
ist, die in gänzlich anderem
Zusammenhang Zeugin in einem gegen den Angeklagten geführten
Strafverfahren war.
c) Aus den von der Revision vorgelegten Vermerken der Kriminalpolizei
ergibt sich keine andere Beurteilung: In dem Vermerk des Kriminalbeamten
S. von der Kriminalpolizei Augsburg vom 14. Januar 2000 wird
zunächst
hervorgehoben, "nach Sachlage" habe Aspiration als Folge eines
Drogenabusus
zum Tode der 20jährigen Frau geführt. In diesem
Vermerk ist ebenso wie
im Schriftwechsel der Staatsanwaltschaften und in den Betreffangaben
ausnahmslos
von "Todesermittlungen" und von Ermittlungen aus Anlaß des
Todes
von Ha. die Rede. Unter diesen Umständen ist es rechtlich
unerheblich,
daß im Vermerk des Kriminalbeamten S. für den Fall
einer Fremdeinwirkung
auf Ha. Vermutungen zu einem etwaigen Verdacht gegen
den Angeklagten angestellt wurden. Dort ist ausgeführt, es
könne nicht ausgeschlossen
werden, daß dieser "in irgendeiner Form mit dem Tode der
Ha. in Verbindung gebracht werden" könne und "ein Anfangsver-
14 -
dacht auf ein mögliches Tötungsdelikt nicht
völlig unbegründet" sei. Damit verband
der Kriminalbeamte seine Anregung an die Staatsanwaltschaft, die
"weiteren
Ermittlungen" im "Ablebensfall" nach Augsburg zu übernehmen.
Entscheidend
ist, daß es in dem Schreiben der Staatsanwaltschaft Augsburg
an
die Staatsanwaltschaft Gießen vom 14. Januar 2000
heißt: "Sofern ein Fremdverschulden
am Tode der Ha. in Betracht kommt, ist davon auszugehen,
daß etwaige Verantwortliche aus dem hiesigen
Zuständigkeitsbereich
kommen." Damit war klar, daß jedwede weitere
Strafverfolgungsmaßnahme
gegen irgendeinen Beschuldigten zunächst vom Ergebnis der
Obduktion abhing,
namentlich davon, ob sich zureichende tatsächliche
Anhaltspunkte für
"ein Fremdverschulden am Tode der Ha. " ergeben würden. Das
war indes nicht der Fall. Damit erwiesen sich alle damals angestellten
Überlegungen
zu einem etwaigen Motiv eines - vorstellbar - aus dem Umfeld des zu
jenem Zeitpunkt bereits inhaftierten Angeklagten kommenden
Täters als Spekulationen,
allenfalls als Hypothesen für den Fall sich ergebender
Verdachtsmomente
für eine Fremdeinwirkung, denen aber die notwendige
Verknüpfung
mit den objektiven Obduktionsbefunden fehlte. Tatsächlich sind
konkrete Ermittlungsmaßnahmen
gerade gegen den Angeklagten wegen des Todes der
Ha. auch nach dem Vortrag der Revision zu keinem Zeitpunkt ergriffen
worden. Die Todesfallermittlungen als solche haben insoweit
außer Betracht
zu bleiben. Das gilt auch für die in deren Rahmen angestellten
hypothetischen
Erwägungen, die zur Übernahme des
Todesermittlungsverfahrens
durch die Staatsanwaltschaft Augsburg geführt haben.
d) Darüber hinaus lag zum Zeitpunkt der Anordnung der Obduktion
durch die damalige Staatsanwältin He. bereits eine
polizeiliche Aussage der
Inhaberin der Wohnung vor, in der Ha. verstorben war, die die Revision
jedoch nicht mitgeteilt hat (vgl. § 344 Abs.2 Satz 2 StPO;
Ermittlungsver-
15 -
merk der Polizeidirektion Friedberg vom 13. Januar 2000). Schon die
dort geschilderten
Umstände des Todes von Frau Ha. sprachen deutlich gegen
ein Fremdverschulden an ihrem Tod. Die in jener Sache vernommene Zeugin
B. hatte bekundet, Frau Ha. habe mit ihr gemeinsam die Nacht in
ihrer, B. s, Wohnung verbracht, habe morgens beim Versuch des Aufweckens
geröchelt und Sekret sei aus ihrem Mund gelaufen. Die
Erstbefragung
des Notarztes ist dort mit „verm. ...
Rauschgift-Tote“ festgehalten. Der ebenfalls
per Fax an die Staatsanwaltschaft und an die Kriminalpolizei Augsburg
übermittelte
Leichenschauschein des Notarztes enthält unter der Rubrik
„Todesursache/
klinischer Befund“ die Angaben „respiratorische
Insuffizienz“, „Aspriration“,
„Bewußtlosigkeit“ und
„Drogenabusus ...“. Aus der protokollierten
Vernehmung
der Zeugin B. , die der Kriminalpolizei Augsburg am 17. Januar 2000,
dem Tag der Anordnung der Obduktion, zuging, ergibt sich weiter,
daß Dritte
nicht in ihrer Wohnung gewesen seien (Todesermittlungsakte Ha. , Bl. 41,
Vernehmungsprotokoll vom 14. Januar 2001). All das schlägt
sich auch eingangs
des Vermerks des Augsburger Kriminalbeamten S. vom 14. Januar
2000 nieder („Folge eines Drogenabusus“).
Unter diesen zusätzlichen Umständen besteht um so
weniger Grund zu
der Wertung, das Todesermittlungsverfahren habe später eine
„einheitliche
Behandlung“ mit dem gegenständlichen Verfahren gegen
den Angeklagten erfahren;
es bestehe ein enger, bedeutsamer Zusammenhang mit der von der
Strafkammer im Verfahren gegen den Angeklagten zu treffenden
Entscheidung.
Für den Nachweis der Täterschaft des Angeklagten
hinsichtlich der Taten zum
Nachteil Ha. kam es auf die Todesumstände der Zeugin
ersichtlich nicht
an. Auch die Strafzumessung ist davon erkennbar nicht
beeinflußt. Das kam
schon wegen des zeitlichen Abstandes zwischen den Taten und dem Tod der
Zeugin nicht in Betracht. Daß die Todesermittlungsakte zu den
Akten des ge-
16 -
genständlichen Verfahrens beigezogen wurde, vermag an dieser
Beurteilung
ebensowenig etwas zu ändern wie die möglicherweise
nicht in jeder Hinsicht
tragfähig begründbare Übernahme des
Todesermittlungsverfahrens durch die
Staatsanwaltschaft Augsburg.
3. Die Vorschriften über die Öffentlichkeit des
Verfahrens sind nicht
verletzt (§ 338 Nr. 6 StPO, § 171b GVG). Das
Landgericht hat durch Beschluß
die Öffentlichkeit für die Dauer der Vernehmung der
Zeugin D. ausgeschlossen.
Soweit die Revision die der Ausschlußentscheidung nach
§ 171b
Abs. 1 Satz 1 GVG zugrunde liegende Abwägung beanstandet,
verkennt sie,
daß der Beschluß nicht anfechtbar und damit auch
der revisionsgerichtlichen
Überprüfung grundsätzlich entzogen ist
(§ 171b Abs. 3 GVG, § 336 Satz 2
StPO). Anhaltspunkte für eine willkürliche
Begründung zeigt die Revision nicht
auf (BGHR GVG § 171b Abs. 1 Dauer 5 m.w.N.).
Der Ausschließungsbeschluß mußte
schließlich nicht deshalb erneuert
werden, weil die Vernehmung der Zeugin D. unterbrochen,
vorübergehend
auch öffentlich weiterverhandelt und schließlich die
Vernehmung fortgesetzt
worden war. Der Ausschließungsbeschluß deckt den
Ausschluß der Öffentlichkeit
für die gesamte Dauer der Vernehmung eines Zeugen, auch wenn
diese unterbrochen wird (BGH NStZ 1992, 447).
Daß der Vorsitzende während des Ausschlusses der
Öffentlichkeit auch
noch die Abladung eines anderen Zeugen bekannt gegeben, die
Hauptverhandlung
selbst unterbrochen und Termin zur Fortsetzung der Vernehmung der
Zeugin D. bestimmt hat, verletzt den Öffentlichkeitsgrundsatz
ebensowenig.
In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt,
daß
Maßnahmen, die auch außerhalb der Hauptverhandlung
erfolgen können, vom
Schutz des Öffentlichkeitsgrundsatzes nicht erfaßt
werden (BGH NStZ 1984,
- 17 -
134, 135). Das gilt namentlich für die Bestimmung eines
Fortsetzungstermines,
der etwa auch außerhalb der Hauptverhandlung verlegt werden
kann. Auf der
Unterbrechung der Hauptverhandlung in nicht öffentlicher
Sitzung kann
schließlich schon denkgesetzlich das Urteil nicht beruhen
(vgl. BGH, Beschl.
vom 15. April 2003 - 1 StR 64/03 - BA S. 4 f.; Meyer-Goßner
aaO § 338
Rdn. 2, 50b).
4. Die Ablehnungsrügen sind unbegründet (§
338 Nr. 3, § 24 StPO).
Soweit ein Ablehnungsantrag auf die Anordnung der Verlesung des
Anklagesatzes
gestützt war, ist dessen Zurückweisung schon deshalb
nicht zu beanstanden,
weil die Verlesung rechtens war (siehe oben unter A.I.). Die
Äußerung
des Vorsitzenden der Strafkammer, der der Verteidigung bei
fortgeschrittener
Hauptverhandlung vorgehalten hatte "wohl langsam den Überblick
über die
gestellten Beweisanträge verloren" zu haben, vermag
ersichtlich das Vertrauen
des Angeklagten in die Unparteilichkeit des Richters nicht zu
berühren (vgl. zu
Spannungen zwischen einem Richter und dem Verteidiger: BGH NStZ 1997,
19).
5. Die weiteren verfahrensrechtlichen Beanstandungen, namentlich die
Geltendmachung eines Verstoßes gegen die richterliche
Hinweispflicht (§ 265
StPO), bleiben aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift
vom
23. April 2003 aufgeführten Gründen, auf die er sich
in der Revisionshauptverhandlung
bezogen hat, ohne Erfolg.
III. Die sachlich-rechtliche Nachprüfung des angefochtenen
Urteils führt
in einem Teilbereich lediglich zu einer anderen Würdigung der
Konkurrenzverhältnisse,
deckt im übrigen jedoch keinen durchgreifenden rechtlichen
Mangel
auf.
- 18 -
1. Bei der Beweiswürdigung hat die Strafkammer nicht verkannt,
daß es
bei einer Reihe von Taten im wesentlichen auf die Aussage der jeweils
geschädigten
Zeuginnen ankam. Sie hat bei ihrer gründlichen und
ausführlichen
Würdigung der Angaben der geschädigten Prostituierten
die dafür geltenden
Maßstäbe ersichtlich beachtet.
Soweit die Revision die Annahme unerlaubten Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln
beanstandet, wendet sie sich im Kern lediglich gegen die
zugrunde liegende Beweiswürdigung der Strafkammer und versucht
ihre eigene
an die Stelle derjenigen des Tatrichters zu setzen. Damit vermag sie
nicht
durchzudringen.
2. Die Aufspaltung der Zuhälterei zum Nachteil D. und Ha. sowie
der Förderung der Prostitution (richtig: der Ausbeutung von
Prostituierten)
zum Nachteil D. , Ha. , E. und H. in zwei selbständige
Taten aufgrund einer zwischenzeitlich erfolgten anderweitigen
Verurteilung
hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Zu
Recht weist der Generalbundesanwalt
darauf hin, daß es sich bei diesen Delikten um
Dauerstraftaten handelt,
die erst mit der Beendigung des rechtswidrigen Zustandes enden. Eine
solche Tat ist nur dann vor einer anderweitigen, früheren
Verurteilung im Sinne
des § 55 Abs. 1 StGB begangen, wenn sie zuvor beendet war
(vgl. BGH NJW
1999, 1344, 1346; siehe auch Laufhütte in LK 11. Aufl. vor
§ 174 Rdn. 20). Die
Beendigung der in Rede stehenden Taten lag indessen erst nach dem
anderweitigen
Urteil vom 13. August 1998, dem Zäsurwirkung zukommt (UA S.
194).
Dies hat zur Folge, daß die Verurteilung wegen
Zuhälterei in zwei tateinheitlichen
Fällen in Tateinheit mit "Förderung der Prostitution"
in vier tateinheitlichen
Fällen im ersten Komplex (zuerst gebildete Gesamtstrafe)
entfallen
muß. Die tateinheitlich mit diesen Dauerdelikten
verwirklichten drei Körperver-
19 -
letzungstaten zum Nachteil D. stehen damit ebenfalls in Tateinheit mit
der
dem zweiten Komplex zuzuschlagenden Zuhälterei und
"Förderung der Prostitution",
die beide den gesamten Tatzeitraum umfassen, zur Straffindung indessen
im zweiten Komplex zu berücksichtigen sind.
Der Schuldspruch ist entsprechend zu ändern. Im ersten Komplex
entfällt
mithin die insoweit verhängte Einzelstrafe von einem Jahr und
sechs Monaten
Freiheitsstrafe. Auswirkungen auf die Höhe der ersten
Gesamtfreiheitsstrafe
von sieben Jahren und neun Monaten schließt der Senat
angesichts der
Einsatzstrafe von sechs Jahren Freiheitsstrafe, der Vielzahl der auch
insoweit
abgeurteilten Taten und des außergewöhnlich straffen
Zusammenzuges der
Einzelstrafen aus. Dadurch, daß wegen der nun ausgesprochenen
tateinheitlichen
Verbindung die Einzelstrafe wegen der Fälle der Ausbeutung von
Prostituierten
im zweiten Komplex angesichts des gesteigerten Unwertgehalts unbeschadet
des Verschlechterungsverbots (§ 358 Abs. 2 StPO)
höher ausfallen
dürfte (vgl. BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 12), ist
der Angeklagte nicht beschwert.
3. Der Senat berichtigt zugleich einen Fassungsmangel in der
Urteilsformel
des Landgerichts: Die Strafkammer hat, wie sie in den
Urteilsgründen
selbst ausführt, die Überwachung und Steuerung der
vier Geschädigten E.
, H. , Ha. und D. als "Ausbeutung von Prostituierten"
(§ 180a StGB nF) gewertet (UA S. 197 f.), in der Urteilsformel
indessen versehentlich
die Bezeichnung der früheren Fassung des Tatbestandes
"Förderung
der Prostitution" verwendet. Neben diesem Tenorierungsfehler ist ebenso
ein
offensichtliches Schreibversehen in der Urteilsformel hinsichtlich des
Datums
des Urteils des Amtsgerichts Augsburg vom 6. Juli 1999 zu berichtigen,
dessen
Strafen einbezogen worden sind.
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4. Darüber hinaus ist die Bezeichnung der Verfallsanordnung in
der Urteilsformel
zu ergänzen. Aus den Urteilsgründen ergibt sich,
daß die Strafkammer
den erweiterten Verfall angeordnet hat (UA S. 264; § 73d StGB).
5. Die weitergehende sachlich-rechtliche Prüfung
fördert einen den Bestand
des Urteils gefährdenden Rechtsfehler zum Nachteil des
Angeklagten
nicht zutage.
B. Die Revision der Staatsanwaltschaft
I. Die Revision der Staatsanwaltschaft deckt zum Schuld- und zum
Strafausspruch keinen den Angeklagten begünstigenden
rechtlichen Mangel
auf. Soweit sie zugleich auch zugunsten des Angeklagten wirkt
(§ 301 StPO)
ist die insoweit gebotene Änderung des Schuldspruchs bereits
auf die Revision
des Angeklagten hin erfolgt (siehe oben).
Soweit die Beschwerdeführerin meint, der Angeklagte habe wegen
der
Taten zum Nachteil der Prostituierten E. und H. auch wegen
tateinheitlich
begangener ausbeuterischer und dirigierender Zuhälterei
verurteilt
werden müssen (§ 181a Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB),
muß der Senat hierauf
nach der Beschränkung der Strafverfolgung nicht eingehen (vgl.
Urteilsformel
unter I.). Eine etwaige Verurteilung auch wegen dieser Delikte zum
Nachteil
der beiden Frauen würde für die zu bildende
Einzelstrafe, aber auch aufs Ganze
gesehen nicht beträchtlich ins Gewicht fallen können
(§ 154a Abs. 1 Nr. 1,
Abs. 2 StPO).
II. Die Strafzumessung ist aus den vom Generalbundesanwalt in seinem
Terminsantrag vom 23. April 2003 ausgeführten
Gründen, auf die er sich in der
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Hauptverhandlung bezogen hat, von Rechts wegen nicht zu beanstanden (aaO
S. 4).
III. Die Ablehnung der Unterbringung des Angeklagten in der
Sicherungsverwahrung
nach der Ermessensvorschrift des § 66 Abs. 2 (in Verbindung
mit § 66 Abs. 1 Nr. 3) StGB begegnet durchgreifenden
sachlich-rechtlichen Bedenken;
auf die insoweit erhobene Aufklärungsrüge kommt es
deshalb nicht
an.
1. Die Strafkammer ist bei der Beurteilung, ob der Angeklagte einen
Hang zur Begehung erheblicher Straftaten hat, dem hinzugezogenen
nervenfachärztlichen
Sachverständigen nicht gefolgt. Sie hat einen solchen Hang
vielmehr verneint und sich dabei mit dem Gutachten im einzelnen
auseinandergesetzt.
Unter den Gründen, aus denen sie meinte, dem
Sachverständigen
nicht folgen zu sollen, hat sie ausgeführt, es "verwundere",
daß dieser die Art
und die Schwere der in Zukunft vom Angeklagten zu erwartenden Taten
allein
mit dem "Spektrum der bereits begangenen Taten" umschrieben und die
Bejahung
eines Hanges ausdrücklich von dem Nachweis der angeklagten
Taten
abhängig gemacht habe. Damit sei der Sachverständige
scheinbar „dem Zirkelschluß
verfallen“, aus den begangenen Straftaten auf den Hang
schließen
zu wollen und die zu erwartenden Straftaten wiederum aus dem Hang
herzuleiten
(UA S. 271).
Das ist rechtsfehlerhaft. Die Prüfung der materiellen
Voraussetzungen
der Sicherungsverwahrung muß gerade die begangenen Taten mit
in den Blick
nehmen, und zwar sowohl für die Frage des Hanges als auch
für die Gefährlichkeitsprognose.
Das Sachverständigengutachten unter anderem auch deshalb
für nicht tragfähig zu erachten, weil gerade dies
geschehen ist, verkennt
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die rechtlichen Grundlagen der anzuwendenden Norm. Schon das allein
führt
zur Aufhebung des Urteils in dem hier in Rede stehenden Umfang.
Soweit die Strafkammer im Anschluß an die Auseinandersetzung
mit
dem eingeholten Gutachten lediglich noch ausführt, sie habe
sich trotz der
Vielzahl der Vorahndungen und der nunmehr abgeurteilten Taten nicht in
der
Lage gesehen, bei dem Angeklagten das Vorliegen eines Hanges mit
hinreichender
Sicherheit festzustellen (UA S. 274), genügt auch das im
vorliegenden
Falle nicht den von Rechts wegen zu stellenden Anforderungen. Die
Würdigung
erweist sich insoweit als lückenhaft. Es hätte der
näheren Auseinandersetzung
mit den Vorahndungen bedurft, insbesondere mit den
Körperverletzungstaten
und der einschlägigen Vorverurteilung wegen Förderung
der Prostitution.
Zudem wäre die Entwicklung des Angeklagten in den letzten
Jahren,
namentlich die Intensität und die Vielfalt der
gegenständlichen, auch von wiederkehrender
Gewaltanwendung gekennzeichneten Taten zu erörtern gewesen,
die zum Teil auch von ausgeprägter Brutalität
gegenüber den Prostituierten
geprägt waren.
2. Die Strafkammer hat im Rahmen der Ausübung ihres Ermessens
einerseits
angenommen, daß der Angeklagte gefährlich im Sinne
des § 66 Abs. 1
Nr. 3 i.V.m. § 66 Abs. 2 StGB ist. Sie hat andererseits dann
aber hervorgehoben,
die verhängte Strafe sei so hoch, daß erwartet
werden könne, der Angeklagte
werde sich "die Strafverbüßung hinreichend zur
Warnung dienen lassen"
(UA S. 275). Sie hat zudem ihre Erwartung angeführt, der
Angeklagte
werde die lange Vollzugsdauer nutzen, um mittels seiner
„kognitiven Fähigkeiten“
seine Verhaltensmuster zu überdenken (UA S. 276).
Dies läßt besorgen, daß die Strafkammer
nicht in jeder Hinsicht von zutreffenden
Maßstäben für die
Gefährlichkeitsprognose und die Ermessensaus-
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übung ausgegangen sein könnte. Für die
Gefährlichkeitsprognose ist nach
feststehender Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - auch bei einer
Ermessensentscheidung
nach § 66 Abs. 2 StGB - grundsätzlich der Zeitpunkt
der
Aburteilung maßgeblich (BGHR StGB § 66 Abs. 2
Ermessensentscheidung 6;
vgl. BGHSt 25, 59, 61; BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 3; BGH NStZ
2002, 535).
Die Frage, ob die Gefährlichkeit zum Zeitpunkt der Entlassung
aus der Strafhaft
noch vorhanden sein wird, muß grundsätzlich einer
Überprüfung nach
§ 67c Abs. 1 StGB vor Ende des Vollzuges der Strafe
vorbehalten bleiben.
Zwar darf der Tatrichter bei seiner Ermessensentscheidung nach
§ 66 Abs. 2
StGB dem Alter des Angeklagten und den Wirkungen eines
langjährigen Strafvollzuges
auch Bedeutung beimessen; diese Umstände sind aber nur
beachtlich,
wenn sie - nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung - eine
Haltungsänderung
des Angeklagten erwarten lassen (BGHR StGB § 66 Abs. 2
Ermessensentscheidung
6; siehe auch BGH NStZ 2002, 30, 31).
Die Kammer spricht in diesem Zusammenhang jedoch lediglich von ihrer
"begründeten Erwartung" (UA S. 276 oben), daß der
Angeklagte in der Lage
sei, seine Verhaltensmuster zu überdenken und zu
ändern. Eine vertiefte Auseinandersetzung,
aus welchem Grunde eine Haltungsänderung angesichts des
bisherigen Weges des Angeklagten erwartbar sein könnte, findet
nicht statt.
Der Sache nach meint die Kammer lediglich, daß dem
Angeklagten das Potential
eigen sei, sich zu ändern. Allein das langjährige
Bedenken der eigenen Situation
im Strafvollzug vermag aber - zumal aufgrund des Ergebnisses der
Hauptverhandlung - auch bei vorhandenem Änderungspotential
noch nicht die
substantielle Erwartung einer Haltungsänderung zum Zeitpunkt
der Strafverbüßung
zu begründen.
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Soweit die Strafkammer darüber hinaus darauf abstellt, der
Angeklagte
habe in der Vergangenheit gezeigt, daß er in der Lage sei,
aus Sanktionen zu
lernen (UA S. 275 unten), ist dies nicht tragfähig belegt.
Sein bisheriger Lebensweg
sowie die Zahl und die Intensität der im Tatzeitraum
begangenen Delikte
deuten eher auf das Gegenteil hin. So hat es im Ergebnis auch der
Sachverständige
gesehen (UA S. 275 unten). Auch im Blick darauf hätte die
Wertung
der Kammer näherer Begründung bedurft.
3. Über die Anordnung von Sicherungsverwahrung muß
nach alledem
neu befunden werden. Der Ausspruch über die
verhängten Gesamtstrafen wird
davon nicht berührt. Die Strafkammer hat zwar im Zusammenhang
mit ihrer
Ermessensausübung in der Frage der Sicherungsverwahrung die
Höhe der
Strafen hervorgehoben. Dies läßt angesichts der
Besonderheiten des Falles
jedoch nicht besorgen, daß umgekehrt die Höhe der
Strafen von der Nichtanordnung
der Sicherungsverwahrung beeinflußt sein kann und
daß im Falle der
Anordnung von Sicherungsverwahrung niedrigere Strafen in Betracht
gekommen
wären. Der Senat schließt das aus; denn die
Einsatzstrafen zur Bildung
der beiden Gesamtfreiheitsstrafen sind im einen Falle nur
geringfügig, im anderen
Falle ersichtlich sehr maßvoll erhöht worden,
obgleich eine Vielzahl von
Einzelstrafen in beachtlicher Höhe einzubeziehen waren.
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